Reporter in Castelfidardo

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Am 15.9.2014 war ich einen Tag in Castelfidardo der 'Welthauptstadt' des akkordeonbaus.

Viele Namen sind dort ansässig wie Victoria, Scandalli, und die 'Bs' Borsini, Bugari, Beltuna, des weiteren viele Zulieferer, die Mechaniken, Tastaturen, Riemen undundund herstellen.

Insgesamt kann man sehen, dass die Fertigungstiefe in Castelfidardo extrem hoch ist, die Fertigungstiefe einzelner Hersteller mitunter recht gering sein kann.

Morino47 hat ja schon vieles über die Arbeitsweise beschrieben, dem kann ich mich ausnahmslos anschließen. Ich möchte mich hier auf die Glanzlichter meines viel zu kurzen Ein-Tages Besuchs beschränken.

Ein Problem für mich war, dass ich an dem Tag fußläufig unterwegs war, da meine nicht Akkordeoninteressierten Kollegen mir nicht das Auto überlassen hatten.

Mein Start war dann in der InnenStadt, wo mich mein Weg erst mal in die nächste Kaffeebar führte, die sinnvollerweise direkt gegenüber vom showroom von Victoria liegt. Diese Einrichtung hat mit mir an dem Tag einiges an Umsatz, teilweise alleine, teilweise zusammen mit Elke Ahrenholz-Breccia von Victoria, gemacht.

Elke kannte ich schon von der Musikmesse, von daher hatte ich schon eine vorzügliche erste Anlaufstelle.

Aus privaten Gründen hatte Elke aber noch keine Zeit für mich, so dass ich mir erst einmal das weltgrößte spielbare Akkordeon angeschaut habe.

Hier sei jetzt anzumerken, dass man alleine ziemlich verloren an dem Koloss steht, aber zu zweit oder dritt lassen sich darauf einfache Melodien mit viel Spass und Gelächter zuwege bringen.
Links davon steht das größte diatonische Instrument das ebenfalls spielbar ist.
B_GroßesAkki1.JPG


Der Erbauer, der nur italienisch spricht, war sehr bestrebt, mir alles ausführlichst zu erklären, was mit Hilfe von Elkes Sohn, der mir alles übersetzte recht einfach war. Vielen Dank an dieser Stelle an die beiden.
B_GroßesAkki2.JPG


Mit Elke hatte ich mich dann auf Nachmittags vereinbart, so dass ich jetzt erst einmal auf Schusters Rappen unterwegs war. Beim Schlendern durch die Gassen konnte ich aus 3 PrivatHäusern die typischen Geräusche eines AkkordeonStimmers vernehmen.
Aufgrund der Adresslisten, die hier in dem anderen Faden schon besprochen wurden habe ich dann diverse Adressen aufgesucht, was aber nicht immer von Erfolg gekrönt war. An einer Stelle, mit einem klangvollen Namen an der Klingel, an der auch die Bezeichnung 'showroom' stand, wurde ich abgewiesen, wurde aber dahingehend informiert, dass ich nach einer Terminvereinbarung für einen der nächsten Tage gerne willkommen bin, von daher mein tipp: Besuche vorher vereinbaren.

So bin ich denn auch vor folgendem wohlklingenem Namen gestanden:
D_Brandoni.JPG

Der nette Herr am Empfang hat mir dann aber erklärt, dass die Firma keine Akkordeons, sondern Heizkörper produziert. :engel:
Das hat mich dann an den Witz erinnert: Kommt einer in die Musikalienhandlung und sagt: "Ich hätte gerne die rote Trompete und das weisse Akkordeon". Darauf der Verkäufer: "den Feuerlöscher können sie haben, aber der Heizkörper bleibt hier"

Kurz darauf bin ich dann auf einen Verkehrskreisel gestoßen, der sehr ansprechend dekoriert war:
D_Kreisel.JPG


Auf meiner weiteren Wanderung mit dem Stadtplan in der Hand (den gibt es übrigens bei der TouriInfo neben dem AkkordeonMuseum )hat dann eine Dame mittleren Alters in einem älteren Fiat angehalten und mich gefragt wo ich den hinwolle. Ich erklärte ihr, dass ich wegen Akkis hier bin. Es stellte sich dann schnell heraus, dass sie die Mitinhaberin der Firma 'Dino Bafetti' ist. Kurzum, das hat dann meine Planungnen über den Haufen geworfen und ich habe diese Firma besucht.

Sie hat mich dann an ihren gut englischsprechenden Bruder verwiesen, der mich extrem freundlich und zuvorkommend betreut hat.
Die Firma wurde von DinoBaffetti gegründet, hat diese mittlerweile aber an seine Kinder übergeben.
Zuerst wurde ich in den Showroom geführt, dort habe ich dann erst mal die von mir spielbaren Instrumente getestet:
C_DinoBaffetti1.JPG

C_DinoBaffetti2.JPG

Das Gesamtangebot, das sich mehr auf diatonische als auf chromatische Instrumente stützt.
C_DinoBaffetti3.JPG


Fast noch mehr als an den Instrumenten war ich aber an der Produktion interessiert. Auch dort wurde mir alles gezeigt und jede Frage beantwortet.
Die Holzwerkstatt:
C_DinoBaffetti4.JPG


Hier halbfertige Diskantteile und Herr Baffetti. An dieser stelle vielen vielen herzlichen Dank für die Führung
C_DinoBaffetti5.JPG


Von dieser Dame habe ich viel gelernt, nämlich kleckerfreies Einwachsen. In Castelfidardo wird ein ganz anderer Wachslöffel verwendet als bei uns, der um einiges leichter zu handhaben ist.
C_DinoBaffetti6.JPG


Hier hat mir Hr. Baffetti eine neue Mattlackierung gezeigt
C_DinoBaffetti7.JPG


Nach diesem Rundgang hat mich Herr Baffetti gefragt, was denn mein nächstes Ziel sei, und weil er eh in die Stadt müsse um Gehäuse zum Beziehen zu bringen, können er mich gerne mitnehmen. So musste ich den Weg vom Industriegebiet in die Stadt nicht zu Fuß laufen.

Auf der Fahrt kamen wir dann auf die Produktionstiefe zu sprechen.
Es gibt spezialisierte Betrieben, die z.B. die Gehäuse mit Celluloid beziehen, Bass- und RegisterMechaniken fertigen, Stimmen undundund. Auch die Firma Baffetti lässt einige Gewerke außerhalb der eigenen Firma ausführen. Von daher ist es leicht verständlich, dass sich die Instrumente der verschiedenen Hersteller mitunter recht ähneln.

Ganz früher gab es auch in Trossingen viele verschiedenen Firmen, die dann alle irgendwann in Hohner aufgegangen sind. Dies ist in Castelfidardo nicht passiert und so gibt es heute ein Fülle (wohl über 100) Betriebe, Klein-und Kleinstunternehmer in Castelfidardo, die sich mit Handzuginstrumenten beschäftigen.

Nach diesen Überlegungen und ein letztes "grazie multo" an Herrn Baffetti war ich dann wieder bei Victoria.
Auch hier musste ich natürlich zuerst ein Akki umhängen, wobei dies kaum Überraschungen bot, da ich die Produktpallette von victoria kenne (und auch sehr schätze :great:)
Der neue showroom von Victoria ist einfach nur der Hammer, großzügig, hell, freundlich, gleich nebenan das weltgrößte Akki, das immer mal wieder Töne von sich gibt, wenn die nächste besuchergrupper darauf herumklimpert.
Wenn irgendwo auf der Erde der Himmel des Akkordeonauten sein sollte, könnte es durchaus hier sein. :engel:
F_Victoria1.JPG


Die Präsentation der Instrumente zeigt sich dann so:
Und wer jetzt ganz genau hinschaut entdeckt ein Instrument, das nicht aus aktueller Produktion, sondern aus den 60er Jahren ist. Das Teil hat richtig Spass gemacht.
F_Victoria1a.JPG


... und dann hatte ich morgens schon gesehen, dass im hinteren Teil auch noch etwas ist, was ich aber nicht genau erkennen konnte und war dann einfach nur baff als mich Elke dorthin führte.
Dort ist die Produktion eines Akkis in den wesentlichen Schritten dargestellt.
F_Victoria2.jpg


Um zu zeigen, wie ein Akki von innen aussieht, hat Elke eines in seine Einzelteile zerlegt und an die Wand gepinnt. Das sieht dann so aus:
Ich konnte nur noch stammeln: "wie geil ist das denn"
F_Victoria3.JPG

Alles sehr anschaulich präsentiert. Hier, im Bildhintergrund zu sehen, habe ich auch den Wachslöffel wiedergefunden, den ich schon von Dino Baffetti kannte.
F_Victoria4.JPG



Als letzter Punkt stand noch das AkkordeonMuseum auf dem Programm. Ein netter älterer Herr hat mich mit Infos zugeschüttet, von denen ich leider kein einziges wort verstanden habe. :mad:
Das Museum präsentiert sich in einem hellen Rahmen. Man hat sich erfolglos bemüht, es nicht allzu vollzustopfen ;). Alleine hier kann man locker einen ganzen Tag zubringen um alle Exponate gebührend zu würdigen.
Hier der Blick in einen der Ausstellungsräume:
M_museum2.JPG


Nein, nicht zu tief ins Glas geschaut, die Kiste hat tatsächlich 2 Klaviaturen
M_Museum1.JPG


Aha, schon 1860 wurde eine Klaviatur verwendet. das war mir neue, ich habe bisher gedacht, das kam erst später.
M_Museum3.JPG


Was es alles für Klaviaturen gibt...
M_Museum4.JPG


so, das war es dann erst mal, nach einem letzten Cappuchino mit Elke war meine Zeit hier abgelaufen.

Als ich abgeholt wurde kam ich dann noch an der Akkordeonskulptur vorbei, die auf der Vorderseite berühmte Virtuosen und auf der Rückseite die Produktion zeigt.
S_Skulptur2.JPG


S_Slulptur1.JPG


Jetzt gäbe es noch so viel zu berichten und zu schreiben ....

Es war mein erster Tag in Castelfidardo, aber bestimmt nicht der letzte. Obwohl ich nur einen Tag zur Verfügung hatte, denke ich, dass ich diesen bestmöglichst genutzt habe.

Mit Elke habe ich auch besprochen, dass wir vom Forum aus auch eine Reise nach Castelfidardo in Planung haben und evtl. ein wenig ortskundige Hilfe benötigen.
Sie meinte nur: " Klar, wo ist das Problem?" .
 
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Vielen Dank für diesen herrlichen Bericht!
 
:D Boah macht das LUST auf die REISE 2016 !!!!!
 
Danke für den tollen Bericht. Habe gleich 3 Dino Baffettis hier stehen. Davon eine Garmoschka.
 

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