Wenn ich ein Vöglein wär

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Quentin Zirkel
Quentin Zirkel
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Hallo zusammen,

ich komme bei meinen Tonsatzübungen gerade nicht so recht weiter und wende mich deshalb an die Experten hier im Forum. Allgemein habe ich Probleme dabei, einen ausgewogenen Satz zu erstellen, der sowohl harmonisch als auch rhythmisch interessant ist ohne dabei überladen zu klingen. Die richtige Balance finde ich bisher eher selten. Aber anstatt ganz allgemein nach Rat zu fragen, ist es vielleicht sinnvoller, einfach mal ein konkretes Beispiel durchzugehen.

Gestern Abend habe ich mir mal wieder eine Aufgabe aus Thomas Krämers "Harmonielehre im Selbststudium" vorgenommen. Es ging darum, das Volkslied "Wenn ich ein Vöglein wär" zu harmonisieren und zu einem vierstimmigen Choral auszusetzen. Folgende Mittel waren verfügbar:
  • Die Dreiklänge Hauptfunktionen in allen Umkehrungen
  • Der Dominantseptakkord in allen Umkehrungen und in verkürzter Form
  • Harmoniefremde Töne
Dabei habe ich mich erstaunlich schwer getan. Einerseits ist da wohl immer noch eine gute Lücke zwischen Theorie und Praxis, andererseits hat mich die Melodie aber auch nicht wirklich inspiriert (wenn schon scheitern, denn wenigstens mit Ausrede ;)). Trotzdem habe ich mich durchgekämpft und zwei Versionen ausgearbeitet. Komplett zufrieden bin ich aber mit keiner. Ich würde gerne eure Meinungen hören, wie ich mich aus der Affäre gezogen habe. Midi Dateien gibts im Anhang, bei Bedarf mache ich auch noch Soundschnipsel fertig.

Aufgabe 8.C. (Wenn ich ein Vöglein wär) [korrigiert]-1.png


Aufgabe 8.C. v2 (Wenn ich ein Vöglein wär)-1.png


Vielleicht noch einige Worte zur Entstehungsgeschichte. Mein Vorgehen war wie immer: Funktionen finden und Basslinie schreiben, Mittelstimmen ergänzen, auf Fehler untersuchen und ggf. verbessern. Wahrscheinlich habe ich aber noch einige Fehler übersehen. (Anmerkung: Verdeckte Parallelen sind ohne Sprung im Sopran in Ordnung und die gelegentliche Terzverdopplung bei Sextakkorden finde ich de la Motte folgend auch okay.)

Besonders schwer gefallen ist mir der erste Teil, weil da melodisch einfach nicht viel passiert (besonders in den Takten 1 und 3). Wie man sieht habe ich mich gerade in der ersten Version bemüht, die "Einöde" durch eine recht agilen Basslauf auszugleichen. Die zweite Version ist allgemein etwas ruhiger gehalten und unterscheidet sich vor allem in den Takten 4 und 5. Mit dem zweiten Teil bin ich eigentlich halbwegs zufrieden, ausgerechnet bis auf die Schlusskadenzen. :rolleyes: Da holpert es irgendwie etwas.

Allgemein fällt mir die Bassstimme immer am schwersten. Wenn die erst mal steht (und damit auch die Funktionen) läuft eigentlich der Rest relativ flüssig. Außerdem tue ich mich mit harmoniefremden Tönen schwer. Wie man sieht habe ich kaum welche benutzt. Ich hatte zwischendurch mal einige Durchgänge ausprobiert, aber das klang einfach zu hektisch. Daher noch zwei konkretere Fragen:
  • Sind die Bassläufe in Ordnung? Wenn nicht, was sollte ich besser machen?
  • Wo würden sich, wenn überhaupt, harmoniefremde Töne in den unterern Stimmen (ATB) anbieten?
Ich würde ja selbst noch weiter probieren, aber mittlerweile bin ich dermaßen festgefahren, so dass für den Moment kein frischer Ansatz möglich ist. Außerdem kann ich die Melodie langsam nicht mehr hören. ;) Von daher wäre etwas Input von außen doch sehr hilfreich. Wie gesagt, das Beispiel steht stellvertretend für meine allgemeinen Satzschwierigkeiten. Von daher bin ich für jede Hilfe oder Feedback dankbar. :)
 
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Ich hab einmal "meine" Basslinien aufgeschrieben:

Vogerl1.JPG


(Da sind mehrere Varianten in einem System notiert - in jedem Takt kann man entweder die schwarze nehmen; oder die jeweiligen Noten durch die blauen oder die roten ersetzen).

Ich will keinesfalls behaupten, dass ich das besser kann - also bitte nur als "etwas andere Ideen" verstehen. Insbesondere habe ich keine Zwischenstimmen reingeschrieben, und bei 4st.Satz wird's an manchen Stellen sicher eng - trotzdem bleib ich einmal beim Basslinien-Thema.

Ich schreibe einmal meine (persönlichen) Kritikpunkte an Deinen Linien hin - damit sie dastehen. # bedeutet: Passt mir eher sehr gar nicht; * bedeutet: Hier bin ich mehr I-Tüpfler ...

Variante 1:

# T.1. Das Stück beginnt einfach (dreimal derselbe Ton) - da kann der Bass nicht so "gewalttätig mit einem Oktavsprung dagegen arbeiten".

* T.3. Die Sequenz ist eben das: Eine exakte Wiederholung desselben Gedankens. Da sollte der Bass mitspielen: Das bedeutet zumindest, dass der Basston gleichbleibt - nicht von einem QUint- zu einem Sextakkord wechseln. Der Zuhörer richtet sich ja gerade erst ein beim Zuhören, und schon wird er verschreckt. (Ab der 2. oder gar 3. Strophe kannst Du sowas machen, wenn Du jede Strophe anders setzt - dann erzeugt es "Zug" ...). Wenn man denn diesen Zug erzeugt, muss nach meinem Gefühl auch der 4. Takt mit einem Sextakkord beginnen = Basston g# (mit entsprechender Korrektur der anderen Stimmen).

