Ist klassische Musik elitär?

  • Ersteller Effjott
  • Erstellt am
Ja, leider. Mit dem Image erreicht man aber nicht den Nachwuchs. Dabei ist die Musikgeschichte der sog. "Klassik" voll von Revolutionen, Revulutionären und Revulutionärem.
Nur geht Revolutionäres nach einer gewissen Zeit den Weg des Etablierten.

Schon heute ist es mir nicht verständlich wie die Stones - oder gar "Weichspüler" wie die Beatles (ist nicht als Beleidigung gemeint, ich mag sie) jemals etwas gewesen sein kann wovor Eltern Angst hatten.

Die alten Stücke von Kraftwerk sind heute noch großartige Meisterwerke aber revolutionär waren sie nur im damaligen Kontext, als sie in Zeiten von Hendrix und Flower Power kleine, perfekt laufende Uhrwerke aus Musik erschufen, und das mit elektronischen Instrumenten die man heute höchstens im Museum findet.

Revolutionär ist Klassik nun mal nicht mehr. Die Werke stehen fest, die Meister sind schon gefunden und man übt sich in er der Interpretation. Was eine solche Tradition vorweisen kann kann man wohl kaum noch als revolutionär verkaufen.
Aber das ist auch gar nicht nötig, bei vielen klassischen Stücken kann man sich auf die musikalische Kraft verlassen, ohne hip oder neu sein zu müssen.

Die Jugendlichen erreicht man damit automatisch, denn diese bedienen durch die Bank weg an laut geltendem Gesetz illegalen Quellen, hat also Zugriff auf jegliche Art von Musik. Wer da Klassik findet und mag wird es hören, auch ohne dass man es aktiv verbreiten muss. Die Jugendlichen erreichen sich schon selbst.
 
... bei vielen klassischen Stücken kann man sich auf die musikalische Kraft verlassen, ohne hip oder neu sein zu müssen.

Die Jugendlichen erreicht man damit automatisch, denn diese bedienen durch die Bank weg an laut geltendem Gesetz illegalen Quellen, hat also Zugriff auf jegliche Art von Musik. Wer da Klassik findet und mag wird es hören, auch ohne dass man es aktiv verbreiten muss. Die Jugendlichen erreichen sich schon selbst.

Volle Zustimmung zum oberen Satz!

Was die folgenden Aussagen angeht, sehe ich das anders. Man muss schon den kleinen Kindern die klassischen Werke vorstellen und sie damit bekannt machen, damit die Chance sich diese Musik anzuhören von vornherein gegeben ist.
Wenn sich bei Jugendlichen erst einmal ein bestimmter Musikgeschmack herausgebildet (da spielen Cliquenbeziehungen und Gruppenzwänge eine wichtige Rolle) hat, dann besteht die Gefahr, dass sie sich für eine ganz fest umrissene Musikrichtung entscheiden und anderes ablehnen, das sogar innerhalb der gesamten Palette der Rock- und Popmusik.
Und in den Massenmedien führt klassische Musik ja leider nur ein Randdasein.
 
Nur ist "klassische musik" nicht für kinder und jugendliche geschrieben und setzt manchmal eine gewisse menschliche reife voraus.
Das entscheidende ist das elternhaus, in dem kinder wertfrei und ohne erhobenen zeigefinger kunst und kultur aller art gewissermaßen am rande miterleben, somit wissen, dass es sie gibt und nach den unumgänglichen reifungsphasen erwachsen werden können im wahrsten sinne des wortes.
Leider ist diese hoffnung gering, "erfolgreiche" eltern haben wenig zeit für familienleben, andere, die zeit hätten, schicken ihre kinder in suppenküchen, um nicht selbst kochen zu müssen, da ist an geistige nahrung noch weniger zu denken.
Anlagen, die nicht entwickelt werden, verkümmern, das betrifft auch sprech- sprach- und ausdrucksqualität, und ob die geforderte ganztagsschule abhilfe schafft, bezweifele ich. Ich hätte meine privatsphäre nicht missen mögen, und meine kinder waren allemal froh, der schule entronnen zu sein, um ihren neigungen nachgehen zu können.
Wir hatten allerdings das glück des späten fernsehens und des noch späteren sinnvollen computergebrauchs.
Warum kommen musiker oft aus musiker-, schauspieler aus schauspielerfamilien? Sie sind in diesem mileu aufgewachsen, und oft sagen sie "Etwas anderes kam für mich überhaupt nicht in frage".
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo,

