Keine Chance (ist der Text Hip Hop oder Rap fähig?)

  • Ersteller wolf999
  • Erstellt am
wolf999
wolf999
Registrierter Benutzer
Zuletzt hier
25.12.18
Registriert
08.07.07
Beiträge
23
Kekse
75
Ort
meist in Spanien
Hi Leute,

ich habe da seit ewigen Zeiten einen Text und bin mir nicht so richtig schlüssig ob der für Hip Hop oder Rap taugt.
Deshalb bitte ich Euch um euren Kommentar.

Keine Chance

S1
Seinen Vater kannt‘ er nicht,
Und von der Mutter nur’s Gesicht.
Das Windeln und das ew’ge Schrein,
War froh ihn endlich los zu sein.
Schon in seinem kleinen Leben
Hat es Chancen nie gegeben.


Er wuchs heran in einer Welt,
wo nur Gewalt und Rohheit zählt.
Viel Bier im Kopp, doch ohne Geld,
war er der wilde Straßenheld. (oder Drogenheld)
Auch in seinem Jugendleben,
Hat es Chancen nie gegeben.

(Hook)
Seinen Vater kannt‘ er nicht,
und von der Mutter nur’s Gesicht.
Das Windeln und das ew’ge Schrein,
War froh ihn endlich los zu sein.

S 2
Er schmiss die Schule Klasse acht
Und hatte alles pappensatt
Sein Hass hingegen eskaliert,
Gesellschaft Mist, nur drangsaliert.
Und in seinem weit’ren Leben,
Hat es Chancen nie gegeben.


Die Zeit im Knast macht ihn noch härter
Er floh, erstach dabei ’nen Wärter.
Sie hetzten ihn wie ’n wildes Tier,
erlegten ihn wie’n kranken Stier.
In seinem beschiß(e)nen Leben, (jetzigen Leben)
wollten sie ihm keine Chance mehr geb'n.

(Hook)
 
Eigenschaft
 
Warum nicht?

Im Prinzip lässt sich jeder Text rappen.

Allerdings wäre das vermutlich eher so Old-School-HipHop, also kurze Zeilen und ein sich immer wiederholdendes Reim-Schema. Neuere Rap-Texte sind rhythmisch oft vertrackter, gehen Umwege und sorgen damit für Abwechslung. Insgesamt vermute ich auch, dass dein Text vielleicht zu kurz für einen ganzen Song sein könnte.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Hallo Wolf,

ich weiss ja nicht, ob Sie schon wussten... ;-)

... dass der Rap von der optischen Form lange Zeilen haben sollte. (Das hängt mit dem relativ langsamen Tempo von ca. 80b/min zusammen. Da kommen leicht schon mal 4x4Sechzehntel / Takt zusammen. Die rapper sagen dazu wohl pro "Bar". Also 16 Silben pro Zeile. Und mehr! Die meisten Poptexte kommen mit der Hälfte der Silbenzahl aus. Alles klar? ...:D)

Also deinen Text würde ich deshalb so notieren:

Keine Chance

S1
Seinen Vater kannt' er nicht / Und von der Mutter nur's Gesicht.
Das Windeln und das ew'ge Schrein / War froh ihn endlich los zu sein.
Schon in seinem kleinen Leben / Hat es Chancen nie gegeben.
Er wuchs heran in einer Welt / wo nur Gewalt und Rohheit zählt.
Viel Bier im Kopp, doch ohne Geld / war er der wilde Straßenheld. (oder Drogenheld)
Auch in seinem Jugendleben / Hat es Chancen nie gegeben.

(Hook)
Seinen Vater kannt' er nicht / und von der Mutter nur's Gesicht.
Das Windeln und das ew'ge Schrein / War froh ihn endlich los zu sein.