# T.6. Der Halbschluss muss schon die seinen Grundton im Bass haben: Die Melodie bremst sich hier ja zu einem Stillstand mit riesigem Pause/Fermate-Gefühl runter, da kann nicht so ein "freischwebender Sextakkord" stehen. (Außerdem ist in beiden Varianten hier eine Oktavparallele drin - die wär mit dem Fall aufs e weg; und die Terzverdoppelung kurz davor im T.5 ... aber auf dem schwächstbetonten Schlag kräht eigentlich kein Hahn danach ...).

* T.7. Auf dem letzten Achtel verschenkst Du eine Durchgangsnote.

# Wieder das Sequenz-Problem: Beide Teile so verschieden setzen, geht gegen die Einfachheit der Melodie. Ab einer 3. Strophe kann man's machen - aber dann gleich saftig, etwa (das ist kein Chorsatz, sondern nur "klavierig" die Akkorde der Klarheit halber hingeschrieben; Stimmen müsste man wohl ganz anders führen)

Vogerl2a.png

# T.11. Der erste Akkord darf nicht in Grundstellung stehen - das erzeugt eine "Ruhepunkt" - aber die Melodie geht hier schnell Richtung Ende. Das merkt man auch an dem "verzweifelten Sprung" auf's d. Hier muss ein Sextakkord mit c# stehen, vielleicht auch ein Quartsextakkord - beide haben eine Nicht-Ruhe-Wirkung.

Variante 2:

T.1, 3. Anfang finde ich passender. Und die Sequenz dürfte das wiederholen = im Bass drei gleiche Töne nehmen. Aber so ist es auch ok, weil der simple steigende Dreiklang im Bass auch nicht sehr verschreckt!

#T.5 Der "schräge Einstieg" (Nonakkord) ist gut (wenn man das so will). Aber erstens zahl sich dann eine Stimmführung in Sekunden sehr aus - und hier geht's leicht: f#, g# a im Bass! -, weil der Zuhörer dann einen Zweck/Hintergrund/Sinn der Sache mitgeteilt kriegt! Wenn Du das nicht tust (von hinten her einen Zweck drunterlegen), dann musst Du "in derselben Art" bleiben - z.B. noch ein Nonakkord:

Vogerl3.png

# T.9 Der Anstieg in der Basslinie auf die zwei a, also auf den Tonikaton ist zu schnell: Da wird eine "Auflösung eines Rätsels" zu einem Zeitpunkt verraten, wo die Melodie noch weitergeht. Statt der beiden a jeweils g# würden der Sache viel besser tun!

* T.10 spring im Bass zu weit weg von dem Ruhepunkt. Drei a würden ok sein - wir nähern uns dem Ende und können langsam Ruhe einkehren lassen. Alternative: a f# e.

So - aber das waren jetzt so "Pitzelanmerkungen" - und meine Erfahrung ist, dass man mit solchem Herumbasteln die Sache nicht wirklich besser macht. Also vielleicht doch noch ein paar weitere "große Basslinien" schreiben, aber dabei etwas(!) auf solche Punkte wie meine aufpassen.

Und im Zweifelsfall: Gute oder liebgewonnene, aber unpassende Ideen für eine 2., 3., 4. Strophe beiseite legen und dafür die erste beruhigt einfacher, vielleicht sogar simpel setzen - keine Ansprüche an "Bewegtheit", "Ausdruck" usw.

Das war's einmal von mir.
H.M.
 
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Hallo Quentin Zirkel,

schön, daß Du Dich an ein Lied gemacht hast, das ich auch schon immer mal vierstimmig aussetzen wollte und ich habe die Gelegenheit jetzt genutzt.

Zu Deinen Versionen hat ja hmmueller viel Sinnvolles gesagt. Mir sind bei Anhören Deiner ersten Version in Takt 3 und 5 die beiden Verdoppelungen von Grundton
und Terz auf der dritten Zählzeit aufgefallen, weil an diesen Stellen auffällig der volle Klang fehlt. Sollte man m.E. eher vermeiden. Zwar wir öfter mal die Quinte in vierstimmigen Sätzen weggelassen, doch es wird wohl schwierig sein, einen Satz zu finden, wo zusätzlich die Terz verdoppelt wird.

Natürlich fiel mir auch der Oktavsprung im Bass (1.Takt) auf, doch ich kann der Grundüberlegung etwas abgewinnen, die an der Stelle gleichbleibende Melodie mit Bewegung im Bass zu kontrastieren.

Ich habe mal einen Satz probiert, in dem das realisiert wird:

Midi-Aufnahme:

https://soundcloud.com/musicprobe/wenn-ich-ein-voglein-war-vierstimmig

Noten: auf Anfrage

... einen ausgewogenen Satz zu erstellen, der sowohl harmonisch als auch rhythmisch interessant ist ohne dabei überladen zu klingen.

Ich hoffe, Satzfehler weitgehend vermieden zu haben und es sich im obigen Sinne akzeptabel anhört. Andernfalls wäre ich für entsprechende Kommentare dankbar.
Zum besseren Vergleich, habe ich den Satz in A-Dur geschrieben. Normalerweise sollte mein Satz eher etwas höher transponiert werden.

Viele Grüße
Klaus
 
Mir gefällt Dein Satz - "fast" ... an manchen Stellen scheint er mir was zu tun, was ich(!) strange finde - bis heute Abend versuche ich das genauer zu formulieren!
(Nur noch eine kleine Anmerkung - ich weiß, über die Parallelenregeln kann man diskutieren ... aber lt. Lehrbuch usw.usf.: T.5 auf 6 ist eine Oktavparallele drin, und im T.10 eine Quintenparallele).

