Das arabische Akkordeon

120
120
Registrierter Benutzer
Zuletzt hier
19.04.24
Registriert
04.12.19
Beiträge
1.036
Kekse
4.538
Ich bin auf dieses bei uns eher unbekannte und wenig beschriebene Instrument gestoßen und konnte es nicht als eindeutig chromatisch oder diatonisch einordnen da je nach Ausführung unterschiedlich viele gleichtönige und auch wechseltönige Stimmzungen verbaut sind.
Eine Rubrik Sonstige haben wir nicht und als Umbau kann man es sicher auch verstehen da die Ausgangsform rein chromatisch ist und der Umbau durch Umstimmung erfolgt.
Vielleicht lassen sich hier Informationen zu diesem klanglich und technisch interessanten Akkordeontyp wovon es unterschiedliche Varianten zu geben scheint zusammenstellen.
Nach meiner Recherche gibt es Umbauten die sich über Register zuschalten lassen und solche die in allen Bereichen umgetimmt sind.
 
Eigenschaft
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Ich bin auf dieses bei uns eher unbekannte und wenig beschriebene Instrument gestoßen und konnte es nicht als eindeutig chromatisch oder diatonisch einordnen
Die Einordnung dieses Themas im Forum finde ich toll, weil beides zutrifft.
Diese Instrumente sind eindeutig wechseltönig/diatonisch, also "Steirische, Clubharmonikas, Bandoneons etc.", weil ja bei den Bandoneons die teilweise gleichtönigen Instrumente - und das sind nicht wenige - auch in diese Kategorie fallen.
Andererseits sind diese Instrumente sicher fast immer umgestimmte chromatische Akkordeons.

je nach Ausführung unterschiedlich viele gleichtönige und auch wechseltönige Stimmzungen verbaut
Wie man das macht, hängt einfach davon ab, was man will:
Will man alleine spielen, so macht eine komplett wechseltönige gleichstufige Stimmung Sinn, damit man auf 24 Töne pro Oktave kommt.
Wenn man die Musik eines Landes spielen will, dessen Tonsystem mehr oder weniger Töne hat, sind wir bei gleichstufigen teilweise wechseltönigen bzw. bei gleichstufigen diatonischen Stimmungen.
(In diesem Fall sind, nebenbei, alle in unseren Breiten üblichen Manuale (7+5 (Piano), 6+6 (von Janko), 4+4+4 (Knopf)) eigentlich ungeeignet.)
In den bisherigen Fällen sind natürlich die Register wie üblich Klangfarben mit den selben Möglichkeiten.

Wenn man jedoch traditionelle Musik machen will, besonders zusammen mit Blas-, Zupf oder Streichinstrumenten, also Instrumenten, die Töne variabel gestalten können, dann macht es natürlich Sinn, analog zu den gängigen Harmonikas, zugunsten spezieller ModiTonarten von der gleichstufigen Stimmung abzuweichen.
Damit man dann nicht zu eingeschränkt ist, macht es Sinn die Klangfarben zugunsten von mehr Modi/Tonarten zu opfern, d.h. jeder Chor ist ein 8-Fuß im jeweiligen Modus bzw. in der jeweiligen Stimmung, also quasi eine Blues-Harp oder eine Reihe einer (Hand-)Harmonika.

technisch interessanten Akkordeontyp
So weit würde ich nicht gehen. Das ist keine Technikfrage, sondern eine Frage der Stimmung.

Zumindest im Iran werden, neben den traditionellen Instrumenten, auch westliche Instrumente, darunter das Akkordeon gespielt und zwar so wie bei uns auch nach den selben Noten von den selben Komponisten. Mein Nachbar hat z.B. als Kind in Teheran die normale viersaitige Geige gelernt.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Mit Technik meinte ich weitere Möglichkeiten wie etwas beides im einem Instrument unterzubringen.
Hätte gern mal eins zum testen.
 
Ich finde, der Kerl in dem Video erklärt eigentlich ganz gut, was er gemacht hat, nämlich bestimmte Chöre auf Druck unterschiedlich umstimmen: bei der Concerto den Schwebenton einen Viertelton tiefer und den 16-Fuß einen Viertelton höher, z.T. sogar uneinheitlich, d.h. obere Hälfte so, untere Hälfte anders.
Sonst macht der gar nichts und er macht auch keinen Hehl daraus, dass seine Instrumente nichts als seine eigenen Basteleien sind, mit denen er zumindest teilweise unzufrieden ist.

Obwohl ich noch nie vorhatte, ein arabisches Akkordeon zu bauen/entwickeln, sind meine Überlegungen konsequenter und vielseitiger einsetzbar, als das was der macht.

Es wäre ja tatsächlich interessant, wie in den islamischen Ländern Akkordeon gespielt wird, sofern anders als bei uns.
Dennoch glaube ich nicht an ein "arabisches Akkordeon", sondern höchstens an ein arabisch gestimmtes Akkordeon.
 
Zuletzt bearbeitet:
http://www.maqamworld.com/de/instr/accordion.php#:~:text=Das arabische Akkordeon Ein Akkordeon, das so umgebaut,Akkordeon kam über Ägypten in die arabische Musikszene.

In den 50gern soll eine deutsche Firma eins gebaut haben für eine libanesische Akkordeongesellschaft aber schwer die Information genauer einzuordnen.
Ob es das erste einer bestimmten Bauform war oder das erste von einer deutschen Firma entsprechend umgestimmte Akkordeon.
http://www.akkordeon.com/history/de_arab.aspx
Akkordeons Weltweit ist auf jeden Fall eine interessante Seite.
Ich finde nur den Einstieg zur Länderübersicht gerade nicht wieder.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ja, ganz interessant.
aber wie du schreibst: nichts Gewisses weiß man nicht.

Ich halte weitergehende Anpassungen einfach immer noch für extrem unwahrscheinlich.

Eine andere Stimmung ist bei der Produktion leicht umzusetzen, ein anderes Design genauso leicht.
Aber echte technische Unterschiede - denkbar wären andere Tastaturen mit mehr Tasten/Knöpfen - müssten erst für einen Nischenmarkt entwickelt werden, dann das Akkordeon dort allgemein bekannter gemacht werden, und dann im speziellen vermittelt werden, warum das arabische Akkordeon jetzt anders aussieht als das halbwegs bekannte Tango- und Walzerinstrument.
Das wäre so, als wenn jemand in Deutschland eine Oberkrainer-Sitar oder eine Musette-Balalaika verkaufen will.
Das ganze darf in Anbetracht der Möglichkeiten der Herstellerfirmen auch noch weder großen organisatorischen noch finanziellen Aufwand bedeuten.
Das kann man also vergessen.

Ich muss mich noch korrigieren: Mein Nachbar hat in Persien die Geige gelernt, nicht im Iran. Der Iran ist musikfeindlich. Persien war der westlichen Kultur gegenüber offen.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Vielleicht zumindest ein bischen relevant.

Click
 
Dass im arabischen Raum das Akkordeon auch gespielt wird wusste ich ... hat mich aber irgendwie bislang noch nie interessiert. Auch das Die Geräte dort für Vierteltonmusik geeigent sind wusste ich auch .. hat mich aber bislang ebensowenig interessiert.

Und drum habt mich bislang auch nie interessiert wie ein Vierteltonakkordeon aufgebaut ist.


Wenn ich die hier im Fadenverlauf vorgestellten verschiedenen Vierteltoninstrumente miteinander vergleiche, dann stellt sich mir jedoch jetzt grad die Frage: Wie wird mit denen arabische Musik gespielt,. bzw. wie werden die Vierteltöne in der arabischen Musik verwendet?

Wenn die Vierteltöne als Verzierungen verwendet werden, ähnlich wie in der Barockmusik Triller, Vorschläge etc. dann müssten die Vierteltöne eigentlich direkt erreichbar sein, ohne dass man einen Balgwechsel macht. Sonst funktioniert der ganze Melodiefluss nicht und alles wirkt ziemlich zerhackt.
Oder wird es wie eine Wiederholung verwendet - allerdings um einen Viertelton "gerückt" - dann kann man auf Zug die "normalen" Töne legen und auf Druck die Vierteltöne...dann wäre aber die ganze Tastatur erstmal sehr befremdlich und der Tonumfang nur halb soviele Oktaven wie sonst...

