Lament - das Lied zum Gemälde

Jed
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Hallo,
es scheint sich eine gewisse Melancholie im Subforum breit zu machen, also ...

Es wird oft gefragt, wo man die Ideen für einen Text herbekommt. Bei mir hat dieses Gemälde, das ich bei eine Bourne-Jones-Austellung sah, die Zündende Idee gebracht. Der Rest war, wie immer, Arbeit!

Das Bild zeigt zwei junge Leute, Junge und Mädchen, in antik anmutender Kleidung und Umgebung. Beide schauen tief traurig drein, und das Mädchen hält ein Saiteninstrument auf dem Schoß, als wenn die beiden gerade ein Klagelied - Engl.: "lament" - gesungen hätten und nun in traurige Erinnerungen eingetaucht wären.

Was haben sie wohl gesungen? Es sind junge Menschen, also könnte der Verstorbene ein Elternteil, ein väterlicher oder mütterlicher Freund oder ein geliebter Lehrer sein.

Also schrieb ich dieses Lied. Das Bild stammt aus dem England der 19. Jhdts, also verwendete ich den archäischen Sprachduktus, die bei den Dichtern von damals üblich war und der zum historisierenden Bild passt. Kein bestimmter Mensch stand Modell für meinen Text; daher der Untertitel.

Hier der Text; deutsche Übersetzung darunter:

Lament

for someone I wish I had known

Bright didst thou shine as the morning Sun rising;
Warm as the Sun at the noontide wert thou.
But evening is past, and the dark night hath fallen,
And thou liest cold in the Shadow-land now.

Straight was thy growth like a young forest sapling’s;
Strong thou becamest like the oak in the wood.
But now thou art fallen; thy greenness a memory
Still haunting the place where so long thou hadst stood.

Blithe was thy spirit, that roused us to laughter;
Wise was thy spirit, that taught us to love.
Thy brightness, thy warmth and thy strength and thy straightness
Live on in the spirit of laughter and love.

© John Dallas, 2014

Wörtliche deutsche Übersetzung:

Klagelied
für jemanden, den ich gerne gekannt hätte

Hell schienst Du wie die aufgehende Morgensonne;
Warm wie die Sonne am Mittag warst du.
Doch der Abend ist vorbei, die dunkle Nacht ist eingebrochen,
Und Du liegst jetzt kalt im Schattenreich.

Gerade war dein Wuchs wie der eines jungen Waldbaumes;
Stark wurdest Du wie die Eiche im Wald.
Doch jetzt bist Du gefallen; Dein Grünen eine Erinnerung,
Die am Ort noch präsent ist, wo Du so lange standest.

Heiter war Dein Geist, der uns zum Lachen rührte;
Weise war Dein Geist, der uns das Lieben lehrte.
Dein Licht, Deine Wärme, Deine Kraft und Deine Gradlinigkeit
Leben fort in dem Geiste des Lachens und der Liebe.

Cheers,
Jed
 
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Hallo Jed,
schön, mal etwas von Dir lesen zu können!

Klassisch angegangen, klassisch gelungen: eine großartige Einheit von Aussage, Sprache, Sprachfluß (beim lauten Lesen ergibt sich sofort ein Rhytmus, sogar eine Melodie entstand in mir) und Form.

Spannend fand ich das Gemälde als Ausgangspunkt, was es in Dir ausgelöst hat und wie Du es schließlich sprachlich / songtextmäßig umgesetzt hast. Meine Phantasien oder Interpretationen wären durchaus in eine andere Richtung gegangen - hier zeigt sich wieder, wie entscheidend der persönliche Blick, die persönliche Perspektive beim Schreiben ist.

Ein, zwei mal habe ich überlegt, ob mir etwas fehlt, ein Refrain, eine übergeordnete und herausgehobene Aussage, eine Erweiterung der drei-Strophen-Form ... möglich wäre es sicherlich, aber weder notwendig, noch zwingend, noch dienlich - der songtext steht so wie er steht und er steht gut.

Wäre interessiert daran, es mal umgesetzt zu hören.

Herzliche Grüße

x-Riff
 
Wunderschön die Stimmung des Bildes eingefangen und weiterverarbeitet.
Mit eindringlichen Kontrasten schmückst du deine Text: hell - dunkel, stark - schwach, Leben - Tod, Licht - Schatten

Die Frauenfigur im Bild erinnert mich in ihrer Haltung sehr an steinerne Grabengel, die über das irdische Leben und dessen Verlust in die Ewigkeit blicken...
 
Danke für eure positive Kommentare!

Ja, es ist schon interessant, wie anders zwei Menschen so ein Gemälde auslegen können.
@Katz23: An Todesengeln hatte ich nicht gedacht.
@x-Riff : Deine Gedanken beim Betrachten des Bildes möchte ich auch hören - sowie die Melodie, die dir beim Lesen des Textes einfiel.

Ich habe tatsächlich schon eine Melodie dazu, bloß hatte ich den Song noch nicht aufgenommen. Soeben holte ich das im Schnellverfahren nach - deshalb läuft die Begleitung noch nicht so richtig "rund". Ich habe die Aufnahme hier ins Netz gestellt. Bin gespannt, was ihr dazu meint!

Cheers,
Jed
 
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@x-Riff : Deine Gedanken beim Betrachten des Bildes möchte ich auch hören - sowie die Melodie, die dir beim Lesen des Textes einfiel.
Na ja - nennen wir es mal Impressionen oder Assoziationen:
1) Wir sehen die Trauer eines jungen Mannes über das Ende einer Liebesbeziehung, welche ihm die Angebetete gerade mittels eines Liedes zu Gehör gebracht hat. Der Maler hat die Minute gewählt, in welcher der junge Mann versteht, was das dargebrachte Lied bedeutet, für ihn, für sie, für ihre Liebe und wir sehen ihn trauergebeugten Hauptes in sich versunken, während die junge Frau wartet geduldig, bis der ehemals Geliebte in der Lage ist, sich wieder der Welt zu öffnen - egal wie lange dies dauern mag.
2)Variante: Wir sehen zwei Geschwister, die junge Frau hat ihrem Bruder gerade eröffnet, dass sie die elterliche Burg und damit auch ihn verlassen wird - sei es, weil sie heiratet, sei es, weil sie in ein Kloster geht.
3) Es handelt sich um allegorische Personen: die junge Frau in Rot steht für die Liebe, aber nicht die geschlechtliche Liebe, sondern die der Mutter. Der Jugendliche begreift, dass er zu einem Mann geworden ist, die Frau in Rot weiß schon lange, dass dieser Moment irgendwann kommen muss bzw. mußte, ist äußerlich gefaßt und gibt ihm mit, was sie ihm mitgeben kann: die dauerhafte Liebe, und sie verbirgt ihren Schmerz, der lediglich in dem Abschiedslied aufschien. Der junge Mann wird als Ritter in die Welt ziehen.

Die Melodie kann ich Dir leider nicht rüberreichen, was nicht nur daran liegt, dass sowas so schnell vergeht, wie es da ist, sondern auch daran, dass ich nicht singen kann und mich unendlich schwer tue, Töne, die ich im Kopf habe, auf der Gitarre zu spielen - das ist echt jedesmal ein ziemlicher Akt und ich mache das nur, wenn es für mich ansteht.
War aber - wen wunderts - irgendwas in Richtung Irish und Folk - einfach, eingängig, bißchen schwer, bißchen leicht, bißchen schwebend. Also genau so wie Du es machen würdest ... (In Deins muss ich mal reinhorchen, habe aber im Moment nicht die Zeit und nicht die Ruhe.)

x-Riff
 

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