[Review] Nord Electro 6 HP

opa_albin
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Seit einigen Tagen nenne ich das Nord Electro 6 HP mein eigen.

Vorgeschichte - warum dieses Gerät?
Ich bin inzwischen für zu Hause sehr gut ausgestattet. Für unterwegs habe ich diverse Keyboards benutzt oder ein LMK2+ Masterkeyboard + externe Sounderzeugung oder ein Roland RD 600.
Die Keyboards sind klein und leicht, aber soundmäßig nicht berauschend und vor allem von der Tastatur her in den Feinheiten schwer zu kontrollieren. Die großen sind gut, aber groß und schwer über 20 kg und auch schon etwas in die Jahre gekommen.

Also liebäugelte ich schon länger mit einem Nord Stage, weil mir das von der Tastatur her beim Antesten verschiedener Geräte recht gut gefallen hat. Nicht komplett klavierähnlich, aber schon gut spielbar. Aber doch sehr teuer.

Irgendwann stieß ich auf ein Video mit dem Titel "You DON'T Need a Nord Stage 4 // Nord Electro 6D vs Nord Stage 4". Vorher hatte ich mich nur mit dem Nord Stage beschäftigt und eigentlich nur das in Betracht gezogen. Die Argumente fand ich aber recht überzeugend, vor allem für meinen Einsatzzweck unterwegs: Es kann sehr vieles, was das Stage kann, hat Orgel, Klavier und Synth-Section. Es ist nur 11,5 kg schwer, es gibt eine Hülle mit Rucksack-Tragemöglichkeit. Die Frage ist, ob man mit 61 oder 73 Tasten klarkommt. Er plädiert aus praktischen Gründen für 61 - wenn man in einer Band spielt, braucht man beim Solieren die tiefen Töne nicht so, und beim Begleiten die hohen eher nicht, und oktavieren kann man jederzeit. Preislich liegt es deutlich unter einem Nord Stage. Das Stage aktuell 4360,--, das Electro 6 HP 76, also mit Hammertastatur und 73 Tasten gibt es für 2500. Das lag dann auch in meinem Preisrahmen. Einen genauen Vergleich, was das Stage mehr kann, habe ich nicht gemacht, gibt es bestimmt irgendwo im Netz.

Die Bedienung habe ich mir vorab hier in einer sehr guten Videoserie angeschaut.

Nachdem ich das Electro dann auch mal live gehört habe und kurz drüberschauen durfte, suchte ich und fand einen Versandrückläufer, so dass ich am Ende für 2500 das Soft Case und das Electro 6 HP 73 bekam.

Nun mein persönlicher Eindruck. Über viele Features gibt es auch lange Videos, wo man sich detallierter schlau machen kann. Ich möchte also hier nicht im einzelnen aufzählen, was alles geht, sondern vor allem darstellen, wie es für meine Zwecke passt und warum. Vielleicht nützt das aber auch mehr als die x-te feature list oder ein halbstündiges Unboxing-Video ;)

Aufbau und erster Eindruck
Die Verpackung ist einfach ein Pappkarton mit ein paar Distanzstücken aus Polystyrol und ein langes 220 V Netzkabel, praktisch für die Bühne. Pedal ist nicht dabei.
Gleich beim Aufbau fielen mir einige Dinge auf, die zeigen, dass das Ding praktisch erprobt ist. Mich hat schon immer genervt, dass die Beschriftung der Buchsen auf der Rückseite von oben nicht lesbar ist. Oft baut man ja das Board von vorn auf und fummelt dann rum, beugt sich drüber, läuft nochmal hintenrum. Ich habe mir dann mit Klebeband eine Beschriftung gemacht. Hier ist klein aber gut lesbar oben gedruckt, wo welche Buchse ist.

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Auf dem Foto sind auch zwei Abstandhalter zu sehen, die verhindern, dass die Buchsen beschädigt werden, wenn es auf der Rückseite stehen sollte. Der Einschalter ist auch gegen versehentliches Berühren geschützt. Das wirkt alles sehr durchdacht.

Sound
Ich habe es derzeit mit Kopfhörern und mit zwei 8-Zoll-Aktivboxen gespielt (swissonic V-8).
Es gibt die drei Sections Piano, Orgel und Synth.

Piano: Gefällt mir sehr gut. Verschiedene Flügel, Upright Klaviere, E-Pianos. Im Vergleich zu pianoteq, was ich sonst nutze, relativ "fetter" Sound, viel Volumen im Bass fast ein bisschen ins unrealistische gehend. Aber klingt super.
Viele Sounds wirken auf mich, als würde man direkt sehr nah vor dem Klavier sitzen. Ich bin nicht der große Experte, was Samples und die Nuancen im Vergleich angeht, und im Bandkontext habe ich es noch nicht probiert. Mein Eindruck ist, dass es sehr gute Samples sind, die manchem vielleicht etwas zu aufpoliert wirken, aber musikalisch sehr wirkungsvoll und gut einzusetzen. Macht großen Spaß zu spielen.

Orgel: Auch hier kann ich keine professionelle Einschätzung liefern, aber es klingt super. Beim 6D gibt es echte Zugriegel, hier nur über LED und zwei Tasten, was für mich aber OK ist. Ich nutze Orgeln seltener, von daher muss ich mich da erst noch reinarbeiten.
Man kann über die Regler wie bei einer Hammond die einzelnen Register beeinflussen und hat dadurch wirklich volle Kontrolle und extrem viele Möglichkeiten. Hat mich erstmal überzeugt.

Synth: Auch hier viele Sounds, die man tweaken kann. Die Chorstimmen klingen realistischer als alles, was ich da bis jetzt hatte, Brass und Streicher für meine Ohren in einem Mix OK, einzeln klingen sie doch eher unrealistisch. Aber das ist für mich kein Schwerpunkt, so dass ich mich damit wahrscheinlich nicht tiefer beschäftigen werde.
Edit: Zur Klarstellung, im Electro ist es ein sog Sample Synth. Komplette Synthesizerfähigkeiten gibt es soweit ich weiß zB am Nord Stage.

Rechts gibt es noch eine Effekt-Section, womit man die einzelnen Sounds nochmal behandeln kann. Die Features werden in den diversen Videos auf youtube deutlich besser und ausführlicher erklärt, als ich das hier kann. Nur mal am Beispiel des Halls zeigt das Konzept meiner Meinung nach ganz gut. Es gibt drei Voreinstellungen (off, Room, Stage, Hall) und einen Drehknopf, der jeweils die Intensität (Nachhallzeit) regelt. Das war es, sollte aber auch für Live-Situationen völlig ausreichen. Es deckt einen große Spannweite ab.
Wenn man Studioaufnahmen macht oder Feintuning betreibt, sind ja externe Effekte immer noch möglich. Aus meiner Sicht eher gut, wenn es wenige Parameter gibt, die man auch schnell überblickt.

Diese drei Soundarten, Piano, Orgel, Synth, lassen sich in Layern kombinieren. Dafür gibt es schon eine Menge Presets, die sich auch einzeln verändern lassen.

Da ich schon einiges gelesen hatte, kenne ich natürlich auch die kritischeren Meinungen zu den Sounds. Ich bin da kein Profi - für mich passt alles. Das muss jeder letztlich selbst bewerten, auch youtube-Videos geben das nicht wieder.

Tastatur
Die Tastatur ist gut zu kontrollieren, erstaunlich sensibel im leisen Bereich. Im forte/fortissimo gibt es anders als beim realen Klavier ein leichtes Zurückfedern der Taste, was den Fingern von unten einen kleinen "Rückschlag" gibt. Da ich nicht durchgängig so laut spiele, erwarte ich nicht, dass das problematisch wird. Tonkontrolle ist aber auch im ff gut. Die Gewichtung scheint mir etwas schwerer als bei vielen eher leicht gewichteten Vergleichsprodukten, könnte man bei Bedarf nochmal vergleichsweise messen. Insgesamt für dieses Instrument, wo man ja auch Orgel und Synth spielt, passt alles.
Es ist allerdings nicht gnaz so nahe an einer Klaviermechanik, sondern man merkt schon, dass es eine E-Piano-Tastatur ist.

Wer mehr Orgel und Synth als Schwerpunkt hat, kann sich das Electro 6D als Vergleich ansehen mit Waterfall-Tastatur ohne Hämmer, was dann auch preislich ein ganzes Stück günstiger ist. Mein Fokus ist aber eher Klavier/Keys.

Ich hoffe, dass das auch langzeit so bleibt bzw. wenn was kaputt geht, zu reparieren ist.

Edit: Hab gerade nochmal versucht, das Modell der Tastatur zu finden, hier bei reddit schreibt jemand, es sei die Fatar TP/100LR.

Bedienung
Die Bedienungsanleitung ist in deutsch, steht alles drin, aber ist recht technisch. Also weniger eine Anleitung wie mache ich dies und jenes, sondern eher eine technische Dokumentation.
Zusätzlich dazu wäre es klasse, wenn Nord das auch in einem Video wie oben zeigen würde.

Ich kam mit Hilfe der oben erwähnten Videos erstmal ohne die Anleitung zurecht, für Details habe ich dann ins Schriftstück geschaut.

Das Konzept ist grundsätzlich fast alles über Tasten schnell erreichbar zu haben und sich auf der Bühne nicht durch Menüs klicken zu müssen.
Das funktioniert, erfordert natürlich ein bisschen Einarbeitung (wäre aber bei Menüs nicht anders).
Dadurch hat man alle Einstellungen sofort im Blick.

keyboard split geht an 6 verschiedenen Punkten, mit "hartem" Übergang oder über ein bzw zwei Oktaven "weich" verteilt. Also sehr variabel.

Was den Austausch mit dem Computer angeht, um neue Samples zu laden oder ähnliches (nord sample library), kann ich noch nichts sagen. Vermutlich werde ich das auch erstmal nicht tun und mit dem arbeiten, was auf dem Gerät ist.
Dazu also ggf später mehr.

Einschränkungen
Pitch: Warum das Electro kein Pitch Wheel hat, fragen sich viele im Netz - eigentlich nur erklärbar, dass sie dadurch das Nord exklusiver machen wollen. Auch hier fand sich ein Workaround in diesem Video.
Damit lässt sich mit den entsprechenden Einstellungen das Pitch über ein externes Keyboard steuern. Ich hab das ausprobiert, funktioniert. Trotzdem etwas umständlich, und wenn Pitch eine häufig genutzte Sache ist, könnte man darüber nochmal nachdenken.
Für mich ist es das nicht, trotzdem wie gesagt nicht schön, dass Nord hier so knausrig war bzw das Feature versagt hat.

73 Tasten: Bei Jazz und Pop-Stücken kein Thema. Das Transponieren um eine Oktave hoch und runter geht mit einem Tastendruck.
Bei Klassik ist das natürlich je nach Repertoire eine Einschränkung, Bach spielt sich super, aber Chopin-Etüden gehen eher nicht komplett - stückweise üben kann man aber trotzdem das allermeiste. Ein Klassikkonzert wird man eh nicht auf dem Electro spielen.


Mein Fazit
Ich bin nach den ersten Tagen recht intensiver Nutzung sehr zufrieden. Gut spielbar, phantastische Sounds, es macht Spaß zu spielen.
Preislich sind rund 2500 für mich dafür in Ordnung. Ob das teurer ist als vergleichbare Produkte anderer Hersteller, habe ich nicht verglichen, allerdings hatten mir im Laden viele Tastaturen nicht zugesagt, diese hier schon.


Hier nochmal kompakt Vor- und Nachteile aus meiner Sicht:

Nachteile:
kein Pitch wheel
(nur 61 / 73 Tasten ... muss kein Nachteil sein)
kein Pedal dabei (gibts von Nord für 55 , ich habe ein günstiges [um die 25 Euro] angeschlossen, funktioniert)

Vorteile:
Sehr gute Tastatur (meine Meinung)
leicht und gut zu transportieren
gepolsterte Hülle mit Rucksackgurten verfügbar (ca. 200,--)
Preis günstig im Vergleich zum Nord Stage
 
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Hi @opa_albin, Danke für den ausführlichen Bericht! Ich fand ihn sehr interessant, vor allem aufgrund deines Eindrucks von der Nord HP Tastatur, die bei vielen Nord Benutzern nicht gtu wegkommt, insbesondere im Vergleich zu den HA Tastaturen im Nord Stage 4 und Nord Stage 3-88.
 
Ja, sowas ist natürlich immer subjektiv. Aber ich habe jetzt doch einige Stunden drauf gespielt und kann nichts groß negatives sagen.

Den Vergleich zum Stage habe ich allerdings nicht. Ich hatte mal im Laden ein Nord Piano angespielt, das war gut, aber für meine Zwecke dann doch wieder zu groß und zu schwer (20 kg) und auch irgendwie zu teuer. Ich habe ja ein Kawai VPC1 Masterkeyboard zu Hause mit einer Top Tastatur, und das kostet 1300. Besser wird die im Nord Piano auch nicht sein. Das heißt, Größenordnung 2400 Euro wären dann beim Nord Piano für die Samples und die Bedienelemente, das ist es mir irgendwie nicht wert.

Trotzdem wenn sich eine Gelegenheit bietet, probiere ich die am Nord Stage mal aus. Aber das kam aus den gleichen Gründen nicht in die engere Wahl. Die Variante, mal mit Fahrrad oder öffentlichen zu fahren, kommt bei mir schon mal vor, und das ist ein Akt mit Sackkarre. Das Ding im Rucksack zu haben und einen kleinen Verstärker wie den Bose S1 dabei klingt für mich perfekt. Wer natürlich immer das Auto hat und schwer tragen kein Problem ist, da sieht es schon wieder anders aus.

Auch die LED-Drawbars werden teilweise kritisch gesehen. Kann ich nachvollziehen, wenn man an physische Zugriegel gewöhnt ist. Wahrscheinlich dauert das Einstellen mit den LED etwas länger. Warum das hier so gemacht wurde, weiß nur Nord, aber für mich ist die Orgel wie gesagt nicht der Hauptact. Ich denke, dass ich damit klarkomme, für einen großen Live Act würde man sich die Setups vermutlich sowieso vorher programmieren.
 
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Wahrscheinlich dauert das Einstellen mit den LED etwas länger.
Kannst Du einstellen, wie schnell sich die "Drawbars ziehen bzw. schieben" lassen. Im schnellen Modus ist mir das persönlich schnell genug, sodass ich die Taster statt echter Schieberegler nur als gewöhnungsbedürftig ansehe. Der große Vorteil: sie sind immer auf den aktuellen Werten nach Programmwechsel.
 
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