S 2
Er schmiss die Schule Klasse acht / Und hatte alles pappensatt
Sein Hass hingegen eskaliert / Gesellschaft Mist, nur drangsaliert.
Und in seinem weit'ren Leben / Hat es Chancen nie gegeben.
Die Zeit im Knast macht ihn noch härter/ Er floh, erstach dabei 'nen Wärter.
Sie hetzten ihn wie 'n wildes Tier / erlegten ihn wie'n kranken Stier.
In seinem beschiß(e)nen Leben, (jetzigen Leben) / wollten sie ihm keine Chance mehr geb'n.

Aus meiner Sicht ändert das Formale mehr, als auf den ersten Blick ersichtlich ist.

Sofort fällt mir das Reimschema auf. Zunächst die metrische Zäsuren in der der Mitte der Zeile, die mir sofort offenbaren, das hier nur eine normale Liedform umgemodelt wurde. Solche (hier reimbedingte) Zäsuren behindern dramatisch den Flow eines Raptextes. Denn gedichtete Zäsuren drängeln dem Interpreten meistens Atempausen auf...

Dann sind da noch die eigentlichen Reime. Das Ziel der meisten Rapper sind Doppelreime oder Trippelreime. Also mal aus der Hüfte Kinderplagen / hinterfragen (Doppelreim). Kleiner Düsenjäger / feiner Fliesenleger (Tripple).

Du verwendest hingegen die im Lied gebräuchlichen einfachen Reime.

MEIN Weg wäre:

Ich würde die reimbedingten Zäsuren in der Zeilenmitte beseitigen. Das hat ja sowieso gewaltige Vorteile. Der Reim engt ja auch die Aussagemöglichkeiten ein. Statt dessen würde ich gerade über die Taktmitte sprachliche Synkopen einbauen. (Wenn DAS unverständlich ist, bitte nachfragen.)

Dann würde ich mir ein paar Binnenreime und vor allem Doppel- oder Trippelreime einfallen lassen..

Gut, so weit erst mal.

Gruß
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Danke für die Stellungnahme antipasti und vielen Dank Jongleur für die ausführliche Erläuterung.

Ich weiß, dass Raptexte länger sind, aber ich dachte mir: Das ist egal wie ich die schreibe. Doch Deine Ausführungen zeigen, dass es das nicht ist. Ich werde Deinen Empfehlungen folgen und den Text dementsprechend überarbeiten.

Nochmals vielen Dank
Carlos
 
Danke für die Stellungnahme antipasti und vielen Dank Jongleur für die ausführliche Erläuterung.

Ich weiß, dass Raptexte länger sind, aber ich dachte mir: Das ist egal wie ich die schreibe. Doch Deine Ausführungen zeigen, dass es das nicht ist. Ich werde Deinen Empfehlungen folgen und den Text dementsprechend überarbeiten.

Nochmals vielen Dank
Carlos

Hi wolf999 / Carlos,
wenn Du den Text überarbeitest, kannst Du vielleicht auch noch einmal die Haltung / Botschaft des Textes überdenken. Ohne ein versierter Kenner von Rap und HipHop zu sein bzw. als eher gelegentlicher Hörer ist mir noch nie ein Text zu Gehör gekommen, der ein "er hatte nie ne Chance"-Text war und der ohne ein DU oder ICH auskam. Beides hängt vermutlich zusammen - ich verstehe Rap/HipHop als ein persönliches, in jedem Fall authentisches Statement einer identifizierbaren Person. Gesellschaftskritische Beobachtungen etc. können da mit eingeschlossen sein, es geht aber nicht um das Schildern eines Schicksals ohne Bezug zum Sänger. Als "authentisch" - durchaus auch im Sinne eines Lyrischen Ich - empfände ich entweder die Schilderung eigener Lebensstationen oder die Schilderung eigener Beobachtungen, die sich auch auf eine andere Person beziehen können, aber immer auf die eigene Person bezogen werden.

Dabei würde ich die genretypische Haltung (vom Gangster-RAP etc. mal abgesehen) als ein "Dennoch" oder "Ich-sch***-auf-Euch-und-mach-mein-Ding" umreißen, auch Xavier Neidoo bleibt nicht bei der Schilderung des steinigen Weges stehen, sondern dieser Weg will begangen sein. Eine Person, die sich seiner chancenlosigkeit so ausliefert oder ohne ersichtliche Gegenwehr ergibt, würde von Sänger und community vermutlich nur belächelt, wenn nicht gar verachtet werden.

