"Komplexere Songs" schreiben?

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wallabie
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Hallo,

ich werfe eine Frage in den Raum. Ich komponiere die meisten meiner Songs "im Kopf", bedeutet, mir fällt eine Melodie ein, meistens auch gleichzeitig ein Text und arbeite dies danach am Klavier aus.

Nur ist es doch so, dass die meisten Lieder, die ich auf diese Art mache, in einer einfachen Kadenz enden bzw. zB in einem G-Em-C-D in allen Variationen. Die Bridge "konstruiere" ich mir daraufhin meistens mit anderen Akkorden um diese vom Song abzuheben.

Komplexere Songs mache ich meistens "nach Vorbild", also ich schaue wie dieser und jener den Song macht. Wenn dann zB die Akkorde, in der Reihenfolge C.Gis-F-Fm; Dm-Am-B-G vorkommen, und eine total interessante Melodie dargeboten wird, flippe ich schon fast aus und frage mich immer:"Wie kommt man auf so etwas?". (war nur ein Beispiel).

"Konstruiert" man Songs dann quasi am "Reißbrett" nach? In meinem Beipiel fand ich cool, dass F-G-Gis-A-B (H später auch) in einem Song vorkommen.So etwas würde mir mein Kopf nicht erzählen...

Hat da jemand Erfahrungen gemacht, oder startet ihr da gleich mit anderen Akkordabfolgen, zu der ihr euch dann Melodien sucht?
 
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Hat da jemand Erfahrungen gemacht, oder startet ihr da gleich mit anderen Akkordabfolgen, zu der ihr euch dann Melodien sucht?

Ich habe da Erfahrungen, weil ich einige Songs komponiert habe, die im Umfeld von Theatermusik/Chanson teils als Auftragswerke, teils aus eigenem Antrieb entstanden. In jedem Fall habe ich versucht, die ganz einfachen Strukturen zu vermeiden, um die Songs aussagekräftig, nicht beliebig und charakterstark zu machen. Jeder Stil hat da aber seine Gesetze, Hörgewohnheiten und Regeln - wenn du Pop oder Deutschen Schlager schreibst, gelten andere Regeln als in meinem Fall.

Zur Harmonik:
Ideen habe ich immer bei Jazz-Standards und bei guten Popsongs der 50er-80er gefunden. Vor allem Zwischendominanten, Tritonusverwandtschaften und II-V-I-Verbindungen in entfernte Tonarten können einen Song harmonisch so formen, dass er originell und trotzdem leicht verständlich klingt. Ein Beispiel für eine Strophe, 4/4 bei Tempo ca.80: Em(add2) | Fmaj7 | Cmaj9 Dm7 | Esus4 E | Bb/D Ebm9 Ab9 | Db | Gm7(b5) C7 | F7sus4 F7 || Bbmaj7... und schon sind wir in einer harmonisch ganz anderen Welt als am Anfang.

Zur Melodik:
Eine gute Melodie schreibt man meiner Erfahrung nach, wenn man sensibel für die Dramatik von Tonabständen ist. Unterschiedliche Intervalle haben unterschiedliche dramatische Qualitäten. Und ihre Qualitäten kann man unterstreichen oder relativieren, indem man sie an eine bestimmte Taktposition oder in einem bestimmten Verhältnis zum unterliegenden Akkord und zum Text setzt. Das ist der Kern guten Songwritings. Das Ziel sollte sein, die Kernaussage des Textes mit Tönen zu unterlegen, die eingängig und charaktieristisch sind - das ist dann eine Hookline. Große Intervalle vermitteln mehr Dramatik, kleinere weniger. Dissonante Intervalle erregen mehr Aufmerksamkeit, konsonante weniger.


Um komplexere Songs zu schreiben, musst du dich möglicherweise von Grenzen befreien, die du dir durch deine Hörgewohnheiten selbst gesteckt hast. Z.B. nur leitereigene Akkorde zu verwenden, oder Akkorde nur auf 1 und 3 im Takt zu wechseln. Versuch doch mal, deine Gewohnheiten herauszufinden und schreib dann mal was, was genau gegen deine bisherigen Gewohnheiten geht.

Harald
 
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Versuch doch einfach, dich musikalisch etwas breiter aufzustellen mehr komplizierte Musik zu hören und dann dem gehörten Material mit etwas harmonischem Grundverständnis zu Leibe zu rücken. Je eingehender du dich mit komplizierter Harmonik beschäftigst, desto selbstverständlicher wird sie auch und während es am Anfang durchaus so sein kann und es auch keine Schande ist (!), sich da mal woanders inspirieren zu lassen, kommen dir solche Verbindungen dann nachher genau so selbstverständlich vor, wie die schnöde VI-I-V-IV jetzt. ;)
 
Diese "einfachen Kadenzen" erscheinen Dir auch deswegen "einfach", weil Du sie 10.000 Mal und mehr gehört hast und sie deswegen völlig in Deiner Hörerfahrung gespeichert und integriert sind. Sie gehören zu Deinem musikalischen "Wortschatz".

Damit andere, extravagantere und weniger oft gebrauchte (und gehörte) Harmoniefolgen sich ebenso tief in Deiner Hörerfahrung verankern, braucht es nur eines: Sie genauso oft zu hören (und sich mental mit ihnen zu beschäftigen, sie also AKTIV zu hören), wie die "einfachen" Kadenzen.

LG - Thomas
 
Ja, turko spricht hier die wichtigen Punkte an.

Willst du komplexere Songs, dann brauchst du primär komplexere Formen und komplexere Harmonik. Sich das anzueignen ist relativ einfach. Man muss sich eben genau die Musik anhören und analysieren, die anders ist, als das, was du schon zur Genüge kennst. Also komplexere Jazzharmonik, Progressive Metal/Rock/etc. und spätromantische Harmonik. Analysiere doch mal ein einfacheres spätromantisches Stück wie "Solveigs Lied" aus Edvard Griegs Bühnenmusik zu Peer Gynt. Oder seine Violinsonate in F-Dur. Du wirst dort eine Harmonik finden, die anders ist, als die, die du beschrieben hast. Vielleicht nützt sie dir auch was.
 
Also Ich kann dir einen Tipp geben, der mir wahnsinnig viel geholfen hat: Hör dir Jazz und Jazz-verwandte Lieder an. Am besten setzt du dich dann ans klavier und checkst mal die Musiktheorie, vor allem die Chord Progressions dahinter aus. Da findest du extrem interessantes Zeug, was du für alle Genres verwenden kannst, das versprech ich dir;) Sind haufenweise Ideen dabei, die du auf alle möglichen Songs übertragen kannst. Beispiele sind z.B. wie oben erwähnt: Tritonussubstitutionen, Doppel- und Zwischendominanten, Modulationen (z.B. Mediantenmodulationen oder Subdominante oder Dominante). Am aller effektivsten ist, das du dich auf Schlüsseltöne spezialisiert (meist Grundton und Terz) und die Akkorde drum rum baust. Substitutionen sind einfach total wirksam.
Dennoch kann man auch ohne große Jazz Wendungen einen Song komplex machen. z.B. durch Intrumentierungen, und ganz besonders Rhythmik: Ungerade Taktarten, viele Synkopen, und Vermischung von ternären und binären Riffs ;)
Aber lass dich von deinem Bauchgefühl leiten. Wenn du einen Song komplexer machen willst, dann findest du nach einiger Zeit ganz bestimmt einen Weg
 
ein weiterer weg kann sein, dass du dir ein instrument nimmst, welches du nicht spielen kannst und darauf versuchst zu spielen. oder das instrument, welches du schon beherrschst, mal auf einen anderen weg versuchst zu spielen. hilft mir oft. in letzter zeit nehme ich snippets auf, bei denen ich gar nicht weiß welchena akkord, harmonie etc. ich spiele. solange ich dabei gänsehaut bekomme passt es. viel spaß.
 
Es ist auch möglich von einfachen Kadenzen ausgehend, Parallel- und Gegenklänge sowie hinzugefügte Dissonanzen zu nutzen, um in andere Sphären zu gleiten.
So kann man aus deinem Beispiel G-em-C-D auch Folgendes machen:

Gmaj7-em7-am7-D7/9 oder aber Gmaj7-hm-C6-D9 oder G-Gmaj7-C6-hm alles abgeleitet von deinem G-em-C-D


G = Tonika --- em = Tonikaparallele --- C = Subdominante --- D = Dominante
(in der Tonart G Dur)
 

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