DOKU: Fertigen von Holzpassungen im Instrumentenbau (Kleinserienfertigung)

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Hallo Freunde,

In der heutigen Doku möchte ich mich mit einem Thema befassen, dass im Gitarrenbau eigentlich etwas überbewertet ist :D ..... Passungen....

Exkurs: Warum überbewertet? Im Gitarrenbau gibt es nur eine schwingungsrelevante Kontaktart... die Flächenpressung. Passungen dienen auch im Maschinenbau vor allem der wartungsgerechten Positionssicherung. Teile, die prinzipiell nicht demontiert werden sollen, benötigen daher auch nicht unbedingt eine Passung. Eine exakte Positionierung bei der Montage ist dafür üblicherweise ausreichend.

Mir geht es in dieser Doku vor allem um die Hals/Korpusverbindung. Man ließt in vielen Reviews immer von einer besonders löblich erwähnten, eng sitzenden Halstasche bei Schraubhälsen. Bei der Schraubverbindung von Hälsen ist eine vernünftige, flächige Verbindung und der Anpressdruck allerdings von wesentlich klangentscheidender Rolle, als die präzise Fertigung der Halstasche - theoretisch wäre diese Tasche nicht wirklich nötig.

Für geklebte Hälse sieht die Sache wiederum anders aus: Hier ist es klanglich von Vorteil, wenn möglichst wenig Klebstoff nötig ist um den Spalt auszufüllen, denn die Klebstoffe für Halsverbindungen haben immer auch dämpfende Eigenschaften.

Dennoch ist es natürlich auch bei Schraubverbindungen schön, wenn der Hals nach der Demontage nicht mit Messwerkzeugen positioniert werden muss und sich in dem Spalt möglichst wenig Dreck sammeln kann - und ein Zeichen für eine präzise Herstellung (Stichwort Qualitätsmerkmal) ist so eine Halstasche eben nunmal auch.

...und aus genau diesem Grund sei hier die Herstellung einer schablonenbasierten Passung dokumentiert - viele Gitarrenbauer bemühen sich dafür oft mit Handwerkzeugen (zumindest bei der Schablonenherstellung) und erreichen dennoch keine wirklich perfekten Ergebnisse. Andere Gitarrenbauer kaufen teure CNC gefertigte Schablonen und sind dann aber auch an vorgegebene Formen gebunden.

Grundlage für die Fertigung einer präzisen Halstasche ist zunächst die Überlegung, wie der Halsfuß eigentlich aussehen soll. Nach dieser Vorstellung fertigt man sich eine Schablone für den Halsfuß. Hier kann mich sich allen technischen oder handwerklichen Möglichkeiten bedienen - man sollte aber beachten, dass ein Kopierfräser zum Einsatz kommen wird, der einen bestimmten Mindestradius hat. Kein Radius am Halsfuß sollte daher kleiner sein, als dieser Fräserradius. Ich habe einen relativ schlichten Standardfuß gestaltet und nutze beschichtetes Sperrholz für die Schablone.

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Nach der Fertigung der Halsfußschablone wird diese Schablone dünnschichtig lackiert. Sie sollte vollkommen wasserabweisend sein, da sie bei den späteren Arbeitsschritten mit Wasser in Berührung kommen wird. Aus diesem Grund nutzte ich beschichtetes Sperrholz, da hier nur die Seiten lackiert werden müssen und die Flächte bereits frei von Unebenheiten ist.
Es bietet sich auch an, ein Material zwischen 9-12mm zu verwenden. Zu dünnes oder zu dickes Material lässt sich später schlecht kopieren. Lackierte MDF-Platte eignet sich aber ebenfalls. Man sollte bei der Fertigung der Halsfußschablone auch gleich ein Aufmaß für die Schichtdicke der Halslackierung einplanen. Ich lackierte die Schablone daher mit der gleichen Schichtdicke wie später auch die Hälse lackiert werden. Nach der Fertigung der Passung wird der Lack dann wieder abgebeizt, da sonst alle gefrästen Halsfüße natürlich so breit sind wie die lackierte Halsfußschablone. In einer Passung passt der Hals dann nicht mehr in die Halstasche.
Alternativ kann man auch mit einer anderen Schablone erst den Hals fertig stellen, und vom lackierten Hals eine Schablone abkopieren, die dann nur für die weiteren Arbeitsschritte genutzt wird.

Als nächster Arbeitsschritt wird von der Schablone ein Gipsabdruck erstellt. Man sollte daher zwei Schrauben in die Schablone schrauben um Griffe zu haben, an denen man die Schablone später aus dem Gripsabdruck herausziehen kann. Hier wird klar, warum die Schablone wasserfest sein sollte und möglichst frei von Unebenheiten. Gips schmiegt sich in jede noch so kleine Ritze, hält die Schablone fest oder sorgt für nicht kopierbare Unebenheiten.

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Mit leichtem klopfen lässt sich die Schablone nach dem Aushärten aus der Form ziehen. Dabei stehts vorsichtig sein.... brechen Kanten aus dem Gips, ist die Form nicht mehr zu gebrauchen. Ich fügte auf der rechten Seite zusätzlich einen kleinen Ansatz hinzu um vorsichtig mit einem Schraubenzieher hebeln zu können. Luftblasen im Gips stören übrigens nicht...

Danach wird die Form gründlich von allen Verunreinigungen befreit. Ich musste wegen der Schraube unter meinem Kopierfräser noch einen groben Kanal hinzufügen. Mit dickerem Schablonenmaterial ließe sich das vermeiden - es ist bei dem leicht zu bearbeitenden Gips aber auch kein großes Problem.

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Anschließend wird auf ein geeignetes Schablonenmaterial die Halsfußschablone übertragen und grob ausgeschnitten. Man sollte dabei klar kennzeichnen, wo Rechts und Links ist bzw. oben und unten. Verdreht man bei der späteren Fertigung die Schablone, passen Hals und Halstasche nicht mehr zusammen.

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Für die Arbeit mit einer Oberfräse ist es wichtig, dass sowohl die Schablone (hier unser Gipsabdruck), sowie das Werkstück (hier die zu fertigende Schablone) fest miteinander verbunden sind. Üblicherweise nutzt man dafür doppelseitiges Klebeband, was auf Gips aber leider nicht klebt ;).
Ich bohre daher 3mm große Locher durch das Holz ins Gipsmaterial und stecke nur 3mm Rundstangen hinein. Die dadurch erzeugte Positionssicherung ist ziemlich verlässlich für eine einmalige Anwendung. Wichtig ist, dass die überstehenden Stifte sauber und plan mit der Holzoberfläche abschließen.

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Nun kann die Schablone vorsichtig gespannt werden und die Oberfräse kommt zum Einsatz. Wichtig ist, dass das Kugellager des Schablonenfräsers absolut sauber und sehr, sehr leichtgängig ist. Es passiert schnell, dass sich ein nicht leichtgängiges Lager in das Gipsmaterial einarbeitet und die Form zerstört. Es sollten auch nur sehr dünne Holzschichten abgetragen werden und die Form regelmäßig ausgesaugt und mit einem feinen Pinsel gereinigt werden. Jedes Holzkorn kann sich in das Gipsmaterial fressen und verfälscht das spätere Ergebnis.

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Die Holzschablone ist nun fertig, kann vorsichtig nach oben abgehoben werden und wird mit einer kleinen Handfeile noch vom Grat befreit.
Fertig ist eine absolut präzise Halstaschenschablone, die nun bei bedarf kopiert oder direkt eingesetzt werden kann.

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Viele Gitarrenbauer werden euch um solch eine Präzision beneiden und man wird euch die Handfertigung eventuell nicht ganz glauben ;)

PS: Die Lücke die man links sieht kommt lediglich vom Entgraten beider Schablonen.

Viel Spaß damit!

Martin
 
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Entsteht nicht durch eine anständige Passung auch Anpressdruck? Stichwort "Presspassung".
 
also im Maschinenbau schon... aber niemand dengelt einen Hals mit einem Gummihammer in eine Halstasche :D

Presspassungen sind ja auch als Übermaßpassungen bekannt. D.h. das Werkstück ist quasi minimal größer oder gleich groß als/wie die Tasche.

Theoretisch sinnvoll, aber eher unpraktisch beim Holz.

Andererseits wären wir damit auch bei der Ebenendefinition, bei denen die 3-Punkt-Positionierung immernoch als Ideal gilt. Eine Presspassung wäre hier auch überbestimmt. Man bedenkte, dass Holz keine einheitliche, innere Struktur besitzt, wie Metall.

Aber wären wir im Metallbau, hättest Du absolut recht!

Im Schreinerhandwerk übrigens ebenso und auch im akustischen Gitarrenbau, wo ja sogar Schwalbenschwanzführungen genutzt werden. Im E-Gitarrenbau, wo die Verbindung (aus welchen Grund auch immer) demontierbar sein soll, wird das schwierig... Kein Lack der Welt übersteht eine Presspassung.

Bei Klebverbindungen ist die Presspassung natürlich auch sinnvoll.
 
Super!!!

Genau über diese Aufgabenstellung habe ich mir in den letzten Wochen den Kopf zerbrochen. Auf eine Gipsform kam ich nicht. Freu mich drauf, das auszuprobieren!!!
Vielen Dank :)
 

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