Röhrensynthesizer: Gibt's das?

murmichel
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In der Geschichte des Synthesizers gab es ja so einige merkwürdige Geräte. Soweit ich es überblicke, waren aber zumindest kommerziell vertriebene Geräte immer auf Transistortechnik aufgebaut. Aber vielleicht habe ich etwas übersehen.

Gibt (gab) es auch Synthesizer, in denen Baugruppen, insbesondere Oszillator und Filter, mit Röhren aufgebaut sind?

Fragt neugierigerweise der
Murmichel
 
Eigenschaft
 
Das Trautonium war zumindest ursprünglich ein Röhren-Synthesizer (wenn auch nach gänzlich anderem Prinzip als nachfolgende Subtraktiv-Synthesizer á la Moog).
Ich bin mir jetzt nicht sicher, ob die Moog-"Schrankwände" von Anfang an auf Transistor-Technik beruhten, oder ob zumindest nicht einige Elemente durch Röhren realisiert wurden.
 
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Was kommerzielle (erfolgreiche) Synthesizer angeht, sind Röhren tatsächlich eher unüblich und haben sich nie wirklich durchgesetzt. Nennenswerte Exoten mit Röhren wären das Trautonium so wie das Hammond Novachord mit je nach Bericht etwa 160-180 Röhren. Aber das sind Geräte, die man bestenfalls in einem Museum findet, wenn überhaupt, davon gibt es weltweit nur noch eine sehr überschaubare Anzahl.

Etwas erfolgreicher, wenn auch immer noch sehr obskur ist das röhrenbasierte Ondes Martenot, das in einigen Film-Soundtracks eingesetzt wurde und von Jonny Greenwood auf zahlreichen Radiohead-Alben gespielt wurde.

Die Clavioline ist auch ein röhrenbasierter Synthesizer und fand in den 1950ern und 1960ern sehr begrenzt Anwendung, wurde aber auf ein paar etwas bekannteren Liedern eingesetzt. Bei Telstar von den Tornados hört man es zum Beispiel als Hauptinstrument. "Baby You're A Rich Man" von den Beatles verwendet an manchen Stellen auch eine Clavioline.

Einige frühe Theremine arbeiten ebenfalls mit Röhren. Das sind zwar absolut gesehen immer noch eher obskure und kommerziell nicht unbedingt erfolgreiche Instrumente, ihr sphärischer Klang taucht aber in recht vielen Soundtracks (gerade zu Science Fiction-Filmen der 50er) auf. Ansonsten ist Good Vibrations von den Beach Boys vielleicht der berühmteste Song der Pop-Musik, in dem ein Theremin vorkommt: es ist das Instrument, das mit viel Glissando und Vibrato während dem Refrain (ab 0:25) spielt.

Insgesamt spielte Röhrentechnik bei Synthesizern der letzten 40 Jahre aber keine nennenswerte Rolle. Für die Pionierarbeit war sie sicherlich wichtig, aber der große Erfolg, wie beispielsweise bei Gitarrenverstärkern, blieb ihr verwehrt. Liegt vielleicht auch daran, dass Synthesizer erst Ende der 60er/Anfang der 70er populär wurden und die berühmtesten frühen Modelle bereits auf Transistortechnik gesetzt haben. Zudem waren selbst einfache Synthesizer damals schon sehr schwer und groß, so dass man die kompakteren Transistoren sicherlich dankend annahm.

Aktuell gibt es eigentlich fast keine in Massen gefertigten Synthesizer, die auf Röhrentechnik basieren. Korg hat beim King Korg, sowie auch davor bei dem Triton Extreme eine Röhre eingebaut, allerdings ist die Klangerzeugung bei beiden Geräten digital und die Röhre kann man nur ein bisschen zum Sättigen und Verzerren des Signals verwenden oder auch ignorieren. Daher ist die Röhre nicht wirklich ein integraler Bestandteil des Synthesizers.

Metasonix baut in Handarbeit röhrenbasierte Synthesizer, Drum Machines und Module, allerdings sind das eher Nischenprodukte.

Ansonsten gibt es zwar immer mal wieder Videos von handgefertigten, röhrenbasierten Synthesizern, allerdings sind diese ziemlich teuer und zielen nicht auf einen Massenmarkt ab. So kostet beispielsweise das Knifonium mit 25 Röhren stolze 12.000€.

Da die populärsten Synthesizer der 70er und 80er auf Röhren verzichtet haben und viele Spieler die Klangästhetik ebendieser Synthesizer suchen, ist die Nachfrage nach röhrenbasierten Geräten wohl auch eher gering, daher denke ich nicht, dass es da in naher Zukunft mehr Röhrensynthesizer geben wird. Das ist anders als beispielsweise bei Gitarrenverstärkern, wo Röhren von vielen immer noch als der heilige Gral gesehen werden und sich weiterhin gut verkaufen.
 
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Vielen Dank für die Antworten bisher. Bei den prähistorischen Geräten vor 1960/70 war klar, dass die Röhren haben müssen. Mir geht es um die Geräte seit der Minimoog den "kanonischen" Aufbau mit Oszillator(en), Filter, Hüllkurve(n) etabliert hat.

Das Knifonium war ein guter Tipp! Ich finde das Ding klingt großartig. Auf YouTube gibt es noch ein paar weitere Beispiele. Nicht schlecht dafür, dass es vom Knifonium anscheinend gerade mal fünf Exemplare gibt.
 
Theremin stimmt, würde ich auch als Synthesizer bezeichnen. Dazu würde ich aber auch eine Hammond zählen. Alles andere will man nicht wirklich auf Röhrenbasis haben. Die ersten Moogs und Oberheims und wie auch immer waren alles andere als stimmstabil und live eine Katastrofe. Ständig mussten alle anderen danach neu stimmen. Ätzend.
 
