Sinnvolle Melodieführung

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Christian_Hofmann
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Hallo zusammen,

ich weiß nicht ob der Titel wirklich passt aber ein anderer ist mir nicht eingefallen. Aber zu dem Problem, ich spiele ja Orgel und neben dem Notenspiel und Gesangsbücher harmonisieren habe ich das freie Spielen für mich entdeckt. Das funktioniert recht gut und dabei kommen nette Stücke mit interessanten Melodien spontan raus. Jedoch bin ich damit nicht ganz zufrieden, oft hört es sich gut an, jedoch auch an einigen Stellen als ob die Melodie nicht wirklich richtig ist, etwas fehlt oder etwas anderes erwartbar wäre.

Es scheint ja gewisse "Regeln" zu geben denen eine Melodie folgt (Wiederholungen, Umkehrungen, usw.), ich weiß man muss diesen Regeln nicht folgen und wirkliche kreativität fängt außerhalb der festen Regelwerke an, aber das nützt ja wenig wenn dass Ergebnis dann trotzdem nicht gut ist. Gibt es irgendwelche Quellen in denen es Ratschläge/Tipps/Erfahrungen zu dem Thema gibt wo ich mich mal einlesen kann?

Viele Seiten die ich gefunden habe beschäftigen sich eher mit dem Thema sehr Theoretisch wie Melodie entwerfen, Harmonisieren, Rhythmus und so weiter. Aber keine von mir gefundene Quelle beschäftigt sich nur im geringsten mit den Regeln der Melodieführung. Oder diese Quellen sind so theoretisch dass ich sie ohne Studium nicht mal verstehe.
 
Eigenschaft
 
Wie wäre es mit einem Beispiel (Audio und/oder Noten), das uns hören bzw. sehen lässt, was Du ganz konkret meinst?

Gruß Claus
 
Ich habe noch nie etwas von „Regeln“ zur Melodieführung gehört.

Aber ich habe früher, sehr viel früher, eine Zeit lang aus Interesse alle Melodien untersucht und analysiert, die mir so untergekommen sind, und die ich als irgendwie besonders empfand. Das waren Melodien von
Mozart bis Pat Metheny, von Puccini bis A. C. Jobim. Alles querbeet.

Allgemeine „Regeln“ zur Kontruktion von Melodien komnte ich daraus nicht ableiten.
Nur die Erkenntnis, dass man eine Melodie nicht ohne ihre dahinterliegenden Harmonien betrachten kann, und dass die (in meinen Ohren) schönsten Melodien in ganz besonderer Weise mit ihnen verschränkt sind.

Thomas
 
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Bücher:
Diether de la Motte - „Melodie“
David Liebman - „A chromatic approach to Jazz harmony and melody“

Analyse:
https://www.musik-verstehen-lernen.de/index.php/melodie
https://core.ac.uk/download/pdf/56351173.pdf , insbesondere den Ansatz „Forensische Popmusik-Analyse“ mit Elementen der Gestaltpsychologie finde ich interessant

Insgesamt ist Melodieanalyse sehr stilabhängig: was eine gute Melodie ist, da liegen schnell Welten zwischen den Meinungen. Aspekte des organischen Kraftaufwands beim Singen, der Phrasenlänge die an der Atemlänge des Menschen orientiert ist und gestaltpsychologisch sinnvoll angeordnete Intervalle dürften in fast allen Stilen vorherrschen, aber darüberhinaus wird‘s schnell stilabhängig.
 
... aber darüberhinaus wird‘s schnell stilabhängig.
Ich würde sogar sagen, dass es noch komplizierter ist. Denn auch innerhalb einer Stilrichtung sind die Möglichkeiten der Melodiebildung schier unerschöpflich.
So kann man gewiss feststellen, dass die Oevres von J.S. Bach, W.A. Mozart oder Franz Schubert in sich stilistisch einheitlich sind, sie alle aber jeweils sehr, sehr breit gefächerte melodische Ideen hatten (man denke nur an das extrem umfangreiche Liedschaffen von Schubert!).

Ich halte es daher auch am sinnvollsten, wenn du @Christian_Hofmann, hier ein Beispiel einsetzen könntest, wo dir deine Melodieführung selber nicht gefällt (Ton- oder Notenbeispiel). Dann könnte man das analysieren und ggf. konkrete Tipps und Hinweise geben und eventuell auch Verbesserungsvorschläge machen.
 
