Harmoniekonzepte Beethovens

Je nachdem was man unter U-Musik des 20. Jahrhunderts versteht, halte ich das für eine zu starke Fokussierung auf die Musik von "alten weißen Männern".
Deswegen schreibe ich ja auch "weite Bereiche der Unterhaltungsmusik". Aber wenn du (nomen est omen) auf afroamerikanisch beeinflusste Musik anspielst, dann sehe ich zwar einige Besonderheiten in der Intonation, harmonisch aber keine echte Innovation.
 
@OckhamsRazor einfach alles was außerhalb Europas liegt. Wenn ich mir Jazz oder Pop der 80er/90er ansehe, denke ich schon dass es über das musikalische Vokabular des 19. Jahrhunderts hinausgeht, sofern man nicht nur Harmonielehre als Vokabular betrachtet.
 
Wenn ich mir Jazz oder Pop der 80er/90er ansehe, denke ich schon dass es über das musikalische Vokabular des 19. Jahrhunderts hinausgeht (...)

Da wird das abgegriffene klassisch-romantische Akkordvokabular ja auch teilweise absichtsvoll umgangen, sei es durch Vereinnahmung außereuropäischer Musikkonzepte (Gamelan, afrikanische Timeline-Metrik, asymmetrische Aksak-Rhythmen, Maqam oder Raga) und der damit einhergehenden Verlagerung auf Parameter der rhythmischen oder melodischen Struktur, sei es durch Rückgriff auf die historisch jüngeren Akkordbildungen z.B. des Impressionismus oder die klangliche "Altertümelei" des Folklorismus und des Exotismus (Mixturklänge, Quartschichtungen, Ostinato- und Bordunformeln, modale Wendungen).
Geistesgeschichtlich manifestiert sich darin nach meiner Meinung aber nach wie vor ein Verharren im späten 19. Jh., diesmal in Form einer unreflektierten kolonialistischen Attitüde, die die materielle Ausbeutung fremder Länder durch die nicht weniger fragwürdige immaterielle Ausbeutung fremder Kulturäußerungen ersetzt hat.
 
Geistesgeschichtlich manifestiert sich darin nach meiner Meinung aber nach wie vor ein Verharren im späten 19. Jh., diesmal in Form einer unreflektierten kolonialistischen Attitüde, die die materielle Ausbeutung fremder Länder durch die nicht weniger fragwürdige immaterielle Ausbeutung fremder Kulturäußerungen ersetzt hat.

Ich möchte uns keinesfalls bremsen bei der Reflektion unserer Verstricktheit in globale Ausbeutung und schon gar nicht bei der Aufklärung darüber, aber bei der Musik sehe ich es - zumindest jetzt noch - anders. Inwiefern, meinst Du, hat die Übernahme folkloristischer Stilistiken in Jazz, Weltmusik, Pop den Herkunftskulturen/-ethnien etwas weggenommen / ihnen geschadet?
 
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Wenn man nicht aufpasst, verläuft man sich nach hierhin ...

Ja, aber nicht zwingend. Danke für die Verlinkung, Thomas, ich stimme Deinen Gedanken dort zu. Dieser Aspekt hier liegt anders.
 
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@OckhamsRazor spielt auf cultural appropration an, was aber in die ähnliche Richtung zeigt, wie der verlinkte Thread. Ich denke es wäre fast besser einen seperaten Thread zu eröffnen...

Was mir aber hier auffällt ist, dass aus einigen harmonischen Einzelfällen in Beethovens Schaffen, ein Konzept konstruiert wird oder zumindest versucht wird ein solches zu finden. Mir stellt sich da die Frage, ab wann man solche Verallgemeinerungen wirklich als richtig anerkennen kann.

In einem Review zu "Music in the Galant Style" von Gjerdingen wird zB darauf verwiesen, dass tradierte Satzmodelle der Zeit auch bei Beethoven in transformierter Form zu finden sind. Ob man diese Transformation nun als eine Weiterentwicklung oder als ein Novum kennzeichnen mag bleibt offen...
 
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Ah, cultural appropriation sagt man heute - der Wikipedia-Artikel dazu skizziert gut die beiden Sichtweisen. Meine ist die zweitere - unstrittig unfair ist bestimmt die Aneignung in reinem Vermarktungsinteresse - einhergehend mit einer Trivialisierung der Stilistik hinsichtlich möglichst müheloser Konsumierbarkeit - aber das Problem haben wir nicht nur in der Kunst.
 
