Aufnahmestudio -> Was ist euch wichtig

Ich hab Hobbymässig schon einige Mixes für Bands gemacht. Was ich dabei immer wieder festgestellt habe: Sie haben einen Referenzmix, und genaue Vorstellungen die sie mir in Worten versuchen zu beschreiben. Die Referenz und die Beschreibung in Worten widersprechen sich oft.

Ein Beispiel: Eine Band hat mir "verboten", Hall zu verwenden, da es "natürlich" klingen soll. Der Referenzmix den sie mitgebracht haben, hatte gut viel Hall, den sie offenbar nicht wahrgenommen haben, und mir auch nicht glaubten, dass da reichlich Hall drin ist. In solchen Fällen wirds als Tonmensch ziemlich schwierig. Ich versuch dann zu erklären: "Wenn etwas natürlich klingen soll, ist Hall ein Muss. In jeder natürlichen Umgebung ist Hall vorhanden. Ihr nehmt den Hall in der Referenz vermutlich nicht wahr, weil er im Alltag selbstverständlich, und nicht wegzudenken ist." Dann kommt irgendwie sowas als Antwort: "Ja schon, aber....".

Anderes Beispiel: Oft wird viiiel Dynamik gefordert, was sie damit meinen ist jedoch: Viel Laut, bzw eine sehr flache Dynamik, wenn man sich dann ihre Referenzen anhört.

Was ich damit sagen will: Ich bin auch kein Profi, aber wenn man ein guten Mix selber erstellen möchte, kommt man nicht darum herum, sich einzuarbeiten. Wenn man einen Mix in fremde Hände gibt, und Wünsche anbringt, klingt das einfacher. aber selbst das setzt ein geschultes Gehör voraus, und dass man das was man hört in Worten verständlich beschreiben kann. Das ist garnicht so einfach, wenn Recording Neuland ist, auch für erfahrene Musiker.

Ich finde, wenn man sich entschliesst den Mix in fremde Hände zu geben, ist es nicht verkehrt, ihm einen Referenzmix zu bringen an dem er sich orientieren kann. Und ihn dann einfach arbeiten lassen. Man gibt sein Mix ja in fremde Hände, weil man davon ausgeht, dass dieser Mensch weiss was er tut, wie man den Mix in Richtung der Referenz mischen kann.
 
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das war auch nicht immer so. Anfangs war ich eben auch, wie ich schon gesagt habe, extrem blauäugig und habe halt ohne Ahnung von irgendwas mal damit begonnen. Vielleicht war es halt ein Vorteil dass ich durch mein Interesse daran der sprichwörtliche Einäugige (noch dazu extremst sehbehindert, um bei der Metapher zu bleiben) unter den Blinden.
Wenn du etwas ein klein wenig kannst, was alle anderen gar nicht können, dann kannst du eben schon mehr als alle anderen.
Zweitens, wenn du das Equipment dafür hast oder damals hattest (Mischpult, Mehrspur-Tonbandgeräte, ..), die anderen aber eben nicht, dann hast du auch schon einen Vorteil bzw. kannst etwas anbieten ("Studionutzung", "Mehrspuraufnahmen"), was die anderen eben einfach nicht haben oder hatten.



Ich denken, die ganze Musikindustrie und auch Aufnahmestudios sind im Umbruch.

Zum einen ist ja Aufnahmeequipment für Mehrspuraufnahmen extrem preisgünstig geworden, verglichen mit Preisen von vor etwa 30 Jahren.
(Einmal nicht in Urlaub gefahren oder mit dem Kettenrauchen (Beispiel von jemand hier im Thread) aufhören, und schon hat man das Geld für ein Mehrkanal-Interface und ein paar brauchbare Mikrofone beisammen.... ;) )
Und zum anderen sind die Gerätschaften viel kleiner, leichter, weniger sperrig und sehr viel wartungsfreundlicher (wie häufig justierst du heutzutage die Schreib/Lese-Köpfe deiner Festplatte? Wie häufig hast du früher dein Mehrspurtonbandgerät eingemessen, die Köpfe gereinigt oder justiert..?) geworden.
Man hat heutzutage einfach den Platz im Proberaum, um Laptop und Interface hinzustellen. Im Gegensatz zu früher mit analogen Mehrspur-Tonbandgeräten, die nicht nur teuer waren, sondern auch viel Platz beanspruchten.


Zum anderen eigenen sich viele Musiker, die Aufnahmen ihrer Musik haben wollen, gewisse Grundkenntnisse an. Oder nutzen den Computer und DAW ohnehin schon, um ihre Musik zu "komponieren" oder zu produzieren (Virtuelle Instrumente, o.ä.).
Vielleicht auch erstmal nur mit der Absicht, ihre Arrangements und Soundvorstellungen auf Demoniveau festzuhalten.
Und wenn man sich dann ein wenig in die Tontechnik eingefuchst hat (und Hall im Referenz-Mix erkennt... ;) ) und merkt, dass die eigenen Demos gar nicht mal so schlecht klingen, stellt sich dann schon die Frage, warum überhaupt in ein Studio gehen?

Besonders, wenn man eben eher noch auf Amateur- oder Hobby-Level ist, das heißt, mit seiner Musik noch nicht seinen Lebensunterhalt verdient.
(Profi ist, wer Geld dafür nimmt bzw. davon lebt. Egal, wie anspruchsvoll oder banal die "Kunst" ist... Amateur oder Hobbyist ist, wer kein Geld dafür verlangt, bzw. nur ein wenig bekommt, um sein Hobby halbwegs gegen zu finanzieren, egal wie hochwertig die Kunst auch sein mag.... )
Besonders, wenn Studios, die man sich leisten könnte, im Grunde auch nur ähnliche oder vergleichbare Gerätschaften haben wie man selber.
Und der Aufnahmeraum auch eher nur so klein ist und entsprechend "kleine" Akustik hat wie der eigene Proberaum. (Und die "natürliche Akustik" am Ende im Mix mit Hall-Plugins gemacht wird.... ;) ..)

