Mikrofon für Sprachverstärkung, speziell Charakteristik

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Ich bin nicht nur selbst als Musiker auf der Bühne unterwegs, sondern betreue seit einiger Zeit auch den kompletten AV-Bereich bei uns in der Firma, incl. Mikrofonierung in den Konferenzbereichen. Dort nutzen wir Sennheiser Drahtlosanlagen, entweder mit Handheld oder mit Lavalier. Ich müsste jetzt nochmal genau schauen, welche Handhelds bzw. welche Lavaliers wir dort gerade einsetzen, ist aber nur zweitrangig, weil wir dort gerade alle Systeme, also Mikrofone, Bodypacks und Empfänger austauschen um von G2 auf G3 upzugraden, unter Berücksichtigung der nutzbaren Frequenzen.
Der Plan ist, bei Sennheiser zu bleiben, weil's halt vernünftige Qualität ist. Die Frage ist halt nur, ob ich vielleicht bei der Anschaffung etwas berücksichtigen sollte, z.B. hinsichtlich der geeigneten Charakteristik der Mikrofone.
Jeder, der schon mal mit Beschallung zu tun gehabt hat, oder mal einem Laien ein Mikrofon in die Hand gedrückt hat, kennt die Problematik. Nach dem direkten Reinpusten in die Kapsel als quasi Funktionstest - zumindest bei den Handhelds - wird dann i.d.R. mit der ungünstigsten Haltung des Mikrofons gestartet, indem der Sprecher es senkrecht mit der Kapsel nach oben, evtl. noch gerade auf Mundhöhe hält. Der Techniker am Pult muss dann nachregeln, was dann schnell in die Gefahr von Rückkopplung gerät. Man kann den Leuten ja viel erzählen, wie sie das Mikro richtig halten, machen ja die wenigsten. Da helfen auch so tolle Ratgeber im Internet nach dem Motto: "Worauf sollte man während der Rede am Mikrofon achten?"
Und da kommen dann so tolle Ratschläge wie: 'Sprechen Sie Ihr Publikum an und nicht ins Mikrofon. Am besten tun Sie so, als wäre das Mikrofon überhaupt nicht vorhanden! Dann konzentriert sich die Aufmerksamkeit auf Ihre Person und nicht auf Ihren Umgang mit dem Mikrofon!'
Oder genauso daneben: 'Nehmen Sie Blickkontakt zum Publikum auf. Schweifen Sie mit Ihren Augen über den gesamten Saal. Ein Blickkontakt mit dem Redner vermittelt dem Zuhörer das Gefühl, persönlich angesprochen zu werden - und so gewinnt Ihre Rede beim Einzelnen mehr Präsenz!
Klar - leider ist der Nebeneffekt, dass die meisten mit dem Augenschweifen den Kopf drehen, das Mikro aber nicht mitnehmen. Und die Präsenz beschränkt sich höchstens auf das visuelle.

Etwas unkomplizierter ist das mit Lavaliermikrofonen, wobei hier entscheidend ist, dass es an der richtigen Position befestigt wird. Der Abstand zum Mund, aber auch, ob es an der Krawatte (also mittig) oder links/rechts am Anzug befestigt wird, ist entscheidend über gleichbleibende Übertragungsqualität. Manche klippen es an die Brusttasche des Anzugs, was auch nicht unbedingt optimal ist. Ich gehe mal davon aus, dass Lavaliermikros i.d.R. Kugelcharakterisitk haben und auch haben sollten. Gibt es bei den Handhelds eine Empfehlung für den Kauf, die ein bisschen 'Idiotensicherer' ist, also schon mal nicht Superniere, aber auch nicht Kugel, oder muss man ganz andere Technik wie Kompressoren/Limiter auffahren? Wie gesagt, es geht mir nicht um Gesangsübertragung, sondern eher um den im Umgang mit Mikrofon nicht versierten Gelegenheitssprecher.

Momentan liegt mir ein Angebot für Systeme mit 935er Handheld vor. Was bei den Bodypacks als Lavalier dabei ist, muss ich noch klären. Bevor ich das beauftrage, würde ich mich über eine Meinung eines oder mehrerer erfahrener Kollegen freuen.
 
Eigenschaft
 
Du musst dich damit auseinandersetzen, dass das Handheld-Mikrofon in den allerwenigsten Fällen so benutzt wird wie es vorgesehen ist: am Mund, möglichst mit Lippenkontakt.
Einfach diesen Gedanken vergessen. Funktioniert nicht, geht nicht.
Üblicherweise wird das Mikrofon kurz über dem Bauchnabel gehalten, was dem armen Tontechniker die allergrößte Mühe bereitet das Gesprochene noch einigermaßen verständlich auf die Anlage zu bringen.

Ich empfehle dir grundsätzlich: Kondensatorvokalmikrofone, weil die klarer und feiner auflösen als dynamische. Wir benutzen sowohl in der Firma bei Rednern als auch im Orchester alte AKG-Funkstrecken mit dem senationellen C535-Mikrofon, welches auch in schwierigen Situationen noch einigermaßen reproduziert.
Im Falle Sennheiser wäre das der e865-Kopf. Der hat jedoch leider "nur" Superniere - d.h. sollte eigentlich auch recht nah besprochen werden. Trotzdem würde ich es empfehlen, da du ja sicherlich bei Sennheiser bleiben möchtest.
Es gibt auch noch den teuren e965-Kopf, aber den gibt es meines Wissens erst ab der ew 500 Serie, oder bei den anderen Funkstrecken nur optional.
Generell hat die Niere den etwas "weiteren" Erfassungsbereich, dafür hat die Superniere etwas mehr Vorteil beim Feedbackverhalten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zumindest den Rednern mit Handhelds schärfe ich seit einigen Jahren immer ein, das Mikro an die Kuhle im Kinn, also knapp unterhalb der Lippen, anzulegen. D.h. sie spüren das Mikro auch am Kinn, und sobald sie es nicht mehr spüren, müssen sie nachführen. Durch den körperlichen Kontakt ist das für die Leute recht intuitiv. Funktioniert jedenfalls um Größenordnungen besser als alle anderen Tricks und Kniffe der Vergangenheit. Und dann wird das auch was mit der Superniere. Daher rate ich zum 945-Kopf von Sennheiser, der auch in schwierigen Umgebungen keine Probleme bereitet. Ich kenne 935 und 865, der erste nimmt mir zuviel in der Breite, der andere zuviel in der Tiefe des Raumes auf. Und sobald Du mal in einer hallenden Umgebung mit stark reflektierender Bühnenumgebung (durchaus auch Rednerbühne) bist, rächt sich das.

Ich mache seit etwa vier Jahren jedes Jahr zwei oder drei Konferenzveranstaltungen, wo genau diese Mikros benutzt werden, 865, 935 und 945, und es ist echt hallig in manchen der Räume, die wir da bis jetzt zu beschallen hatten. Am problemlosesten ist das 945.

Statt Lavaliers nutzen wir dort meist Headsets (ebenfalls Sennheiser) für die Hauptredner. Die gehen wenigstens mit den Kopfbewegungen mit. Wenn man die leicht seitlich des Mundes postiert, kriegt man zwar etwas weniger Nutzpegel, aber auch deutlich weniger Atemgeräusche mit rein. Dann leicht die Frequenzen um 1,2 kHz zügeln (2 dB sind absolut ausreichend), dann klingt es nicht mehr nasal.

In beiden Fällen (Headset oder Handheld) setze ich einen LoCut bei ca. 140 Hz, bei Frauen dürfen es auch 160 Hz sein.
Dazu einen dezenten Kompressor (wir haben viele italienische Redner mit furiosem Temperament), der aber kaum mehr als 4-6 dB Gain reduction durchführt.
Für die Sprechpausen stelle ich dann ein sehr dezentes Gate ein (Gain Reduction beim Schliessen ca. 12 dB), damit bekommt man auch mit mehreren Mikros nicht soviel Umgebungsgeräusche bzw. Raumanteil rein.

Gruß,
Jo
 
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Danke schon mal für die Tipps. Ich werde das Angebot hinsichtlich 945 oder 965 hinterfragen. Bin mir aber trotzdem noch nicht klar, warum gerade eine Superniere das Problem, das ich hier immer wieder beobachte, nämlich die Notwendigkeit, möglichst immer genau in das Mikro zu sprechen, was die meisten nicht hinbekommen, gegenüber einer Niere, wie ich sie beim 935 habe, lösen soll. Ich war immer der Meinung, dass die Superniere ihren Vorteil gerade auf der lauten Bühne ausspielt und für Sänger die mit einem Mikro umgehen können, geeignet ist. Ich dachte beim Handheld ja eher bereits in Richtung Kugelcharakteristik.

Headsets finde ich persönlich auch besser als Lavaliers, kommt aber hier aus mehreren Gründen nicht in Frage:
a. wäre das nur etwas für einen Moderator, ich werde kaum einen unserer Manager, bei denen Mikros überwiegend zum Einsatz kommen, überzeugen, ein Headset zu tragen.
b. ist da auch ein Hygiene-Aspekt zu berücksichtigen. Bei Headsets müsste ich ständig den Schaumstoff austauschen.
c. zu schwierig vom Handling, da hab ich mal einen Brillenträger, dann mal ne Frau, die Angst um ihre Frisur hat ;)

Bei den Lavaliers gibt's auch verschiedene Optionen. Ich finde bei Sennheiser aber nur das ME2, ME4 und MKE1. Hier denke ich, dass die Auswahl wohl auf das ME2 hinausläuft. Eine Nierencharakterisitik wie beim ME4 ist nicht nötig, da es eher weniger geräuschvolle Umgebungen sind, eher wieder das Problem mit der optimalen Positioneirung mit sich bringt. Das MKE1 wäre wohl etwas übertrieben, auch wenn Geld hier weniger die Rolle spielt.
 
Bin mir aber trotzdem noch nicht klar, warum gerade eine Superniere das Problem, das ich hier immer wieder beobachte, nämlich die Notwendigkeit, möglichst immer genau in das Mikro zu sprechen, was die meisten nicht hinbekommen, gegenüber einer Niere, wie ich sie beim 935 habe, lösen soll.
Nein, die Superniere ist kein "Problem" :). Sie ist nur etwas enger gefasst als die normale Niere und der Nahbesprechungseffekt wird erst später wirksam. Aber das ist eigentlich nur für Sänger von Bedeutung.
Für Redner ist ein Headset die Lösung mit den wenigsten Problemen für den Tontechniker. Aber in der Praxis leider meistens nicht durchsetzbar, das kenne ich.
Lavaliers haben den ähnlich schlechten Effekt wie ein über dem Bauchnabel gehaltenes Handheld-Mikrofon mit dem Vorteil dass der Redner nicht die Möglichkeit hat damit ständig hin- und herzuwackeln.
 
Superniere und Hypnerniere macht auch ne kleine Keule nach hinten (180°) und kann daher in manchen Anwendungsfällen nicht zielführend sein.



Lavaliers haben den ähnlich schlechten Effekt wie ein über dem Bauchnabel gehaltenes Handheld-Mikrofon....
Wie kommst du zu dieser Erkenntnis? Kann ich aus meiner Praxis nicht nachvollziehen.
 
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Funktionieren tun die Lavaliers schon. Aber der EQ muss ziemlich verbogen werden. Das Soundergebnis ist meist etwas gruselig, ganz im Gegensatz zu Headsets.
Zumindest bei unseren AKGs ist das so.
 
Also, die Lavaliers, die wir derzeit nutzen, sind schon nicht schlecht. Es ist halt nur schwierig, sie korrekt zu positionieren. Vor allem, wenn sie es selbst machen, hängen sie an ungünstigsten Stellen, oder sie peilen es nicht, dass sie da nichts vorhalten dürfen, oder sie wischen ständig drüber ... - ist halt nicht einfach. Am EQ kann ich gar nichts machen, ich hab keinen! Das Pult, oder besser gesagt die Steuerung nietet lediglich die Möglichkeit, die Pegel anzupassen, bzw. - was ich ganz nett finde - die einzelnen Micros zu muten. Letzteres ist so ziemlich die Hauptaufgabe desjenigen, der die Steuerung bedient. Denn da werden die Handhelds einfach mal auf dem Tisch abgelegt (Bumm, schepper), die Lavaliersabgenommen und jemanden in die Hand gedrückt (raschel, pieep).
Ich habe privat einige AKG Headsets, 420, 477, 520 - Sound ist top, Sprachverständlichkeit ist super, Rückkopplungsanfälligkeit fast null, ok, beim 477 muss man ein bisschen aufpassen. aber wie gesagt, nichts für den Einsatz in der Firma.
 
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Ich habe seit fast vierzig Jahren mit Veranstaltungen zu tun. Ansatt Redner in ein Korsett zu zwingen, was sie unfrei macht, sollte man das passende Mikrofon nehmen. Inzwischen ist die Auswahl groß. Kondensatornieren sind für diesen Zweck als Handhelds die beste Wahl. Bewährt haben sich Sennheiser 965 oder Shure Beta 87 oder auch das Audio Technica AE 5400. Natürlich in der jeweiligen Funkversion.

Neben denn Sennheiserheadsets als Kugeln, haben sich dpa oder Countryman E6 sehr bewährt.

Als Techniker muss man immer sehr aufmerksam sein! Bei Headsets wird die Position kurz korrigiert
 
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Wir hatten gestern nochmal eine weitere große Veranstaltung, bei der ich mir die Mikros nochmal etwas genauer angeschaut habe. Die Lavaliers sind MKE2, also die etwas besseren mit Kugelcharakteristik. Habe die bei beiden Sprechern etwa eine Handspanne unter dem Kinn an der Krawatte befestigt, was eigentlich sehr gut funktioniert hat. Gute Sprachverständlichkeit, relativ ausgewogene gleichbleibende Lautstärke auch wenn der Sprecher seinen Kopf mal nach rechts oder links bewegt hat. Das einzige Problem war, wenn er die Arme über der Brust verschränkt, weil dann die Krawatte gerne mal verrutscht, auch das Jacket dann mal gegen das Mikrofon kommt, was ein Rascheln verursacht.
Bei den Handhelds konnte ich nirgends einen Hinweis finden, um welches Modell es sich handelt, bzw. welche Kapsel verbaut ist. Die Handhelds nutzen wir immer, wenn aus dem Auditorium Fragen oder Kommentare kommen. Hier ist wieder das Problem aufgetreten, dass der eine oder andere es halt nicht korrekt hält. Manchmal hab ich das Gefühl, dass auch eine gewisse Scheu vor dem verstärkten Signal da ist. Es ist halt nicht jeder damit vertraut, seine Stimme plötzlich laut über eine Anlage zu hören, und geht dann auch bewusst wieder vom Mikro zurück.
Das Hauptproblem muss man mehr bei den Benutzern suchen, als bei der Technik. Mit der Technik kann ich vermutlich nur wenig entgegenwirken.

BTW: Kann es sein, dass in den Empfängern eine Art Gate/Limiter eingebaut ist, so dass, wenn das eingehende Signal zu leise ist, der Empfänger auch abregelt? Ich hatte gestern diesen Eindruck, der mir in der Vergangenheit schon ein paar mal aufgefallen ist, allerdings bei den AKG Mikrofonen, die wir bei der Tanzmucke dabei haben, wenn mal der Veranstalter oder einer der Gäste was zu erzählen hat. Wenn einer sich nicht traut, reinzusprechen, wir den Kanal bis Ultimo aufreißen müssen, er intuitiv noch weiter vom Mikro weggeht, sich aber weiterhin beschwert, dass das Signal zu leise ist, sogar teilweise abreißt (das meine ich mit Gate), wenn ich dann hingehe, in das Mikro reinspreche, nach dem Motto: "Schau mal, geht prima!" fallen plötzlich allen die Löffel ab :D Kennt Ihr das auch?
 
Kann es sein, dass in den Empfängern eine Art Gate/Limiter eingebaut ist...
In allen analogen Funkstrecken ist grundsätzlich ein Compandersystem am arbeiten, damit die Strecke auf der HF Seite genügend Hub bekommt. Ansonsten würde es rauschen. Je nach Güte dieses Systems kann es schon sein, dass Teile unterhalb eines bestimmten Pegels abgeschnitten werden.

Allerdings kann es auch die Rauschsperre sein. Wie sieht denn der HF Pegel der Strecke aus, gerade wenn es aussetzt? Evtl. ist die Rauschsperre zu hoch angesetzt und dann macht der Empfänger eben zu, sobald der HF Pegel unterhalb des eingestellten Pegels fällt. Kommt vor allem dann vor, wenn die Person die Sendeantenne des Mikrofons umschliesst.

Um was für AKG Funken handelt es sich denn?

Gegen die falsche oder ungünstige Handhabung des Mikros beim Nutzer kann man eigentlich nur vor beginn der VA entsprechende Anweisungen/Tips geben. Eben nicht Bauchreden etc. Wenn das ganze spontan aus dem Publikum kommt, dann ist eh meist Hopfen und Malz verloren. Meist reden die Personen schon los, ohne dass das Mikro bei ihnen ist. Am besten hierfür ist eine Mikrofonangel oder man stellt im Raum 2-3 Sprechstellen auf. Wer diese nicht nutzt ist dann selbst schuld. Im Bundestag wird das ja auch so gemacht. ;-)
 

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