Übergang vom Notenlesen zum freien Spielen

Pianoteq
Pianoteq
Registrierter Benutzer
Zuletzt hier
26.12.25
Registriert
22.08.23
Beiträge
192
Kekse
1.010
Ich habe mal in der Grundschule Notenlesen gelernt, fand das sehr einfach, und seither hänge ich an den Noten, mache alles nach Noten. Nun möchte ich aber frei spielen, eventuell auch Stücke auswendig lernen (habe gerade mit einem ganz einfachen Stück angefangen, Moon River in einem sehr einfachen Arrangement), und es fällt mir unsäglich schwer. Mir geht es umgekehrt wie den Leuten, die sagen, sie können nicht Notenlesen lernen, merken sich aber sofort jede Musik und spielen die auswendig. Undenkbar für mich.

Nun mal die Frage in die Runde: Gibt es hier Leute, die dasselbe Problem haben oder hatten und die es gemeistert haben?
 
Klar, hier gibt‘s einige, die damit Erfahrung haben. Freies Klavierspiel ist nun noch was anderes als auswendig lernen. Aber auswendig lernen ist auf jeden Fall ein wichtiger Schritt.

Jeder Mensch lernt anders, aber alle lernen durch Sehen, Hören und Fühlen und das Abspeichern dieser Sinneseindrücke. Mach dir die Sinneseindrücke beim Klavierspielen bewusst, also achte bewusst darauf, wie eine musikalische Situation (z.B. ein Akkord, eine Melodie, eine Phrase) sich anhört, wie sie sich anfühlt und wie sie aussieht (sowohl das Griff- als auch das Tasten- und Notenbild). Ziel ist, dass du zu jeder Situation eine abrufbare Erfahrung im Kopf hast, die du beim Auswendigspiel durchläufst.

Wenn du das längere Zeit machst, kommt noch das harmonische Bewusstsein dazu, also welche Harmonien und welche Konsonanzen und Dissonanzen du produzierst. Speziell bei Moon River ist z.B. der zweite Ton eine total charakteristische Dissonanz (Quartvorhalt über einem Mollakkord), die man sich i.d.R. gut merken kann.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Ich kann nur beisteuern, dass ich von Kind an so gut wie jedes Stück auswendig lernen musste, und das hat auch eine Menge Arbeit gemacht ... Auch irgendwelche zeitgenössischen atonalen handgeschriebenen Stücke, Zwölftonmusik usw. Frag nicht, wie meine Laune da war ;)

Verstehe vollkommen, dass dir das schwerfällt. Meine Tips wären:
- akzeptiere, dass es lange dauert (auch eine Schiller-Ballade oder eine Ballettnummer lernt man nicht von heute auf morgen ;) )
- kleine Abschnitte - wenn ich ein schweres Stück auswendig lerne, geht das auch erstmal sehr langsam. Dann nehme ich mir einen Takt vor und davon den ersten Akkord oder die ersten ein zwei Töne, ganz ohne Tempo, und spiele die nach Noten - .dann Augen zu, spielen - Augen auf, nach Noten spielen - das ein paar Mal. Dann der nächste Ton / Akkord.
Danach hat man es aber noch lange nicht gelernt. Das Spiel geht am nächsten Tag wieder los und dauert manchmal bestimmt ein zwei Wochen.
Klar sind das bei mir schwerere Sachen oder vielleicht größere Abschnitte, aber das dauert bei mir auch. Man bewegt sich gefühlt ewig auf dem gleichen Level.
Immer mal kannst Du mal probieren, etwas davionb ohne Noten zu spielen, und irgendwann geht ein bisschen was. Dann schaut man wieder in die Noten usw.

Mit der Zeit fügen sich einzelne Töne zu "Gruppen", man verinnerlicht größere Zusammenhänge. Aber gefühlt fängt man jeden Tag von vorne an ...

Es sind ja mehrere Sachen, die Finger müssen sich dran gewöhnen, die Musik muss in den Kopf, usw.
Nimm Dir nicht zu viel vor. Vielleicht auch erstmal ein Stück,w as Du schon mal gespielt hast.

Ist auf jeden Fall ein gutes Gehirntraining.

Bei Pop/Jazz kann man noch anders rangehen, weil man ja nicht wie bei Bach Ton für Ton exakt lernen muss.
Man kann die Melodie einstimmig spielen, den Bass einzeln und dazu singen, Begleitakkorde usw. Das macht idR mehr Spaß und ist vielseitiger.
 
Ich bin einiges entfernt von dem beschriebenen Ziel. Fühle mich mit Noten noch immer wohler. Wandle aber schon seit Jahren auf dem von dir skizzierten Pfad. Es sind auch aus meiner Sicht schon sehr hilfreiche Tipps gegeben worden: Beim Spielen ohne Hören wird es nie etwas. Und irgendwann muss das Hören da sein, bevor du den Ton anschlägst, wenn du zum freien Spielen kommen willst. Das gelingt mir bisher nur, wenn ich mit viel Muße an die Sache gehe. Oder natürlich, wenn ich einfache Stücke spiele und dann irgendwann variiere, die ich schon zigmal gespielt habe.

Kannst du singen? Im Klavierspielen innehalten und einen nächsten Ton stattdessen singen, könnte eine hübsche Übung sein.

Als Übergang empfinde ich diesen Weg nicht. Mir kommt es wie Neubuchstabieren der Musik vor. Und der eine oder andere theoretische Hintergund, finde ich, ist sehr hilfreich. Wobei es dann aber durchaus sinnvoll ist, die entsprechend wesentlichen Elemente eines bestimmten Genres kennenzulernen. Wenn ich einerseits kirchliche Poplieder begleiten will, habe ich andere musikalische Ideen im Kopf als wenn es irgendwie jazzig werden soll - und auch da gibt es jeweils Untergruppen. So langsam glaube ich auch nicht mehr an das "freie" Spielen im Sinne von "völlig freie Fläche zur Gestaltung". Eher versuche ich, bei bestimmten Stilen anzuknüpfen, die mir naheliegen, und darin Erfahrung zu sammeln (sowohl beim Hören wie beim Spielen) - und den Rest lasse ich außen vor.

"Moon River" spielst du vielleicht incl. Melodie - da gibt es einen Tonvorrat aus Tonleiter und chromatischen Übergangstönen. Wechsel von harmonischer Spannung und Entspannung. Die Rhythmik sollte dir in diesem Fall nicht so viele Schwierigkeiten machen. Wenn du dir irgendwann Akkordfolgen merkst statt Einzeltöne (und sie auch schon voraushörst), sollte es einfacher werden.
 
(habe gerade mit einem ganz einfachen Stück angefangen, Moon River in einem sehr einfachen Arrangement)

... das heißt aber, um mal konkret zu werden, Du willst genau dieses Arrangement spielen, also keine mehr oder weniger improvisierte Begleitung, richtig? (Weil jetzt in den anderen Posts auch Impro, jazzig usw. anklang)

Dann ist es ja im Prinzip wie bei der Klassik, es gibt Noten und die willst Du auswendig lernen. ( und nicht nach Akkorden spielen).

Vielen Anfängern fällt es schwer, einzelne Takte oder Stellen herauszugreifen, sie wollen immer das Stück von vorn bis hinten spielen.
Das kann funktionieren, aber meiner Erfahrung nach ist es schon hilfreich, das Stück in kleine Teile zu zerlegen und die zu üben, bis sie gehen (zB ein Takt, halber Takt ...) und dann zusammenzusetzen (zwei halbe Takte zu einem Takt, das wieder so lange bis es geht usw.).

Das ist anstrengender, keine Frage ... aber so übt man das, was man noch nicht kann, während man sonst immer das übt, was man schon kann (von Anfang bis dahin, wo man rausfliegt), und zusätzlich immer die frustrierende Erfahrung hat, dass man rausfliegt. Dafür gibts auch noch einen Tip: Von hinten anfangen. Letzter Takt zuerst, dann einen halben oder ganzen Takt davor dazu nehmen usw. Das ist wirklich viel schöner, weil man immer in bekanntes Territorium hineinspielt ;)

Das gilt fürs Üben allgemein, aber eben auch fürs Auswendiglernen.

(kann / sollte man natürlich auch bei Jazz und Co. machen)

Nur mal als Beispiel, wenn man so modernere Musik auswendig lernen muss ...

1766774712433.png


geht das auch nur Ton für Ton, erstmal langsam spielen, einen Takt. Finger sortieren, Fingersätze drüberschreiben. Paar Tage (bis Wochen) nach Noten spielen. Den Klang hören.
Dann fängt der Kopf nach ein paar Tagen an, Einzeltöne zu Strukturen zusammenzufassen. Manchmal ist das sogar einfacher, wenn man mal auf die Tastatur schaut.
Je mehr man theoretisch weiß, desto eher kann man natürlich Strukturen erkennen (Akkorde, Akkordfolgen u.ä.), aber man kann sich auch viel über "Eselsbrücken" oder visuelle Strukturen auf der Tastatur oder in den Noten merken.
Mit der Zeit lernt man nebenbei auch den Klang auswendig, ohne das geht es nicht. Es verbindet sich die Klangvorstellung mit den Noten bzw der visuell-haptischen Struktur auf den Tasten. Das dauert einfach ein bisschen.
Dieses komplexe Gebilde vernetzt sich im Gehirn mit den Finger/Armbewegungen. Und irgendwann geht das dann auch mal auswendig.

Vergleichbar wäre, wenn Dir jemand ein völlig "sinnloses" Geplapper aus Phantasiewörtern gibt (quasi Dadaismus), was Du auswendig lernen sollst.
Das geht auch am Anfang gar nicht, aber vielleicht merkst Du dir die erste Silbe. Und nach ein paar Tagen gibt es einzelne Stellen, die sich irgendwie eingeprägt haben.

Gib Deinem Kopf Zeit und bleib dran, immer wieder kleine Stückchen. Sinnvoll ist es auch, das mehrmals am Tag in kleinen Häppchen zu machen. Aber trotzdem fokussiert und aufmerksam.
Du hast es ja schon gut, dass Du das Stück im Prinzip schon vom Hören kennst und Du nicht nur Noten eines unbekannten Stückes hast. ;)

So langsam glaube ich auch nicht mehr an das "freie" Spielen im Sinne von "völlig freie Fläche zur Gestaltung".
Wäre ein anderer Thread, aber klar, was soll "frei" sein, das müsste man erstmal definieren.
Frei von Form? von Harmonie? Vermeidung von "Harmonie" ist schon wieder nicht mehr "frei" ...
Natürlich kann man auch einfach versuchen, "Klänge" zu spielen, Soundteppiche oder ähnliches, was irgendwie "frei" klingt - aber wenn da plötzlich ein tonales Thema kommt, klingt das auch inkonsistent.

Irgendwelche Regeln muss es sinnvollerweise geben, denke ich. Sonst kommt im besten Fall ein wilder Mix aus Hindemith, Zuckowski und Musikantenstadl raus.
 

Ähnliche Themen

N
Antworten
14
Aufrufe
6K
moogy66
M
MusikBert
Antworten
102
Aufrufe
15K
MusikBert
MusikBert

Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben