Heptatonik

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hi,
wenn ich nach dem ursprung der sieben kirchentonleitern frage bekommen ich meisst die antwort ''von der orbertonreihe'' aber wie diese jetzt von ihr abgeleitet wurden weis ich nicht. und wie sind die europäer überhaupt auf die heptatoniken gekommen und wieso hat sich am ende doch der ionische und äolische modus durchgesetzt ? warum haben sich damals nicht andere tonleitern durchgesetzt wie zb die lydische mollskala ? auf diese fragen habe ich nie eine echte antwort bekommen .. ich möchte bitte keine vermutungen sondern fakten als antwort bekommen.
 
Eigenschaft
 
Die "kirchentöne" mit ihrer heptatonik stammen ais der griechischen musiktheorie, nachdem man zwei verschieden zu stimmende tetrachorde mieinander verbunden hatte, daher auch die bezeichnungen nach antiken landschaften. Sie sind die basis einstimmigen gesanges.
Die reduktion auf zwei ergab sich aus dem trend zur mehrstimmigkeit, als resultat: die tonale kadenz mit ihren leitonbeziehungen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Aristoxenos
 
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Das mit den "Fakten" ist schwierig, weil sich Tonsysteme entwickeln - durch probieren und langsam wachsende Traditionen.
Außerdem haben sich nicht äolisch und Ionisch "durchgesetzt". Man hat vielmehr Kadenzen entdeckt - wie Günther schon schreibt. Wenn man die "verlängern" will, also eine längere harmonisch gerichtete Strecke schreiben will, braucht man die Tonalität. Die hat den Vorteil, daß man mit der Erwartungshaltung des Hörers spielen kann und daß man modulieren kann. Als Nachteil ist sie nicht so farbig wie modale Musik. Naja, später dann durch Chromatik/Alteration schon, aber bei Bach z.B. nicht.
 
Wenn Bach nicht vielfach "chromatisch" schreibt, wer dann?
h-moll präludium (überleitender schluss) und fuge WTK I (schon im thema) verwenden alle 12 töne. Eine "Chromatische phantasie und fuge" gibt es auch.
Besonders in d- und h-moll geht er in die chromatik (6. Partita).
 
Was ich meinte, waren Alterationen als reine Klangfarbe, wie man sie in der Romantik findet. Bei Bach haben alle Töne einen strukturellen Sinn.
 
Das mit den "Fakten" ist schwierig, weil sich Tonsysteme entwickeln - durch probieren und langsam wachsende Traditionen.
tonsysteme entwickeln sich nicht einfach so durch ausprobieren diese möchte ich ja logisch erklären wie z.b die dur-pentatonik durch quintschichtung.. deshalb die frage wie man die kirchentonarten von der obertonreihe ableitet.

Außerdem haben sich nicht äolisch und Ionisch "durchgesetzt". Man hat vielmehr Kadenzen entdeckt - wie Günther schon schreibt.
das ist richtig kadenzierende harmonik hat sich durchgesetzt aber äolisch und ionisch haben sich sehr wohl durchgesetzt und die anderen verdrängt wo hat mozart denn bitteschön eine sonate in mixolydisch oder phrygisch geschrieben ? genausogut kann es kadenzierende harmonik in dorisch geben ...deshalb also warum haben sich äolisch und ionisch durchgesetzt?

Wenn man die "verlängern" will, also eine längere harmonisch gerichtete Strecke schreiben will, braucht man die Tonalität.
ich verstehe nicht ganz was das nun mit meinen fragen zutun hat aber diese aussage stimmt nicht ganz. was heisst denn bitteschön verlängern ? jede kadenz ist auf ein tonales zentrum bezogen man braucht diese nicht verlängern ... die kadenz an sich erfordert eine tonalität. mit T S D ist die tonalität entgültig definiert da braucht man nix mehr verlängern

Wenn man die "verlängern" will, also eine längere harmonisch gerichtete Strecke schreiben will, braucht man die Tonalität.Als Nachteil ist sie nicht so farbig wie modale Musik.
modale skalen sind nicht tonal ? deine beiden aussagen wiedersprechen sich völlig und beantworten meine frage nicht. auch mixolydisch ist eine tonalität

Was ich meinte, waren Alterationen als reine Klangfarbe, wie man sie in der Romantik findet. Bei Bach haben alle Töne einen strukturellen Sinn.
alterationen als reine klangfarbe ? alterationen kamen entweder zustande durch die erweiterte harmonik (hauptsächlich zwischendominanten) oder sie waren melodische leittöne
bei bach übrigens waren zwischendominanten keine seltenheit auch melodische leittöne zwar nicht sehr oft aber schon recht häufig kamen vor (was meinst du mit strukturellen sinn ?)
 
