Tipps & Tricks: Orientierung auf dem Griffbrett verbessern

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Neben dem Auswendiglernen der berühmt-berüchtigten Pentatonik-Patterns gibt es noch eine andere Herangehensweisen, die ich hier vorstelle.

Es ist ja im Grunde immer von Vorteil, sich Dingen von mehreren Seiten zu nähern.
Erstens, weil man damit flexibler wird. Und 2., weil bei jedem das Gehirn anders tickt. Der eine lernt es so besser, der andere anders und der dritte am besten mit dem Verschmelzen meherer Arten.

Die folgenden Schritte mögen bisweilen abstrakt erscheinen. Nach meiner Erfahrung aber nur deshalb, weil die praktische Umsetzung weitaus weniger Worte bedarf als deren Erklärung ;) Wie oft habe ich erlebt, dass das Erklären eines in der Praxis einfachen zu zeigenden Vorgangs in schriftlicher Form unendlich umständlich bis sogar abstoßend werden kann. Trotzdem mal wieder ein Versuch ;)

Also: Jeder darf sich hier rauspicken, was ihm nützt und vergessen, was ihm am A***s vorbeigeht. ;)

A. Pentatonik mal so gesehen: Einfach nur zwei Grüppchen

Schaut man sich die meist gespielte Moll-Pentatonik (Tonstufen 1, b3, 4, 5, 7) auf der Gitarre genau an, fällt folgendes auf:

1. Es gibt ausschließlich Abstände von 2 oder 3 Bünden (2 Halbtöne, 3 Halbtöne)

2. Diese bilden auf dem Grifbrett immer die selben über- und untereinanderliegenden Gruppen: zwei 3-er, drei 2-er, zwei 3-er, drei 2-er usw. usw.

Beweisen/visualisieren wir diese Gruppenbildung, indem wir zusätzlich zu den vorhandenen 6 Saiten (ROT) auf einer Gitarre unendlich viele Saiten aufziehen. Die Zahlen geben die Halbtonschritte an (1-2 = 2 Halbtöne / 1-3 = 3 Halbtöne)

1--2
1--2
1--2
1-----3
1-----3
1--2
1--2
1--2
1-----3
1-----3
1--2
1--2
1--2
1-----3

1-----3
1--2
1--2
1--2
1-----3
1-----3

Diese Gruppenlage findet sich in allen Lagen/allen Patterns wieder. Da die Gitarre halt nur 6 Saiten hat, bekommen wir die Gruppen immer in verschiedenen Aus- und Anschnitten zu sehen. 2 vollständige Gruppen sind dabei aber vorhanden:

1-----3
1--2
1--2
1--2

1-----3
1-----3


oder

1--2
1--2
1--2

1-----3
1-----3

1--2

B. In jeder 2-er und 3-er Gruppe hat der Grundton seinen festen Platz!

Wie sich in welcher Lage welche Gruppen schichten, wird immer vom Grundton bestimmt. Hier gibt es nur 2 ganz einfache Regeln:

In einer 3-er Gruppe ist der Grundton immer(!) hier, also am Zeigefinger:

1-----3
1-----3

In einer 2-er Gruppe immer(!) hier:

1--2
1--2
1--2

Wenn man sich diese beiden einfachen Tatsachen einprägt, ist das schon mal die halbe Miete. Voraussetzung allerdings - und da tun sich viele schwer: Man muss halt wissen, wo überall der Grundton auf der Gitarre vorhanden ist, beispielsweise das A, wenn man halt ein Stück in A spielt.

ÜBUNGSVORSCHLAG: Ausgehend vom Ton A auf allen Saiten und in allen Lagen erst die 3-er Gruppen erforschen. Dann die 2-er. Dann verbinden und vorhandene Patternkenntnisse mit einbinden.



C. Die Crux mit der Stimmung

Dass der Tonabstand zwischen der 3. und 2. Saite anders ist als bei den anderen Saiten, ist Ursache für die optisch völlig unterschiedlichen Patterns je Spiellage. Hier gibt es leider keine Tricks außer: erfahren, lernen und verinnerlichen.

D. Die Gruppenbildung als Hilfe bei den Patterns

Der häufigste "Ärger" mit den Patterns: Hälfte geht, dann irgendwie vergessen, wie's weiter geht. Hier helfen die Gruppen schnell. Beispiel Penta-Pattern 2.Lage e-moll:

---5---3
---5---3
4---2---

uups - wie weiter? Wir sehen: Eine vollständige 2-er Gruppe wurde schon gespielt. Es müssen(!) nun zwei 3-er folgen und darunter noch ein 2-er-Teil:

5-----2
5-----2
5--3 (0)


E. Weitere Erkenntnisse, die die Penta-Orientierung dauerhaft erleichtern

1. Merken: Sind H- und G-Saite im Spiel, findet hier immer(!) ein Lagenwechsel mit dem Zeigefinger statt. Außer halt bei dem sattsam bekannten Pattern 1:

8-5
8-5
7-5
7-5
7-5
8-5


2. Merken: In 2-er oder 3-er-Gruppen, an denen nicht gleichzeitig G- und H-Saite beteiligt sind, findet nie(!) ein Lagenwechsel statt. Beispiel:

7-5
8-5
7-4
7-5
7-5
7-5
(3-0)


F. Regeln für das vertikale Penta-(Lagen)Spiel


Erwünscht und gewollt ist das verändern der Spiellage, indem man sich auf einer einzigen Saite nach unten oder oben arbeitet. Hier kann man für die übliche Pentatonik folgendes verinnerlichen:

1. Es gibt niemals zwei 3-er Schritte hintereinander
2. Es gibt niemals mehr als zwei 2-er Schritte hintereinander
3. Liegt der Grundton in einem "3-er", folgen nach oben immer zwei 2-er und nach unten einer, bevor der nächste 3-er kommt..

Auch hierfür ein einleuchtendes optisches Beispiel anhand einer unendlich verlängerten Saite. Die Zahlen geben die Halbtonschritte an (G=Grundton):

G------3----2----2------3----2/G------3----2----2------3----2/G------3----2----2------3----2/G usw.

ÜBUNGSVORSCHLAG: Ausgehend von einem Grundton (z.b. A) die Abstände nach oben und unten auf 1 Saite (una corda) spielen. Das auf allen Saiten getrennt üben.

G. Griffbrettorientierung und Patternkenntnis ersetzen nicht die Musik, aber ...

Patterns, Tonleitern etc. machen ebenso wenig Musik wie das Alphabet automatisch gute Texte erzeugt. Ohne Ideen und Ausdruck geht es nicht. Bessere und Schnellere Orientierung kann jedoch helfen, Ideen hervorzubringen und/oder besser und schneller umzusetzen.
 
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Hey Hans. Vllt gehöre ich ja zu den Menschen, die anders denken aber vllt solltest du mal nen Video davon machen, weil ich hab irgendwo den Überblick verloren.
 
Wow, super Erklärung!
Das ist übrigens der Grund, wieso ich in All Fourth Stimmung (EADGCF) spiele.

Hoppla kleiner Nachtrag:
dein Pattern
1-----3
1-----3
1--2
1--2
1--2
1-----3
sieht ja nur so aus, eben weil da die Verschiebung durch die Stimmung drin ist.

Wenn du diese aber weglässt hast du ein
0----2
0----2
--1--2
--1--2
--1--2
--1-----3
Pattern. Aber die Regeln mit dem Grundton bleiben und man kann diese Pattern dann aneinander reihen.

Mit den Grundtönen:
[0]---2
0----2
--1--2
--1-[2]
--1--2
-[1]----3

Und als letztes noch:
Das [0]---2 entspricht dem -[1]----3. Damit kann man die Pattern dann beliebig ineinander reihen.

Danke für diese Sichtweise, diese kleine Beschäftigung mit dem Thema eben hat mir sehr geholfen. :great:
 
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Hi!

Besorg dir folgendes Buch:
[h=1]Barrett Tagliarino: Guitar Fretboard Workbook[/h]
 
Ich bin zu doof... Irgendwie verstehe ich es nicht.
 
Wenn du den Hinweis auf das Buch meinst - da steht alles drin, was du brauchst um die Pentantonik nicht nur Auswendig zu lernen, sondern auch noch wie du lernst intuitiv alle möglichen Sachen auf dem Griffbrett zu machen. Z.B. dir Akkorde aus dem Stegreif zu greifen deren Namen du noch nie vorher ausgesprochen hast.
 
Wow das ist echt der Hammer!!
Mir hilft es total zu verstehen wie Sachen aufgebaut sind und das hat gerade ein echt großes AHA-Erlebnis ausgelöst.
Ich liebe es wenn es eine Systematik gibt bzw. wenn ich sie endlich verstehe ;-)
Vielen Dank!
 
Es gibt halt ganz viele Systematiken, Automatismen, Denkweisen, "Sicht"weisen, Erklärweisen etc. Mt der einen oder anderen kommt man auf Dauer mehr oder weniger klar. Mir hat sich jedoch immer gezeigt, dass man von allem immer etwas dauerhaft mitnimmt.

Die Crux bei der Gitarre ist vor allem

- das unsymmetrische Verhältnis der Saiten zueinander
- das sowohl horizontale als auch vertikale Vorkommen der Töne (wie bei allen Saiteninstrumenten)

Das optisch "logischte" Instrument ist halt das Klavier. Da liegen alle 11 Töne im Oktavraum völlig übersichtlich vor einem und im im Oktavabstand wiederholt sich das jeweils 1:1.

Man kann Jahre oder sein ganzes Leben damit verbringen, das "System Gitarre" wirklich zu 100% zu verinnerlichen.
 
Man kann Jahre oder sein ganzes Leben damit verbringen, das "System Gitarre" wirklich zu 100% zu verinnerlichen.

Wie wahr! Je nachdem wie man den Fokus gestaltet, gibt es unzählige Zugänge, wie man Struktur in den "Wildwuchs" der chaotisch wirkenden Notenverteilung auf dem Griffbrett bringen kann.

Ich hatte mit diesem Bild, dem "Big Picture", erstmals das Gefühl, eine Struktur für mich gefunden zu haben, in der ich die gängigsten Pattern (Penta + 7 Modi der Kirchentonarten) immer wieder auf ein und dieselbe Grundstruktur zurückführen kann und alles eine Beziehung und einen gemeinsamen Kontext zueinander bekommt:

Anhang anzeigen 332866

Je nach Kreativität, Spielpraxis und Wissensstand, kann und soll man das komplexe Bild immer wieder auf kleine und simple Einheiten reduzieren, in die Standard Pattern von Penta, Dur oder Moll, in die vertikalen Pattern der 7 Modi, in die Basic Pattern, 1-Octave-per-String, 3-Notes-per-String (3NpS) und andere Spielformen der horizontalen Pattern der 7 Modi bis hin zum kreativen Umgang mit den Pattern und möglichen Ansätze zum Überwinden von festgefahrenen Abläufen, eingefahrenen Mustern und Blockaden. Diverse Ansätze und Diskussionen dazu gibt es für Interessierte natürlich auch, im MB hier:

Improvisation lernen durch Verschmelzen von Tonleitern auf Basis Pentatonik

Ein weiterer interessanter Schritt ist es, Akkordmuster in den Tonleiter-Pattern zu erkennen und Drei- und Vierklänge mit den stimmigen Tonleitern zu kombinieren:

Akkordgrifftabelle: Akkorde basteln und mit stimmigen Tonleitern kombinieren

In diesem "Fortgeschrittenen-Thread" geht es neben den Akkordmustern und den 7 Modi auch um die Pattern von Harmonisch und Natürlich Moll, die mit den Griffmustern und Bewegungsabläufen der 7 Modi nicht mehr zu meistern sind.
 
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Hi,

alles schön und gut und sehr kompliziert. ;)

Es gibt noch einen anderen, universelleren Weg:

Von der Musik an sich, als Töne oder Noten, auszugehen und zu lernen dieses direkt auf dem Griffbrett abzubilden.
Also ein vorgestellter Ton oder eine Note (keine Tabulatur, das stellt nur Greifweisen dar) direkt mit seiner Greifpositionen zu verknüpfen.

Eine Skala (Kirchentonleiter, Pentatonik), Akkord oder Melodie wird dann als das was es eigentlich ist, als Musik sich vorgestellt und dann direkt mit der Greif-Repräsentierung auf der Gitarre verknüpft, nicht umgekehrt.

Beim Aufbau dieser Verknüpfungen benötigt man natürlich am Anfang gewisse Darstellungs/Abbildungs-Regeln, aber es sollte im Laufe der Zeit immer mehr die direkte Verknüpfung geübt/trainiert werden.

Ist allerdings nur meine Meinung, aber vielleicht gibt es ja noch andere, die das auch so sehen. ;)

Gruß
 
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Finde die Gedanken von Hans ziemlich praktisch, ich mache mir auch öfters ähnliche Gedanken und stell mir ähnliche "Regeln" auf. Das heißt ja nicht, dass man nicht verstehen sollte was dahinter steckt, aber als Ergänzung und zum Umsetzen in die Praxis ist es gut.
Z.B bei den 3 NPS Skalen verhält es sich ähnlich, die lernen sich viel besser wenn man mal die 7 Shapes vergleicht und sieht was sich dort immer wiederholt.
http://www.justchords.de/guitar/images/scales2_fullbox.gif
(werft nen Blick drauf und ihr wisst was ich meine)
Finde solche Eselsbrücken sind einfach gut um sich die Shapes einzuprägen und man kann sie gut ins Spiel einbauen.
Irgendwann kann man das Zeug dann wirklich auswendig aber bis dahin und teilweise auch danach noch finde ich sowas schon recht nützlich.
Ich meine wenn man langsam improvisiert muss man sowieso nicht alles auswendig können, da gehts dann ja auch noch über das Gefühl oder man überlegt sich kurz wo man überall hin kann, aber ich finde bei schnellen Sachen müssen die Griffmuster einfach sitzen.
 