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass aufstrebende Bands, die mit Homerecording und vielen kleinen Videos auf Insta oder Youtube usw. ihr Publikum gefunden haben; finden werden, und deswegen (wegen der Fanbase) auf Festivals spielen, dann auch mit dem Erfolg im Rücken von ihrem eingespielten und bewährten System nicht mehr abrücken.
Immerhin haben sie damit die Unabhängigkeit und Kontrolle über Sound, Veröffentlichungs-Rate, Promotion und auch Kosten.

Grüße


P.S.: Einige hatten nach Klangbeispielen von mir gefragt.
Ich habe einige vorbereitet, wo ich die Tontechnik gemacht hatte. Es handelt sich um unveröffentlichte Aufnahmen, deswegen gibt es nur Zugriff darauf über persönliche Anfrage per PM.
 
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Ich denke der Vergleich hinkt
..ich denke, das haben weiße Schimmel so an sich :)
Was deine Aufgabenzuordnung angeht: was gut oder schlecht klingt, unterliegt ja etlichen Faktoren, bishin zu der Bereitschaft, eben nicht so zu klingen wie alle schon immer. Nicht jede Idee ist einfach genre-typisch standadisierbar ... ich kann mich noch an die 80er erinnern, in denen ich erleben durfte, wie neue klangliche Orientierungen schon mal gelingen konnten, oder eben auch komplett in die Hose gingen, weil ein Techniker seine überkommenen Vorstellungen auf ein Produkt meinte quetschen zu müssen und Potenziale einfach nicht verstanden hat.

... aber immerhin habe wir auf diese Weise noch einen wesentlichen Punkt umrissen: es ist fast unabdingbar, den Rahmen abzustecken, in dem sich ein Tonmensch bewegen sollte oder darf. Also: sollen einfach abbildende "neutrale" Tonaufzeichnungen passieren, oder sollen künstlerische Eingriffe und Ausrichtungen mit reinspielen. Das hängt dann sicher auch davon ab, wie umfangreich und kompetent die Vorstellungen der Musiker sind ...
Zum anderen eigenen sich viele Musiker, die Aufnahmen ihrer Musik haben wollen, gewisse Grundkenntnisse an.
... hätte ich ja auch irgendwie angenommen, ich wundere mich aber immer wieder, wie verhältnismäßig wenige das sind ... ich kann mich täuschen, aber mangelnde Technikaffinität ist immer noch vorrangig verbreitet ... ich kann jedenfalls keine auffällige Entwicklung im Verhältnis Technikdummie zu Techniknerd erkennen unter Musikern ...
 
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Man gibt sein Mix ja in fremde Hände, weil man davon ausgeht, dass dieser Mensch weiss was er tut,
...Thema Vertrauen und, würde ich sagen, ein gutes Maß an gutgläubiger Naivität ... ;)

Ich würde da inzwischen genau andersherum rangehen: als Referenz würde ich eher bereits vom Dienstleister erstelltes Material verwenden, denn das zeigt, wie derjenige mit Material umgeht und was im Bereich seiner Vorstellungswelt liegt. Denn genau wie ein Gitarrist mit jedem Equipment nach gewisser Zeit ähnlich klingt (wenn er denn über soetwas wie Stil verfügt), verhält sich das bei Tonleuten ja auch. Und aus einem fähigen Kirchenchoraufnehmer einen experimentellen Querdenker zu basteln, überfordert vermutlich die meisten Bands, selbst wenn sie sinnvolle Vorstellungen über ihre eigene Musik entwickelt haben ...
 
und schon hat man das Geld für ein Mehrkanal-Interface und ein paar brauchbare Mikrofone beisammen...
Equipment kaufen allein bringt aber keine guten Aufnahmen.
ich geb dir recht, dass vieles heute einfach super günstig ist, theoretisch kannst du dir auch für weniger als 350€ ein Basis iPad holen und damit ein Album aufnehmen, XR18 Mixer gibts aktuell unter 400€ und das hat 16 Inputs, dann noch mikrofone, da gibts auch im Günstigen segment recht gute (LineAudio cm4 Overheads, oder die Behringer BA19a Grenzfläche für die Kick, etc.)

Aber:
Du brauchst zwingend jemanden in der Band, der da Bock drauf hat und auch entsprechend fähig ist sich das nötige Knowhow anzueignen.
und ich muss halt sagen, Recording der DI Tracks für Gitarre geht problemlos, recording der Vocals und Drums würde vermutlich auch irgendwas verwertbares hervorbringen, aber spätestens beim Mixing wirds bei mir einfach ultra flach, da lass ich dann lieber jemanden ran, der es kann, mastering hab ich mich gar nicht eingelesen, was man da machen soll/muss.

und jetzt ist es so, dass ich der einzige in der Band bin der wirklich bock auf technik hat, also werden wir dauerhaft wenn es an Alben geht auf ein Studio angewiesen sein, weil Songwriting is mir halt wichtiger als alle paar jahre 3000-4000€ für eine Albumaufnahme einzuspaaren. zudem interessiert mich halt livetechnik mehr, das ist auch so gesehen wichtiger für mich, dass ich die Technische Kommunikation zwischen Band und FOH gut vollziehen kann.
... da sind wir halt wieder bei der Priorisierung, ich könnte natürlich auch mein Leben umstricken, damit ich mehr zeit für Studio-Knowhow habe, da hab ich aber keinen Bock drauf :biggrinB:
 
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