Geht eine Popstimme durch klassischen Unterricht "kaputt"?

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glasgow
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Hallo zusammen!

Ich bin 23 singe jetzt bereits seit einigen Jahren und auch mit Unterricht. Bisher habe ich Songs aus dem Bereich Pop/Rock/Jazz gesungen, wie wohl die meisten Leute in meinem Alter eben. Auch der Unterricht, den ich seit fast vier Jahren nehme, war auf diesen Bereich ausgerichtet.
Jetzt denke ich darüber nach etwas neues auszuprobieren und würde gerne mal klassischen Unterricht nehmen. Einmal weil mich auch diese Musikrichtung sehr interessiert, andererseits weil ich das Gefühl habe, dass mich mein derzeitiger Unterricht nicht mehr viel weiter bringt und ich begriffen habe, worauf es ankommt bzw. ich seit einiger Zeit stagniere.
Von klassischem Unterricht erhoffe ich mir daher auch neue Impulse, außerdem hoffe ich, dass mir vielleicht die Technik, die man dort anwendet, auch im PopRock-Bereich zugute kommen könnte und ich mich so noch einmal verbessern kann.
Ich habe allerdings etwas Angst, denn viele Menschen, die klassischen Unterricht nehmen, klingen ehrlich gesagt ziemlich gleich. Das wird wahrscheinlich sehr am Lehrer liegen, aber ich habe oft das Gefühl, dass diese Leute die Identität/Charakteristik ihrer Stimme verloren haben.
Meine derzeitige Gesangslehrerin legt sehr großen Wert darauf, seine eigene Stimme zu finden und diese zu entwickeln - also niemandem nachzueifern.
Ich würde sagen, dass meine Stimme schon für den Pop-Bereich echt gut ist. Die Leute hören mir gerne zu und mir wird eine schöne Klangfarbe bescheinigt. Ich habe deshalb Angst, dies evtl. durch klassischen Unterricht verlieren zu können.
Meine Frage ist deshalb:
Wie würde sich klassischer Unterricht auf meine Stimme auswirken?
Gibt es hier Leute, die Erfahrung damit haben, "auf beiden Hochzeiten zu tanzen"? Besonders freuen würde ich mich über die Meinung von Lehrern, die vielleicht Klassik auf die Weise unterrichten, dass die Charakteristik der eigenen Stimme gefördert wird...
Ich hoffe, ihr könnt mir weiterhelfen.
Danke,
glasgow
 
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Besonders freuen würde ich mich über die Meinung von Lehrern, die vielleicht Klassik auf die Weise unterrichten, dass die Charakteristik der eigenen Stimme gefördert wird...
Meine Lehrerin ist klassischer Sopran, ich selbst bin Sänger einer Rockcoverband und ich habe eigentlich keinerlei Zielkonflikt bei der ganzen Angelegenheit. Was du beschreibst, dass die eigene Stimmindividualität erhalten bleiben soll, das wird inzwischen auch von vielen Klassikern der jüngeren Generation so gehandhabt.

Wenn du seit Jahren Pop und Jazz singst, dann vermute ich mal, dass du mit deutlichem Vordersitz singst (ist natürlich eine reine Mutmaßung, vielleicht kannst du mal ein Aufnahme hier reinstellen). Das verlierst du so rasch auch nicht mehr. In der Klassik ist das nicht der Fall, der Stimmsitz verlagert sich weiter nach hinten, eher an den weichen Teil des Gaumens, die Kopfresonanz wird verstärkt. Ich singe jetzt seit zwei Jahren bei meiner Lehrerin und an meinem Vordersitz haben wir nicht groß etwas gerüttelt. Auch mir kommt es darauf an, keinen klassischen Klang einzustellen.

