Klebemorino?

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Dagbert
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Hallo zusammen:
Was ist da dran? Sind das Einzelfälle? Ich habe eine Morino VN probegespielt, Originalzustand, graue Filze, lt. Verkäufer BJ ca. 1980. Seriennummer habe ich nicht gefunden, auf der Stirnseite sind 2 Schrauben um Notenhalter zu montieren, weiße Tasten, kein Balgschoner.
Wenn das jetzt über 30 Jahre gehalten hat, dann kann das doch nicht so schlecht sein, oder?
Ein Ton sprach nicht an, ist das eher eine Bagatelle, oder steckt da etwas dahinter was man vor Kauf ( ca. 3000 €) recherchieren
sollte.
Gruß Dag
 
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Was ist da dran? Sind das Einzelfälle

Hallo Dag,

erstmal herzlich willkommen "on board"!

Du sprichst mehrere Dinge an - dann mal der Reihe nach:

Die sogenannten "Klebemorinos" waren nicht nur Klebemorinos, sondern auch Klebeatlantiks, Klebebugaris, Klebescandallis und wie sie alle heißen. Und das kommt daher, dass man Ende der 60-er, anfangs der 70-er sich die Sache vereinfachen wollte und selbstklebende Filze einsetzte. Leider trocknete dieser Kleber nie aus, und sickerte im Lauf der Jahre durch den Filz durch und fing an auch den Filz auf die Planfüllung kleben zu wollen. Das ist der Hintergrund dieser "Klebeakkordeons" . Das betrifft nun nicht nur die Morino, oder Hohner, sondern die Teile wurden querbeet durch die gesamte Akkordeonindustrie verwendet. Das kann dir also mit praktisch jedem Akkordeon aus den 70-ern passieren. Gegen Ende der 70-er wußte man dann allerdings schon, dass man sich da einen Bärendienst angetan hatte und hat wieder auf ganz normale geklebte Filz umgestellt. Damit war für neue Instrumente das Thema gegessen.

Man kann die Klebefilze beseitigen lassen. Das wurde auch bei sehr vielen Instrumenten schon durch geführt. Jede Fachwerkstatt kann dies machen. (Kostenpunkt für ein 5-chöriges Cassotto-Instrument ca. 300 bis 400 Euro)

Wenn deine angesprochene Morino Baujahr ´80 ist, dann hat die sehr wahrscheinlich schon wieder normale Filze drauf und das Thema ist kein Thema.

Eine "Seriennummer" gibt es in dem Sinne nicht. Nur eine "Anschlagnummer" Die befindet sich bei Hohnerinstrumenten in aller Regel auf der Rückseite unten am Bassteil, oder in der Gegend der unteren Riemenbefestigung. Mit der Nummer alleine kann man noch gar nichts anfangen, da es stets mehrere Nummernkreise gab. Aber man kann mit der Nummer bei Hohner beim Service gegen ein Entgelt das Auslieferungsdatum nachfragen.

Ein Ton sprach nicht an, ist das eher eine Bagatelle, oder steckt da etwas dahinter was man vor Kauf ( ca. 3000 €) recherchieren
sollte.

Dass mal ein Ton nicht anspricht - das kann immer mal vorkommen. In den allermeisten Fällen steckt nur ein Brösel oder Fussel in der Stimmzunge und blockiert die dann. Kann auch sein, dass sich die Stimmzunge ein bischen gelegt hat und nun im Moment grad nicht mehr ansprechen will. Das sind keine großen Aktionen, aber wenn du dir nicht sicher bist, wie und wo man das was macht, dann solltest du das in einer Fachwerkstatt nachschauen lassen. Das ist meist in weniger als 15 Minuten erledigt. (inclusive zerlegen und wieder zusamenbauen!)

Wenn das jetzt über 30 Jahre gehalten hat, dann kann das doch nicht so schlecht sein, oder?

Kann man pauschal nicht sagen... Das Wachs, mit dem die Stimmplatten auf die Stimmstöcke aufgewachst werden, wird irgendwann mal hart und rissig und muss dann ausgewechselt werden. Auch die Ventile, die auf den Stimmplatten drauf sind halten irgendwann mal micht mehr, weil der Kleber hart und spröde geworden ist. Dann müssen alle Stimmplatten runter, gesäubert werden, mit neuen Ventilen versehen und wieder aufgewachst werden .( Plus anschließend nachstimmen) . Das ist dann schon ein großer Kostenpunkt (für ein 5-chöroges Intrument ca. 1500;-- Euro)

Aber nach meiner Erfahrung dürfte das noch kein Problem sein. Das Wachs das Hohner immer verwendete, hält nach meiner Erfahrung recht lange. Meine Morino VN war auch Baujahr 80. Da war das Wachs noch einwandfrei und die Ventile hielten noch hervorragend. Und werden dies vermutlich auch noch ne ganze Weile tun. Selbst bei meiner Morino VIM (Baujahr 57) war das Wachs und die Ventile noch in Ordnung, wenn auch allerdings an der Grenze.

