Alternative Musik-Notation

genau solche Wege sollten breit ausgebaut werden.
Meines Erachtens sind derlei Wege so breit ausgebaut, wie es nur irgendwie geht bzw. Sinn macht. Sie sind didaktische Hilfsmittel, die dabei unterstützen sollen, eine abstrakte Universalschrift der Musik - und das ist die Notenschrift - sowie den Umgang mit dem Instrument zu beherrschen. Das heißt, in der Regel sehe ich solche alternativen Musiknotationen als eine Art Hilfsschrift an, die eine Brücke zwischen Tun und Lesen bauen. Das Ziel befindet sich am anderen Ende der Brücke. Die Brücke lässt man irgendwann hinter sich.

Gruß
Lisa
 
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Wenn man erst eine Fremdsprache (klassisches Notensystem) lernen muß, um ein notiertes Stück spielen zu können, stellt diese Fremdsprache für viele Lernende eine schwer überwindbare Hürde.
Das ist meines Erachtens aus folgendem Grund falsch.
Ein guter Anfängerunterricht verknüpft das Erlernen der Notenschrift mit der Entfaltung des Tonraums auf dem Instrument.
Ein spielerisches Heranführen an die Notenschrift ist problemlos möglich. Je weniger Umwege dabei gemacht werden, um so schneller wird die Notenschrift verstanden und gelesen. Die Kinder aus meinen Vorschulkursen waren zum Zeitpunkt der Einschulung, in der Regel dazu in der Lage, Melodien, die sich im Tonraum einer Oktave bewegten, ohne Erklärung von den Noten abzuspielen. Wir musizierten hauptsächlich auf Metallophonen und Xylophonen. Die fitten unter ihnen übertrugen das Gelernte auf Klavier und Akkordzither. Um das zu können, mussten sie bereit sein, regelmäßig konzentriert am Unterricht teilzunehmen.
Was bei Kindern problemlos funktioniert, kann bei erwachsenen Anfängern leider total scheitern. Die von mir beobachtete Ursache ist vor allem Ungeduld. Kinder lassen sich beim Lernen so viel Zeit, wie sie brauchen. So mancher Erwachsene scheint auf den "Nürnberger Trichter" zu warten und gibt viel zu schnell auf.

Gruß
Lisa
 
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Ein spielerisches Heranführen an die Notenschrift ist problemlos möglich.

Das glaube ich gern, und zumindest bei meiner Tochter, die mit etwa 6-7 Jahren das Violinschlüßel-System fließend lesen und nach Noten (damals Blockflöte) spielen konnte, kann ich es auch bestätigen. Aber der Unterricht (kostenpflichtig in einer Musikschule) ist immer noch elitär; es kann sich nicht jedes Kind (bzw. seine Eltern) leisten, 750-800 € im Jahr für einen Musikunterricht zu zahlen..

Was bei Kindern problemlos funktioniert, kann bei erwachsenen Anfängern leider total scheitern.

Ja, auch das, kann ich bestätigen; mit Klavierunterricht begann ich mit 50+, und nach Noten zu spielen, wurde mir so beigebracht: Lerne das Stück für die nächste Stunde (bei einem langen Stück sollte ich nur die erste Seite lernen), und nächste Woche wurde von mir erwartet, daß ich das Stück vom Blatt einigermaßen langsam spielen kann.

Die von mir beobachtete Ursache ist vor allem Ungeduld.

Ach, ich nehme mir schon die Zeit, die ich brauche, an so einer Seite saß ich zu Hause auch 20-30 Stunden, bis ich die Noten abgelesen habe, aber auch das würde ich als elitär bezeichnen - abgesehen von den Kosten für den Klavierunterricht - nicht jeder hat so viel Zeit, sich die Noten in die Finger zu klopfen.
Mit einer alternativen Notation (wie z.B. die TABs für Gitarre, wenn es das fürs Klavier gäbe) hätte ich für die Seite vielleicht nur eine Stunde gebraucht. So denke ich, daß es bei Erwachsenen weniger die Ungeduld ist, vielmehr haben sie nicht so viel freie Zeit, und deshalb geben sie nach einigen Versuchen auf. Mitunter dürfte es auch in Deutschland viele Erwachsene geben, die für einen Musikunterricht kein Geld haben.

Wenn man bedenkt, welchen Jahresumsatz man in Deutschland mit Musik macht (vor Corona-Zeiten), steht es im krassen Widerspruch mit der Tatsache, daß der Musikunterricht (und damit auch das Notenlesen) meist nur den Besserverdienenden zugänglich ist.
Offensichtlich gehört der praktische Musikunterricht nicht zu (Standard)Bildung, sondern wird als elitäres Hobby angesehen. Und dem könnte eine autodidaktisch leicht erlernbare alternative Musiknotation Abhilfe leisten.

Gruß, Bert
 
... der Musikunterricht (und damit auch das Notenlesen) meist nur den Besserverdienenden zugänglich ist.

Aber der Unterricht (kostenpflichtig in einer Musikschule) ist immer noch elitär; es kann sich nicht jedes Kind (bzw. seine Eltern) leisten, 750-800 € im Jahr für einen Musikunterricht zu zahlen.
1. werden meines Wissens zumindest rudimentäre Notenkenntnisse den Kindern im Musikunterricht in der Schule nähergebracht. Ok, Musik ist oft das Fach, das als erstes gekürzt wird, aber zumindest grob von Noten sollten die Kinder schon mal gehört haben
2. gibt es in vielen Musikschulen Sonderpreise für Wenigverdiener (bzw. Kinder von Niedrigverdienern)
3. gibt es auch z.T. günstigeren Musikunterricht außerhalb der Musikschulen. Z.B. in Musikvereinen, Kantoreien, privat bei Studenten o.ä.
ich vermute, der Grund dafür, dass ein Großteil der Musikschüler tendenziell eher aus besserverdienenden Haushalten kommen, liegt weniger daran, dass sich die anderen den Musikunterricht nicht leisten können, sondern eher daran, dass in bildungsferneren Kreisen (nicht böse gemeint!) weniger Interesse daran besteht, den Kindern solchen zu ermöglichen.
nach Noten zu spielen, wurde mir so beigebracht: Lerne das Stück für die nächste Stunde (bei einem langen Stück sollte ich nur die erste Seite lernen), und nächste Woche wurde von mir erwartet, daß ich das Stück vom Blatt einigermaßen langsam spielen kann.
Tja, das muss aber nicht unbedingt an den Noten liegen, sondern am nicht anfängertauglichen Lehrer (aber das war an anderer Stelle bereits Thema, wenn ich mich richtig erinnere).
nicht jeder hat so viel Zeit, sich die Noten in die Finger zu klopfen.
Bei vernünftigem Unterricht sollte das auch nicht nötig sein, sorry
 
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warum viele Menschen Text/Zahlen lesen und telefonieren können, aber beim Notenlesen scheitern.
Es scheitern nicht viele Menschen am Notenlesen. Die allerallermeisten, die vernünftigen Unterricht bekommen, lernen das sehr schnell. Die meisten derjenigen, die es nicht oder nur schlecht lernen, haben entweder bzgl. Notenlesen schlechten Unterricht, oder sie strengen sich nicht genug beim Lernen an.

Außerdem kenne ich eine ganze Reihe von Menschen, die von ihren Eltern eingetrichtert bekommen haben: "Unsere Familie und Notenlesen? Niemals! Die Meiers können das nicht!" Die haben es dann eine ganze Ecke schwerer, diese unnötige Indoktrination abzulegen. Das kommt in durchaus sehr musikalischen Familien vor. Aber wenn deren Kinder guten Unterricht bekommen, lernen sie es dann doch irgendwann.

Eine sehr kleine Minderheit hat wirklich echte Schwierigkeiten beim Notenlesen. Da sind wir dann aber in diesem Thread angekommen: https://www.musiker-board.de/threads/legasthenie-und-musik-wechselwirkungen.684335/ Und da muß man methodisch dann ganz anders herangehen, und ein alternatives Notensystem hilft da auch nicht weiter.

Viele Grüße,
McCoy
 
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Wenn man erst eine Fremdsprache (klassisches Notensystem) lernen muß, um ein notiertes Stück spielen zu können, stellt diese Fremdsprache für viele Lernende eine schwer überwindbare Hürde.
JEDES Notationssystem ist für den Anfänger erstmal eine Fremdsprache, die er lernen muss. Ob diese Fremdsprache schon bekannte Zeichen verwendet oder neue ist zweitrangig.
Möchtest du Hebräisch lernen, musst du gleichzeitig mit den ersten Worten die neuen Schriftzeichen lernen. Dennoch wird dir das Hebräischlernen wahrscheinlich nicht schwerer fallen als wenn du Isländisch lernen wolltest, auch wenn Isländisch nur ein paar zusätzliche Buchstaben zu unseren "normalen" Schriftzeichen hat. (Sofern du Interesse hast, Hebräisch bzw. Isländisch zu lernen!)
 
2. gibt es in vielen Musikschulen Sonderpreise für Wenigverdiener (bzw. Kinder von Niedrigverdienern)

Die Musikschulen, die ich kenne, haben diese Option nur für hochbegabte Kinder aus finanziell schwachen Familien.
Tja, das muss aber nicht unbedingt an den Noten liegen, sondern am nicht anfängertauglichen Lehrer (...)

Die Qualität der Musiklehrer, die ich "beschäftigt" habe, will ich mir als Laie nicht anmaßen zu beurteilen. Aber in der Summe waren es 8 zertifizierte MusiklehrerInnen in Städtischen Musikschulen (4 für mich, 4 für meine Tochter), und so schülergerecht, wie hier beschrieben wird (z.B. in den Beiträgen von @Lisa2 ), unterrichtete eine einzige junge Lehrerin (Vorschulkinder; Rhythmik, Trommeln, das erste Instrument, spielerisches Notenlesen). Alle anderen waren so, wie ich bereits erwähnte, mit ihrem "eigenen" Stil, oder schlimmer.
Der Alltag in den Musikschulen unterscheidet sich diametral von Euren Soll-Beschreibungen. Diese Realität kann ich weder ignorieren noch als Pech-gehabt abwinken.
Es scheitern nicht viele Menschen am Notenlesen.

Wir wissen es nicht; in unserer Familie (meiner Frau und meiner) kann jede(r) (mindestens) ein Instrument nach Noten spielen, aber sie alle (außer mir) haben es bereits im Kindesalter erlernt. Doch unsere Familie ist nicht das Maß aller Dinge.
Ich habe jetzt vor Augen mehrere mir persönlich bekannte (Gesang)Chöre, in denen höchstens ein Drittel der Sänger nach Noten singen/spielen kann. Die anderen zwei Drittel lassen sich von den Notenlesern stimmlich führen und gucken dabei brav ins Blatt - manche auch schon seit zig Jahren. Aber versucht haben es (Notenlesen) fast alle, manche auch mehrfach. Nach ihrer eigenen Aussage können sie nicht Noten lesen, weil:
  • sie dafür zu dumm sind
  • es nicht hinkriegen
  • in der Kindheit gab's kein Geld für die Musikschule, heute haben sie dafür keine Zeit ...
  • weil, weil, weil ...

Das ist mein Alltag mit musizierenden Noten(nicht)lesern.

Gruß, Bert
 
(...) und ein alternatives Notensystem hilft da auch nicht weiter.

JEDES Notationssystem ist für den Anfänger erstmal eine Fremdsprache, die er lernen muss. Ob diese Fremdsprache schon bekannte Zeichen verwendet oder neue ist zweitrangig.

Nun, sicherlich kann ich es nicht fachgerecht beurteilen, aber meine laienhafte, dennoch langjährige Erfahrung mit Notenlesen bzw. Nach Noten spielen gibt mir auch eine gewisse Auskunft

Das klassische Notensystem habe ich als Erwachsener sehr mühsam/geduldig/lange gelernt und in einem wirklich hammerharten Prozeß einigermaßen erlernt, weil ich Klavier spielen wollte. Und auch heute noch brauche ich meine (Lern/Übungs-)Zeit, die immer noch in Stunden gemessen wird, bis ich das neue Stück (mittelschwer) fließend von Blatt spielen kann. Aber das ist für mich so OK.
Das Gitarren-TAB-System kenne ich noch nicht wirklich, ich habe es nie gelernt, nur ein bißchen neugierig reingeguckt, aber ich habe gleich eine Seite (etwas für Anfänger, acht Achtelnoten pro Takt, manchmal eine Viertelnote, insgesamt 16 Takte, in jedem Takt gibt es irgendwelche Griff-Wechsel) ausprobiert. Die Seite habe ich nach etwa 2-3-mal durchprobieren direkt im Kontinuum und fließend durchgespielt, der ganze Prozeß dauerte keine 10 Minuten.