Von dem her muss man doch eigentlich zuerst wissen, wie die Musik betrieben wird und dann erst kann man das Instrument daran anpassen.

Unter dem Aspekt der Universalität würde sich dann doch eigentlich ein Knopfakkordeon anbieten...idealerweise ein 6 reihiges mit 4 Chören . Dann könnte man zwei Chöre "normal" stimmen und z.B. die Töne auf die ersten 3 Reihen legen und die anderen Chöre auf Viertelton stimmen und die Töne auf die hintere 3 Reihen legen. Dann kann man beliebig auf Zug und Druck auf Vierteltöne zugreifen....hat dann allerdings halt nur ein zweichöriges Instrument.


Von Stefan Hussong weiß ich , dass er sich für ein Musikprojekt (aus dem Bereich neue Musik) zwei Stimmstöcke zum Auswechseln für seine Gola hat bauen lassen die auf Viertelton gestimmt waren... nur weiß ich leider nicht nach welchem System die eingerichtet waren...und weiß auch nicht welche Musikstücke er drauf gespielt hat.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Den kannte ich noch nicht und hab mal versucht eine Aufnahme zu finden wo diese Stimmstöcke im Einsatz sein könnten aber ob es in dem Fall so ist kann ich zumindest noch nicht beurteilen.
Stefan Hussong plays: Nicolaus A. Huber "Auf Flügeln der Harfe"
Ein gutes Beispiel für orientalisch klingende Gola ist auch Manfred Leuchter aber glaube ohne Vierteltöne.
 
Ein gutes Beispiel für orientalisch klingende Gola ist auch Manfred Leuchter aber glaube ohne Vierteltöne
So ist es - Manfred spielt eine "ganz normale" chromatische Gola. Dass die manchmal orientalisch klingt, liegt am Spieler :-D ...
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Den kannte ich noch nicht und hab mal versucht eine Aufnahme zu finden wo diese Stimmstöcke im Einsatz sein könnten

Ich vermute mal dass es da keine öffentlich zugängliche Aufnahme davon gibt. Ich schätze dass es eines der vielen Werke war, die Hussong Uraufgeführt hat ... aber wenn es dich interessiert, dann schreib ihn doch ganz einfach an und frag nach - Stefan Hussong ist Dozent an der Musikhochschule Würzburg.... Aber wie schon geschrieben, nicht erschrecken - es geht hier um "neue Musik"... und die ist bisweilen sehr "gewöhnungsbedürftig" und erschließt sich einen nicht mal grad so nebenbei.


Ein gutes Beispiel für orientalisch klingende Gola ist auch Manfred Leuchter aber glaube ohne Vierteltöne.

Arabische Musik besteht nicht nur aus Vierteltönen, sondern sind viele Musikrichtungen und Stile an sich , wie bayrische Volksmusik - nur dass das eben auch mitunter mit Vierteltönen gespielt wird /werden kann... aber nicht zwangsweise muss! Deshalb habe ich ja oben geschrieben, dass es vielleicht sinnvoller ist, zuerst mal zu schauen, wie die Musik dort an sich gespielt wird und welche Funktion diese Vierteltöne haben, wann und wie die eingesetzt werden. Dann erst macht es Sinn, sich darüber Gedanken zu machen, wie das hierfür passende Akkordeon aufgebaut sein müsste.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Für ein Instrument mit Vierteltönen scheint mir eine dritte etwas zurückliegende Tastenreihe mit allen Vierteltönen am vorstellbarsten aber räumlich für ein Akkordeon abgesehen vom Aufwand nicht machbar.
Ein 6 reihiges Knopfakkordeon ohne Wiederholung bräuchte auch zu viel Platz für zusätzliche Hebelei und wäre auch schwer sich da zurechtzufinden.
http://felixleuschner.de/quartertone-keyboard/
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
Danke für den Tipp. Das versuch ich mal.
Mir gefällt die gefunde Aufnahme sehr besonders auch die Geräusche die er nur mit der Balgluft macht.
Der hat sicher eine gute Vorstellung von Vierteltönen und was man damit sonst noch so machen kann.
 
Also die gespreizte Tastatur habe ich schon ausprobiert.
2 Oktaven entsprechen einer. Man sieht die Verhältnisse im Video sehr gut:



Ich mag es aber mehr, wenn beide Hände chromatisch bleiben, aber eine Hand gegen die andere einen Viertelton verstimmt ist.
So muss man das System nicht umlernen, es läuft nur auf arrangieren hinaus (oder eben Gewöhnung).

In jedem Falle wundert mich, dass es Euch so interessiert. Klanglich stößt man damit doch fast ausschließlich auf Ablehnung. Wo immer ich Vierteltöne anbiete, blicke ich angewiderte Gesichter.
Bach hat nicht umsonst so vehement für die "Wohltemperierung" gekämpft - damals noch gegen den Zeitgeist. Die Stimmung löst einen Haufen Probleme gegenüber den alten und orientalischen.
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Super. Wußte ich nicht das sowas mit dem Akkordeon überhaupt geht.
Ich operiere auch noch mit Grammophonen und Röhrenradios.
Dann kannst du die Knöpfe einzeln elektronisch anders belegen. Klingt gut.
Manchmal muß sich das Ohr auch erst etwas gewöhnen oder ein gutes Essen nachhelfen wie beim Chinesen.
 
hier ist das quartertone accordion im titel :
Hurz!
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Ich bin schwer beeindruckt!
Nicht daß ich immer nur noch solche Musik hören wollte,
aber auch optisch für mich als Tischler wie ein opernhaft gemaltes Bild.
Ich hatte nicht gedacht daß so viele Informationen in solcher Weite zusammen kommen können und bedanke mich bei euch,
und dem arabischen Akkordeon.
 
ich lehne mich aus dem fenster, aber die musikalische idee der vierteltöne (im klassischen sinn) ist eine andere geschichte als die arabischen skalen .. beides sicher spannend zu lesen .. aber zu verinnerlichen oder gar zu spielen, bestimmt eine lebensaufgabe. IMHO muss man damit aufgewachsen sein um nichteuropäische musik zu empfinden. Da ist ja nicht nur ferner osten sondern auch indien china und japan.
Im grunde ist eine vierteltonmusik weiterentwickelt, die hirne müssen aber so weit sein , wie 64 statt 32 bit prozessoren .. ich schweife ab .. aber die frage der ästhetik und damit verbundenen emotion ist entscheidend.
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Hallo zusammen,

ich bin in den 90ern durch mein (freilich brotloses) Neben-Studium der Ägyptologie automatisch in Kontakt mit der modernen ägyptischen Kultur gekommen und hatte mich damals ziemlich in die für europäische Ohren gewöhnungsbedürftige (gelinde gesagt) Klang-Ästhetik der arabischen Musik eingehört.
Allen voran natürlich die umwerfende Umm Kulthum, die ein hervorragender Ausgangspunkt für anspruchsvolle arabische Musik war (und von ihrem Orchester gibt es sogar Aufnahmen mit Akkordeon).
Ich bin also eindeutig Ägypten-fokussiert, habe nicht einmal viel Ahnung von den türkischen Varianten. Aber Ägypten ist ja sozusagen das Amerika Arabiens und setzt sozusagen sprachlich wie musikalisch Standards.

Das Akkordeon kam vor ca. 100 Jahren nach Ägypten.
Es wurde zunächst serienbelassen eingesetzt, und war recht beliebt, weil es so "exotisch" war. :D

Die genannten Umstimmungen kamen erst später.


Grundlegendes zu den Maqamat

Vorausschicken möchte ich ein paar einleitende Bemerkungen zu den arabischen Modi/Skalen, den "Maqamat":
Sie sind - genau wie unsere westlichen Tonleitern - heptatonisch, bestehen also aus 7 Tönen.
Außerdem haben sie viel Ähnlichkeiten mit unseren klassischen Kirchentonleitern - auch da geht man von einem festen Tonvorrat aus und verschiebt den Grundton. Es gibt bei den Maqamat beispielsweise sogar - genau wie bei den Kirchentonarten - den Begriff "Finalis".
Vorzeichen/Versetzungszeichen kamen ja erst später bzw. fingen ganz harmlos mit dem bekannten Sonderfall b rotundum und b quadratum an, der schließlich zur auch in diesem Board berüchtigten B/H-Diskussion führte.
Und ebenfalls wie in der Gregorianik ist arabische Musik grundsätzlich unisono - auch in einem großen Orchester spielen alle ein und dieselbe Stimme (von der Oktavlage abgesehen). Moderne arabische Popmusik möchte ich hier ausdrücklich ausnehmen.


