Dirigent

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darchr
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Hi,

als wie wichtig würdet ihr die Stellung des Dirigenten beim Spielen einer Sinfonie einschätzen?
Immer wenn ich Stimmen zu irgendwelchen Aufnahmen höre, heißt es sowas wie "Karajan zeigt wieder, was er kann etc." - weshalb werden sämtliche Aufnahmen immer so stets auf den Dirigenten beschränkt? Letztendlich sind es doch immer noch die Musiker, die das Stück spielen.

Mir sit klar, dass in den Proben der Dirigent die einzelnen Musiker mit ihren Instrumenten zusammenführt, und dem Stück praktisch eine eigene "Signatur" verpasst, indem er besondere Stellen heraushebt, die andere Dirigenten möglicherweise als weniger wichtig einschätzen.
Aber ist der Dirigent dann überhaupt noch nötig? Die Musiker schauen doch häufig ohnehin auf ihre Notenblätter (sofern welche da sind) und nur selten den Dirigenten an (zumindest gewinne ich diesen Eindruck, wenn ich mir im Internet einige Orchesterstücke anschaue).

Anderes: Gibt es eigentlich für einen Dirigenten bestimmte Regeln zum Dirigieren, also wie man crescendo und decresendo oder die Schnelligkeit beispielsweise anzeigt? Was kann er alles anzeigen, gibt es Unterschiede zwischen der linken und rechten Hand? Ich habe mir mal in Wikipedia diese "Schlagfiguren" angeschaut, abe irgendwie erkenne ich die überhaupt nicht, wenn ein Dirigent dirigiert.
 
Eigenschaft
 
ich bin noch nicht in sehr vielen konzerten gewesen aber ich halte (trotz meiner eher geringen erfahrung) den posten des dirigenten für leicht überbewertet. zumindest was solche star dirigenten betrifft macht es manche musikliebhaber blind... denn "wo karajan dirigiert muss es ja besonders toll klingen". solche haltungen hab ich schon vernommen.

ich habe vor ein paar wochen eine aufführung der 4 jahreszeiten gesehen. alle musiker haben gut gespielt aber der dirigent hat sich dazu hinreißen lassen das programm besonders schnell zu spielen. ich weiß nicht wie ein hirte dabei einschlafen kann :D
ne im ernst also was den klang und das tempo... also praktisch den gesamteindruck des werkes betrifft hat der dirigent schon einen sehr spührbaren einfluss und kann dem werk eine eigene note verpassen. von solchen "super dirigenten" legenden halte ich aber nicht viel.
früher "super dirigent" war gustav mahler dessen musik erst einige jahrzehnte nach seinem tod bei der breiten klassikhörerschaft anerkannt war. auch er ist nicht ohne grund in wien rausgeworfen und in new york mit offenen armen empfangen worden ;)
 
Dass der Dirigent wichtig ist für ein Sinfonieorchester, ist schon meine Meinung. Du hast es ja selbst treffend beschrieben, darchr, das Werk wird in den Proben einstudiert und die Interpretation, die wir als Hörer der Aufführung erleben, ist nichts anderes als das Ergebnis der Probenarbeit.
Und da gibt es schon eine Menge von Unterschieden , wenn z.B. die Sinfonien von Beethoven mit Toscanini als Dirigent erklingen oder mit Furtwängler: Allein die Tempowahl ist völlig verschieden.
Allerdings bin ich auch der Meinung, dass dieses übertriebene Star-Dirigententum total unangemessen ist, wenn man liest "Bernstein spielt Beethoven", "Karajan spielt Mozart" usw. so weiß doch der Hörer, dass nicht der Dirigent spielt, sondern das Orchester.

Ich glaube nicht, dass es Regeln gibt, wie der Dirigent Dynamik, Tempo, Artikulation anzuzeigen hat, er wird es während der Proben den Musikern vermitteln, auch mit Worten.
Die Schlagtechnik als rein schulmäßige Technik ist in entsprechender Fachliteratur erlernbar, aber bei den großen Dirigenten werden wir das eher nicht wiederfinden.
 
In einem orchester, einem chor kann es nicht demokratisch zugehen, einer muss das ganze leiten, die zeichen zum anfangen und aufhören geben, die tempi bestimmen, ganz allgemein klangregie führen.
Über die zeichengebung gibt es normen, die jeder musiker versteht, die aber nicht über das nötige taktschlagen hinausgehen. Im übrigen hat jeder dirigent seinen eigenen stil, der eine schlägt knapp und präzise aus dem handgelenk, der andere rudert mit beiden armen, der eine benutzt einen taktstock, der andere nicht.
Das macht alles sinn: der helle taktstock ist auf größere entfernungen besser sichtbar, in der oper verzichtet man nicht darauf, da schlägt jeder, auch jeder "star-dirigent" exakter, erstens, weil das publikum ihn nicht sieht, zweitens, weil man das ganze, sänger, chor und orchester zusammenhalten muss, über italienische praktiken habe ich andernorts berichtet.
Die hauptarbeit des dirigenten liegt in den proben, da wird eine partitur mehr oder weniger mühsam zum klingen gebracht, was bei einem neuen werk nicht leicht ist. Und auch da feilt der eine, der andere "lässt spielen". Es gibt schöne anekdoten, die das erhellen:
Knappertsbusch probte nicht gern standardwerke mit spitzenorchestern, das orchester (jedes hat einen vorstand) ersuchte um eine zusätzliche probe. K. knurrte, er war ein grobian, sagte "weiter", um eine wiederholung zu sparen, setzte hinzu "am abend machen wir es natürlich". Das hatten nicht alle mitgekriegt, das chaos war da. K. danach im stimmzimmer: "das habt ihr von eurer scheißprobe!"
Mein freund Roberto aus Rio hatte für die eigene hochzeit einen marsch komponiert "dazu brauchen wir keine probe", sagten die musiker, und dann geschah es, die einen wiederholten, die anderen nicht, es gab einen unfreiwilligen, misstönenden kanon, so gehts! Kein wunder, dass die ehe nicht lange hielt.
Furtwängler, der nie musik studiert hatte, fuchtelte gewaltig herum, man fragte einen Philharmoniker "wie macht ihr das, dass ihr gleichzeitig anfangt?" ,"ganz einfach, sobald er einen zacken in die luft malt, zählen wir bis drei und fangen an!"
Warum der eine zum star wird, und der andere nicht? Das ist wie bei schlagersängern, der eine jault und quäkt wie der andere, aber wird zum publikumsliebling. Orchestermusiker urteilen anders, ein sehr renommierter kollege wäre gern chef geworden, ich verrate lieber nicht, wer und wo, ich fragte, warum er es nicht wurde "Der sabbert so beim dirigieren, da hammern nich genommen!"
Will jemand noch genaueres wissen? Etwa über einen, der mal das finale einer operette mit einem stuhlbein dirigierte? Nein, dass war nicht der, der kusshändchen in die präsidentenloge warf.
 
Mit dem Dirigenten steht oder fällt ein Orchester...
Jedenfalls eine kleinstädtisches wie das unsere...habe ich mehrmals selbst erlebt. Ein paar Jahre lang hatten wir einen GMD (Generalmusikdirektor), der hatte es wohl schon mit den Ohren, denn es gab keinerlei Dynamik, alles war immer gleich: laut.
Der Nachfolger kann das Orchester so leise spielen lassen, daß auf meinen Mitschnitten Nebengeräusche wie Scheinwerferlüfter oder Klimaanlage störend zu hören ist. Außerdem muß ich seitdem mit einem Kompressor nachbearbeiten, für's Wohnzimmer is die Dynamik jetzt zu groß, jedenfalls, wenn man Rücksicht auf Nachbarn nehmen muß...
Auch die Tempi empfindet jeder Dirigent anders, gestern abend hat ein anderer den Rosenkavalier bei uns dirigiert und war dabei insgesamt fast 10 Minuten schneller.

Sicher kann ein Orchester (ohne Sänger und Chor) auch ohne Dirigenten auskommen, dann muß es aber sehr diszipliniert arbeiten.

@ Günter: ja, schreib mal über das Stuhlbein! :D
 
Was haben Dirigenten, Schlagzeuger und Präservative gemeinsam?

Mit ist sicherer, ohne ist schöner.

(Ich darf das, ich nehme auch Dirigierunterricht... ;) )

Spaß beiseite, die wichtige Funktion des Dirigenten ist es, eine große Anzahl von Musikern zu einem einheitlichen Klangkörper zu machen. In einem Symphonieorchester spielen etwa 30 bis 60 Musiker, jeder eine eigene Persönlichkeit und mit einer anderen Einstellung zur Musik. Wie jetzt ein Dirigent daraus einen homogenen Klangapparat formt, ist natürlich unterschiedlich. Die einen zwingen dem Orchester krampfhaft die eigene Vision auf, die anderen (sympathischeren) hören dem Orchester zu und versuchen, aus den Musikern selbst das beste herauszuholen und bauen deren Talente in das Endergebnis ein.

Bei den Schlagfiguren sind vor allem die folgenden Dinge wichtig:
1. Das Tempo muss klar erkennbar sein.
2. Die Eins muss klar von den anderen Taktzeiten unterscheidbar sein.

Darüber hinaus muss das Schlagbild und die äußere Ausstrahlung des Dirigenten eine einheitliche Sprache sprechen, anders ausgedrückt: Es darf kein Zweifel über das bestehen, was er will. Denn obwohl die Musiker die ganze Zeit in die Stimmen zu schauen scheinen, kriegen sie doch zumindest aus dem Augenwinkel die Körpersprache des Dirigenten mit, und setzen sie, wenn auch oft zum größten Teil unbewusst, in Musik um.
 
Noch mal zum Thema "Dirigent", wenn auch etwas spät: Ich habe gerade das Buch von Michael Gielen "Unbedingt Musik" (Erinnerungen) gelesen.

Zum einen fand ich es sehr kurzweilig geschrieben, zum anderen gibt es interessante Einblicke in das "Geschäft" des Berufsdirigenten. Auch gibt Gielen eine persönliche Einschätzung einiger großer Pultstars wie Karajan, Böhm, Kleiber u.a., denen er in seinem Leben begegnet ist.
Das besondere Engagement Gielens für die "Klassiker der Moderne" des 20. Jahrhunderts und sein Versuch, das an den Opernhäusern fest ins Repertoire zu übernehmen, die Schwierigkeiten, das umzusetzen etc. sind besonders umfangreich dargestellt.
Ein paar Anekdoten runden das Buch ab.

Beste Grüße
Effjott
 
Ein schönes beispiel zu erkenntnis und selbsterkenntnis: Gielens verdienste sind unbestritten, aber er ist jetzt schwerhörig, und - - er weiß das, und - - - - - - er dirigiert trotzdem!
Er müsste wissen, was er sängern, musikern und hörern zumutet. Ich rede nicht vom hörensagen und will mich nicht in details verlieren.
 
"Er mag Musik nur, wenn sie laut ist" ... ?
(frei nach Herbert Grönemeyer)


@ Günter: und wie war das nun eigentlich mit dem Stuhlbein? :)
 
Da müsste ich länger ausholen, um einen vorgang, der nur ein paar minuten währte, mit all seinen ursachen und folgen verständlich zu machen. Vielleicht gehört dazu ein viertele "Kaiserstühler", "Tuniberg" oder "Gutedel" aus dem Markgräfler Land, ich pflege zwei weinsorten zu unterscheiden: roten und weißen! Geduld!
 
schön, dann werde ich auch mal (un)geduldig warten ;)
 

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