Das Doppel-M/S-Stereophonie-Komplette-Rockband-Live-Aufnahme-Experiment

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Ein geselliges "Mahlzeit" in die illustre Runde,

Nu isses also so weit. Nachdem ich diverse Ratschläge in verschiedenen Foren eingeholt, sowie andere einfach in den Wind geschlagen habe, hat es nun doch stattgefunden. Die Rede ist von einem Experiment mit nach wie vor völlig offenem Ausgang, welches ich gedenke, hier mit allen schmutzigen und peinlichen Details breitzutreten. Ich hoffe auf rege Beteiligung, jede Menge Fragen und erhobene Zeigefinger - darauf, daß wir alle aus diesem Murks etwas lernen können.

Ich habe mit dem Gedanken gespielt, es in der "Workshop"-Ecke zu posten; das schien mir aber dann doch etwas anmaßend, da diese Art aufzunehmen für mich Neuland ist und ich mit Sicherheit das eine oder andere Fehlerlein verbrochen hab'. Also fang' ich kleinlaut im Anfänger-Forum an :)



Die Ausgangs-Situation

Ich bin Sänger in einer 4-köpfigen Cover-Rockband (nein, wie originell :gutenmorgen: ) und seit geraumer Zeit steht eine Aufnahme an, die wir zum einen als Demo, zum anderen für die Website verwenden wollen. Sollte genug Material zusammenkommen, wird es evtl. eine CD geben, die wir bei Gigs verschenken. Nun haben wir vor einer ganzen Weile bereits 3 Songs aufgenommen, auf die übliche Weise: jeder spielt einzeln ein. Das klang nicht übel, war aber ziemlich steril und etwas steif. Um das nun anders zu machen, wollten wir diesmal eine Aufnahme probieren, bei der die Band komplett (nur die Instrumente) spielt und wir alles auf wenige Spuren simultan aufnehmen.
Nun ist das nicht ganz einfach, ich habe auch etliche Male gehört, daß es gar nicht machbar sei. Aber man will seine Fehler halt doch selbst machen, also war ich stur und hab's denn doch probiert. Hier im Forum gibt's bereits 2 Threads, bei denen ich ein paar Erkundigungen eingeholt hab', dieser hier soll nun aber das Ganze zusammenfassen und die Aufnahme bis zum bitteren Ende begleiten...


Der Aufbau


Nachdem ich schon einige Schlagzeug-Aufnahmen gemacht hab', wäre ich reichlich blauäugig an die Sache rangegangen, hätte die Instrumente in einer Reihe aufgestellt, zwei Großmembran-Mikros in ein paar Metern Abstand davorgestellt, den roten Knopf gedrückt und gekuckt, was dabei rauskommt. Nun wurde ich aber in diesem Thread hier (der mir eigentlich Kontakte für's Mieten von Preamps bescheren sollte :D) darauf aufmerksam gemacht, daß, wenn so eine Aufnahme überhaupt was wird, dann mit M/S. Für die, die genau so weit sind, wie ich damals, M/S bedeutet Mitte/Seite und ist eine bestimmte Art zu mikrofonieren, die ursprünglich für den Rundfunk erdacht wurde (hier eine Erklärung). Es gibt auch noch Doppel-M/S (was wir verwendet haben, glaub' ich zumindest...) und evtl. noch diverse Abwandlungen, die Physiker unter uns mögen mir meine Ungenauigkeit nachsehen :redface:.
Mir wurde also geraten, die Instrumente im Kreis (oder Halbkreis) aufzubauen und die Mikros in der Mitte zu platzieren. Um bei solchen Aufnahmen unterschiedliche Laufzeiten des Schalls zwischen Instrumenten und Mikros zu vermeiden, gibt es z.B. Mikros mit mehreren Kapseln oder eine Art Schienensystem, bei dem die Mikros in bestimmten Verhältnissen zueinander positioniert sind.
Eines dieser Mehrkapsel-Mikros, und ein ziemlich beeindruckendes noch dazu, ist das Josephson C700S - ein regelrechtes Monster, welches wir einfach mal flugs so im Vorbeigehen aus der Portokasse bezahlt haben, kleiner Schbass :D, tatsächlich haben wir beim deutschen Vertrieb angefragt und doch wirklich ein Testmodell zur Verfügung gestellt bekommen :great:

So sieht das Teil aus: 100_2575.jpg100_2571.jpg

Es hat drei Kapseln, oben und unten jeweils eine mit der Richtcharakteristik in Form einer 8 (eine für vorne-hinten, eine für links-rechts) und in der Mitte eine Kapsel mit Kugel-Charakteristik. Man bekommt drei Ausgänge (einen pro Kapsel), sodaß man gleichzeitig auf 3 Spuren aufnimmt. Das Abgefahrene daran ist nun, daß man nach der eigentlichen Aufnahme das Stereobild noch komplett verändern kann, indem man diese drei Signale auf unterschiedliche Arten zusammenmischt.
Darüber hinaus gab es noch ein Mikro (Shure Beta 52) für die Abnahme der Bassdrum und eins (Shure SM 57) für die Snaredrum. Das war's. Insgesamt also drei Mikrofone bzw. 5 Spuren für die komplette Band.

Nun habe ich mit einer entsprechenden Formel den Hallabstand in unserem Raum berechnet (naja, so ungefähr zumindest), für diejenigen, die nicht wissen, was das ist, hier die Wikipedia-Seite dazu. Das führte zu folgendem Aufbau.....und wohl auch gleich einem möglichen Fehler, der mir erst hinterher aufgefallen ist. Aber erstmal ein paar Bilder:
100_2534.jpg100_2540.jpg100_2543.jpg100_2552.jpg100_2564.jpg100_2565.jpg

Ich hoffe, man kann sich's einigermaßen vorstellen. Das Josephson stand in der Mitte und im Abstand von jeweils ca. 80cm befanden sich Bassdrum vorne, Bassbox hinten und je eine Gitarrenbox links und rechts. Ich Nachhinein ist mir aufgefallen, daß man beim Schlagzeug eigentlich immer die Snare als Mittelpunkt ansieht und von dort aus die Entfernungen zu den Mikros mißt. Ich weiß auch nicht, warum ich diesmal die Bassdrum genommen hab' und ob das nun verkehrt war :gruebel:. Dem einen oder anderen wird es bescheuert vorkommen, daß die Gitarrenboxen links und rechts vom Mikro stehen, weil sie dann ja die Membran gleichzeitig in beide Richtungen auslenken und somit Phasenauslöschungen entstehen. Aber wenn ich es richtig begriffen hab', dreht man bei der M/S-Geschichte ja den Minusteil der "Seitenacht" um, es müßte am Ende also wieder hinkommen. Oder hab' ich hier bereits alles versemmelt? Dann bitte hier Spott und Gelächter einfügen: ______________________________________!

Wie dem auch sei, wir haben auf diese Weise um die 10 Songs aufgenommen und dafür, daß es noch völlig unbearbeitet ist, klingt's gar nicht mal so schlecht. Mit Hörbeispielen ist das so eine Sache, weil's ja Covers sind... Ich hab' jetzt auch keine Zeit mehr und muß diesen Beitrag abschließen.

So weit, so gut. Der nächste Schritt ist nun die Bearbeitung des ganzen Schlamassels - und da werde ich einiges an Hilfe brauchen.

Ich bin für jeden Beitrag äußerst dankbar und gespannt wie eine entzündete Mundschleimhaut, was Ihr so dazu meint und was am Ende rauskommt. Das Mindeste ist wohl, das hier Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie man es am besten nicht tun sollte :D

In diesem Sinne...
 
Eigenschaft
 
Danke für den Thread :)

Lad doch nur Ausschnitte hoch - ich denke das sollte Zwecks Sounddemo kein grosses Problem sein, oder?

Um ehrlich zu sein kann ich mir rein von der Akustik und vom Panning her nicht vorstellen, dass das so wirklich funktionieren kann (ohne das jetzt Wissenschaftlich begründen zu wollen). Meiner Meinung nach muss das fast einen totalen Brei geben - aber ich bin gespannt und lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen
.
Auf jedenfall eine sehr kreative Idee :)
 
Hehehe, ich wäre von mir aus auch nie auf diese Aufstellung gekommen :p. Aber nach Brei klingt es nicht, eher ein bißchen flach. Ich werd' zum nächsten Beitrag mal ein paar 30 Sek. Fetzen beifügen, das dürfte ok sein.
Als nächstes kommt die "Dekodierung" der Signale vom Höllenmikro, da werd' ich dann Hilfe brauchen - bisherige Versuche meinerseits sind aufgrund meines Pflaumentums kläglich gescheitert :igitt:
 
Zuletzt bearbeitet:
Puh, der Anfangsbeitrag ist schon wieder über 2 Wochen her. Sorry, aber ich komme erst jetzt zur Fortsetzung :redface:. Naja, so haben wir alle länger was von diesem Thread :p. Sei's drum:

Ich hab' mal eine Skizze vom Aufbau gemacht, damit diejenigen, die sich beim Lesen gewundert haben wie sowas gehen soll, es mal auf eine andere Weise sehen:
C700S-Diagramm.jpg
Die unterste Kapsel hat eine Richtcharakteristik in Form einer Acht (rot) und nimmt somit vorne und hinten auf, die mittlere Kapsel nimmt aus allen Richtungen gleich auf, also eine Kugelcharakteristik (grün), und die obere Kapsel ist wieder eine Acht, diesmal zu den Seiten hin (blau).
Wenn ich nix verwechsel' werden die Kapseln wie folgt bezeichnet: rot=X, blau=Y, grün=W. Das ist bei den Hörbeispielen interessant, da ich vier Stück hochladen werde. Jeweils eins von jeder Kapsel und dann noch eins vom kompletten Mikro. Bassdrum- und Snaremikro laß ich erstmal weg.

Was also nun kommt ist ausschließlich vom Josephson und klingt ..... naja ...... ausbaufähig :D . Zusammengestückelte 30-Sekunden-Fetzen von den meisten Songs, völlig unbearbeitet, genau so wie's aus dem Mikro kam. Ich hab' lediglich die Lautstärken etwas angepaßt, damit man alle Instrumente hören kann und nix übersteuert. Spielfehler bitte ich zu überhören, ich habe noch keine Takes ausgesucht, sondern einfach wild reingegriffen. Hier nun also der erste Eindruck:

komplett:
http://soundcloud.com/audiot-eu/c700s-all-01

X-Kapsel:
http://soundcloud.com/audiot-eu/c700s-x-01

Y-Kapsel:
http://soundcloud.com/audiot-eu/c700s-y-01

W-Kapsel
http://soundcloud.com/audiot-eu/c700s-w-01


Was mir zuerst aufgefallen ist, ist der scheußliche Gitarrensound. Das liegt wohl daran, daß sich die beiden Seiten gegenseitig auslöschen. Zumindest klingt es nach einer üblen Phasenparty. Das Ziel ist ja, die eine Hälfte des Signals umzudrehen, damit sich die beiden addieren und nicht mehr auslöschen. Ich hab' allerdings keine Ahnung, wie man das macht - einer der Gründe für diesen Thread ;). Hoffen wir also gemeinsam, daß das Klampfengeätze nur ein Übergangsstadium darstellt.
Als nächstes fiel mir auf, daß man bei der X-Version fast keine Bassdrum hört, obwohl das Mikro genau draufzielt - mit derselben Entfernung wie zum Bass :gruebel: Aber auch das jagt mich noch nicht ins Boxhorn, es gibt ja noch ein reines Bassdrummikro.

Soweit also mal die ersten unreifen Früchtlein. Nun würde ich mich über Ideen freuen, wie es weitergehen soll - ich hab' nämlich nicht den leisesten Schimmer :cool:
Ich spekuliere mal, daß nun die Dekodierung dran ist, d.h. mindestens die Gitarrenacht zur Hälfte umdrehen, evtl. die Drum-Bass-Acht auch. Aber wie macht man das? Wer kann helfen?
 
Ich habe es mal decodiert. Nicht zu viel erwarten, 15 Minuten Arbeit und ich hab auch gerade nur Kopfhörer zur Hand. Es fehlt ein wenig die BD, aber da meinst du ja hast du noch ein Mic.


Was mir aufgefallen ist dass dies gerade bei den weniger verzerrten/funkigeren Sachen wie ab einer Minute eine imo brauchbare Ausgangsbasis ist. Den verzerrten Gitarren müsste man auf jeden Fall das Mumpfen abgewöhnen.

Klickediklack
 
Aha, es geht also voran :) Danke schonmal!
Wie hast Du es dekodiert? Eine möglichst genaue Beschreibung wäre cool. Der Thread ist ja dazu gedacht, daß man was draus lernen kann. Ich will also versuchen, das Beste aus der Aufnahme zu machen. Das Endergebnis wird eine Überraschung - deswegen ja Experiment.
Also Butter bei die Fische: wie dekodiert man? :gruebel:
 
Also Butter bei die Fische: wie dekodiert man? :gruebel:
Das ist im Grunde ganz einfach. Das W-Mikrofon nimmt von allen Seiten auf. Nimm mal deine Grafik und schreibe dir gedanklich ein + in den grünen Kreis deiner Zeichnung.

Eine Acht nimmt von einer Seite aus auf und von der anderen invertiert. Da machst du dir jetzt am besten in die rote acht oben ein Plus rein und unten ein Minus.


Wenn man jetzt diese beiden Signale zusammen mischt kommt folgendes bei raus: Zu Schlagzeug hin nehmen W und X gleich auf und wir haben den doppelten Pegel. Zum Bassverstärker hin sind die Signale dagegen gegenphasig und es kommt zur Auslöschung. Das kann man sich jetzt für jeden Punkt genau aufzeichnen. Was raus kommt ist eine sog. Nierencharakteristik und die sieht so aus:
Polar_pattern_cardioid_thumb.png

Also, für die Schlagzeugspur eine Untergruppe machen, beide Spuren zusammen mischen und Schlagzeug nennen. Da da ist natürlich noch eine Menge anderes Zeug drauf, aber man kann das Schlagzeug ganz gut rausarbeiten, ein wenig mit dem Kompressor unter die Arme greifen und per EQ ein wenig betonen.


Jetzt machen wir das gleiche, nur invertieren wir das X-Signal. Es entsteht wieder eine Nierencharakterristik, nur umgedreht. Man hört dann deutlich den Bassverstärker. Hier kann man dann wieder den EQ ansetzen und die wichtigen Teile vom Bass heraus arbeiten. Das ist die einzige Spur die ich auch fett komprimiert habe.

Beides soll aus der Mitte kommen und deswegen lassen wir die Pan-Regler mal beiseite.

Dann machen wir das gleiche mit dem Y-Signal. Hier haben wir die Gitarren drauf. Wieder jeweils eine Niere erzeugen und hart links/rechts pannen. Hier kann man dann auch ganz rigoros die Bässe rausschneiden, dann wird es untenrum Mono was auch ganz Vorteilhaft ist.

Mit dem Lautstärkeunterschied kann man die Richtcharakteristik einstellen, halt zwischen Kugel und Acht. Das kann man dann sogar für die einzelnen Frequenzbereiche machen wenn man die Spuren getrennt mit dem EQ bearbeitet.



Der Witz an solchen Aufnahmen ist dass sie per Definition Mono Kompatibel sind. Die Aufteilung links/rechts erfolgt zumindest wenn sie gleich gepegelt sind durch das Y-Signal das links und rechts invertiert ist. Mischt man beide Kanäle zusammen löscht es sich so raus.



Was man vergessen kann ist dass man trennscharf die Einzelsignale bearbeiten kann, deswegen immer den Gesamtsound im Blick behalten. Der Großteil der Mischung hat schon Akustisch statt gefunden. Gerade beim Schlagzeug merkt man dann schon dass es halt nicht der moderne "auf die Fresse" Sound ist.
Ich hab mich jetzt ja auch nur ein paar Minuten mit beschäftigt (das hört man denke ich auch an meiner MP3...) aber ich würde das am geeignetsten für Musik ansehen die schon akustisch so funktioniert wie sie klingen soll.
 
Hey, das klingt wirklich einfach genug für mich als Diplompflaume :D . Alles klar, dann werde ich anhand dieser Anleitung mal rangehen und kucken wo es mich hinbringt. Die entsprechenden Hörbeispiele folgen (hoffentlich nicht erst in 2 Wochen :rolleyes: ).
Trennscharfe Einzelsignale waren gar nicht Sinn des Experiments, dann hätte ich einfach jedes Instrument einzeln aufgenommen - insofern ist das völlig ok so.

Ha! Sogar noch was über Physik gelernt :rock:
 
Hey, das klingt wirklich einfach genug für mich als Diplompflaume :D
Da sich alle Mikrofone am gleichen Ort befinden und so keine Phasenunterschiede bestehen kann man es halt bis auf die Grundrechenarten vereinfachen.

Lass dann mal von dir hören was du so hinbekommen hast.
 

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