das sind interessante Aspekte hier

Man muss schon den kleinen Kindern die klassischen Werke vorstellen und sie damit bekannt machen, damit die Chance sich diese Musik anzuhören von vornherein gegeben ist.
Wenn sich bei Jugendlichen erst einmal ein bestimmter Musikgeschmack herausgebildet (da spielen Cliquenbeziehungen und Gruppenzwänge eine wichtige Rolle) hat, dann besteht die Gefahr, dass sie sich für eine ganz fest umrissene Musikrichtung entscheiden und anderes ablehnen, das sogar innerhalb der gesamten Palette der Rock- und Popmusik.

das würde ich nicht so eng fassen, und schon gar nicht als Gefahr sehen: Die Geschmäcker sind nun mal verschieden. Ich kann ebensowenig von allen Menschen erwarten, daß sie Klassik lieben, wie ich von allen Menschen erwarten kann, daß sie sich für Metal begeistern. Es wird immer einen großen Mainstream geben und Abweichungen links und rechts davon. Und selbst wenn man Kinder und Jugendliche immer wieder mit klassischer Musik "konfrontiert", wird man feststellen, daß sie sehr schnell selbst entscheiden, ob das etwas für sie ist, oder nicht. Ist so ähnlich wie mit Vorlesen: Eine Freundin von mir hat ihren Kindern immer sehr viel aus Büchern vorgelesen; zu Leseratten und großen Literaturfans sind sie dadurch noch lange nicht geworden!

Ich persönlich bin eher spät zur klassischen Musik gestoßen und zwar über meine Freundin, die eine begeisterte Operngängerin ist und dadurch, daß ich seit letztem Jahr Gitarrenunterricht nehme. Ansonsten wurde meine musikalische Ausrichtung zunächst sehr stark durch meinen älteren Bruder geprägt (in Richtung Hardrock/Metal) und speziell als Kind noch durch meine Eltern (eher in Richtung Volksmusik). Und natürlich durch das, was zu meiner Zeit als Jugendlicher so modern war (in den 80ern, z.B. Neue Deutsche Welle :D).

Ich denke, was ich aber generell dadurch mitbekommen habe, ist eine Offenheit für Neues in der Musik und eine Genreübergreifende Sichtweise (bis auf wenige Ausnahmen). Ich mag z.B. generell Musik, die verschiedene Genres miteinander verbindet.

Ich denke daher, daß es gar nicht notwendig ist, Kindern auf Biegen und Brechen klassische Musik mitgeben zu müssen (DAS würde ich für wirklich elitär halten!): Viel wichtiger ist es m.E., Kindern eine generelle Offenheit für Neues mitzugeben. Wenn ein potentielles Interesse an Klassik vorhanden ist, werden sie diese Musik früher oder später schon für sich entdecken.

Was ich selber weiterhin beim Gitarre lernen festgestellt habe ist folgendes: Es ist ein gravierender Unterschied, ob man Musik nur hört, oder selber ein Stück auf einem Instrument spielt. Beim selber spielen werden plötzlich auch Stücke interessant, die ich vorher nur vom Hören her vielleicht gar nicht bewußt wahrgenommen, oder sogar uninteressant gefunden hätte. Daher kann ich für mich selber sagen, daß gerade das Lernen eines Instruments nochmal ein weiteres Stück dazu beiträgt, meinen musikalischen Horizont zu erweitern, mich nochmal ein Stück weiter Neuem zu öffnen.

Insofern behaupte ich mal, daß das Lernen eines Musikinstrumentes auch ein Stück weit musikalische Offenheit mit sich bringt, sofern es freiwillig erfolgt. Ich weiß z.B. nicht, ob ich als Kind oder Jugendlicher schon reif dafür gewesen wäre und die notwendige Motivation mitgebracht hätte. Jetzt als Erwachsener ist das kein Thema.

Soweit meine Gedanken dazu,
stardust
 
Die Geschmäcker sind nun mal verschieden.