Diese Instrumente sind eindeutig wechseltönig/diatonisch, also "Steirische, Clubharmonikas, Bandoneons etc.", weil ja bei den Bandoneons die teilweise gleichtönigen Instrumente - und das sind nicht wenige - auch in diese Kategorie fallen.

Im Grunde nicht diatonisch, sondern immer noch chromatisch, wobei lediglich je nach Zugrichtung ein paar Töne abweichend von unserer gleichschwebenden Stimmung ca. einen Viertelton tiefer gestimmt sind.
Für mich also quasi "chromatisch wechseltönig".


Typische Instrumente für arabische Musik

Neben dem Gesang kommen meist Melodieinstrumente zum Einsatz, die "stufenlos regulierbare" Tonhöhen ermöglichen: das geht natürlich hervorragend mit unseren westlichen Streichinstrumenten.
Und die bei uns vor allem aus Kreuzworträtseln bekannte Oud (arabische Kurzhalslaute - bei dieser Gelegenheit herzliche Grüße an unsere Kurzhalsgiraffe @okapi) hat ebenfalls keine Bünde, so dass auch hier Vierteltöne problemlos umsetzbar sind.
Bei Blasinstrumenten kann der Ton durch den Ansatz oder Blasdruck angehoben oder abgesenkt werden.

Bleiben also wieder mal die Tasteninstrumente als Problembären (und beim Akkordeon helfen diesmal Knöpfe auch nicht).

Moderne Keyboard-Lösungen
Von modernen elektronischen Keyboards (im Sinne von Alleinunterhalter-Tischhupen) gibt es oft auch "oriental"-Ausgaben, die nicht nur typisch orientalische Rhythmus- und Melodieinstrumente oder Begleitstyles bieten, sondern vor allem auch alle benötigten arabischen Skalen erzeugen können, selbst frei programmierbar.
Oft gibt es sogar 12 Knöpfe, die wie die Tasten einer Oktave angeordnet sind, mit denen sich während des Spielens einzelne Tönen einen Viertelton tiefer schalten lassen.
Synthesizer oder Workstations erlauben meist auch, beliebige eigene Skalen zu programmieren.

Bei akustischen Instrumenten geht das natürlich nicht!


Deshalb halte ich die wechseltönige Akkordeon-Lösung für geradezu genial!

Es sind - wie in unserer westlichen Welt - für sich gesehen also "nur" heptatonische Skalen, die sich allerdings nicht alle mit unserem wohltemperierten Tonvorrat spielen lassen.

Klangbutters komplett vierteltönige Lösung sowie diverse Ansätze, Viertelton-Tasteninstrumente zu bauen, ist deshalb für arabische Musik eigentlich übertrieben und überhaupt nicht nötig.
In jedem Falle wundert mich, dass es Euch so interessiert. Klanglich stößt man damit doch fast ausschließlich auf Ablehnung. Wo immer ich Vierteltöne anbiete, blicke ich angewiderte Gesichter.
Stimmt. Aber dieses Problem hat Neue Musik ja auch ohne Mikrotonalität... War es nicht Helge Schneider, der sinngemäß gesagt hat: "Dat Problem mit der Neuen Musik is, dat die scheiße klingt!" :D

Die arabische Musik kennt ja allerlei exotische Skalen, die sich nicht alle mit unserer gleichschwebenden Stimmung spielen lassen.
Obwohl man selbstverständlich frei transponieren kann, haben die Maqamat (Singular: Maqam) auch eine typische Finalis, eben wie die Kirchentonarten.
Zum Beispiel der beliebte und häufige Maqam Bayati hat meist Finalis Re (D):

maqam-bayati.png

Rot eingefärbt sind die um (ca.) einen Vierteltonschritt abgesenkten Töne e und h (die auch im Ausgangsvideo genannt werden).
Zu beachten ist, dass es Unterschiede zwischen Auf- und Abwärtsbewegung gibt, ähnlich wie bei unserem melodischen Moll.

Ich schreibe bewusst "ca.", weil es regionale Unterschiede gibt und der Vierteltonschritt nur eine (wenn auch sehr gute) Annäherung ist, etwa vergleichbar mit unserer gleichschwebenden Quinte im Verhältnis zur idealen reinen Quinte.

Der Maqam Bayati ist sehr zentral und wird sogar in religiösen Gesängen (gesungene Koransuren usw.) meist als Ausgangsbasis benutzt.

Bemerkenswert wäre meiner Meinung nach, dass die rot eingefärbten Viertelton-Zwischenstufen genau zwischen ihren beiden Nachbarn liegen: Das Intervall vom D zum abgesenkten E ist genauso groß wie das Intervall vom abgesenkten E zum F. Für das abgesenkte H gilt entsprechendes.
Das ist also durchaus nachvollziehbar, klingt für uns nur sehr gewöhnungsbedürftig.


So ist es - Manfred spielt eine "ganz normale" chromatische Gola. Dass die manchmal orientalisch klingt, liegt am Spieler :-D ...

Wobei man nicht vergessen darf, dass das dann für uns Europäer "orientalisch" klingt, aber unter Umständen für Araber wie Katzenmusik wegen der "schiefen" Töne. :D
Falls sich Herr Leuchter irgendwo um Vierteltöne herummogelt, wäre das vielleicht zu vergleichen mit den berüchtigten "Blue Notes", die auf dem Klavier ja auch nur als Notbehelf und in Annäherung gespielt werden können, weil sie ebenfalls von unserer gleichschwebenden Temperierung abweichen.

Für die arabische Musikwelt wäre das so ähnlich wie das fernsehtaugliche "Platt" des Ohnsorg-Theaters. Klingt für süddeutsche Ohren wie Platt, isses aber nich.

Es gibt jedoch auch viele Maqamat, die sich exakt mit unserer gleichschwebenden Stimmung spielen lassen: Zum Beispiel der Maqam Hijaz Kar:

maqam-hijaz-kar.png


Der "orientalische" Eindruck entsteht vor allem durch die Hiatus-Schritte (drei Halbtonschritte) von Des zu E und von As zu H.
"Bei uns" gibt es ja nur Halb- oder Ganztonschritte.


Als letztes Beispiel (keinerlei Anspruch auf Sinnzusammenhang oder Vollständigkeit, es geht nur darum, das Prinzip zu verdeutlichen) haben wir schließlich die dritte E- und H- Variante, nämlich die klassische Absenkung um einen Halbtonschritt:


maqam-nahawand.png



Diese drei Varianten (erniedrigt um einen Halbtonschritt, einen Vierteltonschritt und nicht ernierdigt) lassen sich dank Wechseltönigkeit perfekt mit einer Standard-Tastatur abbilden. Ist doch toll! :m_akk:



Die sprichwörtliche arabische Uneinigkeit...
... sorgt dafür, dass all das natürlich nicht standardisiert ist: Manchmal kommen das erniedrigte E und das erniedrigte H auf Druck, manchmal auf Zug, manchmal entgegengesetzt. Alles hat Vor- und Nachteile.




Für ein Instrument mit Vierteltönen scheint mir eine dritte etwas zurückliegende Tastenreihe mit allen Vierteltönen am vorstellbarsten aber räumlich für ein Akkordeon abgesehen vom Aufwand nicht machbar.
Ja, schon, ist aber wie gesagt für arabische Musik nicht einmal nötig.
Für eine komplette Viertelton-Sonderanfertigung hätte in Ägypten wohl sowieso niemand das nötige Geld, abgesehen von ein paar geschickten Bettlern, die das Vielfache eines Krankenhausarztes verdienen, weil die Touristen keine Relationen kennen. ;)