IMO kann man sehr von klassischen Aspekten profitieren und diese auch in einen Pop- oder Rockgesangsstil eingliedern (die Grundlagen sind ohnehin die gleichen). Rede mit deinem zukünftigen Lehrer/ deiner Lehrerin darüber, dass du nicht das klassische Gesangsideal anstrebst und dann werden sie dir sagen, ob du an der richtigen Adresse bist. :)
 
Hallo !
Ich schließe mich meinem Vorredner an - allerdings schreibst Du auch, dass Dich klassischer Gesang sehr interessiert. Es kann durchaus sein, dass Du klassische Literatur singen möchtest, und die unterscheidet sich schon deutlich vom Populargesang. Es werden z.B. andere Resonanzen genutzt und ausgebildet, es wird viel mehr Wert auf das Vibrato gelegt, etc. Deine Stimme muss sich, wenn Du klassisches Repertoire singst, verändern, um den Anforderungen des klassischen Klangideals zu genügen, die ja viel strenger und "einheitlicher" sind als im Popgesang (deshalb auch der Klang, der Dir so gleichförmig vorkommt - viele stimmliche Eigenheiten gelten in der Klassik als unschön bzw. unvollkommen und werden sozusagen "abgeschliffen").
Es kommt darauf an, dass Du nicht verlernst, auf den anderen Klang umzuschalten. Es kann passieren, muss aber nicht. Es kommt nicht zuletzt auf den Lehrer an. Vor allem aber auf den Weg, den Du selbst einschlägst. Vielleicht entdeckst Du ganz neue gesangliche Dimensionen.

Ich bin den umgekehrten Weg gegangen, habe nur klassischen Unterricht gehabt und ihn dann nach einigen Jahren abgebrochen, weil mir meine eigene Stimme fremd wurde und auch nicht mehr gefallen hat. Allerdings wollte ich schon damals nur contemporary music (sprich Pop, Rock, Jazz) singen, es gab nur keine Lehrer dafür (die Zeiten haben sich Gottseidank geändert). Den klassischen Stimmklang hab ich dann ganz schnell ad acta gelegt, profitiere aber bis heute von der Grundausbildung.

Probiere es aus !
schöne Grüße
Bell
 
Das, was du zum Stimmsitz sagst, klingt schonmal sehr interessant für mich. Ich denke schon, dass ich in der Tat mit Vordersitz singe. Und dahin geht auch meine Überlegung: Wie wirkt es sich aus, wenn ich den Stimmsitz verlagere?
Momentan ist mein Problem wahrscheinlich, dass ich es noch nicht richtig schaffe, den Hals zu entlasten und voll über das Zwerchfell Druck zu erzeugen. Ich vermute, dass mir da die klassische Methode helfen könnte...
 
