[Sound] Charakterlose Signalbearbeitung

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-do_john_86-
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Charakterlose Signalbearbeitung


Einleitung

Oft tauchen Fragen auf, welche Effekte bzw. Effektgeräte man eventuell brauchen könnte, um mehr Möglichkeiten zu erlangen. Leider muss man häufig feststellen, dass selbst alteingesessene Gitarristen sich nicht ausreichend mit dem Gitarrensignal selber befasst haben und schlechte Sounds mit dem Kauf eines neuen Effektgerätes kompensieren wollen. Dabei ist es nicht zwingend notwendig, auf typische Effekte zurück zu greifen, die meist den Geldbeutel als Opfer fordern. Ebenfalls ist die Neuanschaffung eines AMPs nicht immer erforderlich, sondern lediglich eine Ergänzung.

Neben den Effekten wie Chorus, Flanger und WahWah, aber auch verschiedenen Distortionpedalen - die allesamt einen eigenen Charakter mit in den Gitarrensound bringen - gibt es sehr viele, meist unterschätzte Geräte, die aus dem was man bereits hat das letzte rausholen und charakterlos sind und praktisch nichts eigenes mit in das Signal schleifen. Häufig ist sogar eine Qualitätssteigerung des vorhandenen Sounds um bis zu 50% möglich. In diesem Workshop werde ich einige dieser Geräte vorstellen, die bei richtiger Verwendung und einem gründlichen Studium der Bedienungsanleitung mehr Erfolge bringen, als sämtliche andere Lösungen.


Was für Geräte eignen sich?

Kompressor (Dynamikbearbeitung)
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Das physikalische Wirkungsprinzip eines Kompressors mit sämtlichen mathematischen Kurven zu erklären, würde den Rahmen sprengen. Um es einfach zu erklären sei gesagt, er macht ein zu lautes Signal leiser und ein zu leises Signal lauter. Am Ende hat man ein komprimiertes Signal, welches sich auf einem zuvor eingestellten Level bewegt. Da es mit diesem Gerät nichtmehr möglich ist, die Dynamik durch die Anschlagstärke der Schlaghand frei und individuell zu kontrollieren, werden Kompressoren auch als "Dynamik Killer" bezeichnet, da sie die Dynamik enorm einschränken oder auch völlig außer Kraft setzen können und sollten erst nach Geräten in den Signalweg eingeschliffen werden, die eine Dynamik zum Arbeiten brauchen (WahWah u. Distortion z.B.). Ein großer Vorteil dieses Gerätes ist, dass man einen längeren Sustain der Gitarre simulieren kann. Dies wird dadurch erreicht, dass der Kompressor das mit der Zeit leiser werdende Signal der Gitarre immer noch anhebt, wärend die Saitenschwingung permanent schwächer wird. Obwohl die Saiten genau so lange schwingen wie ohne Kompressor auch, ist der Sound länger hörbar und die Vorstufe bzw. die eingesetzte Distortion hat noch genug Boost für eine kräftige Zerre. Kompressoren gibt es als Rackgerät im 19" Format, in Form eines Bodeneffektes und als Desktopgerät.

Beispielgeräte:
BOSS CS-3 Compression Sustainer
Behringer AUTOCOM PRO-XL MDX1600
Alesis 3630 Compressor

NoiseGate (Signalerkennung/Switch)
workshopnoisegatesyd2.jpg

Ein NoiseGate ist einfach zu verstehen. Liegt ein Signal in einem zuvor eingestellten Minimal-Level auf dem Input an, öffnet es den Signalweg und gibt das Signal am Output wieder aus. Fällt die Signalstärke unter das eingestellte Limit, wird der Signalweg wieder unterbrochen. Mit Hilfe dieses Gerätes lassen sich Störgeräusche in den Spielpausen unterdrücken (egal ob Rauschen, Brummen, Knacken oder Sonstiges). Vorraussetzung dafür ist, dass die Störungen nicht lauter als das Gitarrensignal sind, da eine Störeinstrahlung physikalisch gesehen Bestandteil des Gitarrensounds ist und ein NoiseGate nicht erkennen kann, was zum Gitarrensignal gehört und was zur Störung ("Ist etwas einmal zusammengemischt, bekommt man es nichtmehr auseinander"). Optimal ist es, ein NoiseGate direkt hinter das Gerät bzw. Kabel zu schalten, wo der Störeinfluss anfängt. Direkt hinter die Gitarre macht es jedoch keinen Sinn, da das Signal dort recht schwach ist und die Störungen auch noch nicht hörbar verstärkt worden sind. Neben dem Minimal-Level lässt sich meist auch die Zeit einstellen, wann nach Beendigung des Gitarrenspiels das Signal unterbrochen werden soll. Diese Zeit lässt sich im Bereich von Millisekunden bis zu Sekunden regeln. Wie die Kompressoren, gibt es NoiseGates in allen 3 Ausführungen: 19" Rack, Bodeneffekt und Desktopgerät.

Beispielgeräte:
Behringer AUTOCOM PRO-XL MDX1600
MXR SMART GATE M-135

NoiseSuppressor (Filter)
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Ein NoiseSuppressor greift im Gegensatz zum NoiseGate aktiv in das Gitarrensignal ein und filtert Störfrequenzen bzw. Klangmuster heraus. Zu dieser Lösung sollte man erst greifen, wenn es keine andere Möglichkeit gibt das Problem in den Griff zu bekommen. Jedes Gerät, welches aktiv in das Signal eingreift, hat in gewisser Art und Weise auch Einfluss auf das Gitarrenspiel und daher sollte es eher weiter hinten bei der Lösungssuche stehen. Im Großen und Ganzen arbeitet es aber doch recht effektiv. Es ist unbedingt zu erwähnen, dass die Funktionen eines NoiseSuppressors häufig in Kombination mit einem NoiseGate einhergehen, daher ist die Auswahl an Geräten für Standalone-Betrieb äußerst mager.

Beispielgeräte:
BOSS NS-2 Noise Suppressor

Grafischer Equalizer (Klangregelung)
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Ein grafischer Equalizer ist ein Lautstärkeregler, jedoch regelt er nicht die Gesamtlautstärke des Signals, sondern die Lautstärke einzelner Frequenzen. Leiser gestellt werden die Frequenzen mit einem Filter, lauter gestellt mit einem Booster - er ist also eine Kombination aus 2 Geräten. Jedem dürften die Regler Bass, Contour und Treble an der Stereo-Anlage bekannt sein. Dabei handelt es sich ebenfalls um einen grafischen Equalizer, und zwar um einen mit 3 Bändern. Unter Band versteht man einen Frequenzbereich, der variabel groß sein kann. In der Studiotechnik und unter Musikern gibt es häufig Equalizer mit 15 oder 31 Bändern, mono oder auch stereo - dementsprechend gibt es auch mehr als 3 Regler, wie es bei der Stereo-Anlage der Fall ist. In je mehr Bänder der Equalizer eingeteilt ist, umso kleiner sind die Bänder bzw. Frequenzbereiche. Die Abkürzung für Equalizer ist EQ, eine Buchstabenkombination, über die man sehr oft stolpert. Neben EQs, die das volle Frequenzspektrum von PA-Anlagen unterstützen, gibt es auch welche, die speziell für die Gitarren-Frequenzen ausgelegt sind (diese sind kursiv markiert).

Beispielgeräte:
Alesis DEQ 230
BOSS GE-7 Equalizer
Behringer EQ700 GRAPHIC EQUALIZER
Behringer GEQ3102 ULTRA-GRAPH PRO
DOD SR431 QX
DOD SR 831 QXLR
DBX 215
MXR M 108

Parametrischer Equalizer (Klangregelung)
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Im Gegensatz zum grafischen Equalizer, können hier die Mittenfrequenzen diverser Bänder angepasst werden. Auch die Amplitudenänderung lässt sich regulieren. Diese beiden Eigenschaften hat jeder parametrische Equalizer. Bleibt es bei den beiden, nennt man es Semiparametrik. Kommt noch die einstellbare sogenannte Filtergüte hinzu, handelt es sich um Vollparametrik. Dieses System ist schwerer zu verstehen als das von grafischen EQs, jedoch sind die Möglichkeiten weit größer und man kann sich den Sound regelrecht modellieren.

Beispielgeräte:
Behringer PEQ2200 ULTRA-Q PRO
Behringer T-1951 TUBE ULTRA-Q

Feedback Killer (Klangregelung)
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Allgemein betrachtet, ist ein Feedback Killer ein ganz normaler grafischer Equalizer. Was ihn jedoch von anderen unterscheidet, ist die Feedback-Erkennung und die daraus resultierende Filterung der hohen Frequenzen, welche anfällig für Feedback sind. Das Problem ist, dass dieses Gerät logischerweise nicht erkennen kann, wann ein Feedback gewollt ist und wann nicht. Man sollte es daher nur anwenden, wenn man ein Feedback nicht als Soundeffekt in seinen Songs nutzt und es einen beim Musizieren stört. Auch in kleinen Proberäumen, mit reflektierenden Wänden, kann das Gerät eine Erleichterung darstellen und das Gitarrenspiel bei größeren Lautstärken überhaupt erst erträglich machen. Die Besonderheit im Gegensatz zu einem grafischen Equalizer ist, dass die anfälligen Frequenzen nicht permanent gefiltert werden, sondern individuell nach Feedbacks "gefahndet" wird und je nach Bedarf eingegriffen wird. Ähnlich wie NoiseGate und NoiseSuppressor, gehen grafische Equalizer und Feedback-Killer häufig gemeinsam einher, dies muss jedoch nicht der Regelfall sein.

Beispielgeräte:
Behringer FBQ1502 ULTRAGRAPH PRO
Behringer FBQ2496 FEEDBACK DESTROYER PRO
SABINE FBX 2400


Unterschätzte Fähigkeiten und Eigenschaften

Diese Geräte sind recht unspektakulär, wenn man sie im Musikladen mit Multieffekten vergleicht und sehen "langweilig" dagegen aus. Dazu ist es nicht damit getan, diese einfach anzuschalten und sofort los zu legen. Jedoch gibt es einige Vorteile, diese sind:


  1. Man arbeitet mit dem Signal was man schon hat und holt das letzte aus seinem Equipment raus für das man gezahlt hat.
  2. Man setzt sich mit dem Audiosignal auseinander und lernt das Frequenzspektrum kennen. Beispiel: wenn man einen Sound bei einer Band hört, fällt es einem leichter, diesen bei seinem eigenen Equipment einzustellen, da man eine grobe Vorstellung davon hat, mit welchen Einstellungen man etwas erreicht.
  3. Diese Geräte sind meist billiger als gute Multieffekte, da sie keinen eigenen Charakter haben und nur einem vom Benutzer eingestellten Schema folgen. Solange nichts auseinander fällt, das Signal nicht negativ beeinflusst wird und einem die Einstellungsmöglichkeiten ausreichen, gibt es dort im Prinzip nichts, was vom Geschmack abhängen könnte. Ein 15-Band-EQ von Behringer und ein 15-Band-EQ von DOD nehmen sich nicht viel.
  4. Alle aufgelisteten Geräte lassen sich zeitgleich betreiben, ohne sich gegenseitig zu stören. Häufig gibt es Kombinationen aus Kompressor und NoiseGate oder Equalizer und Feedback-Erkennung zu kaufen, um nur 2 Beispiele zu nennen. Effekte lassen sich im Vergleich dazu nur begrenzt kombinieren.

Wie man erkennen kann, ist es garnicht notwendig, das Signal mit Effekten zu beschießen um etwas zu verdrehen oder zum Guten zu wenden. Oft reichen Anpassungen und Korrekturen des bereits Vorhandenen aus, um sein Equipment in ein völlig anderes Licht zu rücken. Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich Bassisten schon viel früher mit dieser Thematik auseinandersetzen. Nicht zu letzt deswegen, weil die standartmäßigen Effekt-Schaltungen mit den tiefen Frequenzen des Basses nicht klarkommen und daher entweder zu teuren Geräten gegriffen werden, oder man sich als Bassist intensiver mit dem eigentlichen Signal auseinandersetzen muss. Bei der Masse an auf dem Weltmarkt erhältlichen Gitarren-Tools, verliert man den Blick fürs Detail. Dieser Workshop soll dies ändern und zeigen, dass weniger oft mehr ist.

Eine kleine Anmerkung: Ist man Purist und arbeitet nicht mit vielen Effekten bzw. wechselt nicht oft unterschiedliche Klangszenarien, muss man diese Geräte lediglich einmal fest einstellen und später nicht weiter bedienen. Daher ist es sogar möglich, relativ billige Geräte in Tretminenform im Rack zu nutzen, ohne auf eine MIDI-Steuerung angewiesen zu sein (Looper bzw. Switcher entfallen). Auch kann man umgekehrt dazu, ein Gerät im 19"-Rackformat an seinem Tretminen-Setup betreiben, indem man es einfach auf den Verstärker legt oder anderswo stationär betreibt.

Zusammenfassender Merksatz:

"Jungs und Mädels, kauft euch lieber etwas zum Perfektionieren bevor ihr meint, ein Mesa Boogie DualRectifier könnte alle Probleme lösen - denn auch Besitzer von diesem haben mit Soundproblemen zu kämpfen."


Viel Erfolg,

Jens



Hinweis: Dieser Workshop ist an Gitarristen als Endverbraucher gerichtet und nicht an Spezialisten, die für Musiker produzieren. Ich bitte daher um Nachsicht, sollte die eine oder andere Formulierung nicht der aus einem Lehrbuch entsprechen.
 
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