Nitrolack vom Klavierbauer

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Ich war vor ca 10 Jahren lange Zeit auf der Suche nach dem "echten" alten Nitrolack. Durch einige Fragerei bekam ich den Tip bei einem Klavierrestaurator eines Pianohaueses nachzufragen. Der gute Mann sah Catweezle nicht unähnlich und lebte in der Werkstatt auch entsprechend.
Die "Farbküche" war ein echter Augenschmaus und das Grauen jeder Gewerbeaufsicht. Er hat sich den Body angeschaut und gesagt, das es keine Problem wäre, solange die Farbe schwarz wäre.
Nachdem ich mir aus 23!! Schwarztönen (die für mich alle gleich aussahen) und er mich eine Stunde über die Nuancen der Farbe Schwarz aufklärte, hatte ich mich dann für „Schwarz“ entschieden. War auch kein Problem, es sollte eh eine „Blackie“ werden. Dann gab es noch eine längere Diskussion warum es denn ausgerechnet Nitro sein müsse. Ich wurde also wieder belehrt welche Vor und welche Nachteile Nitro hatte. Dann ging es wieder in die Hexenküche. Das kann man gar beschreiben. Zig Holzregale in denen unzählige Dosen und Gläser und Tinkturen standen und ein Geruch, welchen man kaum ertragen konnte. Die Basis war ein fast klarer Nitrolack aus einen angerosteten Behälter, der wohl schon seit Jahrzehnten dort stand. Dazu rührte er immer wieder verschiedene schwarze Pulver ein, bis die Farbe so war wie er es für richtig hielt. Für mich sah die Farbe nach 10 Sekunden genau so aus, wie nach 10 Minuten. Ich kürze das hier mal ab. Den Korpus hatte er nach 4 Wochen fertig. Warum das so lange dauerte, hat er mir zwar erklärt, aber so richtig verstanden habe ich es nicht. Er hat den Body mehrmals lackiert, wieder geschliffen, lackiert, geschliffen.usw.usw. Für mich hat sich die Farbe überhaubt nicht verändert und der Korpus war nach einer Woche für mich auch fertig, nur sah der „Hexenmeister“ das komplett anders. Die Farbe hätte noch keine Tiefe und so würde er ihn nicht rausgeben. Er polierte den Body auch nicht mit einer Politur, sondern mit irgendwelchen Pulvern. Dann musste der Korpus nach seiner Aussage für eine Woche ruhen. Zum Schluss…ich war dabei und jetzt wird’s wirklich mysteriös, hat er den Korpus mit einem weißen Pulver und einem Kaninchenfell auf einen Glanz gebracht, welchen ich nicht für möglich hielt. Der Spass hat mich 50 Euro und ne Kiste Bier gekostet. Das ich den Korpus nachher gerelict habe, habe ich ihm nicht gesagt…wahrscheinlich hätte er mich umgebracht. Das crackeln des Lacks ging wunderbar. Der Lack war extrem hart und riss mit Kältespray wunderbar.
Also….lange Rede kurzer Sinn. Fragt mal bei euren Pianohäuser nach, vielleicht bekommt ihr da was ihr sucht…solange es schwarz sein soll. Aber es soll ja auch weiße Pianos geben
 
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...wow :eek: Eine rührende Geschichte. Und eine wohl gut ausgestattete Werkstatt hat der Herr.
Sehr schön :)

MfG

EDIT: ein neues Forenmitglied! Na dann, willkommen an Board!
 
Danke. Falls es von Intresse sein sollte. Es handelt sich um das Pianohaus Kemp in Bielefeld. Der "Klavierrestaurator" ist dort nicht mehr beschäftigt und ich weiß auch nicht, ob er überhaubt noch unter uns weilt. Aber solche Läden gibt es ja viele. Wäre bei der Suche nach Nitro mal ne Alternative.
 
Ein hübsches Bild des Korpus beziehungsweise der ganzen Gitarre würde mich sehr interessieren! :)
 
"Jeder Kunde bekommt sein Auto in der Farbe, die er sich wünscht - solange es schwarz ist" :D

Also der gute Mann hat da noch richtig altes Handwerk gemacht und Du aged das Ding :D

4 Wochen, weil Nitro schrumpft.... das ist normal. Wenn ich Halsbrüche mit Nitro lackieren muss (dann breche ich zunächst vor Abscheu über die ewigen Trockenzeiten), dauert das auch so lange.

Die weißen Pulver sind Schleifpulver. Muss man nicht nehmen, aber damit wirds besonders schön. Aluminiumoxid nehmen viele. Das Kaninchenfell nimmt man vor allem wegen dem weichen Leder, welches den "Sud" aus Nitrostaub, Schleifpulver und meist Wasser sehr gut aufnimmt und ohne viel Druck auf der Fläche reibt.... Mega-Fein-Politur quasi. Bei Gitarren ist das alles absolut zuviel des Guten, denn jede Berührung sorgt SOFORT für Kratzer. Ich schmunzelte neulich über einen Freund, der sich ein Tour-Drumset der allerfeinsten Sorte kaufte und es mit Klavierlack-Finish liefern ließ :D - man kann sich seinen Teil denken.

Leider werden solche Leute selten, denn was sie da machen sorgt auch nicht gerade für ein langes, gesundes Leben - aber schön, dass es sie noch gibt.

Der Preis ist übrigens mehr als freundschaftlich... es soll bitte keiner glauben, dass der auch nur im Ansatz im Verhältnis zur Arbeit steht ;)
 
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Ein hübsches Bild des Korpus beziehungsweise der ganzen Gitarre würde mich sehr interessieren! :)
Werde ich morgen mal machen. Aber wie gesagt, sie wurde gealtert und auch die letzten 10 Jahre gespielt und nicht zu knapp.
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"Jeder Kunde bekommt sein Auto in der Farbe, die er sich wünscht - solange es schwarz ist" :D

Also der gute Mann hat da noch richtig altes Handwerk gemacht und Du aged das Ding :D

4 Wochen, weil Nitro schrumpft.... das ist normal. Wenn ich Halsbrüche mit Nitro lackieren muss (dann breche ich zunächst vor Abscheu über die ewigen Trockenzeiten), dauert das auch so lange.

Die weißen Pulver sind Schleifpulver. Muss man nicht nehmen, aber damit wirds besonders schön. Aluminiumoxid nehmen viele. Das Kaninchenfell nimmt man vor allem wegen dem weichen Leder, welches den "Sud" aus Nitrostaub, Schleifpulver und meist Wasser sehr gut aufnimmt und ohne viel Druck auf der Fläche reibt.... Mega-Fein-Politur quasi. Bei Gitarren ist das alles absolut zuviel des Guten, denn jede Berührung sorgt SOFORT für Kratzer. Ich schmunzelte neulich über einen Freund, der sich ein Tour-Drumset der allerfeinsten Sorte kaufte und es mit Klavierlack-Finish liefern ließ :D - man kann sich seinen Teil denken.

Leider werden solche Leute selten, denn was sie da machen sorgt auch nicht gerade für ein langes, gesundes Leben - aber schön, dass es sie noch gibt.

Der Preis ist übrigens mehr als freundschaftlich... es soll bitte keiner glauben, dass der auch nur im Ansatz im Verhältnis zur Arbeit steht ;)
Ja der Preis war ein Witz. Das lag aber auch daran, das der gute Mann keinen mehr hatte und er sich sehr freute, wenn er mir aus seinem Leben erzählen durfte..und das war einiges. Die 4 Wochen waren wirklich lehrreich.
 
Geile Geschichte, und Willkommen im Forum
Wo wohnst du denn?
 
Dann gab es noch eine längere Diskussion warum es denn ausgerechnet Nitro sein müsse. Ich wurde also wieder belehrt welche Vor und welche Nachteile Nitro hatte.
Und zwar? Welche nachteile hat er denn genannt?

vielleicht bekommt ihr da was ihr sucht…solange es schwarz sein soll. Aber es soll ja auch weiße Pianos geben
schwarz ist natürlich super.
die frage ist doch eher, ob es auch pianos in surf green oder sunburst gibt.
 
Und zwar? Welche nachteile hat er denn genannt?

Nachteile: reißt, schrumpft, bricht, nicht schlagfest, zerkratzt schnell, anfällig bzw. löst sich bei Kontakt mit Fetten/Laugen/Säuren/Alkoholen, wird stumpf im alter, braucht sehr viele Schichten mit langen Trockenzeiten, ist sehr giftig bei der Verarbeitung - kurz: absolut unpraktisch

Vorteile: Lässt sich sehr, sehr gut polieren und mit entsprechender Schichtdicke entsteht eine extreme Tiefe - quasi 3D-effekt. Die spröde Härte macht sich natürlich bei Schwingungen ganz gut - dämpft wenig.
 
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Nachteile: reißt, schrumpft, bricht, nicht schlagfest, zerkratzt schnell, anfällig bzw. löst sich bei Kontakt mit Fetten/Laugen/Säuren/Alkoholen, wird stumpf im alter, braucht sehr viele Schichten mit langen Trockenzeiten, ist sehr giftig bei der Verarbeitung - kurz: absolut unpraktisch

Vorteile: Lässt sich sehr, sehr gut polieren und mit entsprechender Schichtdicke entsteht eine extreme Tiefe - quasi 3D-effekt. Die spröde Härte macht sich natürlich bei Schwingungen ganz gut - dämpft wenig.
Das hatte er mir so auch erklärt. Und er hat mir auch gesagt, das er in den 60er Jahren drei Kreuze geschlagen hatte, als die modernen Lacke den Nitrolack ablöste. Zur Restaurierung alter Flügel wird aber nach wie vor Nitro verwendet. In einem Raum stand ein Steinway Flügel aus den 30er Jahren, der neben einer mechanischen Restauration auch optisch aufbereitet wurde. Ich weiß es nicht mehr genau, aber die Kosten der Restauration waren sehr sehr hoch...ich meine es waren um die 15000 Euro.

Das mit dem Reißen stimmt tatsächlich. Der Body fing schon drei Tage nach der Lackierung damit an. Das hatte der Mann mir aber auch schon vorher gesagt. Bei Pianos ist der Korpus wohl aus Schichtholz, da würde das Holz nicht so arbeiten, wie bei einem massiven Korpus.
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okay, das ist trotz (oder wegen) der risse aber sehr, sehr schön...

wir gitarren-leute ticken da wohl anders :D

Die Verwendung von Nitrolacken ergibt eigentlich keinen wirklichen Vorteil mehr heute. Was sich manche an klanglichem Vorteil einbilden, ist mit einem Ölfinish noch viel besser. Außerdem gibt es inzwischen auch brachial harte PU-Lacke.

Das Einzige was Nitro keiner nehmen kann, ist die Attraktivität seines Verfalls :D - die Trash-Romantik kann keiner besser als das Original.
 
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okay, das ist trotz (oder wegen) der risse aber sehr, sehr schön...

wir gitarren-leute ticken da wohl anders :D

Die Verwendung von Nitrolacken ergibt eigentlich keinen wirklichen Vorteil mehr heute. Was sich manche an klanglichem Vorteil einbilden, ist mit einem Ölfinish noch viel besser. Außerdem gibt es inzwischen auch brachial harte PU-Lacke.

Das Einzige was Nitro keiner nehmen kann, ist die Attraktivität seines Verfalls :D - die Trash-Romantik kann keiner besser als das Original.

Den Hals hatte er ja auch noch in Nitro lackiert. Komischerweise klebte der Hals nie, wie ich das von einigen CS Strats kannte. Liegt das an den nichtvorhandenen Weichmachern? Und hast Du vielleicht eine Ahnung, warum der Lack erbärmlich nach Kotze riecht, wenn man ihn anschleift?
 
Und hast Du vielleicht eine Ahnung, warum der Lack erbärmlich nach Kotze riecht, wenn man ihn anschleift?

:D

Ach das variiert je nach Lackart... es kann wahlweise auch nach Urin, vergohrenem Saft oder ranziger Butter riechen :D

Grund dafür sind die Inhaltsstoffe wie Xylol und Toluol. Die riechen ziemlich stark....

Und dann natürlich ein paar systhetische Harze. Wer z.b. schonmal Leiterplatten aus Phenolharz gesägt hat, kennt auch einen merkwürdigen Gestank.


Gesund ist das allemal alles nicht....
 
andererseits kommt man gut drauf, wenn man genug nitroverdünnung schnüffelt.
 

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