Ich habe allerdings etwas Angst, denn viele Menschen, die klassischen Unterricht nehmen, klingen ehrlich gesagt ziemlich gleich. Das wird wahrscheinlich sehr am Lehrer liegen, aber ich habe oft das Gefühl, dass diese Leute die Identität/Charakteristik ihrer Stimme verloren haben.
Die Gefahr besteht, aber es muss glaub ich nicht zwingend sein.
Gibt es hier Leute, die Erfahrung damit haben, "auf beiden Hochzeiten zu tanzen"? Besonders freuen würde ich mich über die Meinung von Lehrern, die vielleicht Klassik auf die Weise unterrichten, dass die Charakteristik der eigenen Stimme gefördert wird...
Ich hoffe, ihr könnt mir weiterhelfen.
Ich bin keine Lehrerin, aber ich habe ca. 1/2 - 1 Jahr bei einer Lehrerin mit Pop/Rock-Ausbildung gelernt (glaub ich :redface:) und nun seit ca. 5-6 Jahren ziemlich unregelmaessig allerdings bei einem klassischen. Ich singe auch sowohl als auch, im Chor - wobei das nicht-klassische mehr Gospel und contemporary church music ist.
Seit ich im Jazzworkshop hier am Board bin, bin ich ehrlich gesagt recht froh um meine klassische Ausbildung, ich habe das Gefuehl, bei manchen Sachen tu ich mich leichter als die ohne. Und wirklich stoeren tut sie mich nicht; ich arbeite halt dran, etwas weniger klassisch zu klingen. Ich denke, das ist schon hinzukriegen, wenn man sich erstmal bewusst macht, was man wo braucht. Ich hab da immer Nina Hagen (glaub ich, oder von wem war Babuschka?) vor Augen, die kann/konnte ja auch beides.
Wenn du seit Jahren Pop und Jazz singst, dann vermute ich mal, dass du mit deutlichem Vordersitz singst (ist natürlich eine reine Mutmaßung, vielleicht kannst du mal ein Aufnahme hier reinstellen). Das verlierst du so rasch auch nicht mehr. In der Klassik ist das nicht der Fall, der Stimmsitz verlagert sich weiter nach hinten, eher an den weichen Teil des Gaumens, die Kopfresonanz wird verstärkt. Ich singe jetzt seit zwei Jahren bei meiner Lehrerin und an meinem Vordersitz haben wir nicht groß etwas gerüttelt. Auch mir kommt es darauf an, keinen klassischen Klang einzustellen.
Am Vordersitz arbeitet mein GL derzeit verstaerkt bei mir. Manchmal hab ich ihn ja in Verdacht, hier heimlich mitzuspiekern ;)
Er sagte uebrigens mal, Pavarotti sei der Meister des Vordersitzes gewesen.
Das, was du zum Stimmsitz sagst, klingt schonmal sehr interessant für mich. Ich denke schon, dass ich in der Tat mit Vordersitz singe. Und dahin geht auch meine Überlegung: Wie wirkt es sich aus, wenn ich den Stimmsitz verlagere?
Momentan ist mein Problem wahrscheinlich, dass ich es noch nicht richtig schaffe, den Hals zu entlasten und voll über das Zwerchfell Druck zu erzeugen. Ich vermute, dass mir da die klassische Methode helfen könnte...
Naja, das hatte ich nach 4 Jahren klassisch auch noch nicht immer intus :redface: Muehsam ernaehrt sich das Eichhoernchen ;)
Btw, mit "Druck erzeugen" meinste, ne fette Resonanz herzubringen?
 
Mit 'Druck erzeugen' meine ich, dass ich den Hals quasi auf Durchzug stelle und die Spannung im Zwerchfell aufbaue und dann den Mundraum nur noch als großen Trichter benutze...^^ So in etwa sollte es sein, sagte meine Gesangslehrerin...
Und so arbeiten doch auch Opernsänger, oder nicht? Sieht zumindest so aus... Oder ist das jetzt wieder ne andere Kiste als klassischer Gesang?
 
Hallo !
Die Trichter-Vorstellung soll dazu dienen, das Ansatzrohr weit und offen zu halten, die Kehle möglichst unten. Mit "Spannung im Zwerchfell aufbauen" meinst Du stützen, oder ? Ja, das wäre ein klassischer Ansatz, der genausogut beim Populargesang angewandt werden kann.
schöne Grüße
Bell
 
Auch wenn hier eigentlich alles schon gesagt ist, vielleicht trotzdem noch eine zusätzliche Stimme.
Ich habe seit acht Jahren Pop-Unterricht mit starker Musical-Betonung (weil ich das einfach gerne singe).
Da ich momentan aber mit einigen Freunden ein Vokalensemble für Alte Musik aufbaue (Sting lässt grüßen), wollte ich meiner Stimme auch etwas klassischen Glanz verleihen können und habe meine Lehrerin darauf angesprochen. Die grinste nur und meinte, dass sie das super findet.
Da sie auch Klassik unterrichten könnte wenn sie will, haben wir uns drauf geeinigt, dass ich mir erst mal keinen zweiten Lehrer suche, sondern dass wir zwei daran arbeiten. Das ist für mich natürlich der Idealfall, weil ich mit meinem Lehrer, der meine Stimme und meinen Stimmklang kennt einige klassische "Tricks" erarbeite. Natürlich zu gegebener Zeit auch am entsprechenden Repertoire.

Vielleicht schaffst Du es ja, einen Lehrer zu finden, der auch beide Stilarten unterrichten kann.
Ansonsten solltest Du eben für Dich daran arbeiten, Deinen Pop-Klang behalten zu können.
 