Du hingegen willst, so vermute ich, in klassischer, gesellschaftskritischer singer/songwriter-Haltung auf einen Menschen aufmerksam machen, den die Gesellschaft links liegen läßt, der keine Chance hatte und damit zum Nachdenken anregen.

Meine Vermutung ist, dass der Transfer dieses Textes in einen Rap-Kontext nicht nur an handwerklichen Klippen wie dem Aufbau der Reime, der Bars etc. sondern auch an "Haltungs"-Klippen scheitern könnte ...

just my 2 cents

x-Riff
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Hallo x-Riff,

ich habe mir den Text diesmal gar nicht so genau durchgelesen. Du hast natürlich recht mit:

Ohne ein versierter Kenner von Rap und HipHop zu sein bzw. als eher gelegentlicher Hörer ist mir noch nie ein Text zu Gehör gekommen, der ein "er hatte nie ne Chance"-Text war und der ohne ein DU oder ICH auskam.

Eigentlich kann ich mir auch keinen Rap ohne das Muskelspiel eines auf gepulverten LIs vorstellen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden... ;-)

Lg
 
Yu - nu find ick mir in der trven ecke des rap-catchrings wieda und lecke mene beulen ...

Ne, ne - ick bin ja nun nich der wärter der heiligen hallen des rap und jede grenzüberschreitung is mer per se en bedürfnis, so sie jewollt und jekonnt is - wie sachte der olle maler liebermann: een jut jemalter kohlkopp is mir lieba wie en halbjekonntet sittenjemälde ... also: klar darf allet und soll allet - et kommt halt imma uffe intention druff an: un wenn ick mer hinsetzen tu um nen orignial-rap zu machen, um damit een junget publikum mit mene texte zu beglücken, dann kannet nich schaden, sich ers ma an dat zu orientieren, wat da so rumläuft ... so war det jedacht, wat ick schrob ...

ma anders rum: mein freund der baum von olle nicolle kann och als metal klappen, wenn ick die harteisenfraktion erwischen will - nur muss denn och metal drin sein, wo metal druff steht un wenn ick denn mit ner akkustik-klampfe mit ner blume im haar ufftauche, denn wird et unter umständen eng ...

sagen wer mal so: is´n denkanstoss von ner alten echse, die schon en paar millionen jahre evolution hinter sich hat ...

x-Riff
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Mir ging's beim Lesen auch so: vom Feeling her eher unrappig. Meine Assoziationen liefen - und das hat der Autor bestimmt nicht gewollt - eher in Richtung Truck Stop...

Der Jongleur hat ja schon aufs Formale hingewiesen; ich gehe da absolut mit und möchte ergänzen: Zu artig darf's nicht werden. Muss ja nicht in die Testosteron-Ecke abdriften, vielleicht ist ein nachdenklicher Text ja viel eher dein Ding. Nur dafür malst du die Bilder zu blass. Hab mehr Mut!

Viel Spaß und Erfolg beim Umschreiben, ich freu mich auf das Ergebnis!


PS: Mein Freund der Baum ist von Alexandra und nicht von Nicole. Und soooo entsetzlich traurig....... :weep:
 
Wenn man natürlich vom aktuellen "Viel-und schnell-sprech-Hop-Hop" ausgeht, mag der Text nicht ganz dem Trend enstprechen und ähnelt eher einem klassischen, einfachen Song-Schema. Da sind wir uns ja alle einig.

Hip-Hop gibt es aber seit knapp über 30 Jahren und es gab in der Zeit zig verschiedene Styles, wie sich ein Text phrasieren lässt. Durchaus auch Styles mit weniger Worten. 80er-HipHop ala Run DMC kam auch mit song-ähnlichen Strukturen und AABB- oder wie hier AABA-Schema aus.