Geschmack oder hörgewohnheiten sind nicht angeboren, sondern werden erworben, was nicht angeboten wird, kann weder bejaht noch abgelehnt werden. Viele einflüsse und umstände spielen eine rolle, ob es bei einseitigem, schmal gefächertem musik-"konsum" bleibt, der womöglich so stark emotional aufgeladen ist, dass er keinen blick nach rechts und links gestattet, oder ob man zu eigenem, weitsichtigen tun kommt.
Ich finde bedauerlich, wenn viele, was musik anbelangt, nicht aus dem jugendalter herausfinden und ihre entwicklung frühzeitig abgeschlossen haben, ohne sich weiter umzuschauen, denn ihnen entgeht vieles.
Es ist geradezu typisch für ältere frauen, die kinder großgezogen haben, berufstätig waren, dass sie das gefühl haben, etwas versäumt zu haben, dass sie im drange des alltags an der kultur vorbeigelebt haben. Sie versuchen das nachzuholen bei bildungsreisen, besuch von ausstellungen und konzerten, aber die abstinenz von jahrzehnten ist schwer aufzuholen, und oft sind sie auf hilfen, kommentare, erläutererungen angewiesen, weil sie eigenem urteil nicht trauen.
Wobei ich immer abrate, kunst beurteilen zu wollen. Wie essen ganz einfach ist, man braucht nur den mund aufzumachen, abzubeißen und runterzuschlucken (aber was gibt es da für vorbehalte!), so ist es einfach zuzuhören oder hinzuschauen, womöglich zweimal. Freilich hört und sieht man nur genauer, was man weiß, aber dem lässt sich abhelfen.
 
Hallo,
Günter Sch.;3818011 schrieb:
Geschmack oder hörgewohnheiten sind nicht angeboren, sondern werden erworben, was nicht angeboten wird, kann weder bejaht noch abgelehnt werden. Viele einflüsse und umstände spielen eine rolle, ob es bei einseitigem, schmal gefächertem musik-"konsum" bleibt, der womöglich so stark emotional aufgeladen ist, dass er keinen blick nach rechts und links gestattet, oder ob man zu eigenem, weitsichtigen tun kommt.
Eine breite Auswahl an Angeboten finde ich persönlich auch wichtig; allerdings sollte das idealerweise alle Genres abdecken und nicht nur Klassik. Und die Möglichkeiten, die ein Mensch im Laufe seines Lebens noch hat, um Neues für sich zu entdecken, sind gewaltig, auch was Hörgewohnheiten angeht. Geschmack verändert sich auch im Laufe des Lebens. Wenn ich mir meine alten Kassettenaufnahmen aus dem Radio anhöre, dann denke ich bei manchen Stücken verwundert "wieso habe ich DAS bloß aufgenommen?"

Gerade in der heutigen Zeit der Onlineangebote und von Musik- und Videoportalen ist die Zugänglichkeit zu den verschiedensten Musikrichtungen so groß wie nie zuvor, auch für Jugendliche. Und alleine ein Forum wie dieses hier, welches die unterschiedlichsten Genres in sich vereint, sorgt für einen enormen Austausch. Ich hätte es z.B. vor gar nicht zu langer Zeit nicht für möglich gehalten, mal in ein HipHop Forum reinzuschauen, aber wenn man schon mal da ist ... ;)

Günter Sch.;3818011 schrieb:
Ich finde bedauerlich, wenn viele, was musik anbelangt, nicht aus dem jugendalter herausfinden und ihre entwicklung frühzeitig abgeschlossen haben, ohne sich weiter umzuschauen, denn ihnen entgeht vieles.
.
Na ja, Musik ist ein Aspekt im Leben und für viele Menschen nicht der wichtigste. Bei den Leuten hier im Forum sieht die Sache sicher anders aus, aber ich denke, daraus sollte man nicht auf die breite Masse der Menschen schließen, die Musik eher im Radio nebenbei laufen lassen und sich ansonsten vielleicht mehr für Fußball und damit verbundene Schlachtgesänge interessieren :rolleyes:

ciao,
stardust
 
Hallo,

Ich denke daher, daß es gar nicht notwendig ist, Kindern auf Biegen und Brechen klassische Musik mitgeben zu müssen (DAS würde ich für wirklich elitär halten!): Viel wichtiger ist es m.E., Kindern eine generelle Offenheit für Neues mitzugeben. Wenn ein potentielles Interesse an Klassik vorhanden ist, werden sie diese Musik früher oder später schon für sich entdecken.

