Ansur / Warring Factions / 2008 / CD

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Ansur - Warring_Factions.jpg

Genre: Experimental/Avantgarde Extreme Metal

VÖ-Datum: 21.04.2008

Label: Nocturnal Art/Candlelight

Spielzeit 1:01:34

Besetzung:
- Torstein J. Nipe (git, b, key)
- Espen A.R. Aulie (voc)
- Glenn Ferguson (dr)


Tracklist:
01. The Tunguska Incident (8:44)
02. Sierra Day (5:53)
03. Phobos Anomaly (6:19)
04. An Exercese In Depth Of Field (12:15)
05. At His Wit's End (7:59)
06. Cloudscaper (7:42)
07. Prime Warring Eschatalogist (12:38)

Ein nicht gerade kurz gegriffener Stilmix aus "Progressive Rock, Extreme Metal und Jazz" soll den erwarten, der sich entschließt, seine Ohren für gut eine Stunde den drei (zumindest hierzulande) nahezu unbekannten Herren von ANSUR aus Drammen zu leihen. Und bereits das CD-Cover der Norweger, die außer einer Demo und einem Longplayer namens Axiom noch nix auf dem Kerbholz haben, nimmt sich geradezu psychedelisch und damit recht spektakulär aus. Ebenso wie die Songtitel, die es schon im Vorraus verstehen, Interesse zu wecken.
Na, wenn das mal nicht auf Großes hoffen lässt...

Hierbei sei vorweggenommen, dass die Band auf dem Album einige Eigenheiten aufweist, die symptomatisch für alle Songs sind und das Album zu einem komplexen Hörgenuss machen, der sich wohl erst bei mehrmaligem Hören lohnt:
Streitbar dürften Espen Aulies Vocals sein, die so eigenwillig sind, dass ich gar nicht sagen kann, was genau er da macht... entweder er singt Melodien in ultradreckigem Stil oder er growlt und wurschtelt dabei noch irgendwie sowas wie eine Melodie in seine Stimme... höchst gewöhnungsbedürftig, wenn auch alles andere als uninteressant.
Dann wären da zum einen die sehr unkonventionelle und komplexe Harmonik (v.a. Gitarrenstimme), die wohl zusammen mit den vielen verschiedenen Rhythmen dafür verantwortlich ist, dass man die Scheibe mehrmals durchhören sollte, bevor man sich ein Urteil erlaubt. Dieses Stilmittel wirkt von Durchlauf zu Durchlauf ansprechender.
Und zum anderen die eben genannten vielfältigen rhythmischen Strukturen innerhalb der Songs. Dies mag anfangs ebenfalls irritieren, macht aber mit der Zeit immer mehr Spaß, da es den Songs zu einem gerüttelt Maß an Kurzweil verhilft und dafür sorgt, dass man immer neue Details entdeckt, wenn man sich das ganze nochmal von vorne reinzieht.
Dazu gesellt sich ein sehr spezieller, fast etwas roher, mit der Stimmung der Songs jedoch perfekt korrespondierender Sound.

Nun also zu den Songs selbst:
Nach kurzem gemeinsamem, von der Gitarre gezupftem Intro und einem stark akzentuierten, komplexen Gitarren-Akkordmuster (das meine Wenigkeit ob des Songtitels und des Sounds an Balalaikas denken lässt) geht's los mit dem eigentlichen Song "The Tunguska Incident". Der stellt sich als eine ziemlich kurzweilige Abfolge mehrerer Midtempo-Teile heraus; in ziemlich flotter Phrasierung reihen sich mal ternäre und mal binäre, mal knüppelharte und mal meditative Parts aneinander, die auch in der Instrumentierung fließend ineinander überleiten. Ist am Anfang Metal angesagt, findet man sich nach einer Spielpause mit durchgehaltenen Tönen bei etwa 3 Minuten Spielzeit in einem sehr ruhigen, angejazzten und melodischen Part mit mehreren Soli wieder, wobei nach einiger Zeit auch ein Saxophon in einer Manier ertönt, die einen (und das nicht zum letzten Mal auf diesem Album) wohlig an Pink Floyd zu Dark-Side-Of-The-Moon-Zeiten erinnert, bevor sich der Song wieder zu Lautstärke und Heavyness aufbaut. Und plötzlich wieder sanft ausklingt. All diese Übergänge wirken dabei so selbstverständlich und stimmig, dass die 8:44 wie im Flug vergehen. Ein echtes Kunstwerk.

Und was der erste Song so eindrucksvoll beginnt, wird auf der Platte auch konsequent durchgezogen:
Die Songs weisen alle eine extrem abwechslungsreiche und dabei irgendwie logische Phrasierung auf; ihren Höhepunkt findet diese Spielart in "An Exercese In Depth Of Field", das im Prinzip eine Reise durch alle erdenklichen Pop/Rock/Metal-Stile darstellt: es beginnt mit einer dissonanten Persiflage auf einen Latin-Groove, darauf folgen Parts mit typischer Ansur-Instrumentierung (die auch die jazzigen, beruhigten Passagen nicht vermissen lassen), ebenso wie Country (!) und von lautstarkem Hintergrundgröhlen begleiteter Arenarock. Äußerst unterhaltsam. Auch Blues wird erfolgreich mit den vielfältigen Arrangements verschmolzen.
Zudem bestehen viele Songs zu nicht gerade kleinen Teilen aus (genialen) Solopassagen; dabei tritt wiederum eine der herausragenden Tugenden der Musiker zutage: Niemals wird versucht, den Zuhörer allzu aufdringlich von den eigenen technischen Fertigkeiten zu überzeugen (wie es heutzutage im Metal Usus ist), sondern die Parts fügen sich perfekt ein und sind sparsam genug gehalten, um ein gediegenes Gesamtklangbild zu ergeben.

Auch die genannten Pink-Floyd-Parallelen sind an vielen Stellen nicht zu verleugnen (das Saxophon etwa ist noch häufiger zu Gast), und doch beackern Ansur ein ganz eigenes Feld: der Sound ist wie schon erwähnt sehr rau und klingt oft fast wie eine Demoversion der Songs, wirkt aber gerade dadurch glaubwürdig, und das Riffing ist so unverwechselbar, dass es der Musik der Norweger eine heute nur noch selten anzutreffende Eigenständigkeit verleiht.
Insbesondere beeindruckt dabei das absolute Fehlen von Schwachstellen: Zwar sind etwa "Phobos Anomaly" oder "At His Wit's End" nicht gar so spektakulär wie andere Lieder, aber auch hier fasziniert das Klangbild so sehr und lassen sich so geniale Stellen entdecken, dass die Songs richtig Laune machen und zeitweise mit atemberaubend schönen Hooklines zu gefallen wissen (siehe "Cloudscaper").

Besonders herausragende Songs freilich kann man trotzdem ausmachen:
Der Übersong schlechthin ist wohl Sierra Day, ein schwungvoller und verhältnismäßig eingängiger Fünfviertler, der mit 5:53 auch der kürzeste Song des Albums ist.
Und, nicht zu vergessen, der letzte Song, Prime Warring Eschatologist, der in gewohnt fantasievoller Art und Weise loslegt, um dann anzuschwellen und immer heftiger zu werden. Schließlich klingt auch diese Anspannung wieder ab und der Song leicht aus, woraufhin das Piano ganz ruhig den Faden aufnimmt, etwas Solozeit zugestanden bekommt, um sich schließlich zum Finale furioso aufzubauen: ein tanzbarer 3/4-Groove, den die Gitarre aufnimmt, begeistert weiterschwingt, und zusammen mit dem congenialen Piano ausgefaded wird, woraufhin atmosphärische Synthi-geräusche das Klangbild zum Ende abrunden.

Was bleibt einem rundum faszinierten Hörer wie mir nach dieser Erfahrung zum Schluss noch zu sagen? Dass solch ein Geniestreich meine Begeisterung verdient, ist wohl selbstverständlich. Daher sei dem Werk hier die in meinen Augen angemessene Bewertung zugestanden:

10/10!!!
 
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klingt ja sehr interessant, ich glaub ich werd mir das mal anhören. geiles cover btw^^
 

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