Daher bin ich der Ansicht, dass sich auch dieser Text - mit ein paar Ergänzung und einer Hook - durchaus rappen problemlos ließe. Je nachdem, was man unter HipHop versteht.
 
@antipasti

ich hab mir mal angeschaut, in welcher Form der Song im Netz geschrieben steht. Ich zitiere mal einen typischen Ausszug
Es sind Langzeilen!

Zitat "its tricky" von DMC schrieb:
In New York the people talk and try to make us rhyme
They really (hawk) but we just (walk) because we have no time
And in the city it's a pity cos we just can't hide
Tinted windows don't mean nothin', they know who's inside

Der Text reimt sich an mittleren Zäsuren, aber die eigentlichen Reimkadenz findet am Ende der Zeile statt

Noch deutlicher wird das beim Refrain:

Zitat "its tricky" von DMC schrieb:
It's Tricky to rock a rhyme, to rock a rhyme that's right on time
It's Tricky...(How is it D?) Tricky (Tricky) Tricky (Tricky)
It's Tricky to rock a rhyme, to rock a rhyme that's right on time
It's Tricky...Tricky (Tricky) Tricky (Tricky) huh!

Ich denke mir, die Texter überlegen sich schon, wie sie ihre Zeilenform aufschreiben. Sie wissen, wo sie atmen und wo sie synkopisch über die (theoretisch vorstellbaren) Zäsuren marschieren.

Dabei geht es mir keinesfalls um speedrap oder maximale Zeilenzahl, sondern um die Metrik und Phrasierung einer Zeile.
 
Na gut, dann versuche ich es mit einem weniger akademischen Weg. Passt ja auch besser zu HipHop.

Ich habe in den Achtzigerjahren selbst viel gerappt - es nicht völlig verlernt - und habe kein Problem damit, für den Text von wolf999 einen passenden Style zu finden. Eigentlich sogar mehrere.

Allerdings ignoriere ich dabei teilweise die Pausen zwischen den Strophen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Naja da kommen wir an die Grenzen eines Netz-Forums.

Welchen Gewinn erhofft man sich? Hinweise auf das Typische von Raplyrics oder die Vermutung Einzelner, dass sich im Grunde jeder Text verrappen lässt? - Ich meine das gar nicht scharf. Ich glaube, eine Hiphop-Scheibe mit Nachkriegsschlagern würde sich vielleicht extrem gut verkaufen.

Vorhang zu und alle Fragen offen.
 
Welchen Gewinn erhofft man sich?

Man?
Der Gewinn in einem Forum liegt immerimmerimmer darin, was der Fragende mit den Antworten anstellt. Meine "Vermutung" mag hier zwar vereinzelt erscheinen. Aber immerhin ist es auch die einzige mit Praxis-Background. Der TE mag selbst entscheiden, woraus er sich Nutzen zieht. Größeren Schaden wird keine der zur Verfügung stehenden Antworten verursachen.

Und unter diesem Beitrag lasse ich dir - wie immer - ausreichend Platz für das letze Wort ;)
 
Aber immerhin ist es auch die einzige mit Praxis-Background.

^^ na dann... verneige ich mich mal vor der Praxis und applaudiere ergriffen in dem mir von Dir zugewiesenen Turm.

Ende
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
schön wäre es, ich könnt das Gleiche von Deinen Versprechungen sagen ;-)
Und was nun? Eine Schlacht der letzten Worte?
 
threadersteller please
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Tja - was soll der TE noch dazu sagen?

1. Wenn er - wie es ja bei Rappern meistens üblich ist - den Text für sich selbst geschrieben hat, dann wird er ihn entweder rappen können oder nicht.

2. Wenn er den Text gern von einem anderen rappen lassen würde - dann wird jener ihn rappen können oder nicht. Oder gegenenfalls seinen Senf dazu geben und Korrekturen machen.

Ich glaube nicht, dass es großen Sinn macht, eine ultimative Entscheidung zu treffen, ob dieser Text grundsätzlich "rapfähig" ist oder nicht. Von der Kürze des Textes mal abgesehen.

:nix:
 

Ähnliche Themen


Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben