Hallo zusammen,
nachdem die Ursache der Verwirrung, die Griffschrift für diatonisch-wechseltönige Handharmonika, nun aufgeklärt ist, möchte ich trotzdem nochmal detailliert auf Abweichungen zwischen Klavier- und Harmonika-Arrangement eingehen.
Ein Beispiel:
Rumba Tampah in C-Dur beginnt mit den Noten E,G,H
in einer anderen Version ebenfalls C-Dur mit den Noten A,H,E
Das Missverständnis "ebenfalls C-Dur" kommt dadurch zustande, dass bei Griffschrift, die ja keine Töne, sondern eine Art "Knopf-Landkarte" darstellt, Generalvorzeichen keinen Sinn haben, kann das Fehlen jeglicher Generalvorzeichen zur irrigen Annahme verleiten, das Stück stünde in C-Dur bzw. a-Moll.
Die tatsächlich erklingende Tonart hängt jedoch von der Stimmung der Harmonika ab.
Es gibt auch niemals einen "normalen" Notenschlüssel, sondern entweder überhaupt keinen Schlüssel (wie hier) oder ein großes Fraktur-H für "Harmonika" oder sonstige Phantasie-"Schlüssel".
Die täuschende Ähnlichkeit zur konventionellen Notenschrift liegt darin begründet, dass damals einfach die beim Druck zur Verfügung stehenden Symbole genutzt wurden - eben "normale" Notensymbole.
Griffschrift ist also näher mit Gitarrentabulatur als mit "normalen" Noten zu vergleichen, weil hier ebenfalls keine Tonhöhen-Information, sondern nur eine Griff-Anweisung enthalten ist.
Griffschrift ist üblich bei den Handharmonikas des aussterbenden Hohner-Club-Systems (wie hier) oder auch in ähnlicher Form bei den Steirischen Harmonikas, die sich derzeit steigender Beliebtheit zu erfreuen scheinen.
Landkarten-Prinzip der Griffschrift und Bass-/Akkord-Buchstaben
Wenn man das Instrument umgeschnallt hat und es vorgebeugt "von oben" betrachtet (die tiefen Töne sind dann "unten"), sieht das wie folgt aus:
In den rot eingezeichneten 5 "Notenlinien" sind die Notenköpfe genau so positioniert wie die Knöpfe:
Um die 1. Reihe und die 3. Reihe (Hilfstöne) unterscheiden zu können, schreibt man vor die Noten der 3. Reihe ein Versetzungszeichen wie
oder ♯.
Die Bassknöpfe sind entweder mit Buchstaben fortlaufend A, a, B, b usw. (Großbuchstabe: Einzel-Basston, Kleinbuchstabe zugehöriger Dreiklang) oder machmal einfach mit 1, 2, 3, 4, usw. durchnumeriert.
A/a bzw. 1/2 sind Bass und Akkord (Druck: Tonika, Zug: Dominante) der Tonart der 1. Reihe,
B/b bzw. 3/4 sind Bass und Akkord (Druck: Tonika, Zug: Dominante) der Tonart der 2. Reihe.
Konkreter Vergleich der beiden Notenausgaben
Anhand der verfügbaren Vorschau-Anzeigen habe ich die Klavier- und Harmonika-Versionen direkt gegenübergestellt.
Die
Harmonika-Version habe ich hierzu
in "normale" Notenschrift übertragen und ich habe eine G/C-Harmonika gewählt. Diese ist zwar selten, aber dann ergibt sich die gleiche Tonart wie in der Klavier-Version.
Im Bass bzw. in der linken Hand hat man natürlich nicht die Möglichkeiten eines Klaviers, da gibt es nur eine begrenzte Auswahl an Einzeltönen und Dreiklängen.
Bitte nagelt mich nicht auf die genaue Oktavlage bzw. die konkreten Akkord-Umkehrungen im Bass fest, denn ich habe keine G/C-Harmonika und das kann auch von Instrument zu Instrument abweichen. Spielt aber auch keine große Rolle.
Auch im Diskant (rechte Hand) sind nicht immer alle Töne verfügbar und die verfügbaren Töne hängen auch noch von der Balgrichtung ab.
Die Balgrichtung wird meist durch die auf der Bass-Seite benötigen Töne/Akkorde bestimmt, denn in unserem Fall ist G-Dur als Tonika der 1. Reihe und Dominante der 2. Reihe als einziger Akkord sowohl auf Zug als auch auf Druck verfügbar.
Durch diese Einschränkungen ergeben sich auch Abweichungen in der rechten Hand bei Mehrstimmigkeit, wie man im konkreten Beispiel sieht. Aber inhaltlich und vor allem die Melodie stimmt 1:1 überein:
Aus rechtlichen Gründen habe ich einige Takte zensiert, aber diese zensierten Takte so gewählt, dass dort nicht steht, was nicht in anderen (gezeigten) Takten ebenfalls genau so vorhanden wäre - somit geht beim Vergleich nichts verloren.
Im Anhang noch das vollständige PDF, das vom Umfang her die gesamte verfügbare Klavier-Voransicht enthält.
Viele Grüße
Torsten