Najaa...
So sehr ich normalerweise für ein "jedem seine Meinung" bin, hier sehe ich es aus zwei Gründen etwas anders. Erstens: Wenn man das konsequent durchzieht, braucht man gar nicht erst zu diskutieren und kann sich einen solchen Thread sparen. Zweitens: Man muss (ja, muss) die Diskussion hier schon auf einer etwas sachlich-nüchternen Ebene führen als Instrumente und Musik an sich.
Ich versuch's mal so:
Vielleicht besteht ja bei diesem Statement Einigkeit: Ein Saiteninstrument ist ein hochkomplexes Gerät, dessen Gesamt-Sound von unheimlich vielen Faktoren abhängt. Okay?
Hier wird's schon kniffliger, ich hoffe aber, dass mir viele hier auch noch zustimmen: "Harte" Faktoren mit definitiver Auswirkung auf den Sound einer E-Gitarre sind z.B. die Pickups (man vergleiche mal den "Grundsound" von aktiven High-Output Humbuckern mit Vintage Singlecoils), Einstellung der Klangregelung (z.B. Tone-Poti auf oder zu), Saiten (alt oder neu, hoch oder tief gestimmt), etc.
Über den Einfluss von "weicheren" Faktoren wie Art des verwendeten Holzes, (Semi-)Hollowbauweise, Holz bzw. Konstruktion des Halses (geleimt vs. geschraubt, Ahorn vs. Palisander, etc.), Knochensattel vs. Graphit vs. Kunststoff etc. kann man dagege schon trefflich streiten. Einige schwören drauf, andere nicht - okay, fein, auch gut.
Denn (siehe Ausgangsstatement): Alle diese Faktoren wirken in die verschiedensten (oder auch gleichen) Richtungen und tragen vielleicht etwas zum Sound des Instruments bei. Es ist auch vorstellbar, dass ein winziges Detail über irgendwelche Koppel-, Resonanz- oder sonstwas-Effekte dann doch irgendwie den Gesamtsound beeinflusst. Vielleicht ist das ja als erste Kompromissbasis für die Diskussion konsensfähig?
Diesen Ansatz kann man natürlich beim verwendeten Verstärker fortsetzen: Lautsprecher haben unterschiedliche Wirkungsgrade und klingen anders, die verwendeten Bauteile haben unterschiedliche Toleranzen und sind zum teil extremst unterschiedlich verschaltet oder es werden sogar komplett unterschiedliche Technologien verwendet, um das Ziel der Verstärkung zu erreichen. Röhre vs. Transistor, Combo vs. Top+Box, aktive vs. passive Klangregelung, Class A vs. andere, Leistung, usw, etc, ... unterschiedliche Verstärker klingen unterschiedlich, das wissen wir alle. Vielleicht ist ja auch das konsensfähig.
Gemeinsam dabei ist, dass sich die unterschiedlichen Bauteile wechselseitig irgendwie beeinflussen bzw. es wirklich nachweisbare direkte Zusammenhänge gibt. Es ist schon logisch, dass ein simpler Class A Röhrenverstärker durchaus anders klingen kann (selbst an derselben Box und mit denselben Leistungsdaten) als ein moderner Transistorverstärker. Betonung liegt auf "kann" - z.B. ist es im HiFi-Bereich durchaus möglich, mit diesen aus Gitarristensicht so "extrem unterschiedlichen" Technologien einen völlig neutralen High End Sound hinzukriegen, der halt einfach nur toll und neutral klingt, aber keinesfalls nach "Transe" oder "Röhre".
Ich hoffe, dass mir bis hier hin noch viele folgen und zustimmen können.
Aber jetzt: Strom ist es halt wirklich verdammt nochmal total egal, in welche Richtung er durch ein Kabel fließt. Das ist physikalisch halt einfach so, das ist Physik, Naturwissenschaft. In diesem Punkt ist nix mit vielen Faktoren und unterschiedlichen Effekten - hier gilt ein simples Naturgesetz. Wer's ausprobieren mag, verwende mal im PC-Netzwerk ein Patchkabel andersrum und teste den Speed, vertausche an seiner Stereoanlage mal die Cinch-Kabel oder achte darauf, wie sich nix am Sound ändert, wenn man sein Gitarrenkabel mal so und mal so verwendet. (JA, ICH WEISS - hier geht die Diskussion so richtig los, aber hier spielt halt das "Gefühl" gegenüber Naturgesetzen eine so große Rolle wie "ich finde die Kernfusion scheiße und gefährlich" und "naja, unsere liebe Sonne am Himmel ist aber nichts anderes als eine riesige permanente Kernfusionsmaschine".
Natürlich spielt - besonders bei langen Kabeln - der Widerstand des Kabels schon eine Rolle (der hängt z.B. auch von Wärme ab), es kann natürlich auch Beeinflussungen durch Einstreuungen geben (zumindest kennen wir das ja alle vom Gitarrenkabel). Vielleicht fange ich damit wieder den einen oder anderen ein?
Und JA, wenn man dünne Kupferdrähte bzw. Telefonkabel als Boxenkabel verwndet, dann ist es schon gut möglich, dass die mit den Strömen aus der Endstufe nicht wirklich gut verarbeiten und der Sound am Ende scheiße (bis "gar nicht, weil durchgebrannt") ist. Ob man aber nun ein vernünftig dickes Boxenkabel, ein vernünftig dickes Stromkabel oder ein vernünftig dickes massives Stück Gold verwendet, ist wirklich wurscht.
Denn: Da fließen ein paar Elektronen, aus dem schon vorhandenen (!!!) Wechselstrom wird im Lautsprecher der Ton gemacht. Die Saiten schwingen, die Tonabnehmer nehmen diese Schwingungen auf, der Verstärker verstärkt sie - und die Kabel und sonstigen Verbindungen leiten sie (und nichts mehr!). Ein Kabel kann nicht klingen, da "schwingt" nix. Gut, man könnte jetzt das Kabel durch ein starkes Magnetfeld leiten oder wirklich stark erhitzen, dann käme ein anderer Ton raus - läge aber nicht am Kabel, sondern an der "Klangregelung" (Magnetfeld bzw. Hitze mit Auswirkungen auf den Widerstand).
Fazit: Man kann verdammt viel tun, um seinen Sound zu suchen, zu finden oder zu ändern. Die Kabel sind so ziemlich der einzige Punkt, der - wenn man voraussetzt, dass man "anständige" und für die auftretenden Belastungen geeignete Kabel verwendet - wirklich keinen Hebel dafür aufweist.
Nicht falsch verstehen: Ich verwende recht "hochwertige" Sommer Cables und Neutrik Stecker für meine selbstgelöteten Gitarrenkabel, zwecks Abschirmung, mechanischer Haltbarkeit, Zuverlässigkeit und Optik. Die sind halt "vernünftig". Mein Boxenkabel ist (da Combo) KEINER mechanischen Belastung ausgesetzt, "vernünftig" dimensioniert - und da es nicht klingen kann (!), ist es halt das, was mir der Hersteller mitgegeben hat.
Hat schon mal einer überlegt, warum es noch keine "Vintage Reissue Speaker Cables" gibt? Ich sag's Euch: Weil man diese gefährlich dünnen und unattraktiven Strippchen im Gegensatz zu "Fuzz Face mit Germanium Transistoren" und "den frühen Fenders nachempfunden" und "auf 60s Sound gealterte Pickups" halt wirklich nicht vermarkten kann.
Wenn man also an ein paar Naturgesetze glaubt, dann muss man halt wirklich sagen: Vernünftige Kabel sind schon Pflicht, der Zuverlässigkeit usw. wegen. Aber Kabel klingen nicht und daher kann man vernünftige Kabel nicht durch "bessere" ersetzen.