Insofern behaupte ich mal, daß das Lernen eines Musikinstrumentes auch ein Stück weit musikalische Offenheit mit sich bringt, sofern es freiwillig erfolgt. Ich weiß z.B. nicht, ob ich als Kind oder Jugendlicher schon reif dafür gewesen wäre und die notwendige Motivation mitgebracht hätte. Jetzt als Erwachsener ist das kein Thema.

Selbstverständlich ist der Versuch, Kindern ausschließlich klassische Musik einzutrichtern, zu verurteilen.
Der Schuss kann auch nach hinten losgehen und dazu führen, dass sich dann eine völlige Abneigung dagegen bildet.
Ich kenne ein paar Leute, die in ihren Schülerjahren von den Eltern mehr oder weniger genötigt wurden, ein Instrument zu erlernen und nach einiger Zeit aufgegeben haben, weil überhaupt kein Interesse daran bestand. Allerdings habe ich auch manches Mal Jahre später von denselben Leuten Aussprüche gehört wie :
Hätte ich doch damals nur durchgehalten...

Wie schon hier geschrieben wurde, bildet sich Musikgeschmack erst im Laufe der Jahre durch Elternhaus, Schule, Freundeskreis etc. und was man nicht kennengelernt hat, kann man nicht auswählen.
"Erziehung" zur Musik ist ein genauso sensibles Unterfangen wie die gesamte Erziehung überhaupt. Es gibt keine Patentrezepte, die einem hier helfen könnten.
Aber ich glaube, dass es gerade in sehr jungen Jahren wichtig ist, in irgendeiner Form mit klassischer Musik in Berührung zu kommen, so dass das Potenzial, das in vielen Kindern steckt, gefördert werden kann.
Und hier gibt es heute (im Unterschied zu der Zeit, als ich aufgewachsen bin) durchaus positive Angebote von der musikalischen Früherziehung in den Musikschulen über Musikklassen in allgemeinbildenden Schulen, musikbezogene Projekte von Kommunen für Kinder und Jugendliche u.ä.
Diese zu nutzen halte ich für wichtig.
Die Motivation von Kindern und Jugendlichen ein Instrument kennenzulernen bzw. zu erlernen, ist nach meiner Erfahrung sehr groß, wenn man behutsam vorgeht und das "richtige" Instrument für den einzelnen herausfindet.
 
Pädagogen haben andere ziele als profitorientierte industrieen, sie haben vorstellungen vom wohl der kinder und jugendlichen, die von den "zu erziehenden" und nicht wenigen "erziehungsberechtigten, aber nicht -verpflichteten" nicht immer geteilt werden.
Wer von "bildung" spricht, denke auch an ver-bildung.
Esskultur mag nicht notwendig sein, folgen wir dem trend, können wie uns auf pommes und Co. beschränken, ob comics und spiele altersgerecht sind oder nicht, hauptsache, die "kids" greifen danach. Findet nicht auf vielen gebieten geschmacks-verbildung statt?
Jäger körnen das wild mit lockmitteln an, um es später besser vor die flinte zu bekommen, viel psychologischer scharfsinn wird eingesetzt, um sich die abnehmer von morgen zu sichern, ob als raucher, trinker, konsument jeder art, der phantasie sind keine grenzen gesetzt. Von erwachsenen, mündigen bürgern erwartet man, dass sie sich selbst grenzen setzen und verantwortungsbewusst handeln, darüber will ich mich nicht äußern, auch wenn es des pudels kern ist.
Vielfältige angebote, wahlmöglichkeiten sind erst dann positiv, wenn sie auf ein solides fundament stoßen, auch wenn behauptet wird, kinder wählten das für sie beste selbst aus.
Wer welche hat, weiß das anders, ich hätte nicht so gern gesehen, wenn meine sich auf allen möglichen web-seiten getummelt hätten.
Und wenn ich mir auch unmut zuziehe: kinder brauchen grenzen, jugendliche immer noch ein gewisses maß an aufsicht und erziehung, nicht für jeden ist grenzenlose freiheit gut, und überall ist das ihnen zustehende taschengeld willkommen.
Verdenken wir es musik-pädagogen, wenn sie ein breites fundament errichten wollen, damit von elementaren vorkenntnissen aus eine spätere auswahl getroffen und ein vielfältiges musikleben entfaltet werden kann?
Wir verurteilen indoktrination auf politischer und religiöser ebene, aber sie findet auf vielen gebieten statt, und jede erziehung ist eine gratwanderung.
Wenn ich die summe aller bemühungen und erfahrungen ziehe, fehlt mir, was man "pädagogischen optimismus" nennt, und ich frage mich, ob ich oben stehendes nicht lieber löschen sollte, denn das leben geht seinen gang, ob wir es so wollen oder nicht.
 