Also von daher würde ich mir an deiner Stelle noch keine Gedanken machen, wenn das Wachs am Übergang zu den Stimmplatten noch nicht rissig oder bröselig ist und keine Ventile im Innern rumfliegen, dann wird das Instrument noch einige Jahre problemlos funktionieren.

Gruß, maxito
 
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Hallo Maxito,

vielen Dank für Deine schnelle, ausführliche, kompetente Antwort, super!!

Auf das Wachs habe ich noch gar nicht geachtet. Der Balg zieht etwas Fremdluft. Ist das ein Hinweis auf bröseliges Wachs?


Gruß Dag

PS: bei meiner Imperator V waren die Dichtungen nicht mit Filz sondern mit Schaumstoff hinterlegt. Ist auch nicht der Bringer. Der Schaumstoff wurde recht schnell spröde und die spaltete sich...
 
Der Balg zieht etwas Fremdluft. Ist das ein Hinweis auf bröseliges Wachs?

das sicher nicht! Das Wachs dichtet und befestigt im Innern des Instruments - nicht nach außen! (Und wie altes Wachs aussieht kann man auf dem beigefügten Bild sehen.)

Dass der "Balg dicht" ist, liest man oft, meint aber eigentlich, dass alle Dichtungen nach außen gut dichten: Also der Balg an sich , die Balgdichtung im Rahmen, die Beläge der Tonklappen, die Registerdurchführungen...Meist leigt die Ursache in den Klappenbelägen, dass die nicht perfekt ausgerichtet sind. Und wirklich gaaaanz dicht ist kein Akko. Wenn man ne Weile sitzt und nix macht, dann geht der Balg immer etwas von selber auf - bei jedem Akkordeon! Undicht bedeutet, dass man irgendwo einen Luftzug spürt, wenn man den geöffneten Balg mit mäßiger Kraft zusammendrückt, ohne eine Taste zu betätigen.

Von daher waren die Klebefilze schon nicht schlecht... Da die den Belag richtig auf die Planfüllung klebten, lagen die schon richtig gut an:D... nur konnte man so halt nicht mehr richtig spielen.:eek: Es macht ja wirklich keinen Spaß, wenn der Ton jedesmal mit einem deutlichen "Plopp" einsetzte. Mal ganz abgesehen davon, dass man so nicht mal ansatzweise ein nuanciertes Spiel erreichen konnte. Dann schon lieber ein nicht ganz sooo dichtes Gerät!

Klebefilze kann man übrigens nicht so einfach per Blick erkennen - die sehen erstmal genau so aus, wie alle andern, nur kleben sie halt nach ner Weile auf die Planfüllung. Sobald man die erstmal betätigt hat gehts meist ne Weile wieder gut. Man könnte nun meinen, ja dann reichts ja, wenn ich vor dem Spielen alle Tasten mal kurze betätige und dann ist gut....Wäre - wenn man denn alle Tasten auch gleichmäßig und ständig benutzen würde. Normalerweise ist das aber nciht der Fall und so kommen während des Spiels immer wieder mal ein paar seltener betätigte Tasten mit einem "Plopp" ins Spiel...nicht so der Bringer! Abhilfe bringt nur, die Beläge wechseln zulassen und die Planfüllung von Kleberresten zu säubern.

Die Schaumstoffbeläge der Atlantik oder auch der Imperator waren auch ein Versuch, Neuerungen und Verbesserungen einzuführen, die sich auf lange Zeit gesehen nicht bewährten. (übrigens ganz ohne "kleben" - die haben sich irgendwann einfach aufgelöst und sind zu Krümel zerfallen!:redface:)
Da darf man nun aber nicht drüber schimpfen - Wenn man was verbessern will, muss man auch mal neue Wege gehen und neues ausprobieren. Und die Schaumstoffbeläge haben ja auch locker 20 Jahre gehalten und sehr gut funktioniert - da kann man eigentlich nicht meckern. Dass nach 30, 40 , 50 Jahren mal was gemacht werden muss - nu ja! ... Welches Gerät hält denn überhaupt solange ohne Wartung?


In diesem Sinne,
Gruß, maxito
 

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ich habe zwei N-Morinos, eine IV und eine V. Beides Instrumente aus den ersten Serien von 1966. Die V klebt gar nicht, der Vorbesitzer hat mir versichert, dass er an dem Instrument nie auch nur irgendetwas hat machen lassen, also keine Stimmung und auch kein Wachs oder Ventile. die ist noch komplett mit Leder ventiliert, Ich spiele sie so wie sie ist, man könnte daran einiges machen, das erscheint mir aber (noch) nicht notwendig.

Bei der IV kleben im Diskant ein wenig die ~10 mittleren Tasten so um das c" herum. Die kleben aber nicht starkt und mit einmal die Tasten hoch und wieder runter ist das Thema für den Spielbetrieb gegessen.
Auch dieses Instrument wurde noch nicht generalüberholt und ich sehe auch bei dieser Kiste noch keine Notwendigkeit. Allein an den picolos in der oberen Oktav hat mal jemand recht erfolglos rumgefummel, die laufen nicht vernünftig.
Das ist für mich mittlerweile das Instrument fürs 'grobe' geworden. Die ist mehr als ein Kilo leichter als die späteren Modelle mit den weissen Tasten, die Tastatur läuft richtig gut, das ist dann alles später wieder ein wenig schlechter geworden.
An den verwendeten Hölzern sieht man, dass das Instrument in Italien gebaut wurde, in Trossingen wurde dann aber innen noch eine Holzleiste aus einheimischen Hölzern angebracht, um die 'Gardinenstange' anzubringen. (danke an maxito, dem das aufgefallen ist)

Für mich sind die Instrumente aus diesen Baureihen so etwas wie die Krönung der MorinoBaukunst.

Grüße
morigol
 
Hallo,

Obwohl der Faden ist schon älter, der Inhalt ist immer aktuell. Ich füge zwei Fotos eines Instruments mit den mit Pulver "behandelten" Klebe-Filzen bei:
(Quelle: https://www.accordionists.co.uk/viewtopic.php?t=6765)
Klebemorino I.jpg

Klebemorino II.jpg

Und jetzt ein Inserat mit einem Satz: "…Alle Bass und Diskantklappen pudern und prüfen…".
(Quelle: https://www.willhaben.at/iad/kaufen-und-verkaufen/d/neuer-preis-hohner-morino-vi-n-185-akkordeon-super-zustand-spielbereit-m-komplettem-service-2017-mit-original-koffer-und-gurt-tastenakkordeon-harmonika-288738427/ )
Inserat I.jpg

Inserat II.jpg

Verstehe ich das gut auf Deutsch? Die "Klappen" (hmm, Filzen?) sollten doch nicht gepudert werden, sondern ausgetauscht. Oder? :nix:

Herzliche Grüße aus der Slowakei wünscht Vladimir
 
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Die "Klappen" (hmm, Filzen?) sollten doch nicht gepudert werden, sondern ausgetauscht. Oder? :nix:
Das ist nur konsequent, da kommen zu den Klebefilzen dann auch noch Klebe-Ventile:D
Und das wäre noch nicht das schlimmste, sondern die Möglichkeiten, wo sich Puderreste bzw. Puderreste verbunden mit anderen Materialien ansammeln können. Viel Spaß dabei, die Puderreste aus dem Spalt zwischen Zunge und Platte zu angeln...:ugly:

Sachen gibt's...

Gruß, Tobias
 
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Verstehe ich das gut auf Deutsch? Die "Klappen" (hmm, Filzen?) sollten doch nicht gepudert werden, sondern ausgetauscht. Oder?

Radio Eriwan würde sagen: im Prinzip ja...

Es kommt drauf an, was man wie lange beseitigen will:

Will ich nur jetzt und für kurze Zeit das Problem beseitigen, dann kann ich klar die Klappen bepudern... versaut zwar unter Umständen auch das Instrument..., aber für ne gewisse Zeit kleben die Filze nicht mehr.... nach einer gewissen Zeit aber saugt sich der Puder mit dem Klebstoff voll und alles klebt wieder - allerdings jetzt zusätzlich mit schönem Pudermatsch.

Das ist ja das Problem der Klebenfilze - dass der Klebstoff von seiner Stelle wo er gewollt war, ungefragt auch an andere Stellen durchgesaugt hat , wo er denn letztenendes stört und klebt, wo nix zu kleben ist - also an der Dichtstelle der Klappen. Und wenn ich jetzt diesen klebrigen Filz mit Puder bestreue dann ist es nur eine Frage der Zeit bis der Klebstoff auch durch den Puder wieder durch ist und alles wieder klebt.


-> Drum hilft langfristig alles nichts, außer alte Klappenbeläge und Filze rausmachen Planfüllung reinigen und neue Klappenbeläge drauf.
 
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Guten Tag,
Die vorgenannte englische Seite besagt, dass der falsche Klebstoff nur vermutlich drei Monate verwendet wurde. Also von der Vielzahl der produzierten Instrumente ist nur ein kleiner Bruchteil betroffen. Diese sind aber jedoch wahrscheinlich häufiger in Online-Basaren zu finden. Und gerade hier liegt das Risiko für die Käufer.
Gruß, Vladimir
 
Der Stimmer scheint ein Österreicher zu sein und die "pudern" halt gerne. :D :D :D
 
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Da hilft nix, außer die Klappen ersetzen und die Planfüllung reinigen. Meine N hatte das ein wenig bei 11 weissen Tasten und nur im Diskant.
Als ich die kaufte, habe ich vom Kaufpreis die Reparaturkosten gleich abziehen können.
Habe das Instrument dann komplett neu belegen lassen.

Mit Puder habe ich auch mal bei klebenden Balgfalten experimentiert. Ergebnis: taugt nix. Auch da war es nur zielführend, die Klebenden Stellen gründlich zu reinigen. Wobei, es immer wieder klebt, wenn das Instrument längere Zeit steht.
Ich vermute, dass die Kalikostreifen mit einem ungeeigneten Kleber geklebt wurden.
 
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