Die Vergänglichkeit von digitalen Amps und Effekten...

suckspeed
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Hier nur mal ein paar Gedanken, die mir erst nach dem unten eingebetteten Video so richtig klar wurden.

Vorgeschichte: Ja, ich gebe es zu. Ich bin wohl ein Nerd. Und so war es dann zu Beginn meiner "Karriere" als Gitarrist nicht verwunderlich, dass ich solch einfache Gitarren-Topteile ignorierte und stattdessen total auf programmierbare, eierlegende Wollmilchsäue abfuhr.
MIDI sollte es natürlich sein. Wie soll ich sonst die ganzen Effekte umschalten und deren Parameter gleich mit? Einen Stepptanz auf einem Pedalboard fand ich nicht zeitgemäß und so wurde es der ART SGX-2000. Neben dem Access-Preamp (H&K) und dem Mesa-Boogie-Pendant wohl eines der ersten vollprogrammierbaren Geräte - und es hatte auch noch alle Effekte an Bord. Klasse! Auch gar nicht billig mit knapp 2000 DM und dann kam noch die MIDI-Fußleiste dazu mit weiteren knapp 700 DM.

Tja, was soll ich sagen: die tausende von Sound-Optionen und Factory-Presets brauchte ich nie. Schließlich hatte ich nie in einer Cover-Band gespielt, in der man mal eben noch Helene Fischer (die gab es damals noch nicht, aber nur als Referenz) und dann ACDC oder Metallica mit dem richtigen Sound darbieten können muss. Aber ich war zufrieden, musste aber schon ganz schön tricksen, um den richtigen Sound aus dem Gerät zu kitzeln. Und sollte der Sound, den ich allein im Proberaum am Wochenende programmiert hatte, nicht mit der Band zusammen funktionieren, so wurde es schnell ätzend: beim Spielen mal eben die Knöpfe drücken, um durchs Menü zu navigieren, abwechselnd am Endlos-Encoder drehen... Nach vielen vielen Jahren hatte ich die Nase voll und dachte mir: kauf dir doch einfach einen Amp, der genau den Sound hat, den du magst. Ich hatte ja schon eingesehen, dass ich nicht tausende Sounds brauche. Ok, das führte mich zu meinem Engl Preamp 530 usw. Seitdem: alles gut soweit. Dass ich mittlerweile für meine neue Band sogar doch ein Pedalboard und damit echt Spaß hab, erwähne ich mal nur nebenbei.

Ich verfolge natürlich auch die Entwicklungen der letzten Jahre: Kemper, AxeFX, Quad-Cortex und wie sie alle heißen. Mir ist auch klar, dass sogar die ganz großen Bands mit solchen Geräten touren. Daran ist nichts falsch. Die Teile sind gut, flexibel, klein - aber auch nicht ganz billig.
Klar, für gute Qualität zahlt man gern und soll man ja ruhig auch. Wer will noch ein tonnenschweres Topteil (Übertreibung ist ein erlaubtes Stilmittel...) schleppen und sich um abrauchende Röhren Sorgen machen?

ABER: der Jamie hat vollkommen Recht. Digitale Geräte haben irgendwie ein Ablaufdatum. Also nicht direkt, aber nach wenigen Jahren gibt es keine Software-Updates mehr, neue Presets werden inkompatibel, weil Ressourcen und Fähigkeiten der neueren Geräte vorausgesetzt werden. Wenn man mit dem Gerät wie es ist zufrieden ist, kein Problem (es sei denn, man muss sich zum Editieren/Verbinden online registrieren und das wird für die alten Geräte irgendwann auch nicht mehr unterstützt...).
Aber der Wertverfall ist immens: Eins dieser digitalen Geräte, das einige Jahre alt ist, wirst du kaum los werden zu einem anständigen Preis. Jeder potentielle Käufer weiß, dass er damit in einer Sackgasse steckt. Insofern ist das Ganze eine sehr schnell vergängliche Investition, die tatsächlich im Vergleich zu "echten" Geräten den Kürzeren zieht. Ein Topteil, ein Effekt-Pedal, alles, was nicht von Software abhängt, wird immer noch einen Wert haben und die meisten Musiker dürften eher an einem alten Marshall, Boogie, Engl, Fender interessiert sein als an einem 10 Jahre alten Quad-Cortex.

Wie gesagt: wenn so ein Gerät einem hilft und man es wirklich so nutzt, wie es einen Vorteil bringen kann, dann ist alles gut. Aber man sollte im Hinterkopf haben, dass man schnell in die Falle treten kann, selbst immer das neuere Gerät mit mehr Speicher, mehr Möglichkeiten usw. anzuhimmeln und sich so mehr oder weniger auf eine Reise durch Elektroschrott begeben wird. Ich will hiermit nichts verteufeln oder Anschaffungen als falsch darstellen, aber vielleicht denkt der ein oder andere ja auch mal etwas über die Kurzlebigkeit von solchen Geräten nach und geht mit Anschaffungen dieser Art anders um. Denkt nur an die ersten Line6 PODs. Eine Revolution! Nicht geschenkt damals - aber heute? Wohl nur noch für wenige Sammler und Nostalgiker interessant, um sie in die Reihe anderer Kuriositäten von früher zu stellen.


View: https://www.youtube.com/watch?v=Wjz62fQx0tE&t=416s
 
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Ich hoffe das wird kein digital-bashing-Thread 😬

Wenn ich wieder mit anderen zusammen Musik machen würde, würde ich mir
so'ne digitale Kiste holen. Hotone Ampero oder so. Wiegt nix, ist einfach zu
haben, geht er kaputt oder wird geklaut ist er einfach und schnell zu ersetzen.

Bei manchen, bei den meisten Röhrenverstärkern, zumindest bei meinen, ist das
nicht so einfach möglich. Also die Ersetzbarkeit im Schadensfall.

Aber nicht für jeden ist der digitale Weg eine Erlösung. Stephen Carpenter
von den Deftones hat das digitale abgekündigt und spielt jetzt wieder
Röhrenverstärker (Bogner Uberschall Ultra)

(Achtung: KI generierte Übersetzung über Einstellungen englisch Originalton ändern) ;)


View: https://youtu.be/mCjtITqTfgc?si=JnmMhtIZQzN07QYM&t=1049

Aber das mit dem Preisverfall ist schon krass. Ich weiß noch als ich hier im Board
2008 schrieb das ich eine Abfindung erhalten hätte und mich für ein TC 2290
entschieden hätte, also anstelle eines Axe-Fx. Man was war damals das Gelächter
groß, ich hätte ja wohl 'ne Schraube locker.

Ein Axe-Fx Standard kostete damals ~1500€ - für das TC bezahlte ich damals gebraucht 1000€.
Das Axe-Fx Standard kostet heute bei eBay 300€ (will kein Mensch mehr haben),
das TC 2290 liegt z.Z. gebraucht bei etwas über 2000€ :p
 
Naja, das kommt tatsächlich sehr darauf an inwieweit man sich darauf einlässt möglichst 1 zu 1 kopieren zu müssen. Das hat gottlob noch niemand von mir verlangt, trotz Showband und Künstlerbegleitung. Meines Erachtens war das auch schon immer Unsinn. Man kann andere eh nicht perfekt kopieren - trotz aller Technik. Bestenfalls nutze ich eine ähnlich klingende Gitarre, Stelle das gekaufte Profil im Modeler ein und... Spiele dann doch anders als das Original. Deshalb ist es mir eigentlich auch wurscht ob es ein Software-Update gibt oder nicht. Ich stelle die Amps so ein, dass ich je drei gute Sounds für Strat und Paula habe, dann noch einen für die Westerngitarre und das war es. Ggf. kommt noch was hinzu für die Tele oder wenn ich irgendwo beim Gig aushelfe, beispielsweise bei einer Salsa oder Latin-Band. Klingt alles sehr gut und wenn es nicht gefällt - bitte, schade, aber dann bin ich halt der falsche Musiker. Damit kann ich leben. Das ist mir lieber als da Abziehbild von irgendeinem, noch so großartigen, Weltstar zu sein.
Was ich benutze? Katana Artist 2 und H&K Black Spirit. = leicht zu transportieren, easy zu bedienen, keine kaputten Röhren und klingen beide toll, -auch ohne Profile von XY
 
Nur um es mal von einem anderen Blickwinkel zu betrachten:

Einige haben 10 klassischen Amps zuhause rumstehen und touren mit einem FM3. Über die Jahre gesehen wäre der Transport und die Abnutzung der klassischen Amp teurer als der Wertverfall des einen FM3. So könnte man das finanziell auch bewerten.

Andere kaufen sich einen AXE-FX III um dann festzustellen, dass sie nur den einen Ampsound zuhause spielen wollen und sich daher lieber den einen Amp kaufen. Diese ärgern sich dann womöglich über den Wertverfall des digitalen Gerätes beim Wiederverkauf weil sie das Gerät nicht entsprechend genutzt haben.

Nochmal andere kaufen sich ein digitales Modelinggerät und haben damit zuhause über Kopfhörer über Jahrzehnte Spass damit. Den kann es eigentlich egal sein wieviel Wert das Gerät verliert denn sie nutzen es ja ausgiebig und haben genau damit ihre Lösung.

Klar, du hast festgestellt, dass du die ganze Soundvielfalt nicht brauchst und dich dann über die Komplexität geärgert. Jetzt ärgerst du dich über den Preisverfall deines Gerätes. Das ist deine persönliche Geschichte, ich würde jetzt keine allgemeinen Lehren daraus ziehen...

Man kann auch die Entwicklung der Modeler der letzten 20 Jahren nicht in die Zukunft fortschreiben. Die Geräte haben inzwischen ein Qualitätslevel erreicht bei dem man eigentlich nichts mehr vermisst. Natürlich muss das Konzept und die Bedienung einem liegen und man muss auch wirklich grundsätzlich Modeler spielen wollen.
 
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Ich frag mich, wann Gitarren mit eingebauten Modellern kommen, die man über Bluetooth bedienen kann.
 
(...) die Kurzlebigkeit von solchen Geräten nach und geht mit Anschaffungen dieser Art anders um.

Die Kurzlebigkeit ist ja durchaus relativ. Bei einem digitalen Gerät hast Du ein IT-Produkt, die sind naturgemäß mit einem End Of Life versehen. Windows XP anyone? Nichtsdestotrotz gibt es heute noch genügend Anwender, die bei sich zu Hause mit XP arbeiten und nichts "Neues" brauchen. Wenn es ein Anwendungsfall ist, der mit einem älteren Rechner und ohne Webanbindung läuft, ist das auch kein Problem. Okay, der Rechner kann natürlich auch irgendwann die Grätsche machen. Aber grundsätzlich möglich. Muss man mögen.

Wenn man davon ausgeht, dass Du heute einen Modeler kaufst und dort exakt DEINE perfekten Sunds vorfindest, dann kann Dir EoL von der Kiste erstmal auch ziemlich Wurscht sein. DEINE perfekten Sounds hast Du ja drauf bzw. auf Deinem Rechner. Du brauchst also erstmal keinen weiteren Support vom Hersteller und Dein einziges Limit sind die Bauteile des Modelers. Kann man durchaus so machen.

Kurzer Exkurs:
Wir erinnern uns auch alle noch an Kühlschränke, Herde und Waschmaschinen, die allesamt unkaputtbar gewesen sind. Das ist gut für die Umwelt, aber schlecht für die Menschen - ich will hier jetzt keine VWL-Vorlesung über Produktivitätsfortschritte anzetteln, aber ... ganz verkürzt: Wenn wir nicht das Konzept der Obsoleszens umarmt hätten als Gesellschaft (Ausnahmen bestätigen die Regel), dann würde heute nicht Kreti und Pleti in der Lage sein, überhaupt über die Anschaffung eines Boogie, Lichtlaerm, *fülle Traumamp ein* überhaupt Gedanken zu machen.

BTT:
Ich denke, es kommt ganz stark auf den Anwendungsfall an, wofür man sich entscheidet. Wenn wir uns die aktuelle Welt anschauen, dann würden wir viele Künstler nicht in Deutschland sehen können, weil die Tourkosten mit der eigenen Backline so hoch sind und auch die Miete zu teuer ist. Die sind heilfroh, dass sie im Ausland touren können mit dem geringstmöglichen Aufwand, der noch die finanzielle Luft zum Atmen lässt. Und dann gibt es Künstler, die es aus Überzeugung "echt" haben wollen. Wenn die es sich leisten können, umso besser. Für Mr. Carpenter ist ein "Back to the roots" mit echten Röhrenamps kein so großes Problem - er tritt ja nicht mehr außerhalb der USA auf wegen seiner Flugangst.

Naja, jedes Ding hat seine eigenen zwei Seiten und hier kommt auch noch das Füllen des Sommerlochs mit hinzu. Es muss ja Content kreiert werden.
 

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