Viele Grüße
Torsten
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 4 Benutzer
Wobei man nicht vergessen darf, dass das dann für uns Europäer "orientalisch" klingt, aber unter Umständen für Araber wie Katzenmusik wegen der "schiefen" Töne. :D
Falls sich Herr Leuchter irgendwo um Vierteltöne herummogelt, wäre das vielleicht zu vergleichen mit den berüchtigten "Blue Notes", die auf dem Klavier ja auch nur als Notbehelf und in Annäherung gespielt werden können, weil sie ebenfalls von unserer gleichschwebenden Temperierung abweichen.
Mit Vierteltönen arbeitet er nicht, das weiß ich sicher. Sein Akkordeon ist "normal" chromatisch gestimmt. Aber da er längere Zeit in Marrakesch (Marokko), also durchaus der arabischen Welt, gelebt hat, einen großen (auch musikalischen) Freundeskreis dort hat und viel mit ihnen gemeinsam musizierte und nach wie vor musiziert, kann ich mir nicht vorstellen, dass seine Musik für orientalische Ohren wie Katzenmusik klingt. Aber: so wie ich ihn kennengelernt habe, versucht er nicht, "orientalische" Musik zu machen. Er macht seine Musik, die zwar durch seine Reisen und Aufenthalte in (u.a.) orientalischen Regionen inspiriert und beeinflusst ist, er ist aber nach wie vor Europäer.

Ein kleines Beispiel für orientalisch angehauchte Stücke von ihm:
gemeinsam mit orientalischen und nicht-orientalischen Freunden



mit dem Schotten :D Ian Melrose


Er spielt diese (bzw. alle seine) Stücke auch Solo, ich habe sie auf YouTube aber nicht gefunden ...
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Mit Vierteltönen arbeitet er nicht, das weiß ich sicher. Sein Akkordeon ist "normal" chromatisch gestimmt. Aber da er längere Zeit in Marrakesch (Marokko), also durchaus der arabischen Welt, gelebt hat, [...]

Um Gottes/Allahs Willen, INge,

ich wollte keinesfalls die musikalische Kompetenz Leuchters infrage stellen, insbesondere was sein Können, Einfühlungsvermögen und seine kulturelle Offenheit und Zusammenarbeit mit Künstlern aus aller Welt (auch der arabischen!) betrifft.
Die "Katzenmusik" war vielmehr mit Augenzwinkern und als Provokation gemeint, weil arabische Musik für viele Europäer (die meisten?) unerträglich schief klingt.

Wie gesagt braucht man Vierteltöne nicht immer und überall und ansonsten kann man sich elegant durch Annäherung herummogeln.
Sonst gäbe es ja auch keinen Klavier- oder Orgel-Jazz, weil sich die "echten" Blue Notes auf Tasteninstrumenten eigentlich nicht spielen lassen und nur durch die nächstliegenden verfügbaren Töne angenähert werden können. Das halte ich für durchaus vergleichbar.

Ja, und selbstverständlich geht Marokko auch als "arabisch" durch, aber sowas von, auch, wenn sich da einige Stämme tummeln, die in seltsamen Zungen reden und komische Zeichen schreiben (Tifinagh sieht ja eher aus wie eine Kombination aus mathematischen und astrologischen Symbolen).
Marrakesch ist sehr schön und kulturell sehr aktiv.
Ein sehr lieber marokkanischer Kollege von mir freut sich immer, wenn er deutsche Kirchtürme sieht, weil sie ihn an die marokkanisch-landestypisch eckigen Minarette erinnern und der dann immer an seine alte Heimat denken muss.

Und vielen Dank für die Hörbeispiele, die werde ich mir heute abend mal in Ruhe zu Gemüte führen.
Das grandiose Konzert mit Melrose kannte ich schon, aber das alles hat ja mit klassischer arabischer Musik nur am Rande zu tun und ist eher der Ethno-Welt-Musik (oder wie man das nennt) zuzuordnen. Der orientalische Touch kommt vor allem von den Hiatus-Schritten und den typischen Verzierungen/Umspielungen. Allerdings extremer Anteil von West-Importen, auch harmonisch.
Das typische "Viertelton-Feeling" der einschlägigen Maqamat empfinde ich überhaupt nicht.
Der Trick scheint zu sein: Man muss genau wissen, was geht, und was nicht.

Viele Grüße
Torsten
 

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben