Feedbackfrequenzen - gibt es doch!

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Hi,

da das im FAQ-Teil nicht geht, möchte ich hier den Post von mix4munich zur Diskussion stellen ( https://www.musiker-board.de/vb/faq-workshop/295101-feedbackfrequenzen-gibt-es-nicht.html )- persönlich halte ich sein Statement, es gäbe keine typischen Feedbackfrequenzen für bestimmte Mikrofone für klar falsch!

Vieles ist sehr treffend und richtig erklärt, aber er unterbewertet in seinen Ausführungen einige sehr wichtige Punkte:
Weder die Richtcharakteristik, noch die Frequenzcharakteristik, noch die Ausschwingcharakteristik von Mikrofonen ist über den gesamten Nutzbereich auch nur annähernd homogen - auch wenn das die gemittelten und/oder grob gerasterten und/oder zu selektiv angegebenen Herstellerangaben suggerieren.

Die Richtcharakterisitk verändert sich ja bei praktisch allen Mikrofonen sehr stark übers Frequenzband, abhängig von der Membrangröße, der Art und Weise der Richtwirkungserzeugung mechanisch, elektrisch oder gemischt usw.
Konstruktiv bedingt kann es dabei zu mehr oder weniger schmalbandigen Sprüngen oder Aufweitungen in der Richtcharakteristik kommen die dann Feedbackanfälligkeit nach sich ziehen. Hier helfen Datenblätter nicht weiter mit der typischen Darstellung von Richtkurven für nur ein paar Frequenzen im Oktavabstand - die geben nur grobe Anhaltspunkte.

Bei sehr vielen, eigentlich fast allen mir bekannten dynamischen Mikrofonen und bei einer grossen Anzahl von Condensern gibt es mehr oder weniger schmalbandige Resonanzen der Mikrofonmembran (also Überhöhungen von mehreren dB) oft verbunden mit verzögertem Impulsverhalten und schlechtem Ausschwingen.
Kleine schmalbandige Resonanzen mit ein bis zwei dB Überhöhung können dann eben auch schon wieder zu Feedbackanfälligkeit führen ohne bei der über eine Terz oder Oktave gemittelten Darstellung in beispielsweise Herstellerdatenblättern sichtbar zu werden oder gehörmässig vor Feedback auffällig zu sein. Genauso kanns auch Einbrüche im Frequenzgang geben, zum Beispiel durch durch die Richtwirkungsmechanik erzeugte Auslöschungen oder destruktive Resonanzen - auf Auslöschungsfrequenzen kann natürlich nur schwer ein Feedback entstehen.

Zum dritten muß das Impulsverhalten im Ein- und Ausschwingen berücksichtigt werden. Von Lautsprechern kennt man das ja schon, typische Wasserfalldiagramme, die Resonanzen zeigen, die vielleicht auch wieder im Frequenzgang nicht auffällig sind aber eben umso mehr im Ausschwingverhalten - genau die gleichen Effekte gibt es bei den Membranen von Mikrofonen natürlich auch! Auch verzögertes Ausschwingen verstärkt die Gefahr von Feedback.

Zum vierten gibt es noch mechanische Einkopplung wie Trittschall, Griffkopplung usw.. Worst Case kann beispielsweise ein Mikrofon, das aus dem eigentlich toten Winkel beschallt wird (z.B durch einen Bühnen-Monitor von der Seite bei Anwendung an einem Git-Amp) über das Gehäuse Schall aufnehmen und an die Kapsel abführen, wenn diese nicht vom Gehäuse sauber entkoppelt ist - auch hierbei ist das Verhalten nicht konstant über den Nutzbereich, sondern es gibt Durchschlagfrequenzen oder Frequenzbereiche mit herabgesetzter Entkoppelung.

Alle diese Problemstellen sind bei jedwedem Aufbau immer deutlich feedbackgefährdeter, ganz besonders wenn Richtcharakteristiksprung und Membranresonanz zusammenfallen - und sie sind eben typisch und konstruktionsbedingt für das jeweilige Mikofon - man sollte also schon die Problemzonen der verwendeten Mikrofone sehr gut kennen.
Eigene Mikrofone kennenzulernen ist ein leichtes und ansonsten wird man ja doch immer wieder mit vergleichsweise wenigen typischen Modellen konfrontiert...

Was mir im übrigen häufig auffällt ist, daß scheinbar nur wenig bekannt ist, daß Feedbacks sich nicht nur auf einer Grundfrequenz zeigen, sondern auch auf den Harmonischen auftauchen können - insbesondere bei Resonanzen mit erhöhtem Klirr auf der ersten Harmonischen eine Oktave höher.
Dabei ist es gar nicht so unhäufig, daß die Harmonische (z.B. raumakustik- oder aufstellungsbedingt) stärker und auffälliger fiept als die eigentliche Grundwelle und daher im Endeffekt die falsche Frequenz gezogen wird ohne das Feedback damit wirklich in den Griff zu bekommen.
Bei einem recht weit verbreiteten Gesangsmikro beispielsweise liegt die eigentliche Problemzone bei ca. 1,6kHz, lautstark koppeln tuts aber auf 3,2kHZ und dort wird dann meist auch gezogen - mit der Folge, daß die Stimme sehr indirekt wird. Weiß man um die konstruktionsbedingte für dieses Mikrofon typische Resonanz um 1,6kHz (z.B. durch eigene Messungen) und zieht da 3dB, hat man seine Ruhe und deutlich neutraleren Sound als beim typischen Geziehe von bis zu 6db bei 3,2kHz...

Und so wie bei den Mikrofonen gibt es selbstverständlich auch bei Lautsprechern typische und konstruktionsbedingte Frequenzen mit erhöhter Feedbackgefahr, bei Mehrwegern typischerweise bei Richtcharakteristikaufweitungen durch Nebenabstrahlkeulen im Bereich der Trennfrequenzen, aber eben auch auf den typischen Membranresonanzen und Bereichen verschlechterten Impulsverhaltens. Fällt die Problemzone eines Lautsprechers mit der eines Mikrofes zusammen, hat man ein echtes Problem...

Ciao, Deschek
 
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würde ich dir zustimmen, Mikros haben in jedem Fall spezifische Empfindlichkeiten was die Rückkopplungsneigung angeht, wie Boxen ja auch...
 
Mein Übergwichtiger Physiklehrer definierte es mal so :"Wenn ich in der Badewanne schaukel , und habe die Eigenschwingung der Badewanne getroffen , dann darf ich aufwischen".
Jeder Boxenspeaker , jede Mikrofonmembran hat einen Resonanzfrequenz , vor allem aber der Raum in dem das Feedback auftritt hat sein Eigenleben.
Vielleicht sind wir auch alle auf Grund des Alltagslärms zu abgestumpft ,um zu bemerken , dass so eine extreme Lautstärke ohne Feedback bei einem Lifegig physikalsich gar nicht machbar ist ?
 
Hi, Ploppy,

mir ist nicht ganz klar, was du sagen willst...

Die Resonanzfrequenz fs von Lautsprechern und auch Mikrofonen hat erstmal gar nichts mit Feedback zu tun, sondern ist ein ganz normaler, durch die Konstruktion bedingter technischer Parameter. Bitte nicht verwechseln mit Membranresonanz und ähnlichem - einer unerwünschten Störung des Amplituden- und Impulsverhaltens, die tatsächlich höhere Feedbackgefahr mit sich bringt.

Die Feedbackproblematik tritt leider nicht nur bei überhöhter Lautstärke auf - jeder der mal Sprachbeschallung mit mehreren Clipmikrofonen oder einen ungeübten Kinderchor mit mehreren Overheads betreut hat, wird das sofort bestätigen.
Es gibt eine Menge Situationen, wo aufgrund ungünstiger Ausgangslage wie schwacher Signale und/oder unvorteilhafter Beschallungssituation und/oder erzwungener schwacher Richtcharakteristik schon bei sehr geringen Beschallungslautstärken sehr grosse Feedbackgefahr existiert, die die volle Aufmerksamkeit des betreuenden Technikers erfordern.
Genausogut gibt es aber Situationen, die ohne jegliche Feedbackgefahr mehr als gesundheitsschädliche Pegel für Künstler und Publikum erlauben, das hängt ja von vielen Einzelfaktoren ab.

Das es schon seit langem unverantwortliche Lautstärkeorgien gibt, will ich dir gerne bestätigen - aber meiner Erfahrung nach reduziert sich das mittlerweile doch wieder deutlich, nicht zuletzt aufgrund der gesetzlichen Auflagen, aber auch aufgrund grösserer Sensibilisierung der Kollegen für dieses Thema. Die Leute, die Lautstärke mit Qualität verwechseln, werden im professionellem Bereich beständig weniger.
Aber mit dem Thema dieses Threads hat das herzlich wenig zu tun.

Ciao, Deschek
 
Bei einem recht weit verbreiteten Gesangsmikro beispielsweise liegt die eigentliche Problemzone bei ca. 1,6kHz, lautstark koppeln tuts aber auf 3,2kHZ und dort wird dann meist auch gezogen - mit der Folge, daß die Stimme sehr indirekt wird. Weiß man um die konstruktionsbedingte für dieses Mikrofon typische Resonanz um 1,6kHz (z.B. durch eigene Messungen) und zieht da 3dB, hat man seine Ruhe und deutlich neutraleren Sound als beim typischen Geziehe von bis zu 6db bei 3,2kHz...
Wie Du aber selber schreibst geht das auch kaum aus den Datenblättern hervor,woher also soll ich wissen,bei welchen Mikro die eigentlich kritische Frequenz liegt?
Und wie bist Du selbst drauf gekommen das die Frequenz nicht bei 3,2 sondern bei 1,6 kHz liegt.
 
Hi, Rockopa,

je besser ich mein Arbeitsgerät kenne, desto sinnvoller kann ich es einsetzen.

Persönlich messe ich daher schon seit Jahren alle mir häufig unterkommenden Mikrofontypen selbst aus (Amplitude, Impulsverhalten, Klirr und Richtcharakteristik - zugegeben, diese Möglichkeit hat nicht jeder), führe in meinen Arbeitsräumen praktische Tests durch (diese schon) und aktualisiere das auch immer wieder.
Ich führe aber auch eine Art Tagebuch mit Beschreibung der Beschallungsituation, verwendeten Mikrofonen, EQ-Einstellungen, Problemfrequenzen usw., das ich in regelmässigen Abständen sorgfältig auswerte und dadurch eine Menge wichtiger Informationen für mich generiere sowohl über die Mikrofontypen, als auch die verwendeten Lautsprecher, als auch die Raumakustik der entsprechenden Location (bei über 150 bis 200 Buchungstagen im Jahr kommt da ne ganze Menge zusammen und man hat recht häufig wiederkehrendes Equipment oder Locations). Auch diese Möglichkeit hat jeder und kann sich so auch ohne Nachzumessen ein gutes Bild von den Problemzonen von Mikrofonen und PA-Systemen schaffen. Mal ehrlich, mit 6 - 8 typischen Mikrofonen hat man doch bereits 80% der typischen Anwendungen gedeckelt.

Wenn man erstmal weiß, daß sich die Feedbacks unter gewissen Umständen auch auf den Harmonischen aufbauen können, probiert man ganz automatisch eben auch mal die entsprechenden Frequenzen unter der vermeintlichen Störfrequenz. Besonders dann, wenn man trotz recht starker Filterung nicht den Eindruck hat, das Feedback wirklich im Griff zu haben, sollte man das antesten.

Ciao, Deschek

EDIT:
Noch eine Ergänzung, bevor ein falscher Eindruck entsteht:

Es ist sehr nützlich die Problembereiche der verwendeten Mikrofone (und Lautsprecher) zu kennen, es ist aber kontraproduktiv so naiv vorzugehen und von vorneherein alle eventuellen Problemzonen per Equalizer auszufiltern.
Es gibt also keine Filterkurve, die man generell mit einem bestimmten Mikrofontyp einstellen kann und man hätte dann absolute Feedbacksicherheit - eine solche Kurve müsste ziemlich extrem ausfallen, würde unterdurchschnittlich klingen und trotzdem eben nur einen Teil der möglichen Feedbackfaktoren eingrenzen können (Bei Lautsprechern gibt es schon zumindest Grundtendenzen, die man so in den meisten Anwendungsfällen filtern würde.). Hier schliesst sich der Kreis zu mix4munichs Post: es gibt zwar Feedbackfrequenzen, aber es gibt nur sehr bedingt Standardfilter dafür... - so gesehen, stimmt seine These also schon.
Das Zusammenspiel aus Mikro, Dynamics (Kompressoren!) und anderem Equipment, Boxen, Raumakustik und Handhabung ist nunmal komplex und muß jedesmal neu bewertet werden, es müssen also jedesmal neue Filterkurven entwickelt werden, die bei bestmöglichen Klang die notwendige Feedbacksicherheit liefern - je besser man das verwendete Equipment aber kennt und einzuschätzen weiß, desto schneller, präziser und objektiver erreicht man dabei aber ein optimales Ergebnis mit optimalen Mitteln (die Entscheidung, wo im Signalweg man filtert ist beispielsweise sehr wichtig: Kanalzug? Gruppe? Master-/Monitor-EQ? Am Controller im Master oder am Controller in den Einzelzügen? usw.usf. ...).
Und vor allem in vorhersehbar schwierigen Fällen bietet genaue Kenntnis der Qualitäten und Problemzonen diversen Equipments über die Möglichkeit im Vorfeld eine im Rahmen des Notwendigen ideale Auswahl des zu verwendenden Equipments zu treffen und damit die Feedbackproblematik in der jeweiligen Situation kleinzuhalten. Klingt kompliziert, das liegt aber eher an der Formulierung als an der Methode...
 
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Jetzt habe ich viel gelesen und bin nicht wirklich schlauer geworden "hier".

Jo schreibt nicht das es kein Feedback gibt sondern nur das es nicht "die Feedbackfrequenz" gibt und das stimmt.

Das sind doch Erahrungen die wir alle machen und die Du selber auch beschrieben hast Deschek.
Da spielen sooooooo viele Faktoren eine Rolle die Einfluß nehmen und Du selber hast ja einige beschrieben.

Nur, und das scheinst Du selber nicht bemerkt zu haben: Du stärkst die Meinung von Jo ja sogar !

Deine Beispiele mit Kinderchor, Overheads, niedrigpegelige Signale usw. zeigen das auf, was im anderen Thread beschrieben wurde.
Nimm ein SM 58 oder was auch immer in einem quadratischen Raum mit Betonwänden und Du wirst recht schnell ein Feedback erzeugen können.
Nimm das selbe Mikro und versuche bei selben Einstellungen ein Feedback in einem Raum mit Ho9lz oder gar einer Open-Ait Bühne zu erzeugen und Du wirst erheblich mehr Schub brauchen hierfür.

Nichts anderes beschreibt Jo im anderen Thread !

Er sagt nichts anderes als das es "die Feedbackfrequenz" nicht gibt !

So richtig habe ich hier den Sinn nicht verstanden (oder ich bin einfach zu dumm).
 

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