Aus aktuellem Anlass grabe ich den Thread noch mal aus.
Ich las heute morgen in der "nmz" folgende Überschrift:

VMI: Klassik nicht nur bei Bildungseliten beliebt - Markt wächst
07.08.2009


In dem Artikel wird berichtet, dass klassische Musik momentan stark boomt:

"
(nmz/kiz) -
Klassische Musik steht bei den Konsumenten hoch im Kurs. Im ersten Halbjahr 2009 stieg der Absatz von Klassikprodukten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 23%. Die Zuwächse kommen vor allem aus dem Buchhandel und dem Konzert-Direktverkauf, beide konnten ihre Absätze mit Klassikprodukten verdoppeln.
Zwar ist der typische Klassikkäufer nach Erhebungen der GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) urban, finanziell gut versorgt und gebildet, allerdings widerlegen Käuferstudien auch die weitverbreitete These, dass Klassik nur ein Thema der Bildungselite ist. So werden ein Drittel der Umsätze von Klassikfans mit Hauptschulabschluss oder mittlerer Reife generiert."


Hier der Artikel:

http://www.nmz.de/kiz/nachrichten/bvmi-klassik-nicht-nur-bei-bildungseliten-beliebt-markt-waechst

Da scheint sich eine positive Entwicklung abzuzeichnen, bleibt nur zu hoffen, dass es sich nicht um einen kurzfristigen Trend handelt und dass der Gegenstand "Klassik" dauerhaft gefördert und nicht nur schnell mal geplündert wird.
 
Da scheint sich eine positive Entwicklung abzuzeichnen, bleibt nur zu hoffen, dass es sich nicht um einen kurzfristigen Trend handelt und dass der Gegenstand "Klassik" dauerhaft gefördert und nicht nur schnell mal geplündert wird.
Da erinnere ich mich an den BBC der einmal (soweit ich mich erinnere) Beethovens Werke online gestellt hat und das dann zu einer riesengroßen Resonanz geführt hat, vor allem von Leuten sonst nie mit dieser Musik in Berührung gekommen ist - bis sie dann von der Tonträgerindustrie zusammen gestaucht wurden auf welch schamlose Weise sie diese Musik entwerten wenn sie die so vielen Menschen näher bringen.


Gerade in der Hinsicht frage ich mich auch warum unsere Orchester - immerhin von uns allen per Kulturetat finanziert - ihre Aufnahmen nicht wieder der Allgemeinheit frei zur Verfügung stellen. Und das würde diese Art von Kultur bewahren und lebendig halten wie keine andere Maßnahme es könnte.
Urheberrechte sind da ja nicht mehr das Problem.
 
Wie sahen das bedeutende komponisten?
Berlioz: "La musique est un art de millionaire",
Liszt: "Trotzdem interessieren sich die millionäre blutwenig für das, was wir musik nennen, und ich behaupte, dass wir armen, die es mit der kunst redlich meinen, immer noch bessere chancen finden bei der aristokratie als bei der plutokratie, deren musikalischer geschmack von der lumpo- und lausokratie der kritik angegeben ist.
Ich habe es mir zur regel gemacht, kein publikum, vor allem kein Weimarisches mit meinen undingen zu behelligen. Solche leute kann ich entbehren, mögen ihre ohren nur immer fortwachsen!
Beim "Geburtstags-Hofkonzert" (10.04.1860) gähnten die einen, die anderen plauderten, und die meisten waren ganz sicher, dass solch ein tonwirrwarr keine musik sein könne."

und später: "mundus vult kitsch!"
Oh, er hat vieles nicht gekannt, was nach ihm kam!
 
Die beiden letzten Beiträge streifen das Thema "Kunst/Kitsch in der Musik", was die Frage nahelegt, wie das zu definieren ist.

