Kraft vs. Kontrolle

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Durch den Thread von @mathiasbx bin ich wieder auf dieses Thema gekommen.

Sobald ich mit den technischen Aspekten des Spielens beschäftige und etwas tiefer einsteige, mache ich mir bewusst, wo meine persönlichen Baustellen liegen.

Nachdem ich ziemlich viel Zeit mit Troy Gradys CTC Theorien (Pickslanting Primer) verbracht habe, konnte ich meine Pickingtechnik ein gutes Stück nach vorne bringen. Bestimmte Bewegungen bewusst einzusetzen, statt einfach nach dem "trial and error"- Prinzip vorzugehen (aka. versuche jeden Ton anzuschlagen und erhöhe sukzessiv das Tempo), hat mich da echt weitergebracht.

Für die Greifhand gibt es ähnliche Ansätze der Bestandsaufnahme möglicher Bewegungsmuster. Der Begriff "Efficient Digital Cycles" (zu Deutsch in etwa: Effiziente Finger/Griff Muster) etabliert sich bei mir momentan.

Es treibt mich gerade um, da ich mehr und mehr feststelle, dass meine Linke der Rechten ab einer bestimmten Geschwindigkeit einfach nicht mehr folgen will. Rhetorische Frage: Wie stelle ich das ab?

Der o.g. "beginne langsam"-Ansatz ist dabei ähnlich hilfreich wie bei "schlage jeden Ton an". Der Bewegungsablauf ist bei schnellem Spiel einfach anders.

Ich werde versuchen, bestimmte Fingersätze für ausgewählte musikalische Situationen anzuwenden und so eine Art Katalog in meinem Gedächtnis anzulegen. So verstehe ich zumindest den Ansatz von EDCs.

Das bringt mich jetzt zum eigentlichen Inhalt: Kraft vs. Kontrolle. (Kontrolle soll hier im Sinne von "Steuerung" verstanden sein)

Wenn ich eine bestimmte Geschwindigkeit erreiche, muss ich die Kraft in der Greifhand verringern, also "lockerer" spielen. Das bringt es mit sich, dass auch die Kontrolle über die Bewegung nachlässt. Manche Bewegungen "geschehen" einfach unkontrolliert, entziehen sich also der bewussten Steuerung.

Das Bestreben, das zu verhindern führt dann wieder zum Einsatz von mehr Kraft, was einer schnellen Ausführung entgegensteht. Das ist die Falle, in der ich momentan stecke.

Und das ist wiederum der Grund, warum ich jetzt wieder in den "trial and error"- Modus zurückfalle und manchmal stumpf minutenlang kurze Bursts übe, also kurze Phrasen von 4 oder 6 Tönen im Wechsel zwischen 8tel und 16tel bei laufendem Metronom. Allerdings mit bewusstem Einsatz bestimmter "Fingermuster" über alle Saiten!

Ich fürchte, das ist einfach eine Fleißaufgabe...
 
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Mehr Kraft mit den Griffeln einzusetzen als nötig ist, wie du ja auch festgestellt hast, ein Hinderniss und Übungen wie man den Krafteinsatz reduziert sind dir sicher bekannt. Trotzdem wollen die Fingermuckis vor dem Spielen etwas "aufgewärmt" werden, dazu nutze ich Routinen von Bernd Kilz oder Steve Stine. Zwei Minuten sollte man dafür mMn. immer aufwenden, auch mal zwischendurch, nach ner kurzen Pause. Pause ist auch ein Stichwort- aber das weißt du sicher.
Übungen wie man die Finger mit möglichst weng Kraft einsetzt kann man danach natürlich auch machen.

Wenn ich eine bestimmte Geschwindigkeit erreiche, muss ich die Kraft in der Greifhand verringern, also "lockerer" spielen. Das bringt es mit sich, dass auch die Kontrolle über die Bewegung nachlässt.
Wenn man die Finger noch bewußt kontrollieren muss sind die Bewegungsabläufe noch nicht im Muskelgedächtnis abgespeichert. Also muss man da ansetzen. Eine Methode dafür*- man übt kurze Passagen aus Soli (zum langsamen Metronom) so lange bis sie ganz locker sieben mal hintereinander ohne Fehler gespielt werden können. Dabei ist es sinnvoll immer die Eins des nächsten Abschnitts als letzten Ton zu spielen.
Die Burst-Technik macht vorher imho keinen Sinn, erst muss die Kontrolle der Finger szs. unbewusst erfolgen.
* eine andere (imho völlig unterschätzte) Methode die man zusätzlich nutzen kann ist Visualisierung, also mit geschlossenen Augen die Abläufe zu spielen. Wie Bob- oder Formel 1-Fahrer vor einen Rennen


Nichtdestotrotz sehe ich selbst die "schneller werden"-Problematik inzwischen ganz entspannt. Ich bin seit über 30 Jahren keine 20 mehr und habe mich damit abgefunden kein Jeff Loomis mehr zu werden :) Es gibt natürlich immer noch Soli von den Heros die ich mir draufschaffen will, aber es gibt mehr als genug davon die ich nie schaffen werde, auch mit den o.g. Methoden nicht. Hab' halt auch nicht wie die Pros acht Stunden täglich Zeit dafür und Geschwindigkeit ist nicht die einzige Möglichkeit ein Solo interessant zu machen. Speedruns in kleinen Dosen (3NPS) kombiniert mit langsameren melodischen Parts finde ich eh' immer schon spannender. Und so geht's den Nichtgitarrespielern meistens auch.
 
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Wenn man die Finger noch bewußt kontrollieren muss sind die Bewegungsabläufe noch nicht im Muskelgedächtnis abgespeichert. Also muss man da ansetzen.

Das ist, denke ich, genau der Punkt. Die neuen Fingersätze müssen sich erstmal verankern. Ich folge bisher immer der "one finger per fret" Lehre, benutze also z.B. in A-Moll (E-Saite 5-7-8) auch den Fingersatz 1-3-4. Ab der D-Saite wird eine leichte Streckung zwischen 3-4 nötig. Oder ein Wechsel auf 1-2-4, was eigentlich besser funktioniert, aber ein Wechsel innerhalb des Laufs ist (1-3-4 > 1-2-4). Ein Stolperstein!

Jetzt spiele ich das selbe A-Moll in 3NPS mit dem Fingersatz 1-2-3 (und 1-2-4) um einerseits die Folge 3-4 zu vermeiden, die es gefühlt langsam macht und andererseits den besagten Wechsel zu umschiffen.

Momentan lerne ich also faktisch eine neue Bewegung, die es in sich aber effizienter macht. Darauf komme ich aber nur, indem ich mich aktiv damit auseinander setze.

Ich werde mir jetzt immer mehr Aspekte meines Spiels ansehen und versuchen, den Autopiloten auszuschalten und wo nötig nochmal neu anzusetzen.

Das mit der Visualisierung finde ich auch interessant. Hat ja fast schon was von Meditation. Das werde ich auch mal probieren, guter Tipp!
 
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Das mit der Visualisierung finde ich auch interessant. Hat ja fast schon was von Meditation. Das werde ich auch mal probieren, guter Tipp!
Habe ich aus einem Interview mit einem klassischen Gitarristen aus dem TV.
 
Der o.g. "beginne langsam"-Ansatz ist dabei ähnlich hilfreich wie bei "schlage jeden Ton an". Der Bewegungsablauf ist bei schnellem Spiel einfach anders.
Dann gibt es da unter Umständen ein Problem beim Verständnis des "langsam üben". Und zwar heißt das eben nicht, dass man alle Bewegungen langsamer ausführt. Du machst dabei eben den Bewegungsablauf wie er auch schnell sein soll, nur eben mit Pausen dazwischen. Ein Beispiel dafür ist zum Beispiel die Transition zwischen zwei Noten. Die sollte so dabei so kurz, schnell und präzise wie möglich sein, egal ob man bei 100bpm 4tel oder 16tel spielt. Das gilt dann auch z.B. für das Verschieben eines Fingers, ohne dass man irgendeine Art von Slide hört, oder Sprünge über mehrere Bünde, String Skipping usw. usw. Man erhöht nur die "Pause" zwischen den gespielten Noten (lässt die also länger klingen), nicht aber alles was dazu gehört, von einem Ton zum nächsten zu kommen.
Das langsame Grundtempo hilft dabei, sich im Kopf darauf vorzubereiten, was gleich wichtig wird. Ebenso bei Vorbereitung auf den nächsten Ton, also wie man die Finger vorausschauend positioniert, das man sauber und schnell auch die bereits gespielten Finger wieder von der Saite bekommt.
Beim Pick Anschlag spielt das dann auch eine Rolle, es schleicht sich ja gerne bei extrem langsamen Tempo ein, die Pick Bewegung größer zu machen, langsamer durch die Saite zu gehen usw. Beim langsamen Training für schnelles Spiel macht man aber auch die Pick Bewegung so schnell und präzise wie möglich.
 
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Ein guter Gedanke! Beim Picking funktioniert das aber meiner Meinung nach nicht. Klar, wenn ich eine neue Bewegung etablieren will, muss ich sie erstmal verinnerlichen. Zum Beispiel das Anstellen des Picks in verschiedene Richtungen (Pickslanting) bei Saitenwechseln übertreibe ich anfangs gerne bewusst, wenn ich ein neues Lick übe. Das passiert dann auch relativ langsam.

Wenn ich das Ding aber schneller spielen will, kann ich es nicht langsam üben. Troy Grady zieht gerne den Vergleich zum Laufen. Wenn man für einen Sprint trainieren will, nützt es nur sehr wenig, langsam zu gehen. Die Bewegungsmuster sind einfach unterschiedlich.

Voraussetzung ist natürlich, dass man den aufrechten Gang bereits beherrscht. Das Eine setzt das Andere voraus.
 
Ein guter Gedanke! Beim Picking funktioniert das aber meiner Meinung nach nicht.
Hmm, doch eigentlich schon, man sollte in der Lage sein, jeden Anschlag so schnell und kontrolliert wie möglich und nötig zu machen, egal welche BPM Zahl da gerade steht. Ich weiß nicht ob dass in dem von dir erwähnten Kurs von Troy Grady thematisiert wird, aber ich kenne da eine Übung für. Und zwar stoppt man sofort den angeschlagenen Ton wieder mit dem Pick ab. Dabei auf keinen Fall schummeln, indem man den Finger hoch nimmt oder mit der Pick Hand stoppt, sondern ausschließlich mit dem Pick. Anschlag->Abstoppen->Ruhen lassen. Und zwar so, dass es dabei noch halbwegs sauber klingt.
Eine gute Übung für die linke Hand die ich sehr gerne mache ist, alles ausschließlich mit Hammer Ons zu spielen und zwar auch so, dass keine Lücken oder abgestorbenen Töne entstehen. Das klingt bei 1-2-3-4 Fingersatz jetzt erstmal einfach, wird aber bei interessant, wenn man es durch alle Fingersätze durch macht.

Wenn ich das Ding aber schneller spielen will, kann ich es nicht langsam üben. Troy Grady zieht gerne den Vergleich zum Laufen. Wenn man für einen Sprint trainieren will, nützt es nur sehr wenig, langsam zu gehen. Die Bewegungsmuster sind einfach unterschiedlich.
Da gibt es durchaus unterschiedliche Ansätze und ich möchte vorweg sagen, dass ich da keinen Anspruch auf Absolutheit oder so erheben möchte und möchte da auch niemandem zu nahe treten. Ich finde nur manche Sportvergleiche etwas schwierig wenn es um die Gitarre geht. Gerade bei dem Sprint vs. langsam laufen (Marathon) Ding geht es im Sport um komplett andere Muskelbeanspruchung, Aktivierung, Sättigungen und was weiß ich nicht alles. Wenn man sich alleine mal die Physis eines Marathon Läufers gegen einen 100m Sprinter anschaut sieht man, dass die komplett unterschiedlich aufgebaut sind. Müssen sie auch, weil es da um Energieverbrauch und so geht. Natürlich spielt Ausführungstechnik im Sport eine enorm große Rolle. Gitarre spielen hat damit aber nichts zu tun, es geht um schnelle Informationsverarbeitung und die Übersetzung in die Finger und Spieltechnik und das am besten ohne, dass Muskeln dabei zu stark beansprucht werden oder verkrampfen.

Zurück aber zur Gitarre, ich vertrete persönlich die Meinung, dass man eben genau diese Bewegungsmuster auch "langsam" üben kann und das sehr effektiv ist. Langsam ist aber hier eigentlich das falsche Wort, weil man eigentlich nur die Länge der Pausen zwischen den schnellen Ausführungen erhöht. Alles zwischen den Bewegungen ist Pause, egal ob man 4tel oder 16tel spielt. Bei "langsam üben" verstehen viele darunter, dass sie auch irgendwie "getragen" spielen sollen, aber das ist eben meiner Meinung nach eigentlich nicht richtig. Wenn man "schnell", also mit hohen BPM Zahlen übt, dann ist es enorm schwer, Fehler zu korrigieren oder gedanklich die Technik nachzuvollziehen, weil es eben keine Pause zwischen den Ausführungen gibt.

Ich persönlich kann jenseits von 16tel bei 100+ irgendwann nicht mehr wirklich nachvollziehen, ob meine Finger Choreographie auch 100% gestimmt hat, ob mir nicht doch irgendwo der kleine Finger mal wieder ausgerissen ist, ob ich den perfekten Abstand zum Bundstäbchen bei jedem Anschlag hatte, ob meine Pick Bewegung beim String Skipping ineffektiv war. Offensichtliches hört und spürt man, aber die subtilen Unsauberkeiten, die einem irgendwann zum Verhängnis werden bekommt man ja gar nicht wirklich mit. :)
Das ist aber alles nur meine ganz, ganz persönliche Meinung dazu, mein persönlicher Übungsansatz ist: langsam und auf Perfektion + Speed Bursts für Geschwindigkeit, aber vielleicht 75/25 von der Gewichtung her und nicht mehr. Ich wollte das nur als Anregung schreiben. :)
 
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