Kirchentonarten + Skalen+modale Spielweise

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den Unterschied zwischen Kirchentonarten, Skalen und modaler Spielweise hab ich noch nicht begriffen. Ist vielleicht ein zu weites Feld, um es hier in wenigen Sätzen abzuhandeln, aber ich wage einen Anfang.

Ich weiß inzwischen, was Kirchentonarten sind, und daß vor allem Coltrane und Miles ab einem bestimmten Zeitpunkt zunehmend modal spielten. Heißt denn modal nur, daß man auf Akkordwechsel verzichtet und sich stattdessen willkürlich ein paar Töne als Improvisationsmaterial auswählt ?

Nochmal Kirchentonarten: die gängigen Bezeichnungen gehen immer davon aus, daß von der einen zur nächsten Tonart (meist) Ganztonschritte bestehen, (z.B. von Phrygisch nach Lydisch). Ich habe aber den Eindruck, daß eine sehr gängige Art zu spielen die folgende ist, wie bei Cantilope Island:

http://www.youtube.com/watch?v=aA2jNy3MHM0

Wenn ich das recht verstehe, wird hier anderthalb Töne über dem Grundton F improvisiert, also in As-Dur - was mir übrigens sehr gut gefällt. Für diesen Tonabstand ist mir aber keine Bezeichnung geläufig.

Oder hab ich alles falsch verstanden ?
 
Eigenschaft
 
die gängigen Bezeichnungen gehen immer davon aus, daß von der einen zur nächsten Tonart (meist) Ganztonschritte bestehen, (z.B. von Phrygisch nach Lydisch).

Nein, tun sie nicht. Von E-Dorisch zu E-mixolydisch ist GAR kein Unterschied im Grundton. Du kannst JEDE Skala (= Kirchentonart) auf JEDEM Grundton aufbauen ... es ist halt immer ein ganz anderer, eigener, spezifischer sound, je nachdem, welche Skala man wählt ... weil damit ja ein ganz spezielles Tonrecervoir verwendet wird ...



Ich weiß inzwischen, was Kirchentonarten sind, und daß vor allem Coltrane und Miles ab einem bestimmten Zeitpunkt zunehmend modal spielten. Heißt denn modal nur, daß man auf Akkordwechsel verzichtet und sich stattdessen willkürlich ein paar Töne als Improvisationsmaterial auswählt ?

"Willkürlich" würde ich das nicht nennen ... es geht eher um den Unterschied zwischen vertikal und horizontal ... modal heißt (IMHO) Klangflächen aufbauen, den jeweiligen Skalensound wirken lassen, sich melodiös darin "ergehen" ... während Akkorbezogenes Spiel notgedrungen rasch wechselnde Sounds produziert. Und man muß eher vertikal denken, da das Gespielte ja zum momentan herrschenden Akkord passen soll, und kann sich nicht so auf die melodiöse Entwicklung IN einem gleichbleibenden Sound konzentrieren ...




Wenn ich das recht verstehe, wird hier anderthalb Töne über dem Grundton F improvisiert, also in As-Dur - was mir übrigens sehr gut gefällt. Für diesen Tonabstand ist mir aber keine Bezeichnung geläufig.
Oder hab ich alles falsch verstanden ?

Nun .... F-moll ... Ab-Dur ... parallele Molltonart ... gleiches Tonmaterial ... klingelt da was ?

LG, Thomas
 
die gängigen Bezeichnungen gehen immer davon aus, daß von der einen zur nächsten Tonart (meist) Ganztonschritte bestehen, (z.B. von Phrygisch nach Lydisch).
Nein, tun sie nicht. Von E-Dorisch zu E-mixolydisch ist GAR kein Unterschied im Grundton. Du kannst JEDE Skala (= Kirchentonart) auf JEDEM Grundton aufbauen ... es ist halt immer ein ganz anderer, eigener, spezifischer sound, je nachdem, welche Skala man wählt ... weil damit ja ein ganz spezielles Tonrecervoir verwendet wird ...
Ich glaube, die Frage ist anders gemeint.
Wenn man z. B. vom Tonmaterial von C-Dur ausgeht, erhält man Phrygisch auf e und Lydisch auf f. Nur gerade hier ist ein Halbtonschritt dazwischen.

Zum Verhältnis Kirchentonarten und Skalen:
Es gibt wesentlich mehr Skalen als die der Kirchentonarten.
In diesem Thread
https://www.musiker-board.de/vb/harmonielehre/40397-skalen-tonleitern-aus-aller-welt-hier.html
sind ein paar gute Links dazu.

Gruß
Tivan
 
ja, so langsam klingelts mit f-dorisch. Von oben nach unten denken ist schwieriger als umgekehrt. Eigentlich ist ja Fmoll einfach bloß die komplementäre Moll-Tonart zu As.

Dorisch scheint mir im Jazz recht verbreitet zu sein. Findet man denn irgendwo im Netz - oder hier - eine Sammlung von Beispielen für die verschiedenen Kirchentonarten ? Beispielsweise höre ich oft den Begriff "lydisch" in Verbindung mit beispielsweise "Lydian Concept".

Ein typisches lydisches Stück würde mir aber nicht einfallen.
 
Alles andere wurde ja bereits gut beantwortet daher nur zu ein paar Punkten.

Ich weiß inzwischen, was Kirchentonarten sind, und daß vor allem Coltrane und Miles ab einem bestimmten Zeitpunkt zunehmend modal spielten. Heißt denn modal nur, daß man auf Akkordwechsel verzichtet und sich stattdessen willkürlich ein paar Töne als Improvisationsmaterial auswählt ?
Turok hat es bereits gut erläutert aber nur mal eine Ergänzung.

Verzicht von Akkordwechsel bedeutet Modalität nicht sondern nur das man sich in einem Modus lange aufhält und in so zu sagen auskostet und es oft kein klare Tonalität gibt (kann muss aber nicht), es oft auch keine im funktionalen Sinn alle Akkorde auf ein bestimmtes totales Zentrum fixiert sind. Es geht hier um den eigentlichen Sound und weniger um funktionale zusammenhängen den Kadenzen.

Wenn wir uns mal Dur/Moll zentrische Musik mit ihren Akkordwechseln anschauen, merken wir so etwas wie Funktionalität und das wir die "Solos" eher Kontextbezogen wahrnehmen.
Bedeutet, die Akkordprogression ist einem Spannungsverlauf angeordnet, von tonisch, subdominatisch, bis dominantisch der in erster Linie NUR von der Akkordprogression "gezeichnet" wird - das ist wichtig zu verstehen! Der tonische Bereich, also die I, gibt nun das Zentrum an auf das sich alles folgende funktional bezieht, deuten lässt und gehört wird - Modulationen, Rückungen und Aufweichungen lasse ich jetzt mal außer acht obwohl hier das gleiche gilt, außer das sich das totale lange(Modulation/Rückung) oder kurz(Ausweichung) Zentrum ändert.
Das Thema (die Melodie) und die folgenden Solos sind dann auf diesen Spanungsverlauf und der Tonalität bezogen und lassen wenig Spielraum um einen einzelnen dieser Akkorden + Skalen innewohnenden Modalitäten wahrzunehmen. Nein, wir beziehen das auf das Zentrum und nehmen das halt in diesen Kontext wahr. Bedeutet, wenn ich z.B. jetzt ein Stück in Dur habe und bin dann auf der subdominante und verwende das gleiche Material der Tonika, werde ich kaum sagen das ich jetzt etwas Lydisches, im modalen Zusammenhang(!), wahrnehme, weil die Zeit zu Kurz ist, die Gestaltung der Melodik die lydische Quarte nicht auskosten wird usw. Ich höre das also in Bezug von I und das ist dann nun mal etwas ionisch angehaucht bzw. der Klangeindruck des Liedes ist normales langwelliges Dur. Selbst der Einsatz von Sek. und Sub. Dominanten + deren dem tonalen Zentrum angepassten Skalen ändern wenig daran, sondern erzeugen eher ein zunehmende Anstieg von Chromatik den ein modales empfinden, weil das innewohnende (konditionierung?!) Funktionale Klischee bei uns reflexartig reagiert. Es ist aber sicherlich eine Frage was man hier den unter modales empfinden versteht.

Unitonal/Unimodal:
Modalität hingegen geht in seiner einfachsten Form archaischen Prinzipien nach. Ein Modus wird lange ausgehalten und die Töne die diesen Modus ausmachen (z.B. die dorische Sexte in Dorisch) sind nicht mehr "avoid" sondern werden bewusst ins Thema und den Solos eingeflochtenen gerade zu inflationär benutzt.

Unitonal/Polyimodal:
Bewege ich mich jetzt nur in einer Tonalität und benutze in gewissen Abständen mehre Modalitäten (z.B: jetzt mal Dorisch und dann mal Lydisch und dann...) sprechen wir von Polyimodalität im Unitonalen Umfeld. Weil der Grundton ändert sich nicht aber die Modalitäten zum Grundton hin schon.

Polytonal/Unimodal:
Mehrer Tonalitäten wobei die Modalität beibehalten wird. Bedeutet, das ich z.B. die ersten 8 Takte in C-Dorisch Spiele, und danach weitere 8 Takte in D-Dorisch, dann Bb-Dorisch usw.

Polytonal/Polymodal: Sollte klar sein. Mal D-Dorisch, dann mal F-Lydisch uws :p

Naja, was lässt sich damit anfangen? Erstmal nicht viel bei mangelnder Kreativität und man muss eventuell Effekthascherei (geile Sounds, EFX, Cluster ect) betreiben oder "so what" (ne fast kleiner Spaß, das Thema ist durchaus cool) schreiben :D Interessant wird es aber erst wenn dann tonsatztechnisch interessantes gemacht wird (siehe z.B. einige Sachen der Canterbury Scene wie von Nucleus, Soft Machine, etc). Besonders Soft Machine hat in einigen ihrer Stücken extrem coole Bläser Melodien geschrieben mit vielen Tonsprüngen und Mehrklängen, in dem häufige totalen wechseln in z.B. mediantischen (wenn ich mich jetzt nicht vom Ohr her täusche) Abständen usw. dagegen ist "so what" als modales Vorzeigewerk extrem anachronistisch, beschränkt, stark reduziert, aber dennoch okay und das Thema ist ja cool :)

Jetzt fängt es an kompliziert zu werden. "Modale Musik" kann durchaus funktionale Komponenten haben (siehe Chick Corea, Canterbury Scene, Santana usw) und sogar ein "so what" das von Grund auf langweilig ist bleibt bei improvisieren nicht eindeutig Modal sondern halt zur Grundstimmung passende Kadenzen die man als solches hört, oder nur als "Modale-Klang-Cluster" (dazu mal paar mehr verscheiden Interpretationen hören, und man hört in D dann oft vom Pianisten etwas Kadenzen die einen klaren Spanungsverlauf Zeichnen).

Ich gehe sogar soweit das selbst das "Take Five" für mich ein modales als auch Funktionales Stück ist so wie viele Stücke von Santana und einigen mehr. Auch kann man bemerken das wir immer mehr und mehr (zuimdes mehr als sonst) einer eher modalen Musikutur hingesteuert sind. Miles mit So What, die ersten Progressiven auswückse mitte der 60iger, dann die ersten elektronischen Musiker mit Tangerine Dream, Klaus Schulze und Kraftwerk, dann über Hip-Hop (ich meine nicht Pop-Hop ^^) das oft eher modalen Charakter hat, bis hin zum Techno (auch hier, kein Danceflor mit den Kinderlieder Melodien/Kadenzen) wie Goa, usw. usf. Und alle haben eins gemeinsam, man kann viel der Stücke auch Funktional hören, wie auch fast alles von Tubular bells von Oldfield sowohl Modal als auch Funktional zu erfassen/hören ist :) Was war nochmal das Thema *hust*

Dorisch scheint mir im Jazz recht verbreitet zu sein. Findet man denn irgendwo im Netz - oder hier - eine Sammlung von Beispielen für die verschiedenen Kirchentonarten ? Beispielsweise höre ich oft den Begriff "lydisch" in Verbindung mit beispielsweise "Lydian Concept".
Naja, russel halt :rolleyes: http://www.lydianchromaticconcept.com/

So weit ich das verstanden habe (Sikora schneidet das sehr Kurz an) postuliert Russel den lydischen Modus als das Zentrum aller Dinge, was durchaus, wenn man davon ausgeht das der tonische Bereich der Bereich ist der die meiste Ruhe und Stabilität hat, nicht ganz verkehrt ist. Spielt man alle ionischen töne gleichzeitig und dann alle lydischen, merkt man schnell das die ionische Quarte extrem disoniert, wogegen die lydische sich mehr oder weniger wohl einfügt. Das aber als Grundlage für ein neues Konzept ist mir ein wenig skurril. Fängt ja schon an wenn du sagen wir mal F-Lydisch lange spielst und dann |: Fmaj7 | Cmaj7 :| spielst. Was merkste? Drückt ganz schön nach C-Ionisch hin oder? ;-) Mag Konditionierung sein (was ich fast glaube) aber ist mir einerlei, weil 99% werden ganz klar im Test aufeinmal Cmaj7 als Zentrum wahrnehmen. Was uns auch dahin führt, das bestimmte Modalitäten durchaus Akkorde haben um kadenzverhalten für den bestimmten Modus zu erzeugen, und einge Akkrode gemieden werden müssen, weil das Ohr automatisch nach Ionisch drückt. Ein solcher ist eben V-ionisch in I-Lydisch, weil V zur I wird und da kan man kaum was gegen machen. Wie dem auch sei, soweit ich dann mal spekulieren darf, baut dann Russel halt sein ganzens System auf das Lydian Chromatic Concept auf was auch Analysen über die Subdomianten mit einschließt, was mir dann extrem nicht zusagt, genauso wenig wie PVaults "Systemton" :D Mag das "um die Ecke sich nähern" nicht so sehr acuh wenn es diverses vereinfacht ;) Eventuell kann ja jemand genauer schreiben was russel da treibt, mir ist es zu teuer im Einkauf von daher "so what" ... ach nein, das war ja dorisch :D
 
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Zum Thema Russell... Schlagzeuger und Harmonielehre, also bitte! :D

Zum anderen; ich finde es von höchster Wichtigkeit zwischen Kirchentonleitern im alten Sinne und den Permutationen der Dur-Tonleiter, wie sie z.B. im Jazz gedacht werden, zu unterscheiden. Zu Zeiten von Deprez und Palestrina gab es nun mal kein C-Dorisch, gab es nicht gab es nicht gab es nicht! Dorisch hatte den Grundton D und keinen anderen. Insofern ist diese Denkweise, die unter Einsteigern in die Thematik weite Kreise zieht, eigentlich nicht falsch, denn wie wir spätestens seit Dela Motte wissen ist Musiktheorie immer an Geschichte geknüpft.
 
Falsch.

Dorisch hatte sowohl den Grundton d, als auch den Grundton g.

Phrygisch den Grundton e, als auch a

Lydisch war meist schon einem b vorgezeichnet. Daraus entstand unser Dur.

Myxolydisch gibt es mit Grundton g und c.

Die Transposition per bemolle, also mit einem B als Vorzeichnung war bei Desprez und Palestrina Gang und Gebe.

Was aber stimmt: Für die Jazzer sind die Kirchentonleitern meist nur Skalen und dienen als Tonmaterial zur Improvisation.
 
Zum anderen; ich finde es von höchster Wichtigkeit zwischen Kirchentonleitern im alten Sinne und den Permutationen der Dur-Tonleiter, wie sie z.B. im Jazz gedacht werden, zu unterscheiden.
Genau genommen müsste man bei dorisch, phrygisch etc. sogar noch mehr unterscheiden. Meint man es als


  • als altgriechische Bezeichnung
  • im Sinne der mittelalterlichen Theoretiker
  • als didaktisches Modell, um Skalen zu trainieren
  • im Sinn von Pop, Rock, Jazz
Quelle: Jürg Hochweber in: Kirchentonarten oder Modi neu entdeckt?


Dorisch hatte sowohl den Grundton d, als auch den Grundton g.
Könntest Du da vielleicht die Quelle angeben oder nähere Angaben machen?
Die Transposition per bemolle, also mit einem B als Vorzeichnung war bei Desprez und Palestrina Gang und Gebe.
Kleine Korrektur. Oder deckt das die Rechtschreibreform ab?

Gruß
Klaus
 
Könntest Du da vielleicht die Quelle angeben oder nähere Angaben machen?

