Früher bekannte Kanons, die nicht mit demselben Ton einsetzen

Bernnt
Bernnt
Registrierter Benutzer
Zuletzt hier
22.01.25
Registriert
03.02.17
Beiträge
3.331
Kekse
14.297
Ich suche Kanons, deren Einsätze nicht immer auf demselben Ton erfolgen. In der Barockmusik kennt man so etwas. Bach etwa hat einige komponiert. Gibt es solche Kanons, die früher zum bekannten Repertoire des Volkes gehörten oder sind solche Kanon-Kompositionen eine rein akademische Angelegenheit? Kennt sich hier jemand aus? Würde mich über einige Titel freuen, wenn es solche Volks-Kanons tatsächlich gibt...
 
Nun ja. Dann gibt es keine?
 
Nun ja. Dann gibt es keine?
Vielleicht schon. Allerdings ist mir persönlich die Fragestellung zu unklar…:
  • was meinst du mit „früher“? Welche Epoche?
  • der Kanon ist eine polyphone Form, die eine Wandlung durchgemacht hat. Bekanntestes Beispiel ist Pachelbel, dessen D-Dur-Kanon ist ein auskomponiertes Werk über einen gleichbleibenden Bass. „Bruder Jakob“ dagegen ist auch ein Kanon, aber als einzelne Melodie kompniert, deren versetzte Einsätze Polyphonie und Harmonik erzeugen. Welche Form von Kanon schwebt dir bei der Fragestellung vor?
  • was meinst du mit den „Einsätzen, [die] nicht immer auf dem selben Ton“ erfolgen? Schwebt dir da ein auskomponiertes Werk vor, oder eine Melodiezeile mit Modulationen, die in eine höhere Tonart führt? Vielleicht kannst du anhand eines Beispiels aus Bachs Musikalischem Opfer beschreiben, was gemeint ist
Ist vielleicht auch eher ein Thema fürs Musikwissenschaft-Unterforum.
 
Ah. Vielen Dank, dass Du Dich meldest, @HaraldS .

was meinst du mit „früher“? Welche Epoche?
Barock oder vielleicht auch Klassik. Ich suche Gassenhauer-Kanons, die nicht auf demselben Ton anfangen. Wobei Gassenhauer auch so ein Thema ist. "Bruder Jakob" etwa wurde wohl von Rameau komponiert und später erst zum Gassenhauer - wie man seit ein paar Jahren weiß. Aber nach "Bruder Jakob" und Konsorten suche ich nicht, weil die später einsetzenden Stimmen ja auf demselben Ton anfangen.

Bekanntestes Beispiel ist Pachelbel, dessen D-Dur-Kanon ist ein auskomponiertes Werk über einen gleichbleibenden Bass.
So etwas suche ich nicht. Ich meinte Kanons wie etwa "Bruder Jakob", "Viel Glück und viel Segen", "Hejo spann den Wagen an" oder "Heut kommt der Hans zu mir" - aber eben mit einem Einsatz auf einem anderen Ton. Keine komponierten Ostinato-Bass-Variationen oder Variationen über ein bestimmtes Akkordmuster wie den Pachelbel-Kanon. Hoffe, dass jetzt meine Frage klar ist.

Ist vielleicht auch eher ein Thema fürs Musikwissenschaft-Unterforum.
Vielleicht. Wenn das der Fall ist, verschiebt den ganzen Thread bitte.

was meinst du mit den „Einsätzen, [die] nicht immer auf dem selben Ton“ erfolgen? Schwebt dir da ein auskomponiertes Werk vor, oder eine Melodiezeile mit Modulationen, die in eine höhere Tonart führt? Vielleicht kannst du anhand eines Beispiels aus Bachs Musikalischem Opfer beschreiben, was gemeint ist

Nichts Auskomponiertes. Die Sache formal treffen würde etwa Bachs "Kunst der Fuge", dort Canon alla Decima - Contrapunto alla Terza (BWV 1080, 16). Dort kommt im 5.Takt in der Oberstimme das Thema um eine Terz versetzt vor. Macht man derartige Späße in volkstümlichen, früher gebräuchlichen Kanons? Aus dem deutsch- und englischsprachigen Bereich heute ist mir nichts Derartiges bekannt. Aber das muss ja nichts heißen. Vielleicht gab es ja einen Kanon, den man 200 Jahre lang gesungen hat, der heute aber vergessen ist?

Die Struktur wäre aus verschiedenen Gründen interessant. Sie sähe etwa so aus:
1.Stimme A
2.Stimme B
Modulation1
1. Stimme B
2. Stimme A
Modulation2
Dann das Ganze wieder von vorne.
Ein volkstümlicher Kanon mit kreuzweise vertauschen Stimmen also. Hoffe, ihr versteht jetzt, was ich meine.
 
Das Prinzip bei einem Kanon im heutigen Sinne ist doch, dass die versetzt gesungenen Abschnitte übereinander gelegt eine Akkordfolge ergeben, die sich wiederholt. Typischerweise hat man also 3 Töne zur Verfügung, um seine Akkorde aufzubauen (Grundton, Terz, Quinte, evtl. noch die Oktave des Grundtons oder ein Vorhalt), die dann auch durchexerziert werden. Wird ein Anfangston einer Phrase geändert, müssen auch alle anderen Anfangstöne angepasst werden. Das könnte man natürlich machen, aber dann geht die Einfachheit, Eingängigkeit und 'Volkstümlichkeit' der Melodie verloren und niemand wird das singen wollen. Am Ende klingt das Ergebnis auch noch so wie vorher, der ganze Aufwand wäre also für die Katz.
 
Wird mit deinen Erklärungen nicht klarer. Was soll nicht mit dem gleichen Ton anfangen? Die gleiche Melodie, nur nach jedem Durchgang in der Tonhöhe (z.B. um eine Terz) versetzt? Oder die einzelnen Strophen des Kanons? Ist doch fast immer der Fall. Und es gibt natürlich auch mehrere unterschiedliche Kanons, die man zusammensingen kann. Da die ursprünglich einzeln komponiert wurde, fangen die mal auf dem selben Ton an, manchmal auf der Terz oder Quint, jenachdem, welchen man als den ursprünglichen definiert und welche man hinzufügt.
 
Meist dauert ein Abschnitt 4 Takte, dann wiederholt sich das Akkordschema. Ein Kanon hat in der Regel nur eine Stophe (z. B. 16 Takte), die um jeweils 4 Takte versetzt wiederholt wird. Wenn er mit einem Akkordinstrument begleitet wird, kann man das Schema leicht heraus hören. Dieser - ursprünglich evangelische - Kanon hat es bis nach Indien geschafft:


View: https://www.youtube.com/watch?v=x0EjpqOjhq8
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Wird mit deinen Erklärungen nicht klarer.
Ich dachte, dass mein Hinweis auf Bach BWV 1080/16 weiter hilft. Offensichtlich lag ich falsch. Also so könnte ein kontrapunktisch korrekter Kanon auf der Oberterz loslegen:

Kanon auf der Terz.jpg


Und es gibt natürlich auch mehrere unterschiedliche Kanons, die man zusammensingen kann.
Nein, ich meinte kein Quodlibet, sondern ein Thema, das man z.B. eine Terz und im Einsatz verschoben übereinander legt.
 
Gibt es solche Kanons, die früher zum bekannten Repertoire des Volkes gehörten oder sind solche Kanon-Kompositionen eine rein akademische Angelegenheit?
So etwas suche ich nicht. Ich meinte Kanons wie etwa "Bruder Jakob", "Viel Glück und viel Segen", "Hejo spann den Wagen an" oder "Heut kommt der Hans zu mir" - aber eben mit einem Einsatz auf einem anderen Ton.
Meine Familie mütterlicherseits kommt aus der Chor- und Volksliedszene. Wenn diese Familie sich getroffen hat, war sie immer ein Chor. Es wurden viele Volkslieder und Kanons gesungen, sehr viel Niederdeutsches und Plattdeutsches, Shanties etc. Mein Großvater kam aus der Wandervogelbewegung und hat diese Tradition in der Familie weitergepflegt. Ich habe Einiges davon mitbekommen, und ich würde sagen, daß dort das bekannte Repertoire des Volkes gesungen wurde. Kanons, deren Einsätze mit mit unterschiedlichen Tönen beginnen, sind mir dabei nicht begegnet. Deshalb wäre meine Antwort auf die gestellte Frage: Nein, diese Kanons gibt es nicht. Im Volksrepertoire fangen bzw. fingen die Einsätze immer mit demselben Ton an.

Zu vergangenen Jahrhunderten könnte man evtl. die Musikwissenschaftler des Deutschen Volksliedarchivs fragen: http://www.zpkm.uni-freiburg.de/sammlungen/Deutsches_Volksliedarchiv

Viele Grüße,
McCoy
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 4 Benutzer
Beitrag melden.jpg


Links unter jedem Beitrag ist der Schalter "Melden".
Das ist der schnellste und zuverlässigste Weg für Mitteilungen an die Moderation. Die Entdeckung von Mitteilungen innerhalb von Beiträgen ist dagegen reine Glückssache,
Moderatoren bzw. derzeit hier nur ich lesen nicht unbedingt "immer Alles", wenn es keinen - in MuTh extrem seltenen - Anlass gibt, wer-wo-was geschrieben hat.

Also, bitte bimmeln und ich fliege... :D

Gruß Claus
 
  • Interessant
Reaktionen: 1 Benutzer
Ich suche Kanons, deren Einsätze nicht immer auf demselben Ton erfolgen. In der Barockmusik kennt man so etwas. Bach etwa hat einige komponiert.
Kannst du mal auch nur ein (1) Beispiel verlinken? Für mein Verständnis ist ein Kanon ein Lied, bei dem die einzelnen Stimmen die gleiche Melodie zeitversetzt beginnen - also die einzelnen Einsätze immer mit dem gleichen Ton beginnen. Oder meinst du etwas anderes?
 
Für mein Verständnis ist ein Kanon ein Lied, bei dem die einzelnen Stimmen die gleiche Melodie zeitversetzt beginnen - also die einzelnen Einsätze immer mit dem gleichen Ton beginnen.
So kenne ich es auch, jedenfalls im Volksliedbereich.

Es gibt natürlich "Mix-Kanons", der bekannteste ist wohl CAFFEE, Heut kommt der Hans zu mir, und Es tönen die Lieder. Die passen übereinander, dh. Du kannst auf verschiedenen Tönen anfangen ;) Terz, Quinte und Grundton

Dann kenne noch "Res severa verum Gaudium" (Text ) als dreistimmigen Kanon mit einer extra Bass-Stimme dazu, die auf einem anderen Toin beginnt. Also auch ein Mix. Der ist aber relativ neu, wurde im Umfeld der Eröffnung des Neuen Gewandhauses komponiert. Aber ein sehr schöner Kanon!

Und ähnlich bei "Es schlaget eine Nachtigall an einem Wasserfall", da gibt es auch noch einen "Zweitkanon" dazu. Da aber der Originalkanon (dreistimmig) schon auf allen drei Akkordtönen beginnt, gibt es keinen freien Ton mehr, es werden also welche mehrfach benutzt.

Die alle sind aber wahrschienlich nicht vom Typus bzw. aus der Zeit, von der Du schriebest.

In den Goldberg-Variationen gibt es diverse "Canoni", die vielleicht dem entsprechen, was Du suchst ?

EDIT:
Also so könnte ein kontrapunktisch korrekter Kanon auf der Oberterz loslegen:
Das ist ein interessantes Beispiel. Meine unvorhandenen kompositorischen Fähigkeiten sind leider nicht ausreichend, um zu beurteilen, ob man das bis zum Ende korrekt durchziehen kann. Aber denkbar wäre das imo schon.
Ist allerdings glaub ich per definitionem eigentlich kein Kanon, sondern würde für mich eher ein Fughetto sein ... oder ein kanonisches Fughetto? fughettisches Kanonikon? eine neue Gattung? ;)

EDIT 04.01.25
@LoboMix hat mich gerade an anderer Stelle auf die 14 Canons, BWV 1087 hingewiesen. Ist das was für Dich, @Bernnt?


View: https://www.youtube.com/watch?v=6h6AabkLvEE

Ich kannte die noch gar nicht. Bach ist einfach gigantisch.
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Für mein Verständnis ist ein Kanon ein Lied, bei dem die einzelnen Stimmen die gleiche Melodie zeitversetzt beginnen - also die einzelnen Einsätze immer mit dem gleichen Ton beginnen.
Das ist das heutige Verständnis von Kanon. Wikipedia sagt:

Unter Kanon (Plural: Kanons; griechisch für „Maßstab, Richtschnur, Regel“; Adjektiv: kanonisch) versteht man eine mehrstimmige Komposition, bei der eine Stimme nach der anderen einsetzt, wobei die erste Stimme – quasi als Richtschnur[1] – von den anderen Stimmen exakt kopiert wird. Meist in der Prime bzw. Oktave verfolgen alle Stimmen dieselbe Melodie auf gleicher Tonhöhe, nur zeitlich zueinander versetzt. Es gibt jedoch auch Kanonkompositionen, bei denen die weiteren Stimmen im Terz-, Quart- oder Quintabstand folgen.

Letzteres ist das Verständnis, das Bach hatte. Das Kanon-Notenbeispiel von mir oben zeigt eine Wiederholung des Themas auf der Oberterz. So etwas in der Art gibt es bei Bach zuhauf. In diesem Thread gibt es oben konkrete Beispiele dafür. Auch @opa_albin tut das, wenn er auf die Goldberg-Variationen verweist.

Die Frage ist, ob es so was im Barock im volkstümlichen Bereich gab. Im Moment geht mein Bauch mit @McCoy, da ich auch kein volkstümlichen Kanon dieser Machart kenne. Mein Kopf sagt mir, dass es aber möglich sein könnte. Ich weiß nämlich, dass es sakrale Gesänge gab, die sehr wohl mit der Möglichkeit des Einsatzes auf verschiedenen Intervallen spielten und vermute, dass es im Umfeld von Klöstern vielleicht solche Gebilde gegeben haben könnte. Aber wenn keiner was kennt, heißt die Antwort: "Nein".

Zu vergangenen Jahrhunderten könnte man evtl. die Musikwissenschaftler des Deutschen Volksliedarchivs fragen: http://www.zpkm.uni-freiburg.de/sammlungen/Deutsches_Volksliedarchiv
Das ist eine super Idee.
Beitrag automatisch zusammengefügt:

@lil, hier ein nettes Bild mit einem Kanon aus den Goldberg-Variationen:
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben