Ansatzfehler - die Angst vor der Umstellung

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Andilion
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Hallo,
habe unter anderem den v.a. von Zonquer bereicherten Thread gelesen, in dem es um die Verbesserung der Höhe geht und die ganze Methodik rundherum, die eigentlich die Grundlage des Blechblasinstrumentenspiels betrifft. Aber mir sind das im Moment zu viele Specials...
Das Problem (Teil1): spiele seit ca. 20 Jahren Trompete (meist ein B-Instrument) und habe einen objektiv betrachtet sicherlich falschen Ansatz. Abgesehen von meinem etwas asymmetrischen Kiefer und dem folglich jenseits der Mitte angesetzten Mundstück (es wird glaube ich immer dahin rutschen) habe ich - wie mein Vater (schieben wir's halt mal auf die Gene) - kaum sichtbare bzw. im Vergleich zur Unterlippe sehr tief stehende und kurze Schneidezähne des Unterkiefers, so dass das berüchtigte Hereinrutschen der Unterlippe sehr begünstigt ist und bei mir auch sehr früh begann (mein sehr geschätzter erster Lehrer half da mit dem Kommentar: "Pass auf, dass sie nicht so weit hereinrutscht" leider praktisch auch nicht viel - WIE denn?) und v.a. setze ich das Mundstück zum Teil in den oberen Anteil der Oberlippe ein.
Ehrlich gesagt traue ich den ganzen sogenannten Lehren von DEM "richtigen Ansatz" nicht so ganz über den Weg, aber ich denke schon tatsächlich, dass das Genannte ungünstig ist.
Musikstudium wurde mir von einem Hornprofessor zwar trotzdem angeboten, der mich an seinen Kollegen vom Trompetenfach vermitteln wollte (wahrscheinlich auch nur wegen der Nichtausländer-Quote der Hochschule), aber ich wollte das nie als Beruf. Nun habe ich also was ganz anderes gemacht und bin ne Zeit im Beruf, wobei ich immer Trompete mit falschem Ansatz weiter gespielt habe (sehr unterschiedlich intensiv) und zumindest den Stand gehalten habe, den ich so etwa Anfang meiner Studienzeit hatte und die Stücke nach Auswahl meiner Möglichkeiten klangen wohl auch für andere immer ganz gut (v.a. Trompete und Orgel in Kirchen), aber über diese begrenzten Möglichkeiten bin ich halt nie hinaus gekommen und habe auch Bedenken, da irgendetwas zu "schinden" und Techniken durchzurattern, ohne vorher einen vernünftigen Ansatz etabliert zu haben. Das hat mir mein erster Trompetenlehrer zumindest eingebrannt: Lockerheit und bei jeder Art von Rohheit und Gewalt riskiert man nur und schadet dauerhaft dem Ansatz. Bin sonst kein ängstlicher Trompeter. (Problem Teil2:) Aber nun drückt mich die Angst vor der Umstellung ganz gewaltig! Hab einfach Angst, dass ich (bei meiner beruflich sehr begrenzten Zeit) ins völlige trompetistische Demotivationsloch rutsche, falls die Ansatzumstellung nicht glückt. Was, wenn dann weder der neue noch der alte Ansatz mehr so recht funktioniert? Und wie finde ich einen wirklich kompetenten Lehrer, ohne ewig weit zu fahren oder ein Vermögen auszugeben? Ich will natürlich nicht Gewinn ohne Wagnis und Arbeit, aber die Angst hält vor allzuschnellem Einlassen auf einen Lehrer zurück (zumal ich mal schlechte Erfahrungen mit einem Ansatzrohling und Dauerfortissimoisten von Lehrer hatte, der auch anders als ich barocke Musik - bis auf "Show"-Stücke - und v.a. Largo-Sätze in piano bis mf nicht so mochte).
Habt ihr auf meine letzten Fragen eine Antwort bzw. könnt von euren Erfahrungen mit Ansatzumstellung und Angst vor dem bläserischen Totaluntergang berichten?
Am zumindest wichtigsten ist (bzw. wäre) mir beim Trompetespiel: 1. wirkliche Musik, 2. der schöne, weite, edle, freie Ton ansich (die Höhe nur als Nebenprodukt) und unaufdringliche, aber subtile Ausdrucksmöglichkeit (was sich gerade an "einfachen" Werken zeigt), 3. - mit 1. untrennbar verbunden - die Freude daran.
p.s. folgende Mitteilungen von mir werden deutlich kürzer ;)
 
Eigenschaft
 
...Rohheit und Gewalt riskiert man nur und schadet..Angst vor der Umstellung ganz gewaltig!...

Hallo Andilion,

willkommen im Forum.

Eigentlich zeigt dein erstes Zitat bereits, wie man sich neue und weitere Probleme sehr gut ersparen kann: Man spielt genauso weiter wie bisher und versucht keine bewussten Umstellungen.

Statt dessen würde ich empfehlen, ein paar therapeutische Übungen einzubauen und abzuwarten, was davon mit der Zeit von ganz allein den Weg in deine trompetenspielerische Praxis findet.
So bleiben die Sicherheit der erworbenen Technik und spielerischen Routine erhalten und soweit es individuell nützlich ist, wird Neues dazugelernt.
M.E. ist das eine hervorragende Idee aus dem Konzept von Malte Burba und verdient, auch unabhängig von seiner Methode beachtet zu werden. Denn "im Prinzip" kommst Du bereits zurecht, da muss man kein Kind mit dem Bade auschütten.

Ein paar Vorschläge dazu:
Du könntest dir jeden Tag zum "Warm Up" die erste Lektion der 215th Army Band auf Youtube anschauen und deren Anweisungen befolgen, Links folgen unten. Ich finde das Englisch der Anweisungen sehr einfach, sonst bitte nachfragen. Es funktioniert vermutlich sogar ohne Text, wenn man nur genauestens nachmacht, was die Trompeter dort zeigen. Außerhalb dieser Übungseinheiten, alo bei deinen üblichen Etüden und Stücken spielst Du wir bisher, das bedeutet: keine bewussten Übertragungen des Gelernten. Es wäre noch zu früh, wenn es nicht von ganz allein geschieht.

Hier ist die Stelle, auf die es ankommt und was in der gleichen Art ausgeführt werden kann, bis es irgendwann auch sonst gar nicht mehr anders geht: die korrekte Lippenstellung.
http://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=-H4Wby6ge3w#t=320s
Sollte dies anatomisch unmöglich sein, können wir Weiteres "online" vielleicht gar nicht diskutieren, zumindest nicht ohne Nahaufnahme des Ansatzes.

Wenn es im Spiegel genauso aussieht wie im Video, geht es weiter zu Schritt 2:
Hier sieht man, wie das Mundstück aufgesetzt wird:
http://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=-H4Wby6ge3w#t=371s

Das ist einfach nur die bisher geübte Lippenstellung plus Mundstück auf den Lippen, natürlich ohne festen Druck. Der Druck gegen die Lippen sollte NIE fester sein als unbedingt notwendig.

Je weniger Druck vom Mundstück auf die Lippen notwendig ist, desto beser kann sich die Ansatzmuskulatur entwickeln.

So erklärt das auch James Morrison, der selbst vor mehr einer Milliarde Zuschauern sein G3 als ersten Ton seiner Fanfare heraushauen kann:
http://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=b7oOFaLkuVc#t=236s
https://www.thomann.de/de/omnibus_media_the_james_morrison_way_dvd.htm

Der Rand des Mundstücks soll das Rot der Lippen umschließen. Sieht man nach einer Übungseinheit am Abdruck auf den Lippen, dass das
Lippenrot über den Rand hinausragt, nennt man das "Einsetzen". Dieser Fehler behindert die Entwicklung von Ausdauer und Kraft in den
Lippen sowie Höhe. Das gilt ganz besonders für die Oberlippe.
Bei Bedarf gibt es ein Konzept mit mehreren Übungen, um die Lippenflexibilität des Ansatzes in Verbindung mit frei fließender Luft zu optimieren: Jeff Smiley, The Balanced Embouchure.
Das ließe sich bei interesse auch noch vertiefend diskutieren.

Buch mit CD in einer soliden und notenständerfreundlichen Spiralbindung kosteten vor 5 Jahren 40 EUR, man kann es man bei einem BE-Lehrer in den Niederlanden bestellen.
Anfragen per E-Mail an Ko de Rooij: larrios60@hotmail.com
http://www.trumpetteacher.net/teachers.html


Hier wird erklärt, wie man den ersten Ton auf dem Mundstück erzeugt:
http://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=-H4Wby6ge3w#t=400s

Luft strömen lassen, das Körpergefühl ist bei mir wie beim Luftballon aufblasen, und die Lippen langsam schließen, deshalb hört man zuerst nur den Luftstrom.
Kommen die Lippen in den richtigen Abstand zueinander und halten sie ihre leichte Binnenspannung, beginnen sie zu schwingen.
Es ist wichtig, diesen Sound des "Buzz" auf das Mundstück zu übertragen. So erzeugt man einen sauberen, gut gestützen Ton auf der Trompete.
Daher kann man das ganz wunderbar ohne Instrument üben, solange man will. Lip Buzz (ohne Mundstück) und Buzz auf dem Mundstück sollten ähnlich sauber klingen.

Eigentlich sollte man jedes Stück erst singen und auf dem Mundstück buzzen können, bevor man es spielt. Aber auf jeden Fall ist es sinnvoll, das abwechselnd zu machen. Und auch auf jeden Fall, wenn es nicht klingen will oder eine Stelle Schwierigkeiten macht.

Es ist bereits verlinkt, hier aber noch einmal im Zusammenhang, eine Ausschnitt aus dem Group Warm Up und dem Solo Warm Up von Reinhold Friedrich, weil das enorm viel bringt. Außerdem die Ausschnitte aus dem Kristian Steenstrup Workshop mit der äußerst nützlichen Methode.
http://www.youtube.com/watch?v=IH9PyK3bVr4
http://www.youtube.com/watch?v=JLjQbs3OCWQ
http://www.youtube.com/watch?v=KDx_Wm63PGA
http://www.youtube.com/watch?v=3nF0thnUZwA
http://www.youtube.com/watch?v=H5KHKU3fiEs

Falls man ergänzende Übungsliteratur sucht, würde ich besonders zwei Bände ans Herz legen:
Frits Damrow, Fitness for Brass. Enthalten sind Grundlagenübungen für Trompeter in einer sehr guten Zusammenstellung, passt optimal zum oben beschriebenen Plan.

Frits Damrow, Bel Canto for Brass, mit CD. Mit diesem Band werden hervorragende klingende Vokalisen gespielt. Auf der CD sind für jedes Stück eine Komplettaufnahme mit Solotrompete und einmal nur das Playback der Klavier-Begleitung. Die langen Legatobögen und teilweise großen Intervalle sowie der Umgang mit Dynamik üben die Luftführung wie die Klangbildung in sehr musikalischer Weise. Ich beschäftige mich seit ca. 3 Jahren mit den Etüden und sie werden mir immer noch nicht langweilig.

Diese Art des Übens von Spieltechnik macht mir wesentlich mehr Spaß als z.B. "lange Töne" oder "Bindeübungen".
Von denen übe ich eigentlich nur noch Etude 3 oder 4 und die folgenden Lip Trills sowie die Spreading Intervals aus dem Colin sowie gewisse Übungen aus dem oben genannten BE-Buch von Jeff Smiley. Weil das ingesamt zuviel Aufwand für mich würde, wechsele ich diese "rein technischen" mit den "musikalischeren" Übungen tageweise ab.
 
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Vielen lieben Dank für die aufwendige und zielführende Antwort! Sie geht mal nicht so allgemein drüber weg, sondern wird ganz konkret und die Vorschläge scheinen mir sehr vernünftig und kostbar.
Jetzt muss ich mal mit der Umsetzung beginnen, freue mich auch drauf. Ich berichte dann...
 
Hallo Andilion,

ich hatte vor ungefähr einem Jahr mit den gleichen Ängsten zu kämpfen wie Du, mit dem einzigem Unterschied, dass ich Posaune spiele und keine Trompete, aber die beiden Instrumete nehmen sich ja auch nicht so unglaubblich viel ;). Ein Jahr davor, als ich zu dem Entschluss gekommen war, Musik zu studieren und ich mit meinen damals 15 Jahren bei einem Professor vorspiellte, hatte dieser mir zum ersten Mal gesagt, dass ich mit meinem (falschen) Ansatz nicht studieren könne. Natürlich war diese Erkenntnis zuallererst ein großer Schock für mich, ich verdrängte es und übte 1 Jahr einfach so weiter wie immer, bis ich schließlich den Mut aufbrachte und versuchte, meinen Ansatz "umzustellen". Allerdings war dies leichter gesagt als getan, da ich die ersten Wochen überhaupt nicht vorankam. Mein Ton klang so bescheiden wie bei einem Anfänge und die meiste Zeit beim Üben verbrachte ich mit rumweinen, weil ich einfach so verzweifelt war... Früher war ich immer stolz gewesen auf meinen schönen, weichen Ton, doch der war plötzlich wie weggeblasen.
Wie auch immer, so sulte ich mich ungefähr einen Monat im Selbstmitleid und hatte eine Musikkarriere schon vollkommen ausgeschlossen, als ich endlich begann, Fortschritte zu machen. So konnte ich schon nach nur 3-4 Monaten wieder einwandfrei spielen, alleine die Sicherheit mit meinem neuen Ansatz fehlte noch ein bisschen und es gab manchmal noch ein paar Aussetzer meines Ansatzes, wo plötzlich die einfachsten Töne nicht ansprachen. Jetzt, nach einem Jahr, kann ich baer sagen, dass auch das so langsam sein Ende hat.

Ich kann nun im Gegensatz zu früher höher, tiefer, schneller und besser spielen und kann eine Ansatzumstellung nur weitermpfehlen!

Auch wenn es, wie bei mir, in den ersten Wochen, wo man sich selsbt noch regelrecht zwingen muss, "anders" zu spielen, natürlich anstrengend und nicht zu unterschätzen ist. Ich hatte die ganze Zeit das Glück, dass mich während dieser Phase ein sehr kompetenter und fachkundiger Lehrer begleitet hat, der mich jede Woche aufs neue ermutigt hat, weiterzumachen. Wenn Du meinst, dass Du die ersten Anstrengungen in Kauf nehmen willst/kannst, würde ich Dir auch empfehlen, eine solche zu machen, auch wenn man die Früchte der Arbeit erst später ernten wird. Ich habe allerdings auch von anderen Personen gehört, dass eine Ansatzumstellung auch schneller verlaufen kann als bei mir.
 
Könntest Du bitte noch beschreiben, worin der "falsche Ansatz" bei dir eigentlich bestand?

Du beschreibst die klassische Geschichte vieler Blechbläser mit Ansatzproblemen. Allerdings ist das Ergebnis keineswegs immer vorhersehbar - ganz unabhängig von der Qualifikation der beteiligten Personen.

Ich kenne einen Ex-Trompeter, dem sein Prof noch im letzten Studienjahr zur "Ansatzumstellung" drängte. Das Ergebnis wurde zum Drama. Nach endlosen Korrekturversuchen unter Anleitung verlor der Student jede Sicherheit auf der Trompete und das Studium musste schließlich in der Diplomprüfung abgebrochen werden. Das Instrument wurde schließlich bei einem späteren "Comeback"-Versuch an die Wand geklatscht.

Ansatzprobleme lassen sich oft deutlich eleganter durch geeignete "therapeutische Übungen" beheben, während (scheinbar) wie gehabt weiter musiziert wird. Die Änderungen werden unbewusst vollzogen, wenn der Körper dazu bereit ist.

Das dauert auch nicht länger als der genannte Weg und hat den Vorteil, dass es eben nicht zu drastischen Einbrüchen und persönlichen Krisen kommt. Der einzige Unterschied ist, dass in dieser Hinsicht kompetente Lehrer in D schwerer zu finden sind.
 
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Könntest Du bitte noch beschreiben, worin der "falsche Ansatz" bei dir eigentlich bestand? ...
Stimmt, es gibt natürlich auch Beispiele, beri denen eine Ansatzumstellung zur Katastrophe wurde.

Wie Du (zonquer) vielleicht noch weißt, habe ich im Januar hier an das Forum die Frage gestellt, wie man mit Lampenfieber und Versagensängsten umgehen kann, da ich mich damals in einer ziemlich schlimmen persönlichen Krise befand, die höchstwahrscheinlich durch meinen Einbrüchen und schlechten Auftrittserfahrungen während meiner Ansatzumstellungszeit hervorgerufen wurde. Dass dies jetzt auch ein Ende hat, liegt daran, dass ich in letzter Zeit so oft es geht vorgespielt habe und positive Erfahrungen auf der Bühne sammeln konnte, um wieder in die richtige Spur zu kommen.

Was ich sagen wollte:
Natürlich birgt so eine Ansatzumstellung so mancherlei Risiken, die es nicht zu unterschättzen gilt. Ich habe diesen Weg trotzdem gewählt, weil ich mich einfach nur weiterentwickeln wollte und nicht in der Entwicklung stagnieren wollte. Ich bin froh, dass nun alles geklappt hat. Wenn es aber eine andere, nicht ganz so drastische Lösung gibt, wie zonquer gesagt, hat, dann würde ich diese auch im Nachhinein vorziehen.
Was ich aber auf keinen Fall tun würde, ist einfach nichts zu tun. Auch wenn es länger dauern sollte, es lohnt sich allemal.

Viel Erfolg!
 
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  • Gelöscht von Claus
  • Grund: Crosspost, ein Hinweis reicht

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