Sowohl das Zitat von Liszt im Beitrag von Günter:

"mundus vult kitsch!"

als auch die Aussage im Beitrag von Matthias T :

"...bis sie dann von der Tonträgerindustrie zusammen gestaucht wurden auf welch schamlose Weise sie diese Musik entwerten wenn sie die so vielen Menschen näher bringen."

berühren diese Frage.

Wo sind die Grenzen zwischen Kunst und Kitsch in der Musik?
Dass diese Frage nicht ganz leicht zu beantworten ist, setze ich mal voraus, denn man spricht ja auch von fließenden Grenzen.
Gibt es sowas wie objektive Kriterien oder liegt das eher im Auge(Ohr) des Betrachters(Zuhörers)?
Der Begriff "Kitsch" ist negativ besetzt, steht für Triviales, Banales, Wiederaufnahme von bereits Bekanntem, während "Kunst" eher Originalität und Weiterentwicklung meint.
Die Äußerung von Schiller über Kitsch "...was bloß den zweideutigen Beifall des großen Haufens findet..." hilft hier mMn auch nicht so recht weiter.

Welche ästhetischen Maßstäbe sind richtig?

Ein konkretes Beispiel: Die berühmte Meditation von Gounod (Ave Maria) mit der Melodie über das C-Dur-Präludium von JSB sehen manche als kitschig an. Ist das allein deswegen so, weil hier die klassische Musik so "vielen Menschen näher gebracht wird..."(s.o.)?
Meiner Meinung nach nicht, denn das wäre sicherlich ein elitärer Standpunkt und würde in der Konsequenz bedeuten, dass eine Komposition nur durch ihre Rezeptionsgeschichte "verkitscht" werden kann. Da gäbe es dann hunderte von ähnlichen Beispielen.

Wäre interessant, wenn hier weitere Beispiele aus der Klassik genannt würden, weil mMn nur Konkretes eine sinnvolle Diskussion ermöglicht.
 
Wo sind die Grenzen zwischen Kunst und Kitsch in der Musik?
Welche ästhetischen Maßstäbe sind richtig?

Es gibt keine, und werden sie gesetzt, dann willkürlich und subjektiv.
Ich habe eine persönliche vorstellung von"schönheit", nämlich, dass das wie auch immer geartete "schöne" wert sei, in die nächste generation weitergegeben zu werden, während anderes besser dem vergessen anheimfiele.
Es ist in der vergangenheit viel musik geschrieben worden; dass nur einiges überlebt hat, verdankt es gewissen, aber schwer definierbaren, weil unterschiedlichen qualitäten. Wo sind die tausende von "charakterstücken" und "intermezzi" der caféhausmusik, wo "Heinzelmännchens Wachtparade", wer spielt noch das "Gebet einer Jungfrau"? Das waren geradezu berüchtigte, aber äußerst populäre stücke.
Wie herzig und anrührend sind vorgartenzwerge, ihr zweiter aufguss als schlümpfe, porzellannippes, wenn sie gar aus Meißen kommen, haben hohen sammlerwert.
Warum bleiben manche evergreens lebendig, warum schaffen es manche lieder erst nach mehrmaligen anläufen? Es spielt viel zufall und unberechenbares hinein, freilich auch ästhetische erziehung und niveau einer gesellschaft oder deren schichten. Musikgeschichte ist sozialgeschichte.
In Florenz zur zeit Michelangelos fiel eine missratene skulptur unbarmherzigem spott zum opfer (Bandinelli, der wiederum als geschmeidiger höfling dem großherzog "gefiel"), aber wieviele werke und meister wurden und werden von den zeitgenossen verkannt und erst späterer zeit bewusst. Bestes beispiel: J.S. Bach.
Auf der anderen seite wissen "neuere" kulturen die schätze der vergangenheit nicht zu würdigen, wieviel antiker marmor wanderte in türkische brennöfen, und wäre nicht der tourismus, würden ägyptische tempel verfallen oder zerstört werden wie, von wem auch immer, die bibliothek von Alexandria. Ein unerschöpfliches thema!

