Chaos in der Bedeutung der Wörter: stimmen, feinstimmen, nachstimmen

Akkordeonengel
Akkordeonengel
Helpful & Friendly User
HFU
Zuletzt hier
11.12.24
Registriert
18.01.16
Beiträge
1.199
Kekse
24.330
Ort
Westslowakei
Guten Tag,

ich bin verwirrt über die Begriffe und bitte um Hilfe bei der Erklärung. Ich stelle fest, dass ich versehentlich die Bedeutung verschiedener Begriffe für die Stimmung verwechsle und keine Ahnung habe, wie sie im Deutschen richtig verstanden werden.

Als Angehöriger einer kleinen Nation muss ich fremdsprachige Literatur lesen. In der angelsächsischen Literatur gibt es bei der Instrumentenstimmung einen bemerkenswerten Unterschied, den ich aus unserem Bereich (SK, CZ, AT, DE) nicht auf diese Weise getrennt kenne: Die Amerikaner unterscheiden grundsätzlich zwischen komplett Stimmung (engl.: Full-tuning- d h. „alle Stimmplatten gereinigt, neu ventiliert und neu eingewachst und komplett von Hand neu gestimmt“) und „kontinuierliche“ Stimmung/Nachstimmung (?) (engl: Spot-tuning). Bitte zwei Quellen: hier und hier.

Bei Spot-tuning werden nur die verstimmten Töne (also nicht alle Stimmzungen) gestimmt. Bei Full-tuning ist das Instrument komplett neu gestimmt. Amerikanische Autoren behaupten, dass Spot-Tuning von Natur aus schlechteres Tuning ist, das nur eine kürzere Zeit anhält. Im Gegenteil, sie behaupten über das Full-Tuning, dass es von Natur aus länger hält, obwohl sie behaupten, dass Spot- tuning fast so gut sein kann wie Full-tuning, wenn es gründlich gemacht wird. Im Wesentlichen muss ich ihnen Recht geben, aber es scheint mir eine allzu vereinfachte Sichtweise der Sache zu sein. Sie berücksichtigen nicht die Qualität der Stimmzungen, die Haltbarkeit des Wachsens und der Ventile.

OT: Einer Satz im zweiten Artikel scheint mir das Beispiel der reinen Kommerzialität zu sein:
Due to the mechanical problems that start affecting accordions over time, I personally have no interest in owning or playing an accordion over 10 years old.
Also frage ich in Gedanken: Wer bist du, dass du den Mut hast, so etwas Grundlegendes zu behaupten? Es reicht z.B. Andreas Nebel mit seiner alte gute Gola, um diesen Satz zu verneinen. Bitte verzeihen Sie meine Fragen, wenn sie dumm erscheinen…. OT- Ende.

Also zur Sache:
  • Bitte, wie verstehen Sie eigentlich den Begriff "Akkordeon-Stimmung"?
  • Wie verstehen Sie (Deutsche Muttersprachler) die Unterschiede zwischen den Begriffen: Stimmung / Feinstimmung?
  • Darf ich den Begriff Nachstimmung im englischen Verständnis des Wortes Spot-Tuning verstehen?
  • Manchmal lese ich die Worte: „komplett gestimmt“. Das ist wohl der Begriff für Full-Tuning, nicht wahr (das heißt, nicht im Sinne der Worte: „Ich habe alle verstimmten Töne wieder gestimmt, die ich im Instrument gefunden habe…“)?
Vielen Dank im Voraus für die Erklärung und Ihre Meinungen!

Herzliche Grüße, Vladimir
 
  • Wie verstehen Sie (Deutsche Muttersprachler) die Unterschiede zwischen den Begriffen: Stimmung / Feinstimmung?
evtl. ist es ja das was die Fa. Öllerer macht,
da wird erst am Stimmtisch gestimmt und dann wird nochmal gestimmt (Feinstimmung?) bei eingebauten Stimmstöcken,
hierfür wird die Harmonika mehrfach geöffnet.
Gruß Kurt
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Lieber Akkordeonengel ,

das ist glaube ich kein Problem der Sprache ,
sondern des Aufwands .

denn aufwendig ist :
Full-tuning- d h. „alle Stimmplatten gereinigt, neu ventiliert und neu eingewachst und komplett von Hand neu gestimmt
Das ist der einzige Maßstab , auf den man sich verbindlich einigen kann.
Das erwarte ich von der Werkstatt meines Vertrauens , muß dafür natürlich tief in die Tasche greifen,
habe dann aber ein Instrument in dem technisch besten Zustand.
Spot-Tuning , oder Nachstimmen kann man nur auf Basis der oberen Überholung machen,
falls nach 2-3 Jahren einige Töne minimal verstimmt sind. Die Ventile + Wachs sind da noch nicht grundlegend gealtert
und fallen somit als Fehlerquelle aus.

Dieses wird aber leider meist nicht gemacht.
Viele der gebraucht , als "komplett gestimmt" angebotenen Akkordeon, besonders die , die vom Musikalienhändler an der Ecke,
oder aus anderen Quellen kommen, sind laienhaft nachgestimmt. Also , bei alten Ventilen , oder auch morschem Wachs wird an den Stimmen herumgeschabt, die extrem als schief auffallen.
Die anderen, die es wahrscheinlich auch nötig hätten, aber nicht ganz so nötig , wie die ersten, läßt man als stimmig so durchgehen ...
Manchmal sind auch einzelne Stimmen herausgehebelt, nachventiliert und irgendwie wieder eingeklebt.

Jetzt hat man sowas , wie bei einem schlechten Zahnarzt , alles so halbschief und nichts so richtig gut.

Man muß also darauf achten , von wem die Aussage "komplett gestimmt" kommt.
Richtiges Stimmen , also von Grund auf , mit Ventilen und Wachs, Vorstimmen außerhalb des Akkordeons, Feinstimmen , Ton für Ton im eingebauten Zustand ist sehr aufwendig und somit teuer.
Sowas kann nur ein Profi - deshalb kosten auch gebrauchte Instrumente in einer guten Werkstatt mal 1000-2000€ mehr als bei ebay , oder beim Trödler mit Musikinstrumenten.
Alles andere ist ungewiss .
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Die Amerikaner unterscheiden grundsätzlich zwischen komplett Stimmung (engl.: Full-tuning- d h. „alle Stimmplatten gereinigt, neu ventiliert und neu eingewachst und komplett von Hand neu gestimmt“) und „kontinuierliche“ Stimmung/Nachstimmung (?) (engl: Spot-tuning). Bitte zwei Quellen: hier und hier.
So kompakt wie die Amerikaner können wir das glaube ich nicht beschreiben: bei uns entspricht dem "Full-tuning" die "Bezeichnung neu ventiliert, eingewachst und gestimmt" ... ist das gleiche aber halt deutlich mehr Wörter. Und "Spot-tuning" wird bei uns üblicherweise "nachstimmen" genannt.

Bei Spot-tuning werden nur die verstimmten Töne (also nicht alle Stimmzungen) gestimmt. Bei Full-tuning ist das Instrument komplett neu gestimmt
Das ist so richtig, wie falsch: Es werden so oder so nur die Stimmzungen nach gestimmt, die verstimmt sind... kein Stimmer wird eine Stimmzunge, die schon stimmt nochmal stimmen. So zumindest gedacht im Sinne deutscher Gründlichkeit...

...man kann das Ganze aber auch zwischen den Zeilen lesen...Dann würde ich das so deuten, dass bei einem full tuning alle Stimmzungen so lange nachgearbeitet werden, bis das Ganze Instrument sauber und fein stimmt... und auf der anderen Seite könnte man dann unterstellen, das bei Spot-Tuning nur die gröbsten Ausreißer nachgestimmt und eingefangen werden und leichte Abweichungen einfach belassen werden.