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Reichlich OT, aber weil es angesprochen wurde ...
Mir sind unzählige Projekte bekannt, viele habe ich in Konzerten live gehört (besonders oft Jazz), an manchen Projekten habe ich selber mitgewirkt, wo Musiker aus den verschiedensten Kulturkreisen sich getroffen und zusammen gespielt haben. Mit großem gegenseitigen Interesse füreinander, mit großem gegenseitigen Respekt voreinander. Mit großer Freude, sich mit ihren jeweiligen musikalisch-kulturellen Hintergründen gegenseitig anregen und beeinflussen zu dürfen und zu können. Freiheit und Kreativität pur!

Das fällt doch nicht mittlerweile auch unter "cultural appropriation"? Bitte nicht! Die Begegnung und der geistige Austausch über alle Grenzen, alle Kulturen und alle Ethnien hinweg ist für mich eines der wichtigsten Friedensstiftenden Projekte überhaupt.

Aber das wird @OckhamsRazor sicher nicht gemeint haben.

In dem Zusammenhang: Die Spiellänge der CD und damit ihr Durchmesser von 12 cm wurde seinerzeit bei der Zusammenarbeit von Philips und Sony von Sony letztlich durchgesetzt, weil in Japan die 9. Sinfonie von Beethoven (um zum Thread zurück zu kommen ;)) der größte "Hit" aus der Klassik schlechthin war (und vielleicht noch ist, das müsste ich erst recherchieren), und deren Dauer beträgt bekanntlich im Schnitt ca. 70 Minuten. Sony hatte somit den japanischen Markt im Blick.
Beethovens Musik hat absolut nichts mit der tradierten japanischen Musik zu tun - war bzw. ist das jetzt auch "cultural appropriation", wenn die Japaner Beethovens 9. so schätzen???
 
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Bachs kompositorischer Ansatz war anachronistisch, nach hinten gewandt
Das ist eine bemerkenswerte These, der eine Detaillierung nicht schaden würde.

Beethoven und Schubert suchten die Konfrontation durch Innovation
Ich bin etwas erstaunt, das von dir zu vernehmen.

Läßt das nicht eher den weitaus wahrscheinlicheren Schluss zu, dass weite Bereiche der Unterhaltungsmusik des 20. Jh. nicht über das musikalische Vokabular des 19. Jh. hinausgekommen sind?
"modern" ist hier nicht wertend, sondern als aktuell zeitgenössisch (im "Heute") zu verstehen, anderes Wort "rezent"

Dass Gedankengut dieser Komponisten von späteren Generationen aufgegriffen und weiterentwickelt wurde, beweist nicht deren "Modernität"
Ja. Es war weniger ein Bruch mit dem 18. Jahrhundert als der Versuch der Kontinuität. Das veränderte sich über das 19. Jhdt. hinweg. Es blieb nicht so kontinuierlich wie es anfangs aussah.

@OckhamsRazor einfach alles was außerhalb Europas liegt. Wenn ich mir Jazz oder Pop der 80er/90er ansehe, denke ich schon dass es über das musikalische Vokabular des 19. Jahrhunderts hinausgeht, sofern man nicht nur Harmonielehre als Vokabular betrachtet.

Die 80er Jahre: Digitalisierung, Sampling, Quantisierung. Und die Möglichkeit, beliebige (auch exotische) Instrumente o. Klangquellen via Sampling einzubinden.

Was die Frage der "kulturellen Aneignung" eingeht: Es ging in Europa darum, sich das eigene Erbe (wieder) anzueignen. So intonierte Schubert 1827 im Trio Es-Dur das schwedische Lied "Se solen sjunker" in einer modalen Weise, und war davon so angetan, dass er mit dieser "volkstümlichen" Harmonisierung im Stück fortsetzte. Beethoven hatte von ca. 1809 - 1818 einen vermögenden Auftraggeber aus Schottland, George Thomson, der ihn mit der Intonation bzw. dem Arrangement schottischer, irischer und walisischer Weisen beauftragte. Zu Thomsons Überraschung (und Unwillen) setzte Beethoven diese Lieder nicht in die Dur /Moll - Tonalität, sondern behielt deren "modalen" Charakter weitgehend bei. Vor allem ging es bei "modal" um die Integration der bVII Stufe, die sich als harmonisches Chamäleon erwies. Die Hinwendung zum (alten) Volkslied finden wir auch bei russischen Komponisten, ebenso bei Edvard Grieg.

Von einer Aneignung oder Bearbeitung afrikanischen Liedgutes ist mir mit Bezug auf Beethoven nichts bekannt. Hingegen hat Beethoven auch Lieder aus Russland, Polen, Frankreich u.a. bearbeitet / intoniert.
 
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Dass Gedankengut dieser Komponisten von späteren Generationen aufgegriffen und weiterentwickelt wurde, beweist nicht deren "Modernität", sondern das veränderte historische Bewußtsein der Nachfolger, die in ihrer immer komplexer werdenden Gegenwart durch Anschluss an die Vorgängergeneration ein Mindestmaß an Kontinuität schaffen wollten.
Ob ihnen immer daran lag, "Kontinuität" zu schaffen? Gewiss mag bei dem einen oder anderen diese Motivation existiert haben.

Aber ging bzw. geht es den Komponisten nicht schlicht um die Auseinandersetzung mit dem Überkommenen, quasi das "Erforschen" des historisch überlieferten. Jedenfalls spätestens etwa seit der Zeit, als F.M. Bartholdy 1829 zum ersten mal wieder die Matthäus-Passion von J.S. Bach in der Leipziger Thomaskirche aufführte.
Vorher waren die Werke aus "alter Zeit" kaum mehr als Studienobjekte, als Material für den Kompositionsunterricht und für den interessierten Musikenthusiasten - wobei es aber vornehmlich beim Studium der Noten blieb. Zur Aufführung kam kaum jemals etwas davon. (Ich hatte das Vergnügen, im Mozart-Jubiläumsjahr 2006 bei einer Aufführung einer Bearbeitung des Händelschen Messias von Mozart mitzuwirken an der Klarinette (sic!) - Mozart hatte diese Bearbeitung im Auftrag des Baron van Swieten gemacht, die Aufführung damals war rein intern vor geladenen Gästen.)
Insofern waren die Komponisten seinerzeit ganz sicher im Großen und Ganzen über die Musik ihrer Vorgänger informiert, zumindest den prominentesten unter ihnen. Mozart hat Kontrapunkt anhand Bach´scher Fugen ´studiert´, Beethoven gewiss auch. Und wie schon erwähnt wurde, waren sie ganz sicher auch mit dem Generalbass vertraut. Dennoch gibt es weder von Mozart, Haydn oder Beethoven irgendein Manuskript mit Generalbassbezifferung (ich habe jedenfalls nie davon gehört). Da sich auch keine der drei - soweit mir bekannt - jemals in musiktheoretischer Hinsicht detaillierter geäußert oder gar so etwas wie eine Harmonielehre verfasst hat, muss es Spekulation bleiben, wie sie genau über diese Themen gedacht haben. Alles dazu muss man aus ihren Werken direkt heraus lesen und analysieren, was aber auf jeden Fall eine spannende Sache ist.

Inwieweit sich diese genannten drei der Tradition verpflichtet fühlten, kann auch nicht aus schriftlichen Quellen entnommen werden. Alle drei haben offensichtlich den Stilkanon, der sich in der Zeit, die wir heute die Frühklassik nennen und als Übergang zwischen Barock und Klassik einstufen zunächst übernommen und dann individuell weiter entwickelt. Mit Abstand am weitesten ging für mich dabei Beethoven, der in vielerlei Hinsicht die überkommene Tonsprache aufbricht in seiner Entwicklung als Komponist und in seinen Strukturen am weitesten Türen aufstößt, durch die dann der Wind der nachfolgenden Zeit wehen kann. Dabei setzt er auch Maßstäbe und prägt wie kein zweiter die Gattungen der Sinfonie und der Klaviersonate. Zum Vergleich: Mozart hat rund 60 Sinfonien geschrieben, Haydn 108, Beethoven "nur" 9. Wer hat sich als "Titan" diesbezüglich in die Musikgeschichte eingeschrieben und die größten Fußspuren hinterlassen?
Brahms hat sehr lange gezaudert, seine erste Sinfonie zu schreiben, weil er von seinem eigenen Respekt Beethoven gegenüber so erschlagen und gehemmt war.

Man kann davon ausgehen, dass alle halbwegs bedeutenden Komponisten nach Beethoven auch mit den Werken seiner Vorgänger vertraut waren (Mendelssohn z.B. war ein sehr großer Bach-"Fan"), wie eben wie gesagt auch Beethoven usw. zu seiner Zeit mit der Tonsprache seiner (näheren) Vorgänger und Zeitgenossen. Aber viele Komponisten nach Beethoven haben sich ganz besonders intensiv eben mit seinem Schaffen auseinander gesetzt. Wobei, nebenbei gesagt, auch die Musik Beethovens nach seinem Tod erst mal einige Zeit nicht sonderlich in den Konzertprogrammen vertreten war. Listz hat seine Klavierauszüge der Sinfonien Beethovens für seine Klavier-Konzertreisen aus eben diesem Grund angefertigt, damit dessen Sinfonien wieder auf dem Podium erklingen.
Die Sinfonien haben dann aber recht bald wieder die Konzerthäuser erobert und wurden irgendwann so inflationär gespielt, dass sich z.B. Debussy über die wahre Flut vor allem deutscher Dirigenten ärgerte, die in Paris die Konzertprogramme mit Beethoven-Sinfonien regelrecht vollstopften. Wobei sich Debussy wohl vor allem über die glatt gebügelten Interpretationen ärgerte. Hier ein Zitat: "Letzten Sonntag war das Wetter unwiderstehlich schön. Die Sonne erprobte ihre ersten Strahlen und schien jeden Versuch vereiteln zu wollen, irgendwie Musik zu hören. [...] Herr Weingärtner nutzte es, um an diesem Tage das Orchester der Concerts Lamoureux zu dirigieren. [...] Er dirigierte zuerst Beethovens Pastoralsinfonie mit der Sorgfalt eines ängstlichen Gärtners. Jede Raupe war peinlichst entfernt worden."

Allgemein darf wohl gesagt werden, dass insbesondere Beethovens Werke viele der nachfolgenden Komponisten-Generationen zu einer sehr intensiven Auseinandersetzung damit animierte. Ich würde Beethoven sozusagen als eine Art "Steinbruch" bezeichnen, aus dessen Material sich sehr viele später ´bedienten´. Er war offensichtlich in einer ganz besonderen Weise anregend, was ich auf seinen besonders kompromisslosen Kompositionsstil zurückführen möchte (als herausragende Beispiele möchte ich auch hier auf die weiter oben schon von mir verlinkten Werke verweisen). Insofern würde ich ihn auf jeden Fall als "modern" bezeichnen. Er war selbstredend ein Kind seiner Zeit und die erwähnte Bemerkung Stravinskys vom "ersten Boogie-Woogie" der Musikgeschichte hat kaum mehr als eine anekdotische Bedeutung, ebenso die paar Takte "Scott Joplin".
Aber wenn man sich die immer wieder auf die Spitze getriebenen formellen Waghalsigkeiten, die Auslotung extremer Ausdrucksbereiche und Klanglichkeiten (in Relation zur üblichen Klangsprache seiner Zeit) bei Beethoven genau anhört, dann habe ich zumindest den Eindruck, dass Beethoven als Komponist immer wieder Blicke wie aus weiter Ferne erhascht und in Töne umgesetzt hat.
 
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Ich las nur überfliegend die eingebrachten Inhalte, zugegeben fehlt es mir da an Fachwissen, Ausbildung und Expertise in der Form.

Dennoch komme ich um eine kleinen Aspekt nicht umhin den ich kurz einwerfen möchte, nämlich die der Interpretationen, so wie sie uns heute dargeboten wird.
Nicht präzise zum Topic der Harmoniebetrachtungen aber präzise in Punkto der Warnehmungsmöglichkeiten von Darbietungen, also schliesst sich der Kreis.

Mein Beispiel wäre folgendes:
Täglich wird um 24 Uhr auf DLF sowohl die Nationalhymne als auch danach die " Europahymne", besser Ode an die Freude gespielt.
Die erste Interpretation ist durchaus gelungen, danach die Ode kann man sich nicht anhören nach meinem Geschmack.

Da ist ein nur eher wildes Durcheinander der Linien zu entdecken, ein fast schon wildes Gefiedel, die Zweitstimmen überdecken teilweise
in Übereifer die prägende Rolle der ersteren, es herrscht ein wildes Aufspielen vor lauter Ehrgeiz, das Credo des Stücks geht dabei völlig verloren
und es folgt ein trauriger Abgang. Für mich eine Schande an dem Stück sich so zu vergreifen.

Ich habe vor paar Jahren deswegen mich schonmal beim DLF etwas empört, die sind aus allen Wolken gefallen, weil in Kennerkreisen
sei genau das die präverierte beklatschte Version...
Da lachen ja die Hühner, meine zumindest. Es wird aber deutlich wie die Warnehmung unterschiedlicher nicht sein kann und was für
Dynamiken oder Gewohnheiten der Beklatschung ev. vieles verschütten oder für mich geradezu massakrieren können.

Anderes Beispiel..
Vor Jahren hörte ich die Waldstein-sonate von Emil Giles im TV. Ein Donnergrollen von einem Stück im Auftakt..
Begeistert wollte ich diese LP nun besorgen, war aber nicht vorort zu bekommen, also griff ich zu Kempff...
Auch der wurde mir als "der Interpret" empfohlen.
Eine der bittersten Enttäuschungen empfand ich beim ersten abspielen, ein völliges Abhandensein dieses Donners, des Gefühls für die Komposititon..

Dies als Anregung oder anderen Blickwinkel. Selbst bei sog. Spitzeninterpretationen kommt es vor, dass Stücke sich überhaupt nicht entwickeln oder gar verhunzt werden.
Technisch zweifellos auf höchstem Niveau aber das macht es nicht weniger bitter.

Vielleicht ist es gerade mein Vorteil, dass ich in Sachen klassicher Musik da wenig gebildet bin, für mich war das eine unvergessliche Erkenntnis
der Interpretations-unterschiede von Stücken, wo es nicht wirklich wegen der vergangenen Jahrhunderte auszumachen ist was den Komponist bewegte
oder besser, dass die Notation nur erahnen lässt, was in Stücken stecken kann und mal hervortritt und gerne aber auch mal nicht, trotz aller vermeintlichen Expertise.
 
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Dies als Anregung oder anderen Blickwinkel. Selbst bei sog. Spitzeninterpretationen kommt es vor, dass Stücke sich überhaupt nicht entwickeln oder gar verhunzt werden.
Technisch zweifellos auf höchstem Niveau aber das macht es nicht weniger bitter.

Ja, leider.

Manchmal ist der Sequenzer bei Beethoven besser bzw. es empfiehlt sich (zur Kontrolle), die "raw pianoroll", also die 1:1 Übertragung der Noten vom Blatt in die PR, anzuhören. Überraschungen sind möglich. Davon abgesehen: Kempff würde es im Vergleich zu heutigen (jungen) Pianisten schwer haben. Ein Beispiel für einen schon älteren Pianisten, der für Chopin-Interpretationen bekannt ist, aber bei Beethoven ebenfalls hervorragt: Krystian Zimerman.
 
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... wo es nicht wirklich wegen der vergangenen Jahrhunderte auszumachen ist was den Komponist bewegte
oder besser, dass die Notation nur erahnen lässt, was in Stücken stecken kann und mal hervortritt und gerne aber auch mal nicht, trotz aller vermeintlichen Expertise.
Deswegen greife ich gerne auf die im Internet verfügbaren Aufnahmen mit mitlaufender Partitur zurück, wenn ich die Noten/Partituren nicht selber besitze - was vor allem bei Klavierwerken eher die Regel als die Ausnahme ist, da ich kein Pianist bin.
Bei den Score-Versionen kann man sich zwar die Interpreten nicht aussuchen, denn die Score-Videos sind nicht sonderlich zahlreich, aber durch das Mitlesen kann ich mit immerhin selber in Bild davon machen, was der Interpret aus den Noten heraus holt und was nicht.
 
"Bachs kompositorischer Ansatz war anachronistisch, nach hinten gewandt" - Das ist eine bemerkenswerte These, der eine Detaillierung nicht schaden würde.
Das bezieht sich natürlich nur auf das Spätwerk Bachs im Vergleich zum Ouevre seiner Söhne, insbesonders CPE Bachs (der seinen Vater als "alte Perücke" bezeichnete) und dessen Zeitgenossen. Man kann es auch anders formulieren: Während Beethoven im Spätwerk immer noch nach vorne schaut, zieht Bach im Spätwerk ein Fazit und schaut nach hinten - beides ist legitim und kein Qualitätsurteil. Der eine ist mit 57 in einem Alter gestorben, in dem man durchaus noch Pläne für die Zukunft hat, der andere mit 65, wo man unter den Bedingungen des 18. Jh. sicherlich schon eher zur Retrospektive neigte.

Die Verrisse des Bach-Schülers J. A. Scheibe sind sicherlich zu polemisch geraten, wenn er Bachs Kompositionsstil als schwülstig, überladen, zu konstruiert und zu gekünstelt, und v.a. zu "unmelodisch" bezeichnet, aber nicht gänzlich aus der Luft gegriffen, wenn man die Kriterien des neuen, melodisch dominierten "empfindsamen Stils" (den CPE Bach weitaus signifikanter vertritt) als Maßstab des damaligen Zeitgeistes anerkennt.
 
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Wer mal für seine Zeit absolut radikal avantgardistische Harmonien von Beethoven hören will, kann ja mal seine 20. Diabelli-Variation hören.
 
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