H.M.

P.S. Wenn ich da schon Anmerkungen von mir geb, sollte ich auch einen vollen 4st.Satz vorlegen ... vielleicht find ich in der S-Bahn Zeit ...
 
Danke für Deinen Kommentar!

Klar, die Oktavparallele geht natürlich nicht und ist in der zweiten Fassung eliminiert, bei der ich noch kleine Verbesserungen eingefügt habe.
Kannst Du genauer sagen, wo sich in T. 10 eine Quintenparallele befindet? Ich habe sie nicht gefunden.

ich weiß, über die Parallelenregeln kann man diskutieren ... aber lt. Lehrbuch usw.usf.

Wir sind da wohl ganz ähnlicher Ansicht: Es soll hier ja um den vierstimmigen Satz gehen und da sollten die entsprechenden Regeln eingehalten werden. Abweichungen bedürfen einer guten Begründung.

So gesehen, entschuldige ich meine verdeckte Oktavparallele zwischen Sopran und Tenor von Takt 3 auf 4:
... tolerierbar, so lange sie nicht zwischen den zwei Ober- oder Unterstimmen auftritt.
http://www.matthies-koehn.de/harmonielehre/html/vierstimmigersatz.html

zweite Fassung:
https://soundcloud.com/musicprobe/wenn-ich-ein-voglein-war-2

Noten: auf Anfrage
(Leider hat es mir durch die Verbesserungen in den Noten, den Text verschoben und ich habe momentan noch keine Lösung, das in Liliypond zu korrigieren.)

Weitere Kommentar werden gern gelesen!

Viele Grüße
Klaus
 
Kannst Du genauer sagen, wo sich in T. 10 eine Quintenparallele befindet? Ich habe sie nicht gefunden.
Hier:
VogerlPar.JPG



(Siehe http://www.mu-sig.de/Theorie/Tonsatz/Tonsatz12.htm: "Die Folge verminderte Quinte - reine Quinte sollte zwischen den Außenstimmen und zwei benachbarten Oberstimmen vermieden werden").

Meine subjektiven Kommentare zu ersten Version - etwas schnell runtergeschrieben, daher nicht wirklich konstruktiv (mit Alternativen versehen):

! T.1 - den fallenden Akkord finde ich gut, wenn man denn schon Bewegung reinbringen will, weil er eben nicht überrascht.

? T.2 - die zwei a im Tenor würde ich punktieren: "Begründung von vorne": Es gibt keinen Grund für das "Durchschlagen" - die Melodie macht nicht ohne Grund die Punktierung. "Begründung von hinten": Im analogen Takt 4 ist auch kein Ton auf Schlag 2.

? T.3-4 - die Stimmführung im Bass springt schon heftig - eine "klassische" Stimmführung würde mehr auf kleine Intervalle="gesangliche Stimme" schauen.

? T.4 - das Verbleiben auf 1. Umkehrung von c# (Dp) kommt bei mir komisch an. Ich hätte lieber doch eine "Auflösung zurück nach A" erwartet - entweder Bass T.3-4: f# a f# | g# a |; oder auch nur Alt im T.4 |g# g# a|.

? T.7 - die 3 "Schläge" im Tenor gehen für mich gegen den Charakter des Liedes. Ich glaube, d-1/2 d-1/8 d-1/8 würde mir hier besser gefallen (der Takt hat auch Textverteilungsprobleme).

? T.7-8 - die fallende Quart im Tenor kommt mir als nicht angenehme Stimmführung vor. Wenn das letzte d ein h wäre, würde man das viel selbstverständlicher singen (und hören), scheint mir.

? T.(9-)10 - hier ist der Tenor enorm sprungfreudig - nicht angenehm zu singen (im Chor, wo ich singe, ist der Tenor die "schwächste" Stimme - dort muss man m.E. am meisten auf methodische Stimmführung schauen).

Im Aufbau fällt mir auf: Bis Takt 7 hat jeder Takt durchgehend eine Harmonie, nur Lagenwechsel, ab Takt 8 "klassischer Satz" mit Harmonisierung je Schlag: Es gibt aber keinen "Grund" für diesen Wechsel (im Text, an Tempo, an Spannweite der Stimmen, an "Gegenüberstellung") - mir scheint, das müsste man ins Lot bringen ...

Ich hoffe, meine Anmerkungen klingen irgendwie sinnvoll ... zweite Version schau ich mir auch noch neugierig an :)

H.M.
 
Hallo Klaus,
den zweiten Teil Deines Satzes finde ich toll, da Bewegung drin ist, was man vom ersten Teil nicht behaupten kann.
Ich stelle mir die ersten 4 Takte auch mit harmonischer Bewegung vor. Eine Tonrepetition muss ja nicht mit einer Harmonie-Repetition einhergehen.

Z.B. könnte das so aussehen:

wennicheinvoegleinwaer.jpg
 
Ich habe dann in der S-Bahn auch einen Satz riskiert - im realen Leben müsste man ihn etwas tiefer singen, weil der Bass sonst rebelliert. Wie's mir (leider) öfter passiert, wollte ich etwas zu originell sein ...

Vogerl4.png

Link zum MP3:


Auch ich hoffe, alle Satzfehler umschifft zu haben (parallele Septimen und Nonen sind ja immer zulässig ... glaube ich zumindest ;-) ), lasse mich aber gern eines besseren belehren!

H.M.
 
Freut mich ja sehr, dass das Vöglein so viel Satzfreude verbreitet! ;) Ist doch immer wieder faszinierend, was man selbst mit der simpelsten Melodie so alles anstellen kann. Zumindest mich motiviert das ungemein, weiter zu arbeiten, und möglichst viele Akkorde und Wendungen in mein Repertoir aufzunehmen.

Leider werde ich die nächsten Tage kaum Zeit haben, hier ausführlich zu antworten. Aber ich habe alle Text-, Noten- und Audiobeiträge mit Vergnügen gelesen, gespielt und gehört. Vielen Dank an alle Beteiligten!
 
Freut mich ja sehr, dass das Vöglein so viel Satzfreude verbreitet!
Das hat im UF "Kompositionslehre, Arrangement" eine gewisse Tradition, Volklieder zu arrangieren und variieren. Da keine Urheberrechte mehr an den Werken bestehen, kann man sich hier nach Herzenslust austoben.

Danke hmmueller, für die umfassenden Kommentare!

! T.1 - den fallenden Akkord finde ich gut, wenn man denn schon Bewegung reinbringen will, weil er eben nicht überrascht.
Ja, ich hatte zunächst ein Fassung, wo mehr Bewegung drin war und auch ungewöhnlicheres. Nachdem Du bei der Version von Quentin Zirkel kritische
Anmerkungen in diese Richtung gemacht hattest ("verschreckt", lieber erst ab der 2./3. Strophe) dachte ich mir, daß man bei diesem einfachen Volkslied
vielleicht doch eher übersichtlicher anfangen sollte. Genau letzteres kritisiert nun Cudo, obwohl in Takt 3 und 4 ja immerhin die Parallele und die Mediante folgen. Von der Melodie her handelt es sich um eine Sequenz, welche eigentlich in den ersten vier Takten zunächst die Tonika nahelegt, die ohne Zwang auch im fünften Takt beibehalten werden könnte, um erst dann in die Dominante zu wechseln. Sozusagen eine Musik, die auf der Tonika eine Steigerung erfährt. Das gibt es gar nicht so selten - in der Volksmusik, Popularmusik und auch Klassik (im engeren Sinn).

? T.2 - die zwei a im Tenor würde ich punktieren: "Begründung von vorne": Es gibt keinen Grund für das "Durchschlagen" - die Melodie macht nicht ohne Grund die Punktierung. "Begründung von hinten": Im analogen Takt 4 ist auch kein Ton auf Schlag 2.
Das Durchschlagen des Tenors war wohlüberlegt. Damit sollte etwas rhythmische Abwechslung in die Stimmen kommen. Der Schlag sollte aber nicht zu sehr betont erfolgen. Daher wurde der Bass davon ausgenommen. Dieser sollte, ganz im Gegensatz zu den beiden Oberstimmen, an der Stelle Ruhe ausstrahlen.
Damit in der Sequenz nicht rhythmisch wieder etwas Neues kommt, wurde in der zweiten Fassung das Durchschlagen des Tenors (T.4) beibehalten.

? T.3-4 - die Stimmführung im Bass springt schon heftig - eine "klassische" Stimmführung würde mehr auf kleine Intervalle="gesangliche Stimme" schauen.
Sprünge von Terzen oder Quinten im Bass sollten kein Problem sein, im Gegensatz zu Septim oder Tritonus. Der Bass singt hier ausserdem nur die entsprechenden Harmonietöne (Grundtöne bzw. in einem Fall die Terz). Ein Blick in ein Choralbuch zeigt, daß solche Sprünge im Bass völlig normal sind.
? T.4 - das Verbleiben auf 1. Umkehrung von c# (Dp) kommt bei mir komisch an. Ich hätte lieber doch eine "Auflösung zurück nach A" erwartet - entweder Bass T.3-4: f# a f# | g# a |; oder auch nur Alt im T.4 |g# g# a|.
Nachdem in den ersten zwei Takten die Tonika gefestigt wurde, ist es Zeit, mal die "Meinung" der Moll-Stufenakkorde (Tp, Dp) einzuholen (frei nach de la Motte). Soviel Abwechslung muß m.E. sein. Du siehst ja oben, daß Cudo schon am Einschlafen war. ;-)
? T.7 - die 3 "Schläge" im Tenor gehen für mich gegen den Charakter des Liedes. Ich glaube, d-1/2 d-1/8 d-1/8 würde mir hier besser gefallen (der Takt hat auch Textverteilungsprobleme).
Begründung siehe oben. Homorhythmisch wäre mir hier zu langweilig erschienen. Es sind verschiede Lösung machbar. Die Geschmäcker sind halt verschieden.
? T.7-8 - die fallende Quart im Tenor kommt mir als nicht angenehme Stimmführung vor. Wenn das letzte d ein h wäre, würde man das viel selbstverständlicher singen (und hören), scheint mir.
Wenn aus dem d ein h wird, würde dem Dominantseptakkord der Septimzahn gezogen, bevor er sich zur Dominante auflöst. Doch meine Stimmführung ist an der Stelle auch nicht korrekt, da die Septime einen Halbton abwärts aufgelöst werden muß. Dadurch entstünde wiederum eine verdeckte Oktavparallele zwischen zwei Unterstimmen.
Also muß leider der Bass geändert werden, der dann zugunsten des Tenors etwas unsanglicher abwärts springt. "a-e-A" sollte ihn aber nicht überfordern und steht
im positiven Kontrast zum aufsteigenden Sopran. (Siehe neue Version.)
? T.(9-)10 - hier ist der Tenor enorm sprungfreudig - nicht angenehm zu singen (im Chor, wo ich singe, ist der Tenor die "schwächste" Stimme - dort muss man m.E. am meisten auf methodische Stimmführung schauen).
Du meinstest wahrscheinlich "melodische Stimmführung", als "Methode" sollen ja die Regeln des vierstimmigen Satzes gelten. Ja, einen beißen in den Mittelstimmen manchmal etwas die Hunde, oft ist es der Alt, hier kann ich es dem Tenor wohl nicht ganz ersparen.
Im Aufbau fällt mir auf: Bis Takt 7 hat jeder Takt durchgehend eine Harmonie, nur Lagenwechsel, ab Takt 8 "klassischer Satz" mit Harmonisierung je Schlag: Es gibt aber keinen "Grund" für diesen Wechsel (im Text, an Tempo, an Spannweite der Stimmen, an "Gegenüberstellung") - mir scheint, das müsste man ins Lot bringen ...
Das Konzept war, wie oben schon angedeutet, relativ einfach mit einem soliden Fundament zu beginnen und den Hörer erst allmählich in eine etwas größere Komplexität einzuführen.
Der Grund war für mich die Wahrnehmungspsychologie. Eine Teilung in "jeder Takt eine Harmonie" - "jeder Schlag eine andere Harmonie" ist so nicht ganz korrekt.
Von Schlag 1 auf Schlag 2 war an keiner Stelle ein Harmoniewechsel geplant. Auf der drei hingegen sollte öfters eine Dominantfunktion zur Harmonie des
nächsten Taktes aufösen. Das ist der Fall in Takt 5->6, 9->10, 11->12. Dadurch sollte die Harmonisierung abwechslungreich und nicht etwa beliebig, sondern vielmehr bestimmt klingen. Einen gewissen Gegensatz dazu bilden die Moll-Nebenfunktionen (Takte 3, 4, 9).

Nochmals Dank für Deine Überlegungen. Was ich mir jetzt am ehesten durch den Kopf gehen ließ, ist, ob der Kontrast zwischen dem ersten und dem zweiten Teil so groß ist, daß es als Stilbruch empfunden wird. Cudos Anmerkung ging ja in die gleiche Richtung. Soweit sollte es nicht gehen und ich habe daher eine neue Fassung geschrieben. Auch die Quintparallele durch das Achtel ist eliminiert.

https://soundcloud.com/musicprobe/voeglein4
Noten: auf Anfrage

Viele Grüße
Klaus

P.S.: Danke, Cudo, für Deinen Satz der ersten vier Takte, den ich mir noch näher anschauen werde, wie auch den Satz von hmmueller.
 
Danke zurück für Erklärungen! - denn es ist ja so (wieder von http://www.mu-sig.de/Theorie/Tonsatz/Tonsatz12a.htm): "Ein bewusster Verstoß gegen die Empfehlungen muss eine höhere Rechtfertigung besitzen (z.B. gewollte Klangwirkung, Umsetzung einer bestimmten harmonischen Progression o.ä.)." - wobei der "Verstoß" hier z.B. wäre (Zitat von derselben Seite weiter oben): "Ausgeglichenheit der Bewegungsintensität (Schritt und Sprung) - Das gilt für den Verlauf einer Stimme (Schritte sollten überwiegen), ...". Aber jetzt höre ich mit solchen Dingen auf, weil's natürlich auch (vor allem) drum geht, ob's gut klingt!

"Der Form halber" meckere ich noch zwei Parallelen an:

T.5-6 verm.5->reine 5 (ich "höre sie" = "mir fällt sie als unpassend auf", aber es mag sein, dass mein Gehör hier einer alten Schule folgt; lt. Regeln ist das wohl "fast ganz zulässig").

Und im T.10 hat die Korrektur nun eine neue parallele 8 ergeben. Eine Variante, die mir hier einfällt, wäre chromatische Tonleiter im Alt: a g# g(!) - geht direkt zum f# weiter - wenn einem der tonleiterfremde Ton zusagt. Sonst würde doch gehen im Alt a h c# und dafür im Tenor e a ... mhm: Weiter Abstand Tenor-Alt :-(. Alt a e a würde auch gehen ... und mit etwas weniger (Mini-)Schlusswirkung im T.10 Bass zum c#, dafür Tenor zum a. Ach je ... gibt sicher noch viel mehr Möglichkeiten ...

H.M.
 
Hallo Cudo,

danke für Deine vier Takte, die besser klingen, als die meiner letzten Version. Ein paar kleine Veränderungen passen sie meinem Geschmack noch mehr an:

- Takt 1: Powerchord zu Beginn in vollen Akkord umgewandelt (Alt e'-> c#'), dadurch sanfterer Beginn, u.a. durch parallel aufsteigende Dezimen.
- Takt 2: Bass auf Schlag 2 von g# in e umgewandelt. Der Grundton stabilisiert die Dominante und kann nachfolgend eine Quinte fallen.
- Takt 4: Den oktavierten Grundton im Tenor lasse ich erst über einen Achtel-Sekundschritt (h -> a) erreichen. Klingt m.E. interessanter. (In Takt 8 habe ich das ebenfalls eingebaut.)

Der Septimsprung im Bass (Takt 3) ist zwar etwas schwierig zu singen, doch eine Oktave tiefer geht noch weniger, allenfalls wenn man höhertransponiert.

Momantan finde ich diese Version am besten:

https://soundcloud.com/musicprobe/voglein-cudo-klaus
Noten: auf Anfrage

@hmmueller: Die angemerkten, teilweise vergessenen Satzfehler hatte ich inzwischen selbst bemerkt und eliminiert. Das tonleiterfremde g in Takt 10 geht völlig in Ordnung, da sich das A7 nachfolgend in Dm auflöst.

Viele Grüße
Klaus
 
- Takt 1: Powerchord zu Beginn in vollen Akkord umgewandelt (Alt e'-> c#'), dadurch sanfterer Beginn, u.a. durch parallel aufsteigende Dezimen.
Das sollte auch so sein wie Du es meinst. Das war ein Fehler meinerseits. Habe den nichtgewollten Powerchord aber ziemlich gleich verbessert. Du warst sehr schnell. :)


- Takt 2: Bass auf Schlag 2 von g# in e umgewandelt. Der Grundton stabilisiert die Dominante und kann nachfolgend eine Quinte fallen.
Ja OK, das kann man machen.

- Takt 4: Den oktavierten Grundton im Tenor lasse ich erst über einen Achtel-Sekundschritt (h -> a) erreichen. Klingt m.E. interessanter. (In Takt 8 habe ich das ebenfalls eingebaut.)
Sehr schön. Gefällt mir.

Der Septimsprung im Bass (Takt 3) ist zwar etwas schwierig zu singen, doch eine Oktave tiefer geht noch weniger, allenfalls wenn man höhertransponiert.
Das war auch für mich ein Problem. Aber der Septimsprung war dann OK für mich.

Danke für die wunderbare Einspielung.
 
@CUDO II: Freut micht, daß wir übereinstimmen!

Hallo hmmueller,

ich habe mir jetzt Deinen Satz angeschaut.
Klar, Du machst das nicht zum ersten Mal und offene Quint- oder Oktavparallelen habe ich auch keine entdeckt.

Folgendes ist mir aufgefallen:

- Wie Du schon sagtest, müsste der Satz tiefer als notiert gesungen werden. Vielleicht zwei Töne? Viel tiefer geht auch nicht, sonst fangen die absteigenden Terzen in Takt 8 irgendwann an zu verschwimmen.
- In Takt 5 überkreuzen sich Tenor und Alt.
- In Takt 6 sollte das Ende des ersten Teils auf der Dominanten kräftiger klingen, z.B. durch eine weite oder gemischte Lage. Bei Dir ist es eine sehr enge Lage, weil Bass und Tenor unisono erklingen.
- In den Takten 6 und 12 finde ich (mein Geschmack) jeweils die zwei letzten Achtel und das folgende Viertel entbehrlich. Das empfinde ich als Füllmaterial, was nichts Neues bringt.
- In Takt 9 auf 10 springt der Bass höher, als der Ausgangspunkt des Tenor. Das sollte man vermeiden. Ausserdem entstand eine verdeckte Quintparallele, die in diesem Fall wohl problematisch ist:
Zwei Stimmen sollen nicht bei gleicher Richtung aus einem beliebigen Intervall in eine reine Quint oder Oktav weiterschreiten ("Verdeckte Quint- bzw. Oktavparallelen"). Dies gilt vor allem für die beiden Ober- bzw. Unterstimmen
http://www.matthies-koehn.de/harmonielehre/html/vierstimmigersatz.html
Die Hornquinte in den beiden Oberstimmen (Takt 9) stellt zwar ebenfalls eine verdeckte Quintparallele dar, doch sie gilt als eine der wenigen akzeptierten Ausnahmen im vierstimmigen Satz.
- Beim Abkadenzieren am Schluss, wirkt es etwas überraschend, daß da so weit ausgeholt wird (mit der Tripeldominanten, Takt 10, Schlag 3).

Viele Grüße
Klaus
 
Hallo,

ich habe zwar wenig Ahnung (außer den Grundregeln ) vom vierstimmigen Satz, konnte es mir trotzdem nicht verkneifen, das Lied ein paar Mal zu spielen. Da ich immer schon
viel nach Leadsheets gespielt habe, hat sich eine gewissen Routine eingestellt, welche Akkorde zu einer Melodie passen könnten.

Dabei bin ich auf den Akkord am Ende des 5. Taktes gekommen, wie er auch hier zusehen ist, der nach E-Dur überleitet.

Bild1.gif Meine Frage: Wie heißt der Bursche ? Mir fällt kein mir geläufiger Name ein. Er hat vermutlich was mit H-Dur zu tun ...? Danke !
 
Wie heißt der Bursche ? Mir fällt kein mir geläufiger Name ein.

Hallo Papsi,

"Halbverminderten Septakkord" D#ø
Tonzusammensetzung: Dis als Grundton, dann folgen zwei aufeinandergeschichtete kleine Terzen und noch die kleine Septime (deshalb nur "halb"vermindert - bei der verminderten Septime wäre es ein verminderter Septakkord).

Viele Grüße
Torsten
 
Hallo Torsten,

danke für die "Aufklärung" ! Der verminderte Septakkord D#° ist mir geläufig. Dass es einen halbverminderten Akkord
gibt, weiß ich auch, bin an der Stelle nur nicht drauf gekommen. Vor allem hat mich das C# "gestört", das aber hier zum
halbverminderten natürlich gehört.
Ein Grund für mein Nichtwissen liegt auch darin, dass ich ganz selten in A-Dur spiele. .... Muss ich auf meine alten Tage
etwas üben !?

Danke und Grüße ... Papsi
 
Hallo Papsi!

Er hat vermutlich was mit H-Dur zu tun ...?

Ganz recht! Daher wäre es vielleicht günstiger, ihn als Dominantnonakkord zu
bezeichnen. Ich habe natürlich nach einer Variante von H9 gesucht. Die None war ja durch die Melodie vorgegeben.

Da im Akkord der Grundton fehlt und es sich um eine große None handelt, wäre es, genauer gesagt, ein verkürzter großer Dominantnonakkord. (Er enthält nach Sigal, die kleine Septime.)
Amon nennt ihn in seinem Lexikon der Harmonielehre "verkürzter großer Dominantseptnonakkord".


Funktionssymbol: Ɖ9+ (durchgestrichenes D) (nach Sigal)
Funktionssymbol: verk_Dominantseptnonakkord.png (nach Amon)

Englische Bezeichnung: B9(no root)

Viele Grüße
Klaus

P.S.: Falls Du etwas arrangiert hast, würden wir uns das sicher gerne anhören bzw. die Noten lesen,
auch wenn es kein vierstimmiger Satz ist. Muß ja kein A-Dur sein.
 
Hallo Klaus -

Hallo hmmueller, ich habe mir jetzt Deinen Satz angeschaut.
Merci für die Kritiken!
- Wie Du schon sagtest, müsste der Satz tiefer als notiert gesungen werden. Vielleicht zwei Töne? Viel tiefer geht auch nicht, sonst fangen die absteigenden Terzen in Takt 8 irgendwann an zu verschwimmen.
Ja, diese Terzen sind nicht besonders gut - auch wegen des von Dir unten erwähnten T.9/10-Problems. Ich hab's mir einmal in F am Rechner angehört - tiefer darf man aber wohl auch nicht gehen, sonst verliert es den Charakter des fröhlichen Volkslieds ... -> siehe unten.

- In Takt 5 überkreuzen sich Tenor und Alt.
... wobei das Absicht ist, wegen der sonst brutalen Quintenparallelen. Und grad bei Frauen-Männer-Kreuzung bleibt ja der Charakter der Stimmen so erhalten, dass man das nicht als Kreuzung hört. Als Klaviersatz wär das natürlich nix ("Klavierquinten").

- In Takt 6 sollte das Ende des ersten Teils auf der Dominanten kräftiger klingen, z.B. durch eine weite oder gemischte Lage. Bei Dir ist es eine sehr enge Lage, weil Bass und Tenor unisono erklingen.
Das ist das Grundproblem meines Satzes: Er ist zu eng. Auch die beiden 5+6-Akkorde im T.7 etwa sind ja eigentlich nur aus der Not geboren, Parallelen zu vermeiden, aber trotzdem eine Stimmführung mit vielen Sekunden zu erreichen. Da sollte ich eigentlich woanders hinspringen (wobei meine real-life Chorerfahrung in den letzten 2 Jahren mir schon zeigt, dass die sangliche, und das heißt häufig doch vor allem tonleiternahe Stimmführung enorm wichtig ist; die "Choral"bücher mit Orgelsätzen sind da m.E. nicht wirklich ein guter Leitfaden - da sind schon sehr viele "Instrumental"sätze drin, die für einen durchschnittlichen Sänger eher anstrengend wären. Meine verminderte Quart im T.10 ist aber natürlich auch eine Gemeinheit. Andererseits hat Cesar Franck in seinem "Dextera Domini", das wir gerade singen und das vollkommen regulär ausgesetzt ist, auch ein paar Septimsprünge im Tenor drin, nur damit der folgende Akkord auch die nötigen Töne hat ...).

- In den Takten 6 und 12 finde ich (mein Geschmack) jeweils die zwei letzten Achtel und das folgende Viertel entbehrlich. Das empfinde ich als Füllmaterial, was nichts Neues bringt.
Ja - defintiv mögliche Kritik. War sozusagen nur als Demo gedacht, dass man das Entschleunigen am Ende der Phrasen so etwas "dehnen" kann. In den anderen hier gezeigten Sätzen wird man stattdessen anders "ausschwingen" lassen - leichtes Ritardando und/oder Decrescendo, kleines Absetzen des Viertels vor dem Phrasenschlussakkord o.ä.

- In Takt 9 auf 10 springt der Bass höher, als der Ausgangspunkt des Tenor. Das sollte man vermeiden.

... und dabei ist das Terzenrunterlaufen in den tieferen Bereich (noch dazu wenn man's tiefer singt) praktisch das größere Problem - den "Übersprung" merken zumindest die Sänger gar nicht. Hier ist ein Alternativvorschlag, der beides vermeidet:

Vogerl4a.png

Ausserdem entstand eine verdeckte Quintparallele, die in diesem Fall wohl problematisch ist:
Zwei Stimmen sollen nicht bei gleicher Richtung aus einem beliebigen Intervall in eine reine Quint oder Oktav weiterschreiten ("Verdeckte Quint- bzw. Oktavparallelen"). Dies gilt vor allem für die beiden Ober- bzw. Unterstimmen
http://www.matthies-koehn.de/harmonielehre/html/vierstimmigersatz.html

Naja - das "vor allem" relativiert diesen Satz schon ziemlich, und an anderen Stellen (bei de la Motte?) steht auch "Das Verbot verdeckter Quinten hat praktisch keine historische Grundlage" oder so. Aber man kann es sich als Satzregel natürlich trotzdem vornehmen. Wenn man aber aus Stilgründen keine "Jazz-Akkorde" verwenden will (bis hin großen Septimen, noch dazu auf schweren Schlägen - dann gibt man sich natürlich gleich viel mehr Freiheiten), dann wird's damit manchmal schon sehr eng. Eine weitere verdeckte Quint passiert übrigens im letzten Viertel von T.10 im T+B.

- Beim Abkadenzieren am Schluss, wirkt es etwas überraschend, daß da so weit ausgeholt wird (mit der Tripeldominanten, Takt 10, Schlag 3).
Ja, das macht den Satz sicher etwas "gekünstelt" (siehe meine Einleitung "... zu originell ..."). Aus irgendeinem Grund stell ich mir vor, dass es danach mit einem weiteren, noch etwas ausladenderen Satz weitergeht - wo etwa der Bass tief beginnt -, sodass das nicht der eigentliche Schluss ist. Wenn ich den Satz so aufführen müsste, würde ich versuchen, irgendwie das Augenzwinkern rüberbringen, weil er an manchen Stellen übertreibt :)

Cheerio!
H.M.

P.S. Antwort kam erst heute, weil gestern längere Chorprobe - und zum Thema mehr oder weniger passend haben wir zum ersten Mal meine Ergänzung eines Stückes für 3-stimmigen Frauenchor auf 5 Stimmen (+Tenor und Bass) geprobt. Im Satz der zweiten Strophe sind mir dann auch zwei "schöne" Quintenparallelen unterlaufen - einfach übersehen, und beim Anhören aller 5 Stimmen hört man sie m.E. auch nicht. Beim Proben wird es einem aber schon ins Gesicht gedroschen: "Und jetzt singen einmal Sopran 2 und Tenor ...", und schön deutlich werden da Quinten parallelisiert - es zieht einem schon ziemlich die Ohren zusammen. Meine Chorleiterin und der Chor sind da gottseidank (aus Praktikersicht geurteilt) sehr unempfindlich - auf meine vorgebrachte Selbstkritik kommt nur ein "das bleibt jetzt so, wir schreiben da nichts mehr herum".
 
Hallo hmmueller,
Danke für Deine Erläuterungen!

... wobei meine real-life
Chorerfahrung in den letzten 2 Jahren mir schon zeigt, dass die sangliche, und
das heißt häufig doch vor allem tonleiternahe Stimmführung enorm wichtig ist;
die "Choral"bücher mit Orgelsätzen sind da m.E. nicht wirklich ein guter
Leitfaden - da sind schon sehr viele "Instrumental"sätze drin, die für einen
durchschnittlichen Sänger eher anstrengend wären.

Keine Frage, daß eine sangliche Stimmführung sehr wichtig ist und man sollte sie
anstreben. Im Interesse des harmonischen Gesamtausdrucks geht das aber nicht
immer. Wenn man z.B. in die Choräle von J.S.Bach schaut, so wird man auch hier
feststellen, daß Sprünge völlig normal sind (insbes. bei Kadenzen). Sowohl Sanglichkeit als
auch harmonischer Ausdruck sind wichtig und Bach verbindet beides meisterhaft.
(Wir können immerhin hoffen, Fortschritte zu machen.)

Beispiele:

Bach BWV 56-5 Komm, Tod, du Schlafes Bruder
youtube (mit Noten)

Bach - Jesu, meine Freude
youtube
Noten:
Jesu, meine Freude.png
J. S. Bach - Choral "Ich bin ja, Herr, in deiner Macht" BWV 345
youtube
Noten:
Ich bin ja Herr.png

Quelle, jeweils: http://imslp.org/wiki/Chorale_Harmonisations,_BWV_1-438_(Bach,_Johann_Sebastian)

... und dabei ist das Terzenrunterlaufen in den tieferen Bereich (noch dazu wenn
man's tiefer singt) praktisch das größere Problem - den "Übersprung" merken
zumindest die Sänger gar nicht. Hier ist ein Alternativvorschlag, der beides
vermeidet:

Der Satz ist besser und damit hältst Du auch die Regel ein, daß der
Stimmabstand einer Sexte zwischen Alt und Tenor (und zwischen Sopran und
Alt) nicht ohne Grund überschritten werden sollte.

... (bei de la Motte?) steht auch "Das Verbot verdeckter Quinten hat
praktisch keine historische Grundlage" oder so.

Ja, ein Dogma sollte es nicht sein, doch ich finde, es kann schon etwas "leer" klingen,
wenn unter der Beteiligung einer Aussenstimme zwei beanachbarte Stimmen
aus gleicher Richtung in eine Quinte hineinlaufen.
De la Motte belegt seine Aussage mit Komponisten aus der Renaissance. Mein Vorbild
wäre eher J.S.Bach. Wäre die Frage, ob es da auch zahlreiche Beispiele gibt.

Die von Dir bei mir entdeckte offene Quintparallele (mit dem Achtel) hätte Bach
möglicherweise toleriert, weil sie im nur Durchgang erfolgte.

In BWV 248/33 findet sich z.B. folgendes:

Parallele im Durchgang.png

(zitiert nach Ulrich Kaiser: Der vierstimmige Satz, S. 151, Bärenreiter (2002))
Das Beispiel konnte von mir jedoch nicht durch die Originalquelle verifiziert werden.
Dafür ein interessanter Artikel: Andreas Moraitis: Die Stimmführungsparallelen in den Choralsätzen Johann Sebastian Bachs und Georg Philipp Telemanns

Beim Proben wird es einem aber schon ins Gesicht gedroschen: "Und jetzt
singen einmal Sopran 2 und Tenor ...", und schön deutlich werden da Quinten
parallelisiert - es zieht einem schon ziemlich die Ohren zusammen.

Richtig, es ist eine gute Methode, zwei Stimmen anzuhören, dann merkt man
gleich, ob Parallelen auftreten. Sollte man eigentlich immer machen.

Meinen Satz (mit Cudos vier Takten zu Beginn) habe ich nun folgendermaßen verändert:

- Takt 2, Schlag 2: Habe nun doch Cudos Original übernommen, da sonst die Stelle etwas zu rein klingt.
- Takt 5: Hier ist die Nahtstelle zu meiner Komposition und die hörte man. Auf den jeweils ersten
Schlägen von Takt 4 und 5 wiederholte sich praktisch die Harmonie. Ich hoffe, der völlig überarbeitete
Takt klingt nun besser.
- Takt 6: Statt Terzverdoppelung nun Verdoppelung des Grundtons.

Es wurden ausserdem Noten mit Klaviersatz erstellt, ohne Text:
auf Anfrage

Bei den Noten für Chor wurde der Text jetzt der ersten Stimme korrekt angepasst:
auf Anfrage

Zu guter Letzt die Einspielung der überarbeiteten Fassung:

https://soundcloud.com/musicprobe/wenn-ich-ein-voglein-war

Viele Grüße
Klaus

P.S.: Hatte vergessen den Alt in Takt 5 anzupassen. Die Stimme hier jetzt sanglicher und spielbar. In Takt 6 bin ich, auch wegen der Sanglichkeit, zur Terzverdoppelung zurückgekehrt. In Takt 9 laufen Bass und Tenor in eine verdeckte Quintenparallele hinein, doch eine bessere Lösung erscheint mir nicht möglich.

Die aktualisierten Noten:
Klavier: auf Anfrage
Chor: auf Anfrage
 

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