Beethoven op.90

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Günter Sch.
Günter Sch.
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Dieses zweisätzige werk ist eine der kleineren, vorwiegend heiteren, liebenswerten sonaten, wird darum von den pianisten gemieden, die lieber die "Pathéthique" ( so nannte sie der komponist) oder die "Appassionata" (die nannten andere so) herunterdonnern und damit eindruck schinden, wenn sie nicht gar beim unsäglichen "Mondschein" verbleiben, denn leider gibt es keine autorenschutzrechte, die solch unsinnige bezeichnungen verbieten.
Ich sprach gestern mit meiner musizierpartnerin, wir spielen nämlich nicht nur, sondern trinken kaffee und tauschen meinungen und erfahrungen aus. Sie war in München bei einem wettbewerb für klaviertrios, und aus spaß hatte sie mit kollegen formlos gewettet, dass als sieger hervorgehen würde, wer am lautesten und am schnellsten spielte.
Natürlich ist die jury in solchem falle überfordert, die jungen leute aus aller welt sind alle gut, keiner spielt falsch, und dass man in Korea oder Japan andere oder auch keine vorstellung von deutscher romantik hat, ist ihnen nicht anzulasten.
Wir kennen das problem vom künstlerischen sport, dem eiskunstlauf, der rhythmischen sportgymnastik, da fanden die braven schiedsrichter keinen zugang zur musik, sie hörten keinen takt mehr heraus, und überhaupt ging manches über ihre köpfe, und wie soll man das bewerten und benoten? Sie hätte sich ja weiterbilden müssen, und sport solle sport bleiben usw. usf.
Traurig ist freilich, dass auch das "große" publikum besonders begeistert ist, wenn die musik schön laut ist und möglichst viel faxen gemacht werden.
Das geht mit op.90, e-moll nicht, das ist reine kammermusik.
Im 1. satz gibt es eine technische schwierigkeit, die man schrittweise überwinden kann: in takt 55 ist der basston motivisch, und dann muss die L sich strecken
1. die 3 töne H - cis - d mit 5 allein spielen (den 5. sensibilisieren), augen schließen, sich auf den tastsinn verlassen
2. die dezime d1 - e1 - fis1 wie einen kurzen vorschlag daranhängen
3. als bass und nachschlag spielen (2. 1/16 weglassen, 3.+ 4. 1/16 gleichzeitig)
4. bass und dann die anderen 3 1/16 wie ein triole spielen
5, jetzt müsste es gehen, analog die stelle in der reprise.

Das abschließende "Nicht so geschwind und sehr singbar" ist ein prüfstein für guten geschmack: nichts übertreiben, in den zwischensätzen etwas mehr tempo, steigern und sachte in das normale zurückgleiten. Wenig pedal, die bässe weich "pizzicato" und "singen" ohne falsche sentimentalität!
Beachtlich Beethovens vorstoß in die impressionistische klangwelt takt 41 ff. und analoge, hier deuten sich die trillerketten der späten sonaten an, da darf der klang, mit der "aliquot-wirkung" (verdoppelung von registern) und den sekund-dissonanzen vorsichtig verwischt werden.
 
Eigenschaft
 
Lieber Günter,
vielen Dank, daß Du Dich nun auch der schönen op.90 annimmst. Ich stimme Dir zu, sie ist eine liebreizende Sonate, nicht zum runterhämmern geeignet. Dennoch, oder vielleicht deswegen empfinde ich sie aber schwieriger als z.B die Pathetique (op.13). Letztere ist für den Zuhörer beeindruckender, da sie sich im ersten Satz wie ein Gewitter über das Publikum ergießt. Der zweite hingegen ist romantisch, eingängig und ruhig und im dritten, dem Rondo, kann man durch Geschwindigkeit brillieren. Als technisch schwierig sehe ich hier vorallem im ersten Satz die Otav-Ostinati (kann man das so nennen). Dem ungeübten bietet sich hier die ideale Möglichkeit, sich eine Sehenscheidentzündung einzufangen. andererseits, mit Vernunft und dem richtigen Lehrer kann man hier viel über Spannung/Entspannung der Unterarmmuskulatur lernen.

Bei der Op. 90 muß man mehr nachdenken. Auch Beethovens Anweisungen zur Dynamik und vorallem zum Tempo sind vielseitig interpretierbar und man kann beide Sätze mit gewissem Reiz sowohl rasend schnell oder recht langsam spielen. Wie hat Beethoven sie wohl selbst gespielt? Zwei interessante Gegensätz der Interpretation finden wir bereits, wenn wir die großen, Gulda und Brendel, miteinander vergleichen. Gulda ist mir zu schnell, zu wenig bedacht auf die Details dieser Sonate, Brendel hingegen ist mir manchmal zu intellektuell, ich mag die Sonate lieber etwas romantischer interpretiert.
Im ersten Satz hast Du bereits die technisch schwierige Stelle erwähnt. Ja, ich stimmt Dir zu, der Baß ton sollte hier die Melodie führen. Muß er auch, denn nur mit Gewicht auf dem kleinen Finger gelingt es mir, die Hand trotz der Dezime entspannt zu halten. Manche Pianisten geben dem Bass nicht dir melodische Führung, was ebenfalls sehr reizvoll sein kann, wenn man sehr schnell spielt, dann klingt die linke Hand wie ein unterschwelliges Rauschen zu den führenden Oktaven der Rechten. Aber wie gesagt, ich bevorzuge ebenfalls die Melodieführung im Baß.
Ebenfalls anspruchsvoll wird es ab Takt 112 (so ungefähr jedenfalls) in der Durchführung. Das Thema geht in die linke Hand und die rechte begleitet. Die Stelle ist schnell zu spielen und die Begleitung muß "perlig" wirken, darf nicht mehr aufgelöst sein in einzelne Töne.

Der zweite Satz ist technisch einfacher, allerdings musikalisch anspruchsvoller. Er ist länger und erfordert mehr Durchhaltevermögen. Er hat die Form eines Rondos, und wie immer gelingt es Beethoven wunderbare Verarbeitungen zwischen die wiederkehrenden Themen einzufügen. Ich finde, man darf diesen Satz nicht zu langsam spielen, obwohl er die Tempobezeichnugn "Nicht zu geschwind und singbar vorzutragen" besitzt.

Bei mir hapert es noch an zwei Problemen: Zum einen möchte ich die Sonate völlig auswendig können, um mich besser auf die Musik zu konzentrieren, zweitens fehlt mir noch immer das professionelle Durchhaltevermögen, die Konzentration. Dies gilt vorallem für den längeren zweiten Satz, der erste ist so abwechslungsreich, in kleine Häppchen unterteilt, daß er leicht durchzuhalten ist. Interessant finde ich auch, daß ich den zweiten Satz schöner spiele, wenn ich ihn unmittelbar an den ersten anhänge. Sie gehören für mich unbedingt zusammen.
Wenn ich soweit bin, werde ich diese Sonate auch mal aufnehmen. Allerdings hängt das auch von noch zu bewältigenden elektronisch/technischen Schwierigkeiten ab.

Cheers,

Wolf


p.s.: ach ja, und vielen Dank an Jay für die tolle Übersichtlichkeit!:great:
 
Die trommelbässe in der "Pathétique" verlieren sofort ihren schrecken, wenn man das (unverkrampfte) handgelenk dabei nach links und rechts dreht. Schmerzen und gar sehnenscheiden-entzündungen beruhen auf ungeschick.
Bei op.90 fällt mir der übergang zur reprise schwer, die stelle ist ein wenig leer, aber die dissonanzen und rhythmischen kapriolen möchte man schon auskosten.
In meinem archiv klafft eine lücke, ich habe kaum klaviermusik auf tonträgern, immer zu hören, wie ein anderer, nicht immer vorbildlich spielt, macht mir verdruss. Die für mich richtigen tempi muss ich selbst finden, die musik selbst verrät sie mir, jede mode muss man nicht mitmachen.
 
Günter Sch.;2510466 schrieb:
Die trommelbässe in der "Pathétique" verlieren sofort ihren schrecken, wenn man das (unverkrampfte) handgelenk dabei nach links und rechts dreht. ...

Genau das ist der Punkt, aber Du sagst das so, als könne das jeder selbsverständlich. Ich habe das lernen müssen, was mir Gott sein dank recht leicht fiel, aber ich habe auch schon Schüler daran verzweifeln sehen.
die Finger sollten dabei die Tasten nicht verlassen und wichtig, um locker zu bleiben ist es, den ersten Ton einr jeden Sechzehtelgruppe leicht mit etwas Schwung aus der Drehung heraus zu betonen. Da schützt vor Verkrampfung durch allzu monotone Bewegung.


Günter Sch.;2510466 schrieb:
Bei op.90 fällt mir der übergang zur reprise schwer, die stelle ist ein wenig leer, aber die dissonanzen und rhythmischen kapriolen möchte man schon auskosten.

Du meinst wahrscheinlich die Takte 130-143. Ja, die klingen etwas dünn, weil sich alles teils einstimmig für beide Hände im Diskant abspielt. Ich schätze hier muß man den Zuhörer durch furioses Spiel vom dünnen Klang ablenken :rolleyes:
In 141,142 und 143 gebe ich viel Pedal, das gibt Untergrund und da gerade der Höhepunkt überschritten, finde ich es erlaubt.
 
Interpreten wurden und werden höher bewertet als komponisten, den organisten Bach schätzte man, Beethoven galt als erster klavierspieler in Wien ( und bei Clayderman fragt auch niemand, wer die hübschen sächelchen komponiert hat), und er soll immer iregndwelche schwierigkeiten angebracht haben, um seinen kollegen das nachspielen zu erschweren. Er selbst nahm es dabei nicht allzu genau, denn so präzise wie heute spielte damals niemand. Interessant zu lesen, was der eine vom anderen sagt: so berichtet Clara Schumann, dass Liszt ein stück ihres mannes gespielt habe "Es klang furchtbar!", und Wagner beklagte, dass ebender "so viel krach mache". Aber auch über Claras und Chopins spiel gibt es nicht nur lobeshymnen.
Ich hatte eine matinée begleitet und war mir keiner schuld bewusst, als ich im vorbeigehen hörte, wie eine dabei beteiligte sängerin, die mir nicht wohlwollte, weil ihr der mit seinen pratzen klavierzertrümmernde partner mir nicht wohlwollte, fallen ließ "wie eine gesengte sau!", worauf der zufrieden lächelte. War ich damit gemeint? So kommen manchmal urteile zustande.
 

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