Im Vergleich zu Klaviernoten empfand ich die TABs um Welten einfacher zu spielen (Grundschulrechnen vs. Hochschul-Mathematik). Wahrscheinlich gibt es da noch Haken und Ösen, die ich nicht auf dem Schirm habe, aber das ist mein erster Eindruck: man kann mit der TAB-Notation gleich am Instrument loslegen.

Gruß, Bert
 
Wenn ich höre, wie jemand singt: do do do mi re re re fa mi mi re re do, finde ich das einfach nur furchtbar. Da singe ich dann lieber die Notennamen.
Das SIND doch die Notennamen (nur halt auf Italienisch).
 
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  • sie dafür zu dumm sind
  • es nicht hinkriegen
  • in der Kindheit gab's kein Geld für die Musikschule, heute haben sie dafür keine Zeit ...
  • weil, weil, weil ...
Ja, genauso meine ich das ja auch, ausgenommen Punkt 1. Der ist wirklich mehr als selten.

aber meine laienhafte, dennoch langjährige Erfahrung mit Notenlesen bzw. Nach Noten spielen gibt mir auch eine gewisse Auskunft
Diese Argumentation hilft nicht viel. Meine Erfahrung mit Notenlesen ist z.B. jahrzehntelang und nicht laienhaft, sondern professionell. Sie besteht u.a. darin, daß Menschen, die nicht Notenlesen können, zu mir kommen. Wenn sie dann eine Weile bei mir waren, können sie es.

Im Vergleich zu Klaviernoten empfand ich die TABs um Welten einfacher zu spielen
Meine Meinung dazu: Nicht jeder Mensch muß den Mount Everest besteigen, nicht jeder Mensch braucht einen Pilotenschein, nicht jeder Mensch muß Schachspielen können, und nicht jeder Mensch muß Musik spielen können. Nicht jeder Mensch, der Musik spielen will, muß auch Notenlesen können. Man kann auch mit oder ohne TABs Gitarrespielen lernen oder nach Griffzahlenschrift in einer Schalmeienkapelle mitspielen. Es muß auch nicht jeder Mensch, der Klavierspielen will, Notenlesen können. Das geht alles auch ohne Noten. Meine Empfehlung ist aber, daß derjenige, der Bach, Mozart, Beethoven etc. auf dem Klavier spielen lernen will, das über den Weg des Notenlesens tut, denn damit geht es einfacher.

Die Musik ist aber ein so riesiges Feld, daß auch diejenigen, die nicht Notenlesen lernen wollen, genügend Spielfelder finden, auf denen sie ihre Musikalität ausleben können. Mit Leadsheets und Akkordsymbolen kommt man z.B. mit sehr geringen Notenkenntnissen im Bereich Rock/Pop/Jazz sehr weit, gerade auf dem Klavier. Wer aber wirklich Notenlesen lernen will, der schafft das in aller Regel auch, wenn er sich entsprechend anstrengt, viel übt und ggf. einen erfahrenen Lehrer hat. Dann gibt es ganz, ganz wenige, sehr seltene Ausnahmen, die unbedingt mit Noten Klavierspielen lernen wollen, bei denen aber andere Gründe vorliegen, warum sie es nicht schaffen. Diejenigen brauchen dann individuell zugeschnittene Sonderwege und sollten entsprechende Spezialisten um Rat fragen. Braille-Notenschrift wäre ein Beispiel für so einen Sonderweg (und gleichzeitig auch eine alternative Musik-Notation).

Viele Grüße,
McCoy
 
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Diese Argumentation hilft nicht viel. Meine Erfahrung mit Notenlesen ist z.B. jahrzehntelang und nicht laienhaft, sondern professionell. Sie besteht u.a. darin, daß Menschen, die nicht Notenlesen können, zu mir kommen. Wenn sie dann eine Weile bei mir waren, können sie es.