William "Bill" Russo schreibt in seinem Buch "Composition & Orchestration" in der Einleitung zum Kapitel "Melody" :
"a melody grows and subsides, its tension increases and diminishes, it has a beginning, a goal, a climax and a conclusion."
Das könnte man als eine ganz allgemeine Umschreibung einer Melodie bezeichnen.
Beim kreieren von Melodien sollte man sich dieser einzelnen Punkte bewusst sein.
 
als ich mit dem Komponieren angefangen habe, war ich auch oft unzufrieden, weil vieles unschlüssig klang. Ich habe dann angefangen vieles zu analysieren, was mir gefiel, einerseits um herauszufinden, was der Komponist dort gemacht hat, andererseits aber auch um eine Inspiration zu bekommen. Manchmal erkennt man ein Prinzip, und schafft es, dieses mit einer völlig anderen Melodie umzusetzen, und dann kommt ein kreativer Prozess in Gang.
Spontan fällt mir z.b. der one note Samba ein, eine total simple Idee, bei der im A-Teil nur eine einzige Note verwendet wird, die rhythmisch variiert ist. Im B-Teil ist es dann genau das Gegenteil, eine sehr dichte fließende Melodie.
Dieses einfache Konzept kann man auf vielfache Weise variieren:
es muss ja auch nicht ein ganzer a Teil sein, der nur auf einer Note spielt, es muss auch gar nicht eine einzige Note sein, man könnte ja genauso gut sagen: ich beschränke mich erstmal auf drei Töne im A-Teil und gehe dann im B-Teil auf etwas freieres, was nicht mehr so definiert ist.
 
als ob die Melodie nicht wirklich richtig ist, etwas fehlt oder etwas anderes erwartbar wäre
Mal abgesehen von absolutem Quatsch, um den es hier ja wohl nicht geht, haben unterschiedliche Zuhörer womöglich unterschiedliche Erwartungen. Und die Erwartungen des Komponisten können nochmal anders sein. Und das kann sich mit der Zeit auch noch ändern (heute so, morgen so). Die persönliche Stimmung/Emotion (betrübt/heiter), bei Sonnenschein oder Regengrau betrachtet kann alles auf die Erwartung Einfluss haben.

Meiner Meinung nach gibt es nichts zum Nachlesen im Sinne von "wenn so …, dann so … weiter". Melodien oder Licks lasse ich gerne mal ein paar Tage liegen. Danach sehe ich 1., ob mir's immer noch gefällt und ob ich 2. etwas ändern sollte/möchte. Und dann probiere ich einfach herum: verschiedene Tempi, verschiedene Harmonien darunter, verschiedene Taktarten, legato, staccato, anderer Rhythmus, hi und da verschiedene eingefügte oder weggelassene Töne, … und das alles und wie es mir gefällt hängt dann wieder von meiner eventuell neuen Stimmung ab.

Und, so mancher sucht ja beim Komponieren gerade das Nichterwartbare ;)

Ich würde mal bei der Beurteilung den Kopf etwas ausschalten und auf den Bauch hören.
 
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Allgemeine „Regeln“ zur Kontruktion von Melodien komnte ich daraus nicht ableiten.
Nur die Erkenntnis, dass man eine Melodie nicht ohne ihre dahinterliegenden Harmonien betrachten kann, und dass die (in meinen Ohren) schönsten Melodien in ganz besonderer Weise mit ihnen verschränkt sind.
bzw.
Meiner Meinung nach gibt es nichts zum Nachlesen im Sinne von "wenn so …, dann so … weiter"...
Ich würde mal bei der Beurteilung den Kopf etwas ausschalten und auf den Bauch hören.
das sehe ich auch so,
und das ist vielleicht ja auch eine frage der Begabung oder ob man Talent dazu hat.
 
Ja gut, aber wenn (@turko ) eine Melodie mit einer dahinterliegenden Harmonie verschränkt ist, und (@soundmunich ) man eine Melodie zwar nicht rational, aber "mit dem Bauch" beurteilen kann, und wenn man das (@dubbel ) mit Begabung und Talent vielleicht hinbekommt - dann scheint es ja doch irgendwelche Regeln der Melodieführung zu geben, die @Christian_Hofmann sucht. Es gibt sie vielleicht nicht schön aufgeschrieben oder gar in Regelform formuliert, aber es gibt sie offensichtlich doch so, dass mehrere Leute unabhängig voneinander die gleiche Melodie als gut oder schlecht beurteilen können.

Und das heißt: es gibt eine Theorie von guten Melodien, zumindest in Form eines (evtl. unausgesprochenen) Konsens von akzeptablen und nicht akzeptablen Melodien. Oder in Form von Ahnungen, was gut und schlecht ist.
 
Also, Musik hat schon eine Menge "Regeln" oder besser Gepflogenheiten. Es kann nicht schaden, sich damit zu beschäftigen. Das gibt einem erstmal Ansätze und Ideen, was man ÜBERHAUPT" machen kann.
Man kann sich davon auch wieder distanzieren und etwas ganz eigenes machen. Aber ich kenne keinen großen Komponisten, der nicht sehr viele seiner Kollegen zunächst mal analysiert hat, dann kopiert und dann einen eigenen Weg gefunden hat.

Alles selber herausfinden zu wollen, ist wesentlich langwieriger und auch oft sehr frustrierend. Deswegen kann man ja Komposition auch studieren. Genau wie Musik, Malerei, Fotografieren u.s.w.
 
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Hallo zusammen,

es tut mir Leid dass ich den Beitrag aus den Augen verloren habe. Ich will einfach mal eine Arbeit von mir mit euch teilen was ich da so mache. Ich habe in diesem Fall jetzt einmal eine Bearbeitung des Liedes "Ich wollt, daß ich daheime wär" aus dem evangelischen Gesangsbuch 517 gemacht. Die Melodie stammt von 1430, daher kann ich diese ja ohne Probleme hier mit euch teilen.

Mich würde eure Meinung dazu interessieren. Es handelt sich um einen Dreistimmigen Satz für die Orgel. Violinschlüssel wird mit den Händen gespielt der Bassschlüssel komplett auf dem Pedal. Mein Problem ist das es mir schwer fällt Dissonanzen auf elegante Art
einzuführen und wieder aufzulösen. Vielleicht habt ihr da ja ein paar Ideen. Da ich nun noch kein Profi bin fällt es mir auch noch alles sehr schwer und alleine schon Parallelen zu vermeiden und die passenden Akkorde zu finden ist manchmal etwas schwierig für mich. Das Ergebnis hört sich wie ich finde ganz gut an, ich finde aber der Feinschliff fehlt.

Im Anhang das Notenblatt im PDF Format, unkomprimierte MusicXML (in einer zip gepackt weil sonst kein Upload ging) und noch einmal an meiner Orgel eingespielte mp3. Das eingespielte hat leider im zweiten Takt einen Fehler, dort habe ich statt dem g das e im Pedal gespielt. Ich bitte es zu entschuldigen.



 

Anhänge

  • Noten-Ich_wollt_dass_ich_daheim_waer.pdf
    33,8 KB · Aufrufe: 153
  • ich_wollt_dass_ich_daheime_waer.mp3
    1,9 MB · Aufrufe: 1.902
  • MusicXML_Noten-Ich_wollt_dass_ich_daheim_waer.zip
    3,1 KB · Aufrufe: 98
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Frage Nr. 1: Wie kommst Du auf den 3/4-Takt?
upload_2021-1-20_18-49-46.png


In meinem EKG (ist aber das alte, dort Nr. 308) steht es ja ohne Taktangaben oder Taktstriche, aber wenn man nach dem Text geht, kommt man auf einen 2er-Takt, nicht auf einen 3er.

Z.B. so:
upload_2021-1-20_20-58-47.png

Dann würde ich die Harmonien anders setzen.

Z.B.:
upload_2021-1-20_21-1-21.png


Hörbeispiel auf dieser Seite:
http://www.eingesungen.de/player.php?track=1152&buch=21#player

Direktlink:


Viele Grüße,
McCoy
 
Frage Nr. 1: Wie kommst Du auf den 3/4-Takt?
Anhang anzeigen 779690

In meinem EKG (ist aber das alte, dort Nr. 308) steht es ja ohne Taktangaben oder Taktstriche, aber wenn man nach dem Text geht, kommt man auf einen 2er-Takt, nicht auf einen 3er.

Danke für deine Antwort. Ich hatte den Text außen vorgelassen da ich primär die Melodie nutzen wollte um eine sinnvolle Vorlage zu haben. Da mir die Erfahrung fehlt und der Text in diesem Fall nicht wichtig war habe ich einen 3/4 Takt als Schlüssig für meine Idee empfunden. Dein Vorschlag macht natürlich genau so Sinn und ist für mich nachvollziehbar. Wenn der Text dabei beachtet wird wäre wohl alles andere auch Quatsch.
 
Ja, da hätte ich mal auch erst in mein EKG hinein schauen sollen! Ich kannte den Choral nicht und als ich gestern Abend einen Versuch machte, ihn zu harmonisieren, kam mir das alles irgendwie komisch vor, da ich keinen sinnvollen harmonischen Fluss hinbekommen wollte. Im 2/4-tel Takt ist es aber alles viel klarer. Mit Text und dann auch der Auftakt-Quarte E-A kann es gar nicht anders als 2/4-tel Takt und eben auch mit Auftakt sein.
In meiner Ausgabe (2. Auflage 2004) des EKG ist der Choral im übrigen unter der Nummer 517 verzeichnet, und auch ohne Taktstriche.

Hier einige vierstimmige Beispiele:

Ich wollt, daß ich daheime wär_5 Versionen.jpg

Dazu noch eine MP3-Datei zum Anhören (alle Fassungen laufen hintereinander durch wie auf dem Notenblatt):




Gruß, Jürgen
 

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  • Ich wollt, daß ich daheime wär_5 Versionen.mp3
    2,2 MB · Aufrufe: 1.941
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