Bernhard Meier: Die alten Tonarten.
Das ganze findet sich auch in einem anderen Buch von ihm. Ich glaube es heißt: Die Tonarten der klassischen Vokalpolyphonie, ist aber vergriffen.
Ansonsten weiß mein Kontrapunkt Prof da mehr und wer immer noch meint, ich erzähle Schwachsinn, der besorgt sich halt mal ein paar Werke aus dieser Zeit und wird es von allein feststellen.
 
Hat Deine Aussage vielleicht mit den Griechischen Tonleitern zu tun?
Die Griechen dachten ja in Tetrachorden, Quarten und Quinten, kaum in Oktaven. Dieses Denken hat sich bis in das Mittelalter erhalten.
Weniger bekannt ist ja, daß die authentischen Tonleitern nicht nur eine Quarte nach unten versetzt wurden (plagale Tonarten, Hypo-) sondern auch eine nach oben (Hyper-).

Raphael Georg Kiesewetter (1834) gibt auf S. 110/111 folgende fünf Griechischen Tonarten an, die entsprechend versetzt wurden:

Lydisch
Aeolisch
Phrygisch
Jastisch (= Ionisch)
Dorisch

Am Beispiel von Dorisch würden die Tonleitern dann so aussehen:

Hyperdorisch: g a b c' d' es' f' g'
Dorisch: d e f g a b c' d'
Hypodorisch: A H c d e f g a

Wie dem auch sein, Bernhard Meier ist in der Bibliothek bestellt. Danke für den Hinweis!

Grüße
Klaus
 
Wie dem auch sei, soweit ich dann mal spekulieren darf, baut dann Russel halt sein ganzens System auf das Lydian Chromatic Concept auf was auch Analysen über die Subdomianten mit einschließt, was mir dann extrem nicht zusagt, genauso wenig wie PVaults "Systemton"

Ich weiß nicht, ob dir bewußt ist, daß die Jazzschreibweise allein schon zeigt, daß sie sich an meinem Dominantring orientiert. Der Ausgangspunkt der Schreibweise ist nämlich stets die mixolydische Skala:

1-3-5-7-9-11-13
in C:
C-E-G-Bb-D-F-A

Russell hingegen hat seinen "Systemton" auf das lydische Zentrum gesetzt, er erklärt das mit dem "besseren" Klang des 7-stimmigen Subdominantakkordes (#11 klingt da besser als die 11), daher auch der Name seines Konzepts.

Ich hingegen arbeite funktional, weshalb ich den Systemton generell bei der Tonika des Ausgangssystems festsetze, was natürlich nicht nur bei den bekannten Modi geht. In obigem Beispiel erkennt man auch deutlich, daß der diatonische Systemton nach meiner Sichtweise unmißverständlich bei "F" liegen muß...

Mein System ist also die Synkreation aus verschiedenen Harmonielehren und eigenen Erkenntnissen. Und ich bin wohl der Einzige, der den Systemton (wie ich ihn nennen) im Jazz auf die Systemtonika setzt...
 
Zum LCP sehe ich nur bereits von mir gesagtes wiederholt und keinerlei neue Erkenntnisse. Dafür so viel Verteidigung um etwas, dass nicht angegriffen wurde, was bei mir einen komischen Beigeschmack hinterlässt. :rolleyes: Nicht jede Erwähnung von etwas womit man nichts anfangen kann/will, ist auch gleich als Ablehnung oder gar als Angriff zu werten, so wie auch nicht jedes Kompliment/Bewertung das zu sein scheint was es ist, nicht? ;)

Aber schön das wir darüber "geredet" haben.

gz
offminor
 
Eitel Künstler unter sich... :D:D:D
 
Wie oben angekündigt, habe ich mir jetzt das Buch "Alte Tonarten" von Bernhard Meier (1992), 228 Seiten, Bärenreiter-Verlag angeschaut. Auch über die Transposition von Kirchentonarten finden sich Aussagen.

Folgende Erkenntnisse habe ich hauptsächlich dem Buch entnommen und möchte ich denjenigen nicht vorenthalten, die an der Geschichte der Tonarten interessiert sind:

Seit wann werden Tonartensysteme (z.B. Kirchentonarten) in der Instrumentalmusik dokumentiert?

Im Gegensatz zur Vokalmusik offenbar erst seit dem 16. Jahrhundert. Vorher notierte man bei Instrumentalmusik z.B. nur: komponiert "in re".

Im 16. Jahrhundert veränderten sich die Tonartensysteme aufgrund der aufstrebenden Instrumentalmusik. Die Modi wurden meist mit Ordnungszahlen versehen 1., 2.. 3. Modus usw.) Traditionell gab es acht Modi, die mit den uns geläufigen Kirchentonarten nicht direkt zu vergleichen sind.

Aus der Praxis des liturgischen Gesangs lassen sich acht Modi herleiten, die man als "kirchlich-abendländisches System" bezeichnen kann. Außer diesem existiert noch ein zweites "pseudoklassisches System", dessen Ursprung spekulativer Natur ist. Es handelt sich um ein System, das jetzt Oktavskalen definiert, aus mißverstandener antiker Theorie. In der Praxis umfasste der Tonraum (Ambitus) meist eine None und konnte auch durch "Lizenzen" um bis zu drei Tönen erweitert werden. Je nachdem, ob ein authentischer oder plagaler Modus verwendet wurde, lag die Finalis fast am unteren Ende des Tonraums oder eher in der Mitte.

Das "pseudoklassisches System" hat Anfang des 14. Jahrhunderts zuerst in Italien ausschließlich Geltung erlangt, nördlich der Alpen fand es erst im 16. Jahrhundert Verbreitung.

1547 bezeichnete der musikalisch interessierte Humanist Heinrich Loriti Glareanus zwölf Modi, in welchen sechs der uns geläufigen "Kirchentonarten" enthalten sind (lokrisch nicht), daneben noch hypodorisch, hypophrygisch, hypolydisch, hypomixolydisch, hypoäolisch und hypoionisch. In diesem Jahr erschien sein Werk "Dodekachordon", das von 1519-1539 entstand. Er deutete die Modi rein skalar.

Die rein skalare Auffassung ist übertrieben:

Der Tonraum der Oktave wird, je nach Modus, oft überschritten oder nur selten ausgeschöpft.
Im lydischen und hypolydischen Modus (beide mit h) wird auf das b (dt. Schreibweise) nicht verzichtet.

Seit 1571 existiert noch ein "Spät-Zarlinisches System", in dem fast alle zwölf Modi einen Ton nach unten transponiert wurden (z.B. dorisch-Finalis jetzt c), die restlichen anders bezeichnet wurden (ionisch- und hypoionisch-Finalis jetzt g).

Nun zum ursprünglichen Thema der Transposition der Modi:

Hier erwähnt Bernhard Meier im Kapitel "Modi und Mehrstimmigkeit", daß bestimmte Transpositionen "oft" oder nur "selten" vorkamen. Ausgehend von acht Modi (acht oder zwölf war damals eine offene Frage), macht er zu den Häufigkeiten folgende Angaben (Zitate in Anführungszeichen):

1. Modus re: "oft" eine Quart höher (b-molle vorgezeichnet) --> Finalis g
3. Modus mi: "selten" eine Quart höher (b vorgezeichnet) --> Finalis a
5. Modus fa: versetzt auf die Finalis c, jetzt ohne b-Vorzeichnung --> Finalis c
7. Modus sol: "selten" eine Quint tiefer, b vorgezeichnet --> Finalis c

Die plagalen Modi habe ich der Einfachheit halber weggelassen.

Fazit: Die Handhabung der Modi war v.a. im 16. Jahrhundert recht komplex, eine Transponierbarkeit kam auf ganz bestimmte Weise vor. Im Beispiel des Modus re (hier: dorisch) kam häufig eine Transponierung eine Quinte höher vor.
Der obige Einwand von LordAbstellhaken ist korrekt.

Gruß
Klaus
 
Eben daran erkennt man wieder "wieviel" Kirchentonarten eigentlich sind.
Es sind eben nicht nur einfache Skalen die man als Improvisationsmaterial verwendet, sondern bringen eine komplexe Geschichte mit sich.
 
Hoho, hier hat sich ja einiges getan, erstmal danke für eure Antworten. Da im März nach einer Virusinfektion mein komplettes System erneuert wurde, hatte ich leider die Verbindung zu diesem Forum total verloren. Jetzt hab ich erstmal einiges zu lesen.
 

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