Ich empfinde Mahlers musik als zwiespältig. da "ländlert es", da kommt der "Bruder Jakob", dann wieder dissonanzballungen und melancholisches und unmotivierte ausbrüche, aber nie musikalisch bahnbrechendes und zukunftsweisendes. Es kommt mir vor wie die gezwungene lustigkeit auf einer "Titanic", während der eisberg schon wartet, "fin de siècle"-stimmung.
Auch seine lieder schwanken zwischen naiv und gesucht, wozu der große orchesterapparat zu den schlichten texten mit ebenso schlichter melodik auch nicht recht passt. Die sänger gehen dabei leicht unter, wenn nicht kammermusikalisch musiziert wird.
Ich wollte mit einem bariton die "Kindertotenlieder" einstudieren, aber er sagte, "sowas scheußliches singe ich nicht!"
Vor ihm hatte Richard Wagner seine "Wesendonck-Lieder" geschrieben, nach ihm schuf auch Richard Strauss orchesterlieder.
Als person und dirigent muss Mahler äußerst unangenehm gewesen sein; was mich am meisten an ihm stört: als wiener opernchef richtete er einen regelrechten spitzeldienst ein, der ihm jeden garderoben- und orchesterklatsch brühwarm berichten musste. Ich kenne so etwas von kleinen geistern, die sich so autorität verschaffen wollen und nicht anders können. Rücksichtslos entließ er musiker, und man ließ ihn gewähren, weil er mit seinen wutausbrüchen und seinem gehabe eindruck machte. Das hatte er mit Toscanini gemeinsam, und so stellte man sich damals wohl einen großen dirigenten vor, heute hätten die beiden keine chance, kein orchester würde sich das bieten lassen.
Ob genie oder wahnsinn, oder beides oder keins von beiden? Ich halte ihn für überschätzt, aber ich bin nicht maßgebend.
Aber noch etwas spaßiges, aber wahres:
am anfang der 5. sinfonie blasen zwei trompeten "in der ferne", eine staatskapelle wollte damit keine aushilfen betrauen, sondern die beiden trompeter kamen nach ihrem einsatz auf das podium, nachdem sie eben nach vorschrift "aus der ferne" geblasen hatten.
Der anwesende intendant runzelte die stirn und bestellte die beiden "sünder" am nächsten tag in sein büro, um sie wegen ihres zuspätkommens abzukanzeln. Über so etwas freuen sich natürlich die musikanten, die intendanten ohnehin für die überflüssigste person am theater halten, besser eine putzfrau mehr, denn deren fehlen bemerkt man!