Ich finde es schade, dass in manchen Postings auf der letzten Seite ein sehr spöttischer oder zynischer Tonfall in Richtung des TE an den Tag gelegt wird. Bei allen unterschiedlichen Perspektiven, die hier besprochen werden, gab es meiner Meinung nach bisher keinen Anlass zu persönlichen Attacken oder aggressivem Tonfall.
Meine Kinder (heute 45-59 Jahre alt) und Enkelkinder (heute 18-20 Jahre alt) haben bis zum Abitur nur deutsche Staatliche Schulen besucht und sie sind mit dieser Wortwahl nicht aufgewachsen, sie haben auch nicht unter sich (oder mit ihren Freunden) so gesprochen. Meine Tochter hat viele Jahre im Ausland studiert (Fr, Eng, Nor, Swe), und auch dort wurde im gewöhnlichen Studentenalltag ohne obszöne Vulgarismen gesprochen.
Auch in meinem Alltag (inklusive Fahrten mit BuĂ und Bahn, wo Jugendliche in Hörweite unter sich sprechen) habe ich diese AusdrĂŒcke nie gehört (wohl aber Schei*e, spinnst du? du hast sie nicht alle o.Ă€.). Von daher kann ich nicht glauben, daĂ es den Alltag in Deutschland beschreibt.
Ich habe den Eindruck, dass es Dir sehr schwerfĂ€llt, von Deiner eigenen erlebten LebensrealitĂ€t zu abstrahieren. Wenn Dinge in Deinem Alltag nicht vorkommen, heiĂt das doch nicht, dass sie fĂŒr andere nicht Alltag sein können. Naduna hat anschaulich einen Einblick in ihre Erfahrungen mit der Verbreitung von VulgĂ€rsprache gegeben, auch in solchen Milieus, in denen Du es Dir nicht vorstellen kannst, wie beispielsweise unter Studenten. Das darf man einfach annehmen.
Ohne Akzeptanz dafĂŒr, dass auch solche Erfahrungen "normal" sein können, auch wenn Du sie in Deinem Umfeld nicht findest, drehen wir uns im Kreis.
Spannend finde ich immer wieder, dass Sprache nach wie vor so gut als Abgrenzung funktioniert - jetzt mal Geschlecht, Ăsthetik und Wahrnehmung im zeitlichen Kontext auĂen vor gelassen. Irgendwer hat immer gegen irgendwen rebelliert oder wollte sich zumindest abheben und dieses Muster ist unabhĂ€ngig von den Inhalten immer gleich geblieben. Also gilt fĂŒr FĂ€kal-/VulgĂ€rsprache durch Frauen doch das Gleiche wie bei allen anderen auch.
Sprache ist ein mĂ€chtiges Identifikationsmerkmal - nicht nur hinsichtlich des Gebrauchs von KraftausdrĂŒcken. Jeder von uns definiert sich mehr oder weniger bewusst auch ĂŒber seinen Sprachgebrauch, ob er/sie in einem Dialekt oder mit Akzent spricht, wie wichtig ihm/ihr Rechtschreibung und Grammatik sind, ob wir gendern oder nicht etc.
GemÀà vieler soziologischer Forscher prĂ€gt Sprachgebrauch Denken und RealitĂ€t. Linguistisch ist das umstrittener. Aber das ist ein wichtiger Treiber, warum ĂŒber Sprachgebrauch auch gesellschaftlich so intensiv debattiert wird.
Ich finde es fĂŒr mich recht einfach, mir einzugestehen, dass ich MĂ€nner und Frauen und deren Kunst immer unterschiedlich betrachten werde, weil ich eben so geprĂ€gt wurde, aber diese PrĂ€gung da eben weiter keine Rolle spielt. Ich gestehe jeder Frau genau das zu, was ich einem Mann zugestehe, das muss ich aber aktiv tun. Dass ich mich bei Frauen frage "dĂŒrfen die das?", wĂ€hrend ich es bei MĂ€nnern normal finde, das ist halt eingeprĂ€gt. Aber das, was da durch PrĂ€gung passiert, spielt ĂŒberhaupt keine Rolle.
Ich denke, dass das vielen MĂ€nnern schwer fĂ€llt. Man kann da progressiv sein wie nur was, aber man wird manche Dinge nicht los. Sich dessen einfach bewusst zu sein, so "ich sehe/fĂŒhle das anders, aber Du hast (auch) Recht", ist manchmal sehr schwierig, oder?
Dazu kommt, dass ich Feminismus wahrscheinlich nie so richtig verstehen werde. Ich bin ja nur indirekt betroffen. Aber ich kann bewusst Dinge unterstĂŒtzenswert und richtig finden, auch wenn unterbewusst immer ein "aber doch nicht als Frau" mit schwingt. Teil dessen ist halt, dass ich mir ein Defizit zugestehe und immer versuche, diese eingeimpften Denkweisen zu umgehen und zu kontrollieren.
Ich habe eine Ă€hnliche Erfahrung gemacht, obwohl ich mich immer in Sachen Gleichberechtigung fĂŒr progressiv hielt. Zwar habe ich eigentlich nie infrage gestellt, ob Frauen bestimmte Dinge wirklich "dĂŒrfen", aber ich habe viele diskriminierende Erlebnisse von Frauen oft nicht gesehen oder wahrgenommen. Da lebte ich auch lange in einer heilen Welt, in der wir schon alle gleichberechtigt sind. So richtig vor Augen gefĂŒhrt, wie tief verwurzelt die Rollenerwartungen bis heute sind, wurde mir dann, als wir ein Kind bekommen haben. Die impliziten Erwartungshaltungen unseres Umfelds an meine Frau waren krass zu erleben, vor allem weil umgekehrt an mich anscheinend gar keine solchen bestanden. Ich habe erlebt, wie leicht es ist, als "guter Vater" zu gelten, wenn man bereits kleine Anteile in der Care Arbeit ĂŒbernimmt (genaugenommen teilen wir sie uns tatsĂ€chlich ziemlich 50:50), wĂ€hrend es sehr schwer ist, eine "gute Mutter" zu sein, weil eigentlich alles, was Du machst, kritisch beĂ€ugt wird. Das ist sehr erschreckend.
Neu ist das jedenfalls nicht, und hat m.E. mit Feminismus wenig zu tun; man denke an Mozarts Kanon: âLeck mich im Arschâ.
Es gibt viele Spielarten des Feminismus. Warum das innerhalb der Rapszene eben doch eine Form davon ist, wurde hier im Thread eigentlich bereits erlÀutert.
Die Ăbernahme eigentlich abwertender Begriffe und deren Umdeutung im Zuge der SelbstermĂ€chtigung gibt es ja auch schon lĂ€nger. Das beste Beispiel ist das N-Wort. Insbesondere in den USA wird es von Schwarzen durchaus als Selbstzuschreibung benutzt, wĂ€hrend die Verwendung durch WeiĂe nach wie vor und zurecht als tiefst rassistisch gilt. Ein solcher emanzipatorischer Akt kann also gelingen und letztendlich machen das KĂŒnstlerinnen wie Shirin Davis und andere jetzt mit Begriffen wie "Bitch", ob wir das aus schöngeistiger Sicht nun "schicklich" finden oder nicht.