Die Wärmeentwicklung dürfte sich bei gleicher Leistung gegenüber anderen Röhren nicht viel tun, aber die EL84 ist mit dem Novalsockel deutlich kleiner als zB Oktalsockel-Röhren wie die EL34 und kommt mit lächerlichen 250V Anodenspannung aus (EL34 bis 800V).
EL84: 12W Pa, 6,3V/0,75A Heizung, 300V Ua, 15W max. Ausgangsleistung pro Paar
EL34: 25W Pa, 6,3V/1,5A Heizung, 800V Ua, 100W max. Ausgangsleistung pro Paar
Man sieht, dass die EL84 an sich eine halbe EL34 ist, wenn man sich die Leistungs-Grenzdaten (abgesehen von Ikmax) ansieht. Aber die EL34 kann viel mehr Spannung als die EL84 und genau das ist ihr Bonus, denn mit 250V kommt man mit zwei EL84 vielleicht auf 10W, aber nicht mehr. Um 20W rauszubekommen, da muss man das Ding massiv überlasten, sprich mit zu hoher - und vom Hersteller nicht umsonst nicht mehr zugelassenen - Anodenspannung betreiben. 350V und mehr sind da keine Seltenheit, ich habe schon 400V in EL84-Endstufen gemessen. Was der Novalsockel zu einer Spitzenspannung von 800V bei Vollaussteuerung sagt, das darf sich jetzt jeder selbst überlegen...
Das erspart ua einen Mörder-Hochspannungskäfig, vereinfacht die Auswahl der Bauteile (die alle weniger spannungsfest sein müssen) und verhindert Durchschläge am Trafo. Das könnten imho Gründe für die Entwickler gewesen sein.
Das mit der Spannung kann und darf kein Grund sein. Wer keinen Trafo wickeln kann, der sollte von mir aus Toaster bauen oder sowas aber keine Röhrenamps.
Ich denke, wenn bei der Schaltungsdimensionierung die unterschiedlichen Bedingungen berücksichtigt werden, ist eine Endstufe mit hoher Anodenspannung ebenso betriebssicher, wie die 'Kleine'. Allerdings kostet das Geld und Platz, da sich die Bauteilepreise bei höheren Isolationswerten drastisch erhöhen und die Dinger immer dicker werden, was man zB bei Kondensatoren sehen kann, wenn man gleiche Kapazitäten unterschiedlicher Spannungsfestigkeit vergleicht.
Die Betriebssicherheit einer Schaltung, in der Bauteile über ihren Grenzdaten betrieben werden, die ist sicherlich geringer als die einer Schaltung, in der die Bauteile noch gut Luft nach oben haben...
Und in dem Bereich, in dem wir uns hier befinden (Kondensator mit 400V oder 630V, also die Folien-Cs), da ist das mit dem Mehrpreis absolut zu vernachlässigen. Bei den Elkos verwendet der intelligente Entwickler sowieso Elkos mit 350V oder 400V und dafür zwei in Reihe. Dann hat man 700V/800V Spannungsfestigkeit und keine Probleme mit "Spezialbauteilen" weil diese 400V-Elkos Massenware sind (Industrie-Schaltnetzteile) und praktisch nichts kosten.
Wer mal einen ENGL repariert hat - der würde nebenbei bei 10% Netzüberspannung, was er eigentlich können muss, den Elko mit Überspannung betreiben - der weiß, was ich mit "Spezialbauteilen" meine. 20€ für 2 Elkos...
Hat also ein Hersteller zB den Ehrgeiz, eine 1HE-Rackendstufe zu bauen (wie Marshall), muß er um jeden qmm im Einschub kämpfen. Ist wenig Platz für die Bauteile, ist auch weniger Platz für zirkulierende Luft, also die Kühlung plötzlich ein Knackpunkt, den es vllt vorher nicht gab.
Und dann baut man diese Endstufe und baut superkleine Trafos ein, die eine sehr besch..eidene Übertragungskennlinie haben (Frequenzgang), damit das Ganze noch reinpasst und installiert einen Alibi-Plastiklüfter, der weder die entstehende Verlustwärme abführen noch einen sicheren Betrieb sicherstellen kann (Bei einem Defekt brennt die Endstufe ab). Nicht so das Wahre. Dazu werden die Röhren wie ich oben geschildert habe, außerhalb der Grenzdaten betrieben.
Ich denke, die EL84 ist auch deshalb so beliebt, weil sie außer der vergleichsweise hohen Leistung von 5W und der niedrigen Spannung auch sehr viel in ausgereiften kommerziellen Schaltungen verwendet wurde. So wurde sie zB nicht nur in Fender Junior etc verbaut, sondern war früher in fast jeder Musikbox zu finden und die gab es ja wirklich in Stückzahlen und sie mußten mancherorts rund um die Uhr laufen.
Die Behauptung, dass eine EL84 saubere 5W Ausgangsleistung liefert, die ist ebenso utopisch und unhaltbar wie die, dass man mit zwei EL84 20W machen kann bzw eben mit vieren 40-50W.
Zu den 5W: Der maximale Wirkungsgrad einer Endstufe in Klasse A bei Trafokopplung ist meines Wissens 50%, das wären bei 12W Verlustleistung 6W. Damit man da 5W rausbekommt, müsste der Trafo verdammt gut sein, d.h. er dürfte fast keinen DC-Widerstand haben und er dürfte keine Kernverluste usw haben. Und eben das schafft keiner der üblichen Trafos. Dazu ist aufgrund der Kennlinienkrümmung usw. das Signal bei 5W bereits so verzerrt, dass sich das keiner anhören will. Realistisch sind 3W bei akzeptablen Klirr, und auch nur das macht als Angabe Sinn, weil sonst jeder die Leistung angeben kann, die seine Endstufe bei Rechteck am Ausgang macht... (Die Datenblattangaben gelten nebenbei für 10% Klirr, das ist etwas...krass. Außerdem berücksichtigen sie die Verluste im AÜ nicht).
Zu den 20W ist zu sagen, dass bei Einhaltung der Grenzdaten in den Datenblättern eine Angabe von 15W zu finden ist und die ist ebenso mit Vorsicht zu genießen wie die mit den 5W in SE Klasse A. Man bekommt aus 2xEL84 saubere 9-10W raus, bei mehr hat man schon nennenswerten Klirr, der bei Cleansounds den Sound dreckig macht. Mit guten AÜs gehen um die 12W, aber wie gesagt...die 20W sind sehr utopisch ohne die Röhren zu grillen.
In der Transistor-Ära gab es später ein ähnliches Phänomen zu beobachten, daß Schaltungsentwickler lieber eine Serie (alter) 2N3055 verwendet haben, als einen einzigen (neu entwickelten) Hochleistungstransistor, weil die alten Dinger einfach ausgereift waren und so eine Art Arbeitspferd, wie die EL84.
Es war vielmehr so, dass die meisten das selbe getan haben, wie man es heute tut: Man beschränkt sich auf das Bekannte und Neues ist per Definition erstmal schlecht, bis man es zwangsweise verwenden muss. Bereits in den 70ern hat Motorola Endstufenschaltbilder herausgegeben, in denen funktionierende (!) Strombegrenzungen zu finden waren, dennoch hat die keiner nachgebaut und heute gibts noch Endstufen in Halbleiterbauweise, die bei zu geringer Lastimpedanz oder Kurzschluss abfackeln. Warum? Weil mans akzeptiert bzw ich behaupte, dass das oft auch gewollt ist, dass das Zeug kaputtgeht. Wenn mans ordentlich bauen würde, dann würds ja lange halten...
Zum 2N3055 noch eines: Das Ding kann 60V, viele können aber nichtmal diese Spannung und schlagen schon vorher durch. Dazu hat er keine nennenswerte Stromverstärkung und er ist vor allem eines: langsam. Kurzum: Das Ding ist Schrott, da gibts Transistoren, die um Welten besser sind (Motorola MJE15024 oder wie die heißen beispielsweise), und die kosten auch nicht sooo viel...
Die Frage ist immer, was der Entwickler will. Wenn man sowas wie diese 20W EL84 Rackendstufen in der Industrie für irgendwas wichtiges nehmen würde bzw genommen hätte (Rundfunk, Telefon usw) dann hätte es permanent Ausfälle gegeben. Nicht umsonst gelten da andere Standards. Weil sowas wie 20W aus 2x EL84 geht irgendwie schon, aber eben nicht dauerhaft und vor allem nicht richtig. 100W aus 2x EL34 dagegen geht verdammt gut.
MfG OneStone