Beruflich bedingt sind solche Erfahrungen bei Dir selbstverständlich; da jedoch die Notenleser in unserer Gesellschaft eine "bedeutungslose" Minderheit bilden (meine Schätzung: etwa 20 %), begegnen Menschen wie mir vor allem die Noten-Nichtleser, von denen aber vielleicht die Hälfte den Wunsch hat, Noten lesen zu können, es aber aus irgendwelchen Gründen nicht erlernt haben.

Gruß, Bert
 
begegnen Menschen wie mir vor allem die Noten-Nichtleser,
Auch ich bin nicht ausschließlich von Musikern umgeben. ;)
von denen aber vielleicht die Hälfte den Wunsch hat, Noten lesen zu können
Das Problem liegt meiner Einschätzung nach in dem Wort können. Viele Menschen wollen es können, aber nur wenige wollen es lernen. Das ist nämlich anstrengend, arbeits- und zeitintensiv. Am besten wäre es ja, wenn man - ähnlich wie in Stanislav Lems Futurulogischem Kongress - eine Ampulle trinken kann, und dann kann man sofort Noten lesen. :rolleyes:
 
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Ich nehme einen Liter, dann muss ich nichts mehr auffrischen. Letztens bin ich doch glatt über eine Verdoppelung beim Vorzeichen gestolpert :rolleyes:
 
Viele Menschen wollen es können, aber nur wenige wollen es lernen. Das ist nämlich anstrengend, arbeits- und zeitintensiv.

Um so mehr Grund, ihnen das Lernen zu erleichtern - mit alternativen vereinfachten Notationsarten, die so schnell/einfach zu erlernen sind wie das Fahrradfahren.

Gruß, Bert
 
Bei der Übersetzung von aufgeschriebener Musik in gespielte Musik gibt es je Instrument eine Vielzahl unterschiedlicher technischer Herausforderungen zu bewältigen, die nicht primär im Lesen des Musik-Textes bestehen: TAB ist für Gitarre z.B. auch deshalb verbreitet, weil für viele Autodidakten die Frage, eine konkreten Noten in ein entsprechend zu drückenden Saitenbund umzusetzten hierdurch effektiv gelöst wird. Bei anderen Saiteninstrumenten wie Geige und anderen Streichinstrumenten, die im Prinzip ein ähnliches Umsetzungsproblem haben, hat sich eine TAB-artige Schreibweise nicht wirklich etabliert - eventuell weil diese Instrumente in überwiegenden Falle nicht autodidaktisch, sondern von Beginn an unter lehrender Begleitung gelernt werden.

Das 'nicht-Notenlesen-können-und-nach-Gehöhr-mitsingen' in Freizeitchöhren hat nach meiner Erfahrung auch mehr mit 'Tonintervalle und Melodien nicht autonom sicher singen zu können' zu tun, als damit, Noten prinzipiell nicht entziffern zu können und würde auch durch eine andere Notation nicht substantiell geändert (gerade hier hat das do-re-mi-.. nicht als 'fremdländische' Notennahmen, sondern als Solmisations-System auch Potential, das Singen von Tonintervallen sicher zu verankern (ggf. durch das zugehörige Handzeichensystem weiter gestützt)).

Die Beseitigung solcher Umsetzungsprobleme schlägt sich auf in der Legion der Farbsysteme bei "musikalischem Spielzeug" für Kinder im Vorschulalter nieder und findet seine technische Fortsetzung z.B. in Synthesia Videos. Beides führt schnell zu einem halbwegs zielgerichteten Bedienen von Musikinstrumenten. Aus musikalischer Sicht bringt es Kindern nach meiner Erfahrung aber sehr viel mehr, wenn man sie motiviert und unterstützt, ihnen bekannte einfache Melodien nach Gehör auf einem Instrument nachzuahmen, als dieses pedagogisch zu Vermeidung von Berührungshindernissen gedachte, spielerische "Tastendrücken nach Farben".

Es mag Notations-Lösungen geben, die für den einen oder anderen den Zugang zum Musizieren erleichter. Je nach Ziel und Neigung hat da ja auch die Kombination aus Chord-Symbolen und Gehör ein gewisses Potential entwickelt - wie ich sowieso das Musizieren nach Gehöhr unabhängig vom Instrument für ein spielerisch zu fördernde Fähigkeit halte. Ein grundsätzliches Scheitern an Noten ist in meinem Umfeld aber nicht wirklich das zentrale Problem, warum Instrumente wieder aus dem Alltag verschwinden. Nicht jede Methode, die leicht zu lernen/lesen ist, ist auf die Dauer auch zielführend - z.B. auch, weil sie bei zunehmendem Interesse und Komplexität an Grenzen stößt und das darauf basierende Musizieren langweilig wird.

Anmerkung: Ich habe auch schonmal gebrauchte Klaviernoten auf dem Flohmarkt erstanden, in denen Seitenweise minutiös Notennahmen an die Noten geschrieben waren. Mich hat das befremdet bzw. der daraus sprechende mühevolle Weg und Wunsch zur Umsetzung auch etwas gerührt. Insofern gibt es Erfahrungswelten, die mir selber sehr fremd sind.
 
(...) eine Ampulle trinken kann, und dann kann man sofort Noten lesen (...)

Nee, nee, das Problem ist schon recht ernsthaft, man muß es nicht ins Lächerliche ziehen.
Man kann (auch komplexe) Dinge so einfach darstellen, daß sie jedem verständlich sind; mit den Gitarren-TABs kann man schon nach ein paar Minuten ins Instrumentspielen-nach-Noten einsteigen.
Genauso kann man Dinge so komplex und schwer erlernbar darstellen, damit dieses Wissen/Können elitär bleibt.

Gruß, Bert
 
Das sehe ich komplett anders.

Noten sind universell, graphisch leicht erfaßbar (tiefe Töne unten, hohe Töne oben).
Noten kann man aus dem Augenwinkel erkennen, bei zerknülltem Papier etc. Das ist ein einfaches und robustes Verfahren.
Das kann man schnell mit dem Kugelschreiber auf eine Serviette krakeln.

Gitarren-Tabs dagegen sind elitär - was soll ein Posaunist damit anfangen ?

Und das sage ich als Gitarrist. Ich selbst konnte mit Tabs noch nie arbeiten. Da "sehe" ich die Musik nicht.
Das ist für mich umständlich und ich persönlich brauche mehr mentale Transfer-Leistung dafür.


Es kann für jedes Instrument eigene Konventionen, Spezialschreibweisen geben. Das ist auch ok, die sind aber eben speziell und nur für eine bestimmte Gruppe von Leuten.


Ein Punkt sollte bei der Noten/Tabs-Diskussion nicht vergessen werden: klassische Noten können sehr komplex sein, weil man die Noten mit vielen Informationen anreichern kann. Das heißt aber nicht, daß der grundsätzliche Mechanismus komplex ist.

Vielleicht ist es manchmal gut, sich vor Augen zu führen, daß die heutigen Noten vor ca. 1000 Jahren entwickelt wurden als reine Merkhilfe für Choral-singende Mönche. Damals mit 4 Linien, ohne Taktstriche, Längennotation oder Vorzeichen.
Einfach schwarze Punkte auf und zwischen den Linien.
Das war eine Vereinfachung gegenüber den anderen Merkhilfen der Zeit.

Und es hat sich als so erfolgreich erwiesen, daß im Laufe der Zeit mit diversen Erweiterungen Mehrstimmigkeit, viele Instrumente und komplexe Abläufe damit abbildbar waren.
Das war anfangs gar nicht so vorgesehen, spricht für mich aber für die Methode.

Es gibt also einen einfachen methodischen Kern und beliebig komplexe Erweiterungen drumherum, die aber nicht jeder benötigt.
 
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Das SIND doch die Notennamen (nur halt auf Italienisch).
Nicht zwingend. Es hängt davon ab, ob sie absolut (c d e ...) oder relativ (1 2 3 ... ) gemeint sind.

... Man kann (auch komplexe) Dinge so einfach darstellen, daß sie jedem verständlich sind; mit den Gitarren-TABs kann man schon nach ein paar Minuten ins Instrumentspielen-nach-Noten einsteigen.
Genauso kann man Dinge so komplex und schwer erlernbar darstellen, damit dieses Wissen/Können elitär bleibt.

Die These liest sich schon fast wie eine Verschwörungstheorie! :eek:
Ich sehe beim besten Willen nicht, warum Noten komplex und schwer erlernbar sein sollen. Sie basieren auf einem ganz simplen System:
  • Linien und Lücken, die eine diatonische Reihe von Tönen darstellen.
  • Zur Benennung der Noten benutzt man die ersten 8 Buchstaben des Alphabets. Da im deutschen Sprachraum das B für eine chromatische Stufe verwendet wird, merkt man sich mit einer simplen Eselbrücke (b unten abradieren > h), dass die weiße Taste zwischen a und c nicht b sondern h genannt wird
  • um anzuzeigen, welche Linie und welche Lücke welchen Ton darstellt, schreibt man an eine der Linien einen Buchstaben. > G-Schlüssel, F-Schlüssel, C-Schlüssel
    Die verschnörkelten Notenschlüssel haben sich tatsächlich aus Buchstaben entwickelt. Es ist schnurzpiepeegal, an welcher Position im Liniensystem sie stehen. Die mit dem Buchstaben/Notenschlüssel markierte Linie ist durch den G-Schlüssel als G-Linie markiert. Grundsätzlich kann das jede der 5 Linien sein. Gebräuchlich ist aber nur die G-Schlüsselposition, die die unterste (Französischer Violinschlüssel) oder die 2. Linie von unten markiert. F- und C-Schlüssel werden in entsprechender Weise genutzt. Namen wie Bass-Schlüssel, Bariton-Schlüssel, Alt-Schlüssel etc. braucht man sich nicht merken. Es reicht, wenn man sich einprägt, welchen Buchstaben der benutzte Schlüssel darstellt und an welchem Merkmal die markierte Linie zu erkennen ist.
Noten verstehen bzw. lesen ist das eine. Die mit den Noten dargestellten Töne auf dem Instrument finden, ist natürlich etwas ganz anderes. Warum steckst Du keinen Papierstreifen hinter die Tasten, auf dem Du mit Strichen oder Punkten markierst, welche Taste auf eine (Hilfs-)Line und welche auf eine Lücke zeigt? Dann legst Du Dein Notenblatt quer auf den Notenständer und liest die Noten rechts beginnend von oben nach unten ab. Dann hast Du Deine Tabulatur für Tasten. Wenn die Noten schön groß gedruckt sind, funktioniert das für simple Melodien.
Anstatt die Noten auf dem Notenpult zu kippen, kann man das Kippen auch im Kopf machen. Und dann trainiert man systematisch, sich in einem immer größer werdenden Tonraum zu orientieren.
Nicht die Noten sind komplex, sondern die damit dargestellten Musikstücke ... mal mehr, mal weniger ...
Wenn Du ein Notenbild nur mühsam in Musik umsetzen kannst, dann liegt es an der Musik, die dargestellt wird. Nimm eine einfacher zu spielende Musik und sieh Dir davon die Noten an. Das wird sicher gleich viel besser funktionieren.


Musikunterricht für weniger Betuchte ... Ich hatte schon Kinder im Unterricht, deren Beitrag vom Amt gezahlt wurde. Musikunterricht pauschal als elitär einzuordnen, liest sich für mich sehr vorurteilsbehaftet. Ich habe lange Zeit Musikunterricht in der OGS angeboten. Der Träger hat die Kurse bezahlt, wer mochte, konnte teilnehmen.

Ganz ehrlich: Die Art und Weise, wie Du auf dem Begriff "elitär" herum reitest, ... (ach, ich halt mich besser "geschlossen")

Gruß
Lisa
 
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Anmerkung: Ich habe auch schonmal gebrauchte Klaviernoten auf dem Flohmarkt erstanden, in denen Seitenweise minutiös Notennahmen an die Noten geschrieben waren. Mich hat das befremdet bzw. der daraus sprechende mühevolle Weg und Wunsch zur Umsetzung auch etwas gerührt.

Ja, der Wunsch, ein Musikinstrument zu spielen, ist sehr weit verbreitet; viele fangen an, einfach nach dem Gehör zu spielen, und je nach Instrument und Spielart kann man Improvisation und eingeübte Muster kombinieren und ganz gut musizieren. Sobald aber komplexere Stücke gespielt werden wollen, bei denen man nicht alle Notendetails heraushört, kommt der Wunsch, nach Noten spielen zu können.

(...) technische Fortsetzung z.B. in Synthesia Videos (...)

Es hat mich überrascht, gelesen zu haben, daß es Menschen gibt, die (als Noten-Nichtleser) allein mithilfe dieser Videos klassische Klavierstücke (Chopin, Beethoven) erlernt haben. Seitdem bin ich am Überlegen, ob die Synthesia-Videos nur ein temporär erfolgreiches Geschäftsmodell sind, oder ob sie tatsächlich als alternative Notation (Notenlesehilfe) eingesetzt werden können. Da ich selbst nach diesen Videos nicht spielen könnte, kann ich die Vor- Nachteile für einen Lernenden nicht beurteilen.

(...) führt schnell zu einem halbwegs zielgerichteten Bedienen von Musikinstrumenten.

Das ist doch eine wichtige Voraussetzung; die Finger wissen, wann und welche Tasten sie anschlagen sollen, das Gehör und musikalisches Gefühl gestalten den spielerischen Ausdruck.

Denn genau das ist der Grund, warum sich viele Menschen den Wunsch, ein Musikinstrument zu spielen, nicht erfüllen können - sie können das Instrument nicht bedienen. Und wenn sie mit einem Synthesia-Video (oder einer ähnlichen Hilfe) diese Hürde schnell und zielgerichtet nehmen können, können sie sich unbeschwert und mit Freude dem musikalischen Ausdruck widmen.

Gruß, Bert
 
Ich kann mich Omnimusicus und Lisa nur anschließen und weil ich auch gerade mit dem Schreiben fertig gerworden bin, hier noch mein Senf dazu. :D
...mit den Gitarren-TABs kann man schon nach ein paar Minuten ins Instrumentspielen-nach-Noten einsteigen.
Du unterlässt mindestens zwei Begrenzungen der TABs.
Zum Einen ist damit keine universelle Verständigung unter Musikern verschiedener Instrumente möglich wie das bei Standardnotation der Fall ist - eine ganz wesentliche Funktion.
Zum Anderen, reale Tabulaturen in meiner Notensammlung haben verschieden aufwendige Darstellungen, bei Übernahme von rhythmischer Auflösung wird dann auch die Komplexität der zu verarbeitenden Information erhöht.


Was in verschiedenen Diskussionen immer wieder erkennbar wird, ist ein konsequent in die falsche Richtung ausgebildetes Glaubenssystem, das vollgestopft mit negativen Annahmen ein Lernen systematisch behindert.
Ich erinnere mich noch, wie der ganz konkrete kleinteilige Versuch zum Notenlesenlernen nicht verfolgt wurde. Vorschläge wurden eben nicht genau wie aufgegeben befolgt, sondern teilweise durch eigenes Handeln ersetzt wurden und teilweise erst gar nicht aufgegriffen.

Kleine Schritte mit vielfacher Wiederholung und die Stetigkeit des Übens im Zusammenhang mit der Entwicklung des Instrumentenspiels über die ersten Jahre hinweg machen m.E. aber den Hauptfaktor für Erfolg oder dauerhafte Problemen mit Notation aus.

Alles anders als üblich zu machen oder wollen ist das gute Recht eines Hobbymusikers, spricht aber für in dieser Ausprägung seltene und sehr individuelle Faktoren, die eine Lösung tatsächlich unwahrscheinlich werden lassen.

Natürlich kann jeder fordern, eine speziell angepasste Darstellung als alternative Notation zu entwickeln, nur wer sollte das auf welcher Grundlage tun und finanzieren?
Die Rousseau-Schrift scheint mir als musikalische Repräsentation rudimentär und bei weiterer Ausdifferenzierung zu unökonomisch, um für - tonale - Musik der Gegenwart einen Weg aufzuzeigen.

Gruß Claus
 
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