Bitte auch nicht vergessen, wieviele Transistoren selbst in einem einfachen monophonen Synth so verbaut sind. Bei Verstärkern reden wir über ein bis zwei handvoll Röhren - daraus kriegt man keinen VCO, Filter und Envelope gebaut, selbst wenn man sich auf einen Oszi und jeweils die einfachste Technik beschränkt.
Ein Theremin ist in Röhrentechnik so ziemlich das einzige, was man noch in einigermaßen transportabel gestalten kann - danach ist das höchstens was für Festinstallation.
 
Bitte auch nicht vergessen, wieviele Transistoren selbst in einem einfachen monophonen Synth so verbaut sind. Bei Verstärkern reden wir über ein bis zwei handvoll Röhren - daraus kriegt man keinen VCO, Filter und Envelope gebaut, selbst wenn man sich auf einen Oszi und jeweils die einfachste Technik beschränkt.

Das Knifonium hat 25 Röhren und realisiert damit ein Instrument, das einem Minimoog von den Modulen ziemlich ähnlich ist, soweit ich das überblicke.

Mein Interesse bezieht sich einfach darauf, dass ich mich gefragt habe, wie ein Synth mit Röhren wohl klingen würde.
 
Bitte auch nicht vergessen, wieviele Transistoren selbst in einem einfachen monophonen Synth so verbaut sind. Bei Verstärkern reden wir über ein bis zwei handvoll Röhren - daraus kriegt man keinen VCO, Filter und Envelope gebaut, selbst wenn man sich auf einen Oszi und jeweils die einfachste Technik beschränkt.
Vielleicht wenn man dogmatisch alles mit Röhren statt mit Transistoren/ICs machen will.

Bespiel: Ken Stone Tube VCA => http://www.cgs.synth.net/modules/cgs65_vca.html

Hat eine (Mini) Röhre, aber zwei Dual Opamps.

Hier mal ein Bild von meinem. Die Potis dürften zum Größenvergleich ausreichen:

full
 
Mein Interesse bezieht sich einfach darauf, dass ich mich gefragt habe, wie ein Synth mit Röhren wohl klingen würde
Wahrscheinlich nicht so anders als einer in Transistortechnik - es sei denn, man setzt Röhren mit etwas Overdrive gezielt an (Aufhol-)Verstärkern ein. Zumindest wäre man wohl halbwegs überrascht, wie klein der Unterschied ist, wenn man die irgendwo anders einsetzt als in einem Verstärker oder Ausgangsstufe. Geht man nämlich in die Sättigung, ist bei einem Oszi oder Filter schnell auch die Funktion beeinträchtigt, nicht nur der Sound... ;)
 
Dann ist die Korg-Methode, eine Verstärker-Röhre am Audio-Ausgang eines Digital-Synthesizers/ Workstation einzubauen also doch ganz sinnvoll?

Oder ist der Zuwachs an analoger Wärme als fast vernachlässigbar einzuschätzen, wenn der gesamte Signalweg davor wie erwähnt rein digital ist?
 
Korg verwendet(e) aber minderwertige Röhren, die nicht so gut klingen. Also ich hab Röhrenverzerrung lieber extern (=> SPL Charisma als Beispiel) als zwangsweise im Signalpfad.
 
Die schönste analoge Wärme dürfte gerade in dieser kalten Jahreszeit aus einem kuscheligen Kaminofen kommen ...
Aber im Ernst, entweder man betreibt die Röhre im linearen Teil ihrer Kennlinie, dann verstärkt sie im Prinzip genauso sauber und linear wie ein Transistor und man kann sie sich auch sparen oder man treibt sie in den oberen, nicht mehr linearen Kennlinienbereich und erzeugt damit die gewünschten geradzahligen Obertöne (wiederum aber auch nur, wenn es sich um eine Triode handelt). In dem Bereich dürfte sie in einer Oszillatorschaltung aber nicht mehr zuverlässig funktionieren wie oben schon erwähnt wurde.

Ich würde bei Bedarf lieber auch einen externen Röhrenpreamp einschleifen. In einem modernen digitalen Synthie sehe ich auch so recht keine Verwendung für sie.
 
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einziger guter Synthie wäre das Knifonium. Habe ich selbst schon in natura gehört und klingt wirklich sehr warm und angenehm.
Der Metasonix Synthie klingt recht rauh und LoFi ist auch nicht besonders stimmstabil, ist mehr ein teures Gimmick, wie der Drummie auch.
 
Das Knifonium ist wirklich der Hammer ...
Aber ob sich allein wegen der Röhren und der klanglichen Extras die 9.000 Euro lohnen?
Zu dem Preis bekommt man auch schon einen neu aufgelegten Minimoog-D plus einen erweiterten Voyager mit 61er Tastatur und Patch-Feld!

Aber zur Röhren-Technologie generell:
Ich habe vor langer Zeit (so etwa vor 25 Jahren oder länger her) einen Artikel über Mikro-Röhren gelesen ("Mikro" im Sinne von "sehr klein", nicht auf Mikrofone bezogen). Da wurde angekündigt, dass man Dutzende von denen auf einem einzigen Chip unterbringen kann, ähnlich wie man es schon seit Jahrzehnten mit Transistoren macht (die dann gleich zu Abertausenden Platz finden).
Ich habe jetzt aber keine Ahnung, was daraus geworden ist und ob/ wie das auch für den Synthesizer-Bau relevant wäre. Das Knifonium hat auf jeden Fall normal große Röhren, wie es aussieht ...
 

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