Wenn Du alles schon weißt, schreib Dir die Antworten doch selbst in Deine Frage :D
Und Mixolydisch ist eben nicht tonal, sondern modal - das ist der feine Unterschied, genauso wie moll eben nicht äolisch ist ;)
Deshalb hat sich äolisch auch nicht durchgesetzt, aber Du weißt es ja... :D
 
Der Ursprung der Heptatonik verliert sich im Schatten der Geschichte. Nach Sachs "Musik in der Antike" (1928) liegt deren Ursprung etwa im 4. Jahrtausend vor Christi irgendwo zwischen China und Babylon. Auf einem Babylonischen Vasenfragment sind 2 Instrumente mit 5 und 7 Saiten zu sehen. Auf einer Ägyptischen Malereien aus einem Grab in Theben kann man Instrumente sehen, bei denen man sogar Rückschlüsse auf die Tonstufen ziehen kann.
Auch die Intervalle Oktave Quinte und Quarte wurden in beiden Kulturen beschrieben. Sogar die Unterteilung der Oktave in zwei Abschnitte (später bei den Griechen Tetrachord genannt) wurde schon beschrieben.
 
Das einzige was man weiss,dass Aristoteles die Modi anhand männlicher Empfindungen erklärt hat.
Trauer und Ernst = mixolydisch , Begeisterung = phrygisch usw..

Allerdings ist die korrekte Zuordnung der Begriffe zum entsprechenden Modi verloren gegangen.

Boethius konnte also nur die Logik von Aristoteles übernehmen und vorhande Informationen
übersetzen,und hat dann versucht das Ganze mit einem Gottesdienst abzustimmen.

Viel später dann,hat Papst Gregor diese Musiktheorie für die Kirche klassifiziert.
Allerdings die Modi per Nummer System und nicht nach den falschen
griechischen Bezeichnungen.

möchtegernbach schrieb:
und wieso hat sich am ende doch der ionische und äolische modus durchgesetzt

Das ging nicht von heute auf morgen, und ich glaube nicht das äolisch und ionisch die Kirchentonleiter so schnell ablösten wie viele glauben. Denn es ist schwer vorstellbar, dass Komponisten im 17. Jh auf den Gregorianischen Gesang mal eben so verzichtet hätten. Das ist historisch fast unmöglich.

Es kann eigentlich nur parallel abgelaufen sein,als man mit Hilfe der temperierten Stimmung
erkannte, was es mit Quintverwandschaften eigentlich auf sich hat.

Da die Kirchentonarten ja unter anderem auch zu dieser Zeit um aölisch und ionisch erweitert wurden,
und die Oktave in 12 gleiche Teile aufgeteilt wurde, konnte sich äolisch und ionisch erst so richtig entfalten.

Ich kann das natürlich auch nicht historisch belegen,aber für mich ergibt eine solche
Betrachtungsweise zur Durchsetzungsentwicklung von Moll und Dur viel mehr Sinn.
 
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Hi!

Eine Verständnisfrage: warum wird für die Musik zwischen 1700 und 1850 , also T S D nach Akkord-Skalen Zusammenhängen gesucht?
Der Leitton in Moll zB. wurde komponiert, unabhängig von einer Frage nach seiner Skalenherkunft. ( Hm / MM vs Aeolisch ).
Davor, zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert, der homophonen Zeit, waren Akkord-Skalen Bezüge ebenfalls nicht relevant, und vor dem 16. Jahrhundert war ein harmonisches Empfinden noch gar nicht ausgeprägt. T S D hat sich also nicht aus Skalen heraus etabliert, sondern aufgrund von Leittönigkeit, Stimmführung und Quintfall Dieses Hörempfinden, welches T S D hervorbrachte, lässt sich aus Skalensicht nachträglich betrachtet mit Ionisch und Aeolisch / Harmonisch Moll beschreiben. Warum nicht andere harmonische Bezüge beliebt wurden, die nachträglich mit zB. Mixo #11 oä. erklärbar wären, kann ich nicht beantworten ohne zu spekulieren.