Mit 'Druck erzeugen' meine ich, dass ich den Hals quasi auf Durchzug stelle und die Spannung im Zwerchfell aufbaue und dann den Mundraum nur noch als großen Trichter benutze...^^ So in etwa sollte es sein, sagte meine Gesangslehrerin...
Und so arbeiten doch auch Opernsänger, oder nicht? Sieht zumindest so aus... Oder ist das jetzt wieder ne andere Kiste als klassischer Gesang?

Wenn Du mit "Spannung im Zwerchfell" Stuetze meinst, klingt's schon ganz gut :) Stuetze fuehlt man allerdings mehr in den Flanken <gruebel>
Der grosse Trichter stoert mich ein bisschen - nach oben und unten offen ja, aber seitlich sollte der dann wohl eingedellt sein (also vorne, an den Lippen ca) :) Wenn ich zu breit singe, pfeift mich mein GL zurueck ;) Hals und Mund-Rachen-Raum sollten offen sein, das hab ich aber bei beiden so gelernt.
 
Ja, richtig, die Stütze sollte man in den Flanken fühlen. So meine ich das doch. Sie erklärte mir das so, dass die Spannung im Zwerchfell aufgebaut wird und der Hals nicht angespannt sein sollte. Und dann möglichst gut mit der Luft wirtschaften und mit den Lippen Spannung herstellen, also den Luftstrom komprimieren. Der Unterkiefer sollte dennoch weit auf sein... Ich hoffe, jetzt hab ich's ungefähr...
Haben Oper und Klassik eigentlich den gleichen Ansatz? Opernsänger scheinen mir ja doch etwas mehr Gas zu geben...
 
Ja, richtig, die Stütze sollte man in den Flanken fühlen. So meine ich das doch. Sie erklärte mir das so, dass die Spannung im Zwerchfell aufgebaut wird und der Hals nicht angespannt sein sollte. Und dann möglichst gut mit der Luft wirtschaften und mit den Lippen Spannung herstellen, also den Luftstrom komprimieren. Der Unterkiefer sollte dennoch weit auf sein... Ich hoffe, jetzt hab ich's ungefähr...
Close enough to rock'n'roll... ich verstehe, was Du meinst. Und da sind wir wieder beim Hauptgrund, wieso Gesangsunterricht über's Internet nur begrenzt klappt.

Haben Oper und Klassik eigentlich den gleichen Ansatz? Opernsänger scheinen mir ja doch etwas mehr Gas zu geben...
Im Prinzip ist Singen=Singen=Singen - egal ob Du Rock singst, oder Musical, oder Jazz, oder Klassik, oder Oper. Du hast genau ein Instrumentarium, Deinen Körper.
Was variiert sind die Gewichtungen (Bruststimme/Kopfstimme), die Resonanzen (scharfer Vordersitz oder Kuppel) und das Schönheits- und Klangideal.

Nicht jeder klassisch ausgebildete Sänger hat eine Stimme, die groß genug ist für die Oper. Dafür muss man gemacht sein. Also dafür, so viel Gas zu geben. Nicht umsonst muss eine Stimme für die Oper wachsen und man sagte früher, dass eine Sängerin die ganz großen Partien nicht vor Mitte bis Ende dreißig in Angriff nehmen sollte.

Wobei man sagen muss dass "Kunstlied" eben auch wieder eine Kunstform für sich darstellt, für die das Stimmideal anders geschliffen wird als für die Oper.
 
Du hast es gut auf den Punkt gebracht, Ice. Es ist nicht jede Stimme groß genug für die Oper. Da beisst die Maus keinen Faden ab. Etwas anderes sind die übrigen klassischen Fächer, sprich Lied, Oratorium, oder Alte Musik, etc.

@glasgow: Ich hoffe, Du meinst das Richtige, denn imho kommt in Deinem Vokabular das Wort "Spannung" zu häufig vor. Ich assoziiere das gerne mit Verspannung. Aber natürlich ist mir klar, dass das Internet als Kommunikationsmedium diesbezüglich sehr mißverständlich sein kann.
schöne Grüße
Bell
 
Spannung ja, aber eben an der richtigen Stelle und nicht im Halsbereich. Also Zwerchfell/Flanken und Lippen...
 

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