Aber gibt es irgendeine Orientierungs-Regel? Auf welchen Tönen bendet ihr in einem Melodieverlauf und auf welchen nicht? Wie ihr gerade Lust habt? Jeder so sein eigener Stil?
Nun, für die meisten dürfte das ja durchaus der Sin des ganzen sein: kreativ werden, eine eigene musikalische Sprache entwickeln. Gerade uns Gitarristen wird (nicht ganz zu Unrecht) ja öfter mal vorgeworfen, dass wir im Autopilot vor uns hindudeln, statt neue Ideen zu entwickeln.
Ich finde, man muss hier differenzieren: ja, es gibt die Klassiker, die irgendwo stilprägend sind, aber halt auch zum Klischee werden.
Die statistisch häufigsten Bendings in Rock und Blues dürften wohl sein, am Ende eines aufwärts führenden Melodiebogens auf der Subdominante zu landen (vorzugsweise mit Fingervibrato im Ausklang), oder ein Solo oder Lick mit einem Ganzton-Bend einzuleiten, der auf der Tonika endet.
Kann man machen, passt eigentlich immer, klingt nach Rock. Aber halt relativ vorhersehbar, wenn man nichts anderes macht.
Danach kommen die Double Bends, bei denen Du einen Ton auf der höheren Saite greifst und die untere zugleich bendest, bis sie die gleiche Tonhöhe erreicht. Bei Gitarren mit schwebendem Tremolo eine Herausforderung, weil sich der gegriffene Ton dabei leicht absenkt. Da heißts mit dem Handballen gegenhalten, oder den etwas schiefen Ton als Stilmittel verkaufen.
Oder der Double Bend mit Double Stop. Klingt erstmal kompliziert, aber das ist so der klassische Chuck Berry-Style: auf der g-Saite die Subdominante zur Dominante ziehen und dann die Dominante auf der h-Saite und die Tonika auf der e-Saite dazu anschlagen.
Nächste Stufe ist der "Ghost Bend", bei dem Du die Saite kurz vor dem Anschlag stumm bendest, sie dann spielst und dann den Ton auf den gegriffenen absinken lässt. Herausforderung: Das Gefühl zu entwickeln, welcher Ton erklingen wird, denn das Bending muss passen, bevor Du es hören kannst. Klassisch ist das als Einstieg ins Solo oder in einen neuen Abschnitt des Solos.
Im Blues oder Classic Rock mit seinen Blues-Anklängen gehören auch Halbton Bends zum Vokabular, z.B. ein Subdominante, die nur zur verminderten Dominante gezogen wird, oder die Mollterz, die zu einer Durterz wird. Kann man überall einstreuen, auch mal mitten in einem Lauf. Mutige basteln dann auch dissonante Bends, wie ein Double Bend, bei dem der untere Ton nicht ganz bis zum gegriffenen hochgezogen wird und eine Reibung entsteht.
Die richtigen Meister des Bendings lassen dann auch mal einen Ton stehen und benden ihn bis zu einem Zielton, lassen ihn absinken und benden ihn dann zu einem nochmals anderen Ton - David Gilmour macht sowas gerne und spielt mitunter ein kleines Melodielick aus mehreren Tönen nur mit einem solchen Bending.
Grundsätzlich gibts also keine Regeln. Man kann durchaus ein Solo spielen, bei dem mittendrin und überall fast jeder Ton zu jedem anderen gezogen und fallen gelassen wird.
Gruß, bagotrix