Grüße!
 
möchtegernbach;5443090 schrieb:
... wo hat mozart denn bitteschön eine sonate in mixolydisch oder phrygisch geschrieben ?

Na gar nicht! Aber genausowenig hat er welche in (rein !) ionisch oder äolisch geschrieben. Wie Tonfilter in Post Nr. 10 nach meinem Empfinden so richtig angemerkt hat, hat sich wohl im wesentlichen das Ereignis der leittönigen Kadenz durchgesetzt - als Gegensatz zu dem eher linearen Ereignis irgendeines Modus. Und dies wiederum wurde doch sehr stark von der ganzen Stimmungs-Thematik begünstigt, sowie - mein persönliches Steckenpferd - von dem (damit verbundenen) Vorhandensein von Tasteninstrumenten, auf welchen man die ganze Welt der gleichstufigen Harmonik quasi vor sich liegen sieht und damit herumspielen kann.

Jeder Komponist hat wohl beides benützt und verarbeitet: Kadenzielle Vorgänge und modale Klangfarben. Und hat dies vermischt und abgewechselt ... DUR bzw. "ionisch" ist halt der einzige Modus, bei dem eine kadenz mit ihren Leittonverbindungen vollständig möglich ist ... aber am Beginn der Empfindungen steht wohl nicht der Klang des Modus "ionisch", sondern die Wirkung der daraus resultierenden Kadenz ...

LG- Thomas
 
Hi!

Eine Verständnisfrage: warum wird für die Musik zwischen 1700 und 1850 , also T S D nach Akkord-Skalen Zusammenhängen gesucht?

Der Antrieb lag damals im lösen des pythagoreischen Komma Problems. Es ging nur um Frequenzverhältnisse.

Bis es mal zur temperierten Stimmung kam verging ja auch viel Zeit.
Denn Andreas Werckmeister hat soviele Möglichkeiten durchgerechnet bis es passte.

Die 12 Quinten ...

Dieses Hörempfinden, welches T S D hervorbrachte, lässt sich aus Skalensicht nachträglich betrachtet mit Ionisch und Aeolisch / Harmonisch Moll beschreiben. Warum nicht andere harmonische Bezüge beliebt wurden, die nachträglich mit zB. Mixo #11 oä. erklärbar wären, kann ich nicht beantworten ohne zu spekulieren.

Warum sollte man denn überhaupt spekulieren?

Man hat sich von der Melodik "abgewandt",weil es eben nicht stimmig war, und sich in der Harmonik weiterentwickelt.
Deshalb ist ionisch und äolisch übrig geblieben.
 
Hallo möchtegernbach,

vielleicht hilft Dir dieser Artikel über Dur und Moll von Peter Benary (beginnend ab Seite 14) etwas bei der Antwortfindung weiter.
 
In den Bänden der MGG (Musik in Geschichte und Gegenwart) stehen eine Reihe von ausgezeichneten Artikeln zur Entstehung der Heptatonik und zur Entstehung des Dur-Moll-Systems. (Cudo hat die online-Quelle von einem gefunden.)

Die Entstehungsgeschichte ist so komplex, daß man auf die gestellten einfachen Fragen unmöglich eine einfache Antwort geben kann. Durch eine Beschränkung auf "Fakten" wird die Aufgabe noch einmal um eine Größenordnung erschwert, denn so ergiebig sind viele Quellen nicht, als daß man Legende und Wirklichkeit ganz selbstverständlich voneinander trennen könnte.

Die Angaben in der antiken Legende Pythagoras in der Schmiede sind z.B. physikalisch falsch und das berühmte Monochord mit dem Pythagoras gearbeitet haben soll, wurde möglicherweise erst lange nach seinem Tod eingeführt.

Wem ist heute noch bewußt, daß die alten Griechen drei Tongeschlechter kannten (Diatonik, Chromatik, Enharmonik). Sie basierten auf unterschiedlichen Tetrachordteilungen, lagen in einer Reihe unterschiedlicher Stimmungen vor, die u.a. verschiedene Varianten von Viertel- und Halbtönen enthielten. Das alles bei einer einstimmig ausgerichteten Musik, die i.d.R. von absteigenden Tonleitern gekennzeichnet war.
Vorschnell haben wir wohl die Tendenz, die überraschend komplexe Musik früherer Zeiten nur im Hinblick darauf zu deuten, inwiefern sie Vorstufen zur heutigen Musik darstellt.

Es wurde schon von Günther Sch. angedeutet, daß die Enstehung der Dur-Moll-Tonalität etwas mit der Entwicklung der Mehrstimmigkeit und der Kadenz mit ihren Leittonbeziehungen zu tun hat.

Die Entstehung einer dominantischen Tonalität lokalisiert man in die Zeit um 1430. Alle drei Hauptfunktionen (T, D und S) treten erst um 1550 auf. (Carl Dahlhaus: "Tonalität" in MGG, S. 626)

Ich denke, man kann davon ausgehen, daß historisch gesehen, unser heutiger Tonvorrat eher nicht aus der Obertonreihe stammt, sondern aus geschichteten Quinten (Quint=erster neuer Ton der Obertonreihe).

Ganz anschaulich bezeichneten die alten Chinesen diese verwandschaftlichen Beziehungen als Sohn (1.Quinte), Enkel (2.Quinte), Urenkel (3.Quinte) usw.. Entstehende Unverträglichkeiten entfernterer Quinten zum Ausgangston beobachteten sie ebenfalls und kamen zur der sehr menschlichen Aussage, daß bestimmte Enkel nicht miteinander heiraten können (Dissonanz). (Sie unterschieden männliche und weibliche Stammtöne.)


Die Konsonanz der Terz wurde endlich gewürdigt im Rahmen der Entwicklung der Mehrstimmigkeit. Erst nun, in der Renaissance, wurde die pythagoreische Stimmung durch eine rein gestimmte Terz abgelöst (Reine Stimmung bzw. mitteltönige Stimmung).

Unsere heutige gleichstufig temperierte Stimmung wurde übrigens zuerst von Chu Tsai-yü 1584 in China sehr genau berechnet und in Europa, unabhängig davon, 1588 von Zarlino exakt geometrisch dargestellt, also lange vor Werckmeister (1645-1706).

Zurück zu einer Ausgangfrage, die noch nicht behandelt wurde:

möchtegernbach;5429736 schrieb:
... wenn ich nach dem ursprung der sieben kirchentonleitern frage bekommen ich meisst die antwort ''von der orbertonreihe'' aber wie diese jetzt von ihr abgeleitet wurden weis ich nicht.

Die Stammtöne unserer diatonischen Tonleiter können leicht von der Obertonreihe abgeleitet werden, obwohl dies entstehungsgeschichtlich wohl kaum eine Rolle gespielt haben dürfte:

1. Man nehme die ersten drei verschiedenen Obertöne (Oktaven als gleich betrachtet). Resultat: der Dur-Dreiklang
2. Man wende das Verfahren auf die nächsten Quinterverwandten (Ober- und Unterquinte) an. Resultat:

Unsere Stammtöne in reiner Stimmung!

Rechnung:

Frequenzverhältnisse

Dur 4 : 5 : 6
Oberquinte: 6 : 7,5 : 9
Unterquinte:8/3 : 10/3 : 4

oder mit 6 erweitert, damit wir bei den ganzen Zahlen bleiben:

Dur 24:30:36
Oberquinte: 36:45:54 (neu: 45 und 54->27)
Unterquinte: 16:20:24 (neu: 16->32 und 20->40)
(-> = oktaviert)

Richtig sortiert, ergibt sich die Stammton-Reihe:
24, 27, 30, 32, 36, 40, 45

vergleiche:

Reine Stimmung (hier die Quelle der Tabelle der Frequenzverhältnisse)
Code:
24:24    1/1     Prim
27:24    9/8     große Sekund
30:24    5/4     große Terz
32:24    4/3     Quart
36:24    3/2     Quint
40:24    5/3     große Sext
45:24    15/8    große Septim

War doch gar nicht so schwierig, oder?

Folgende reine Stammtöne treten auch direkt in der Obertonreihe/Naturtonreihe (harmonisches Spektrum) eines Tones auf:

Teiltöne:

Prim: 1, 2, 4, 8, 16...
große Sekunde: 9, 18...
große Terz: 5, 10, 15...
Quinte: 3, 6, 12...
große Septime: 15, 30...

Man sieht, daß die Töne der Dominante alle vorhanden sind, im Gegensatz zur Subdominanten (die reine Quart und die große Sext fehlen).

Man könnte daraus ableiten, daß Dominante und Tonika enger verwandt sind als Subdominante und Tonika.

Wie wir oben gesehen haben, wurde das interessanterweise historisch in der Anwendung auch so nachvollzogen. Um 1430 wurde eine dominantische Tonalität eingeführt, um 1550 auch eine subdominantische.

Auch in den einfachen Liedchen (z.B. Kinderlieder, Volkslieder) spielt die Dominante meist eine größere Rolle als die Subdominante.

Viele Grüße

Klaus
 
Zuletzt bearbeitet:
Das mit den "Fakten" ist schwierig, weil sich Tonsysteme entwickeln - durch probieren und langsam wachsende Traditionen.

Das mit den wachsenden Traditionen ist ein wichtiger Punkt,wenn es darum geht sich frei entfalten zu können.

Allerdings wusste man in Bezug auf die Kirchentonleitern schon ,dass es eigentlich kein "Modi system" braucht,
wenn man auf 2 Tonarten zurückgreifen kann, die modal zueinander stehen.

Das hat man sich natürlich sehr mühsam erarbeitet und errechnen müssen.
Aber es gab keinerlei Grund ,nun deshalb gleich auf die melodische Interaktion zwischen Priester und Chor zu verzichten.

In Bezug auf Dur und Moll war die Romantik allerdings sehr fördernd.

Weil subjektive Eindrücke und Gefühle immer wichtiger wurden,und somit auch die Art und Weise,Musik zu transportieren.

Man hat aber deshalb nicht auf gregoriansichen Gesang verzichtet, sondern sich "endlich" auch parallel zur Kirchenmusik in der Harmonik weiter entwickeln können.
 
Klaus, das waren sehr interessante Ausführungen. Vielen Dank dafür.

Zum Thema "Diatonik, Chromatik, Enharmonik" hatte ich mir vor einiger Zeit mal 'ne Grafik gemacht - zum Veranschaulichen.

Danke für den freundlichen Kommentar!

Zu den Begriffen "Diatonik, Chromatik, Enharmonik" muß man sagen, daß diese zwar von den Griechen geschaffen wurden, heute aber teilweise eine ganz andere Bedeutung bekommen haben. Wir sprechen hier über einen zeitlichen Abstand von grob 2500 Jahren und ähnlich dem Kinderspiel Stille Post kommt am Ende der Leitung u.U. etwas ganz anderes heraus.

"Diatonik" wird von Wikipedia übersetzt mit "durch (die) Töne (gehend)" übersetzt.

Da stellt sich die Frage, durch was sonst gegangen werden soll, wenn nicht durch Töne?
Mehr Sinn macht es, wenn unter "Ton" der "Ganzton" verstanden wird (wie z.B. vom Musikwissenschaftler Peter Cahn in MGG)

Vielleicht für manche überraschend, doch es ist so, daß in den Tetrachorden der beiden anderen Tongeschlechter der Griechen (chromatisch und enharmonisch) keine Ganztöne vorkommen!

Der diatonische Tetrachord kann daher als Vorläufer bzw. Element unserer diatonischen Tonleiter (Heptatonik) gesehen werden.
Vorausgegangen war eine Entwicklung in der Griechischen Musik vom 5. bis 3. Jh. v. Chr., in der sich aus einem pentatonischen System ein heptatonisches vollzog.

Der Tetrachord genauer betrachtet:

Ein Tetrachord umfaßt den Tonraum einer Quarte. Letztere ist bei den Griechen i.d.R. rein gestimmt und stellt fixe Ecktöne dar.
Die beiden Binnentöne sind hingegen variabel und entscheidend für das Tongeschlecht.

Vereinfacht zeigen die Tetrachorde der drei Geschlechter folgenden Aufbau:

diatonisch: Ganzton-Ganzton-Halbton
chromatisch: kleine Terz-Halbton-Halbton
enharmonisch: große Terz-Viertelton-Viertelton

Die Tonschritte sind nach altgriechischer Lesart absteigend zu lesen! Diatonisch also z.B. a-g-f-e, was heute als "Phrygisch" bezeichnet wird. (Dank der "Stillen Post"! In Wirklichkeit war es bei den Griechen "Dorisch".)

Zwei Tetrachorde können nun auf zweierlei Arten miteinander verbunden werden.

Es kann ein Ton als gemeinsamer Ton betrachtet werden, dann entsteht eine siebentönige Tonleiter, z.B.
d'-c'-b(dt.)-a-g-f-e (verbundene Tetrachorde)

Die beiden Tetrachorde können aber auch durch einen Ganzton voneinander getrennt werden:
e'-d'-c'-h-a-g-f-e (unverbundene Tetrachorde)

Tetrachorde wurden zu größeren Tonleitern zusammengefügt, z.B.

a'-e':e'-h:/a-e:e-H ("Größeres Vollkommenes System")
d'-c'-b(dt.)-a:a-e:e-H/A ("Kleineres Vollkommenes System")

Die beiden Binnentöne im Tetrachord sind, wie oben erwähnt, variabel und bestimmten das Tongeschlecht. Doch auch bei den einzelnen Tongeschlechtern gibt es eine Variabilität, sogar eine sehr breite. Die obigen Angaben (Ganzton, Halbton und Viertelton) sind nur als Orientierung zu sehen.

Von Ptolemeios sind fünf Varianten des diatonischen Tetrachords bekannt, zwei des chromatischen und ein enharmonisches.
Aristoxenos beschreibt drei diatonische, vier chromatische und ein enharmonisches Tetrachord. Er war bestrebt, nur temperierte Viertel- und Halbtöne gelten zu lassen, doch die musikalische Praxis war vielfältiger.

Keiner der Tetrachorde des Ptolemeios und Aristoxenos waren identisch gestimmt. Die beiden enharmonischen Tetrachorde waren z.B. folgendermaßen gestimmt (in Cent):
38 73 387 (Ptolemeios)
50 50 400 (Aristoxenos)

(Information hauptsächlich aus MGG, zusammengefaßt)

Vielleicht ist deutlich geworden, daß die Griechen eine ganz ganz andere Musikauffassung hatten, als wir heute.

Altgriechische Klangfragmente kann man sich hier anhören (auf "The Melodies" gehen). Das erste Fragment (Euripides, Orestes, ~200 BC) ist in enharmonischer Stimmung.

Noch eine wichtige Abschlußbemerkung: Das diatonische Tonsystem des Aristoxenos (ca. 360-300 v. Chr.) wurde später von Euklid (ca. 360-280 v. Chr.) pythagoreisch umgedeutet (einfache Zahlenverhältnisse).
Euklids Tonsystem wurde zur Grundlage des modernen Tonsystems mit der heute üblichen Bezeichnung durch die Tonbuchstaben des Odo von Cluny (ca. 878-942).

Quellen/Literatur: MGG (Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Allgemeine Enzyklopädie der Musik, begründet von Friedrich Blume, Bärenreiter- u. Metzler-Verlag, Leseprobe), Stichworte: "Griechenland", "Diatonik, Chromatik, Enharmonik"
Wikipedia: Musiktheorie im antiken Griechenland
Wikipedia: Geschichte der Enharmonik und der Enharmonischen Verwechslung


Viele Grüße

Klaus
 

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