Um auf Gounods "Ave Maria" zurückzukommen: freilich hat die zugefügte melodie nebst text für weite verbreitung gesorgt und viele familienfeiern begleitet, was nicht ausschließt, dass andere das verfahren als stilwidrig empfinden, mir ist Bachs präludium lieber, aber wer möchte da werten? Da komme ich zu meiner grundüberzeugung: ich werte nicht, warum auch? Diese suche nach dem größten und besten erinnert mich an werbung und marktschreiertum, ist bestenfalls kleinkariert. Interpretationen haben den reiz, verschieden zu sein, und manchmal ist man überrascht, welche spannweite ein werk verträgt. Dass es auch missgriffe und klare, aber festgefressene fehlinterpretationen gibt ("Mondscheinsonate!"), keine frage, ein meisterwerk übersteht das.
Mein rezept: bildende kunst anschauen, musik: zuhören, literatur: lesen! Sich informieren, ja, darüber bramabarsieren, nein!
 
Zuletzt bearbeitet:
Günter Sch.;4036623 schrieb:
Es gibt keine, und werden sie gesetzt, dann willkürlich und subjektiv.
Ich habe eine persönliche vorstellung von"schönheit", nämlich, dass das wie auch immer geartete "schöne" wert sei, in die nächste generation weitergegeben zu werden, während anderes besser dem vergessen anheimfiele.

Es spielt viel zufall und unberechenbares hinein, freilich auch ästhetische erziehung und niveau einer gesellschaft.

Mein rezept: bildende kunst anschauen, musik: zuhören, literatur: lesen!

Ich stimme Dir zu in der Frage, dass das in erster Linie eine persönliche, subjektive Einstellung ist und dass es keine festen Kriterien gibt, die beide Begriffe streng voneinander unterscheiden.

Du hast ja selbst angesprochen, dass "ästhetische Erziehung" und das gesellschaftliche Niveau, in dem man aufwächst, eine große Rolle spielen. Und genau hier liegt meines Erachtens das Problem: Was ist wert, dass man es der jungen Generation weitergibt?
Verschiedene Personen geben darauf verschiedene Antworten.
Um bei der Musik zu bleiben, ein konkretes Beispiel: Es gibt völlig unterschiedliche Bücher für den Musikunterricht, was die Auswahl von Kompositionen angeht genauso wie in der Methodik, wie Werke vorgestellt werden.
Es ist positiv, dass wir eine so große Vielfalt haben, ich kann auswählen aus dem reichen Schatz des Vorhandenen.

Im Prinzip bleibt also alles doch sehr subjektiv, was die Sache ja nicht unbedingt einfacher macht.
 
Mag sein, dass du auf einer glücklichen insel lebst, an einer schule tätig bist, an der das musische eine rolle spielt, meine erfahrungen mit schulmusik sind weniger positiv. Alles eignet sich nicht für alle, und ich verdanke der schule die wenigsten musikalischen erfahrungen.
Im idealfall sollten charakteristische werke aller epochen und genres mit ihren verschiedenen klangkörpern vorgestellt werden, die zum "weiterhören" ermuntern.
Wie das in die heute üblichen hörgewohnheiten und praktiken einmünden könne, um die wir ja nicht herumkommen, mag ich nicht voraussagen, ich habe viele modelle scheitern gesehen.

Hatte es der musiklehrer in der DDR leichter, dem genau vorgeschrieben war, was und wie etwas in festgelegter stunde abzuhandeln sei? Theoretisch boten die lehrpläne eine systematsche übersicht, waren aber extrem praxisfern. Es gab eine skala der benotung für das teilgebiet "singen", da hätte nicht einmal unser guter Peter Schreier mit seinen flachen vokalen eine "1" bekommen.
Ich bekam auch nie eine (das war vor der DDR) , auch als ich bedeutend besser spielte als unser lehrer, was er wusste, oder gar weil - - - ?
Von der schule darf man nicht mehr verlangen, als sie zu leisten fähig ist, und dann gibt es noch das jeder pädagogik unbekannte und rätselhafte wesen: den schüler.
 
Zuletzt bearbeitet:
Günter Sch.;4036821 schrieb:
Mag sein, dass du auf einer glücklichen insel lebst, an einer schule tätig bist, an der das musische eine rolle spielt..


und dann gibt es noch das jeder pädagogik unbekannte und rätselhafte wesen: den schüler.
Leider lebe ich mitnichten auf einer solchen Insel, es ist eher so, dass man ständig begründen, kämpfen, gegen andere Interessen angehen muss.


Hier folge ich Dir ganz und gar.
Wenn Männer die Frau als das unbekannte, unergründliche Wesen ansehen, ist es bei Schülern noch um einiges potenzierter :D.
 
Ausgelagert aus dem Thread:

https://www.musiker-board.de/vb/sou...-williams-bedeutendste-lebende-komponist.html



... Kennt hier irgendwer Jan Sandstroem? (Nein ich bins nicht, aber mein Nick kommt von ihm). Super Komponist im klassischen Bereich, hat einige bedeutende Werke u.a. für Posaune geschrieben. Kennt sonst aber wohl keine Sau und wenn ich 100 sogenannte Klassikexperten befragen würde kennt ihn vielleicht einer.
Trotzdem sehe ich ihn als bedeutenden Komponisten, der John Williams in nichts nachsteht.
(Dass ich von den sogenannten Klassikexperten keine hohe Meinugn hab sollte deutlich sein, was anderes als Mozart und Beethoven und den Standardkram kennen die auch nicht, im Grunde unterscheidet sich die Klassik da garnicht von der Popmusik)
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
(Dass ich von den sogenannten Klassikexperten keine hohe Meinugn hab sollte deutlich sein, was anderes als Mozart und Beethoven und den Standardkram kennen die auch nicht, im Grunde unterscheidet sich die Klassik da garnicht von der Popmusik)
Da lehnst du dich aber grade seeeehr weit aus dem Fenster.

aber wenn man dann Leuten erzählt, dass Johan de Meij schon in den 80ern mit Symphony No. 1 "The Lord of the Rings" ein grandioses Werk abgeliefert hat, erntet man nur ein müdes Lächeln.

Liegt mE vor allem daran, dass es sich dabei um sinfonische Blasmusik handelt, die immer noch eher ein Schattendasein fristet.
 
In der Neuen Musik ist man inzwischen ziemlich vielem Gegenüber aufgeschlossen.
Auch für sinfonische Blasorchester werden komponiert.
Selbst das Akkordeon und seine Unterarten ist unter anderem dank Neuer Musik als "ernstes" Instrument etabliert.
Über die LOTR Sinfonie könnte man streiten. Ist nicht gerade meins, aber das liegt nicht am sinfonischen Blasorchester, sondern an der Komposition.

Da lehnst du dich aber grade seeeehr weit aus dem Fenster.

In der Tat. Die Klassikexperten bei mir an der Hochschule kennen mehr als nur den Standardkram. Da ist man allem Gegenüber aufgeschlossen. Im Kompositionsunterricht wird auch mal über Filmmusik gesprochen und Hilfestellungen erteilt und Neue Musik wird allgemein von vielen Dozenten und Profs geschätzt und respektiert.
Auf die Klassikexperten im Fernsehen darfst du dich nicht beziehen. Dem Fernsehen sollte man eigentlich nie trauen, da ist jeder gleich Experte.
 
Ich sprach jetzt auch weniger von den studierten klassischen Musikern, vielleicht kam das falsch rüber. Sorry dafür.

Eher von den "Nichtmusikern" die ein Abo für die Nürnberger Symphoniker haben und sich da jede Woche hinbegeben. Den ganzen Schrank voller Beethoven-CDs haben, aber wenns mal etwas exotisch wird, wird die Nase gerümpft.

War da auf nem Konzert von Christian Lindberg, der sollte unter Leuten die Ahnung haben bekannt sein.

Programm war unter andem Finlandia von Sibelius, da hat er dirigiert. Dann ein klassisches Posaunenkonzert von Leopold Mozart, ein weiteres Stück dass ich vergessen habe und als Abschluß "Helicon Wasp" für dirigierenden Posaunisten, geschrieben von Lindberg selbst.

Und da hats dann schon bei den Leuten aufgehört. In der Pause hab ich mir einige der Klassikliebhaber angehört, da kamen dann abfällige Bemerkungen über das letzte Stück, aber "der Mozart war ganz nett".

Für mich ist die Klassik leider inzwischen zu stark vergleichbar mit der Populärmusik. Merkt man ja auch wenn man diverse Klassikradios anschaltet. Die spielen dann auch nur nach Standardplaylists wie jedes andere Popradio auch. Oder wie klassikradio.de einen sehr hohen Anteil an Filmmusik.

Aber sobald man ein wenig outside of the box schaut hörts dann schon bei vielen auf.
 

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