Bitonalität

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Abend liebe Freunde der Musik!
Wir werden in der Schule zur Zeit mit allerlei Zeug zugeballert was ja auch einigermaßen interessant ist, allerdings hab ich bei einem Thema nicht so ganz den Durchblick:
Die Bitonalität.
Ok, fein gegoogelt: Bitonalität ist ein Begriff aus der Musik und beschreibt (griech. Silbe "bi") die gleichzeitige Verwendung von zwei Tonarten.

Ein Stück wo mittendrin ein "kompletter" Wechsel der Tonarten ist nennt man dann nicht Bitonal, erst wenn zwei unterschiedliche Instrumente in zwei unterschiedlichen Tonarten spielen oder?

Fein. Meine Frage ist jetzt wie genau ich das ganze in einem Notenbeispiel erkennen kann.
Ich bin nicht ganz so bewandert auf dem Gebiet also lyncht mich nicht wenns ne absolut dumme Frage sein sollte;)

Und jetzt mal allgemein: Die Tonart kann ich ja durch die Vorzeichen bestimmen gell? Und sobald jetzt ein Vorzeichen auftaucht das da nicht sein sollte spricht man von Bitonal oder wie:gruebel:?

Wär sehr nett wenn jmd mir heute noch antworten könnte *räusper Klausur räusper* :D
Danke.
 
Eigenschaft
 
Bei Ginasteras erstem argentinischen Tanz ist das ganz einfach.
Da hat das obere System keine Vorzeichnung und das untere 5 bs wenn ich mich recht entsinne.

Bei anderen Beispielen, wie zum Beispiel bei Milhaud oder Bartok hilft es, sich die Linien anzusehen. Wenn du dir die einzelnen melodischen Linien ansiehst, oder auch die Patterns, dann wirst du feststellen, dass die einen ganz andere Vorzeichen verwenden als die anderen. Ich glaube wichtig ist, erst mal die einzelnen Tonarten des Werks zu erkennen. Wenn du diese erkennst, dann siehst du auch, wo sie abweichen.
In Bartoks erstem Tanz im Bulgarischen Rhythmus haben wir ein Ostinates Motiv auf E lydisch, aber das wird schon am Anfang mit e phrygisch vermischt. Erkennen tut man das an der klaren E lydisch Linie (e, fis, gis, ais, h, cis, dis/fis) und dem zurückführenden Motiv auf e phrygisch (d, g, f, e).

So musst du die einzelnen Stellen analysieren. Wenn es bitonal ist, dann erst mal beide Tonarten, oder Modi bestimmen und dann kann man trennen.
Du musst aber vorsichtig sein: Ein neues Vorzeichen ist nicht automatisch Indiz für Bitonalität. Meist funktioniert das über längere Strecken.
Als Tipp versuche wirklich auf einzelne Linien zu achten. Da kann dann die Melodie in einer Tonart stehen, die Begleitung in einer anderen (wie bei Ginastera).

Hast du zufällig ein konkretes Beispiel, bei dem du die Bitonalität bestimmen musst?

EDIT: Hier das Beispiel von Bartok:
Gleich am Anfang genau hinhören.
http://www.youtube.com/watch?v=ISRACN6YDTg

Hier in einem halbwegs langsamen Tempo gleich der erste Tanz von Ginastera:
http://www.youtube.com/watch?v=w_qEcMidCOQ

Auch was von Milhaud:
http://www.youtube.com/watch?v=LSU2...DE91FAA7&playnext=1&playnext_from=PL&index=12
 
Zwei verschiedene tonarten, die als solche zu erkennen sind, erklingen gleichzeitig.
Ohne durchblick bei der notierung ist das manchmal schwer zu bestimmen.
Wenn Beethoven z.b. in der "Eroica" tonika und dominante gleichzeitig einsetzt, ist das nicht bitonal, ebensowenig wie viele jazz-akkorde.
Bartok notiert im "Mikrokosmos" für jede hand andere vorzeichen am zeilenanfang, da ist es klar.
 
Günter Sch.;4402381 schrieb:
Bartok notiert im "Mikrokosmos" für jede hand andere vorzeichen am zeilenanfang, da ist es klar.

Bei den Sechs Tänzen im bulgarischen Rhythmus steht in beiden Systemen nichts.
Ich muss mich außerdem korrigieren. Das ostinate Motiv steht nicht in E-lydisch sondern normalem E-Dur. Ich hab ein Ais in Erinnerung, wo gar keines ist.
 
Ein Stück wo mittendrin ein "kompletter" Wechsel der Tonarten ist nennt man dann nicht Bitonal, erst wenn zwei unterschiedliche Instrumente in zwei unterschiedlichen Tonarten spielen oder?
Ja. Es reicht auch schon ein Instrument aus, wenn die rechte Hand z.B. beim Klavier eine andere Tonart spielt als die linke.
Meine Frage ist jetzt wie genau ich das ganze in einem Notenbeispiel erkennen kann.
...
Die Tonart kann ich ja durch die Vorzeichen bestimmen gell? Und sobald jetzt ein Vorzeichen auftaucht das da nicht sein sollte spricht man von Bitonal oder wie:gruebel:?
Um die verschiedenen Tonarten zu erkennen, kann man sich nicht auf die sonst übliche Vorzeichnung verlassen. Im Stravinsky/Petruschka-Notenbeispiel (Wikipedia) ist für die Tonart Fis-Dur (2. Klarinette) keine Vorzeichnung angegeben. Man muß also mit herkömmlichen Mitteln die Tonart bestimmen: Welchen Töne werden verwendet? In welchem Funktionszusammenhang stehen sie? Die erste Triole stellt z.B. die erste Umkehrung eines Fis-Dur-Akkords dar. Auch die anderen Tönen sind alle im Fis-Dur-Dreiklang enthalten. Man kann also davon ausgehen, daß es sich um Fis-Dur handelt. Noch zuverlässiger als der Anfang eines Stückes wäre sein Ende, denn das sollte mit dem Akkord der entsprechenden Tonart enden.

Gruß
Klaus
 
Mal ne Verständnisfrage und deshalb ein einfaches Beispiel:
Nehmen wir an, ich spiele z.B. "Hänschen klein" auf dem Klavier rechts in G und links in C-Dur - ist das dann schon Bitonal? Der Quintraum von G bis D ist ja auch in der C-Dur Tonleiter enthalten - im Grunde spiele ich ja auch nur ständig reine Quinten.

Ein anderes Beispiel für Bitonalität ist vielleicht auch für den modernen Jazz typisches Outside-Spiel in der Improvisation - oder das, was der Hubert hier lustig auf dem Akkordeon macht: http://www.youtube.com/watch?v=VYTnlT_KqYQ
 
Mal ne Verständnisfrage und deshalb ein einfaches Beispiel:
Nehmen wir an, ich spiele z.B. "Hänschen klein" auf dem Klavier rechts in G und links in C-Dur - ist das dann schon Bitonal? Der Quintraum von G bis D ist ja auch in der C-Dur Tonleiter enthalten - im Grunde spiele ich ja auch nur ständig reine Quinten.

Interessante Frage:

Wenn ich das richtig verstanden habe, meinst Du reines zweistimmiges Spiel der Melodie, links beginnend mit c, rechte Hand beginnend mit g, so dass es zu reinen Quintparallelen in der Bewegung kommt.
Ich habe es eben auch ausprobiert am Klavier und mein Höreindruck dabei ist nicht unbedingt, dass ein bitonaler Charakter im Klang entsteht.

Meines Erachtens ist ein Kriterium für echte Bitonalität - abgesehen von der Notation - auch, dass die beiden Tonarten als solche vom Gehör her deutlich zu unterscheiden sind.

Interessant vielleicht, was der Musiktheoretiker H. Grabner dazu schreibt. Er bezeichnet solche Phänomene als "Doppelklänge" :

a) Mischklänge von Dur und parallelem Moll
b) Mischklänge von Dur und gleichnamigem Moll
c) Mischklänge verschiedener Klangwurzeln im Quint- oder Quartverhältnis
...


Hier würde c) zutreffen und ich sehe diese Erklärung als durchaus sinnvoll an.
 
Bitonalität kann auch eine Klangfarbe sein.

Ein anderes schönes Beispiel ist Ligeti. Es gibt Beispiele, wo er etwa eine Melodie in einer viel höheren Lage doppelt, aber eben nicht in der Oktave, sondern zum Beispiel in der Sekunde.
Dadurch ergibt sich auch ein interessanter Klang.

Und bei Ravels Bolero ist das instrumentatorisch sehr genial gemacht.

Dort wird die Melodie auch in anderen Tonarten gedoppelt, um bestimmte Obertöne zu verstärken und noch mal ein anderes Klangerlebniss zu erzeugen.

http://www.youtube.com/watch?v=S2q-gWMAGjw

http://www.youtube.com/watch?v=MP3qwZxm7p4&feature=related

Bei Part 2 hört man es gleich am Anfang.
 
Völlig richtig, wie oft habe ich den Bolero schon gehört und bei dieser Stelle (Anfang Part 2 bei Deinem Link) gedacht, was für Klangmixturen da auftreten.
Es ist wohl Abschnitt 8, den Du meinst: Die Hörner spielen die Melodie(Thema1), die Celesta doppelt es in Oktaven in C-Dur und die Piccoloflöten spielen in einer anderen Tonart (G-Dur?) mit, so dass es zu dieser Klangwirkung kommt.
 
Bitonalität kann auch eine Klangfarbe sein.
Schönes Beispiel mit dem Bolero für die Modifikation des Klangs durch Spielen eines Obertons der Melodie, doch ich würde es nicht mehr zur Bitonalität im eigentlichen Sinne rechnen.

Bei Bitonaltät sollten m.E. die beiden Tonarten deutlich voneinander zu unterscheiden sein, ihren eigenen Charakter behalten und nicht etwa die eine Tonart (als Oberton) der anderen untergeordnet sein.

Oder würde man ein Spiel von Bachs' Orgelwerken als bitonal, tritonal, usw. bezeichnen, nur weil auch die Register 2 2/3′ (Quint), 1 3/5′ (Terz) gezogen sind?

(Bei Aliquotregistern finden sogar Septime, None usw. bis hin zum 15. Oberton Verwendung.)

Gruß
Klaus
 

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