Es gibt noch einen anderen, universelleren Weg:

Von der Musik an sich, als Töne oder Noten, auszugehen und zu lernen dieses direkt auf dem Griffbrett abzubilden.

Exakt meine Meinung. Insbesondere Blattspiel in den verschiedenen Lagen lernen. Dauert auch nicht länger. Und der Mehrwert ist gigantisch. Ich wundere mich warum die Leute ums verrecken nicht die Noten lernen wollen und die gesamte Energie in Workarrounds stecken?
 
Es ist ja im Grunde immer von Vorteil, sich Dingen von mehreren Seiten zu nähern.

Die Pentatonik hat bei Unsicherheiten meines Erachtens den Nachteil, dass man gleich eine Abfolge von 5 Tönen "rauf und runter" benennen müsste.

Für eine möglichst leichte Orientierung wäre deshalb mein Vorschlag, zunächst mit Dreiklangtönen zu beginnen und das Übungsschema dann auf vier Töne zu erweitern.
Als Übung kenne ich dazu
1. die Anwendung des CAGED Systems auf einige Lagen. Es gibt außer den Beiträgen im Board reichlich Internetseiten und Youtube-Workshops zur Erklärung der Details von CAGED, daher nur ganz knapp erläutert:
CAGED meint die offenen Griff-Formen der Dreiklänge C Dur, A Dur, G Dur, E Dur D Dur.
In höheren Lagen wird der Sattel für diese Griffe durch den Zeigefinger (oder den Capodaster) ersetzt und die "gleichen Griffe" bilden andere Akkorde, z.B. ein C Dur Griff bildet bei Capo auf dem fünften Bund den F Dur Akkord, der Zeigefinger setzt statt auf dem ersten Bund der H-Saite nun auf dem sechsten Bund auf und fingert in beiden Fällen den (oktavierten) Grundton.
Da es sich um Dreiklänge handelt, hat man die Abfolge der Akkordtöne und somit die Orientierung z.b. bei Anwendung auf die fünfte Lage sehr schnell gemeistert. Man arpeggiert und spricht oder singt die Akkordtonnamen.

2. Arpeggios spielen und Töne benennen
Mit vierstimmigen Akkorden klingen Arpeggios schon flüssiger. Man wählt sich eine "jazzige" Akkordfolge und spielt diese dann soweit möglich in einer einzigen Lage durch, langsam und gleichmäßig.
Werden die richtigen Töne getroffen und die Akkordfolge ist in den Fingern, spricht oder singt man wieder die Tonnamen, wenn sie erklingen.

Als Variante kann man die Stufen der Akkordskalentöne benennen, während man sie spielt. Im Beispiel steht im ersten Takt Cmaj7, dieser Akkord hat hier die Akkordskala C ionisch, die Akkordtöne C E G H, als Ziffern 1 für den Grundton, 3 für die (Dur-) Terz, 5 für die Quint und 7 für die (große) Septim.
Der zweite Akkord der Folge ist A äolisch, die Akkordtöne sind A C E G bzw. 1 für den Grundton, 3 für die (Moll-) Terz, 5 für die Quint, 7 für die (kleine) Septim.
Für D Dorisch und G mixolydisch im Beispiel gilt sinngemäß das Gleiche.
Der Einfachheit halber benutze ich bei der Übung den deutschen Tonnamen H statt des anglo-amerikanischen "B".

Will man die Übung spieltechnisch erweitern, könnte man die gleiche Akkordfolge mit der Terz statt dem Grundton beginnen und/oder die Auf- und Ab-Richtung im Takt willkürlich ändern. Erstrebenswert ist es, den Übergang von einen Akkord in den nächsten zunächst durch einen Tonschritt (Halb- oder Ganzton) zu gestalten.

Wenn man einige weitere Fingersätze/Lagen/Anfangstöne des ersten Akkords zur Grundlage nimmt und das Übungsschema darauf anwendet, wird das Griffbrett bald keine "dunklen" Stellen mehr haben.

http://www.mediafire.com/download/us3u0pwe82p5fgu/Fretboard.pdf
6g75-i3-26dd.png


Gruß Claus
 
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