Was davon nun richtig oder falsch ist weiß ich auch nicht ... hier ist es wie oft so, dass man die Worte aus der anderen Sprache nicht 1:1 übersetzen kann, sondern noch wissen muss, wie das dazu noch dort empfunden wird. Und dazu kenne ich den amerikanischen Markt zu wenig.


Amerikanische Autoren behaupten, dass Spot-Tuning von Natur aus schlechteres Tuning ist, das nur eine kürzere Zeit anhält. Im Gegenteil, sie behaupten über das Full-Tuning, dass es von Natur aus länger hält, obwohl sie behaupten, dass Spot- tuning fast so gut sein kann wie Full-tuning, wenn es gründlich gemacht wird.
Behaupten kann man viel ... und Behauptungen geben oft mehr Stoff für einen Artikel ab, als nüchterne Fakten! :engel:

Grundsätzlich gilt: Je mehr an den Stimmzungen gemacht wird, desto mehr Unruhe kommt rein und um so länger brauchen die wieder, bis sich alles beruhigt hat. Und das gilt unabhängig von den restlichen Arbeiten... das kommt noch "on top" hinzu.

Meine Erfahrung ist: je mehr ich nachstimmen muss, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass die Stimmzunge noch ne Weile braucht bis sie wieder stabil bleibt. Und je weniger ich korrigieren muss desto höher die Chance, dass das Ergebnis stabil bleibt.

Von daher kann ich eher die Meinung meiner Haupt-Stimmungsmacher bestätigen, die allesamt sagen: Wenn neu eingewachst und ventiliert wurde, dann braucht es eine Weile bis sich wieder alles eingespielt hat. Und versuchen deshalb , wenn sonst keine Auffälligkeiten zu bemerken sind, ein neu einwachsen und neu ventilieren zu vermeiden, so lange es geht.


Due to the mechanical problems that start affecting accordions over time, I personally have no interest in owning or playing an accordion over 10 years old.
Soll mir gerade recht sein! ... Denn so kommen relativ neue Instrumente, auf dem Gebrauchtmarkt, die noch ziemlich gut in Schuss sein dürften.. es sei denn der Protagonist geht mit seinen Instrumenten sehr grob um. .. Außerdem erhöht es die Chance, sollten wir uns jemals begegnen, dass er meine Instrumente in Ruhe lässt!:D Auf der anderen Seite bringt er sich um die Chance hervorragende Isntrumente früheer Zeiten kennenzulernen und auch kennenzulernen, dass die selbst nach etlichen Jahrzehnten bei entsprechend sorgfältiger Wartung nach wie vor hervorragend sein können.

Aber ich will nicht zu grob mit diesem Spieler sein - vielleicht hat er auch einfach nur sehr jämmerliche Fachwerkstätten in seiner Umgebung und kennt s nicht anders... sowas soll s ja auch geben!

  • Darf ich den Begriff Nachstimmung im englischen Verständnis des Wortes Spot-Tuning verstehen?
  • Manchmal lese ich die Worte: „komplett gestimmt“. Das ist wohl der Begriff für Full-Tuning, nicht wahr (das heißt, nicht im Sinne der Worte: „Ich habe alle verstimmten Töne wieder gestimmt, die ich im Instrument gefunden habe…“)?

Das sind jetzt wieder diese Begriffe, wo es überall auf der Welt ungenau und schwammig wird, wenn man den nicht genau kennt, der diese Aussage gemacht hat!

Ich kenne Stimmer die unterscheiden zwischen Grobstimmung und Feinstimmung.
Grobstimmung ist nicht ganz so sauber - sagen wir z.B. +/-3 Ct - für eine zweichörige Student für ein Kind völlig ausreichend das gerade das Instrument lernt und sowieso nur mit Tremolo spielt.
Und Feintuning für Instrumente wo absolut akurat und sauberst gestimmt wurde - also z.B. für Konzertinstrumente mit Nulltremolo ohne feststellbare Abweichungen.


Und ich kenne auch welche, die Instrumente richten und Teilstimmung sagen, wenn der Kunde kommt und sagt: mach mir den Ton und den Ton und nach den zwei Tönen mit dem Rest wieder losziehen.
Und Komplettstimmung ist für die dann, wenn das Instrument geöffnet wurde, alle Stimmstöcke angeschaut wurden und ein paar einzelne Töne dann nachgestimmt wurden.

Diese Begriffe sind nirgends festgelegt, oder gar genormt - und damit sind die immer abhängig davon, wie blumig oder wie nüchtern der Anwender der Begriffe das Ganze beschreiben will.


Bitte, wie verstehen Sie eigentlich den Begriff "Akkordeon-Stimmung"?

Wenn ich mich recht erinnere hat Gotthart Richter in seinem Buch mal ein paar Begriffe erwähnt und definiert. Ohne jetzt nach zu schauen, meine ich dass dafür die Firmen intern öfter verschiedene Stufen der Stimmungsgüte und der zulässigen Abweichungen festgelegt waren al s Richtschnur , wie genau in der (serien-")Produktion die Stmmungsgüte bei der Endabnahme sein soll. Und da ist klar ein einfaches Kinderakkorden mit größerer Toleranz versehen, als ein hochwertiges Konzertinstrument für Konzerstsolisten. Denn ganz klar: je genauer desto aufwendiger und desto teurer. Und gerade für preiswerte Instrumente macht das dann schon eine bemerkbaren Anteil am Preis aus.

Aber außerhalb der Fabrikationshallen der Serienhersteller hab ich diese Definitionen noch nie gehört. Die Fachwerkstätten stimmen normal immer bis es für sie in Ordnung ist - und da sind halt welche dabei, die es entweder nicht besser können, oder nicht besser wollen und welche, die erst damit zufrieden sind, wenn es für sie nichts zu verbessern gibt an der Stimmung und das Instrument in allen Lagen und Chören gleich mustergültig klingt.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Guten Morgen,

@polifonico , @maxito , vielen Dank für die Informationen und die Zeit, die Sie für Ihre Antworten aufgewandt haben! Jetzt ist es mir alles klar. Super!
:hat:

Herzliche Grüße, Vladimir
 
Wenn ich mich recht erinnere hat Gotthart Richter in seinem Buch mal ein paar Begriffe erwähnt und definiert. Ohne jetzt nach zu schauen, meine ich dass dafür die Firmen intern öfter verschiedene Stufen der Stimmungsgüte und der zulässigen Abweichungen festgelegt waren al s Richtschnur , wie genau in der (serien-")Produktion die Stmmungsgüte bei der Endabnahme sein soll. Und da ist klar ein einfaches Kinderakkorden mit größerer Toleranz versehen, als ein hochwertiges Konzertinstrument für Konzerstsolisten. Denn ganz klar: je genauer desto aufwendiger und desto teurer. Und gerade für preiswerte Instrumente macht das dann schon eine bemerkbaren Anteil am Preis aus.

Aber außerhalb der Fabrikationshallen der Serienhersteller hab ich diese Definitionen noch nie gehört. Die Fachwerkstätten stimmen normal immer bis es für sie in Ordnung ist - und da sind halt welche dabei, die es entweder nicht besser können, oder nicht besser wollen und welche, die erst damit zufrieden sind, wenn es für sie nichts zu verbessern gibt an der Stimmung und das Instrument in allen Lagen und Chören gleich mustergültig klingt.

Die Bezeichnung für die Mitarbeiter, die die Endstimmung vornehmen, ist in der Harmona (Weltmeister) "Reinstimmer". Gefällt mir auch sehr gut.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben