Vorab sollte ich vielleicht ein paar Dinge erklären.
Ich bin Musiker, genauer gesagt Synthesizerspieler. Ich spiele in einer eher ungewöhnlichen Band, einer Soul/R&B/Funk-Spartencoverband in dieser Besetzung:
- dr
- b/m-voc 2 (kein Amp, Multieffekt, geht direkt ins FoH)
- g (kein Amp, Multieffekt, geht direkt ins FoH)
- f-voc/perc
- kb 2/m-voc 1 (spielt nur ein Stagepiano)
- kb 1/m-voc 3 (Synthesizerburg mit Submixer; meine Wenigkeit)
Unterscheidet sich also fundamental von Rock-, Metal-, aber auch den meisten Top40-Bands.
Als Coverband haben wir natürlich nicht den einen durchgängigen Bandsound, sondern emulieren, sofern das geht, den Sound etlicher Bands und Künstler von halbelektronischem Minimal-Funk (Prince - Kiss) und einfach arrangiertem Soul-Pop (Gabrielle - You Gotta Be, Bill Withers - Lovely Day) über Nile-Rodgers-Funk (Chic - Good Times) bis hin zu überproduzierten R&B-Disco-Orchester-Pomp-Exzessen der Zeit um 1980 (Earth, Wind & Fire - Boogie Wonderland, In The Stone, Fantasy).
Als Synthmann und erster Keyboarder fahre ich da natürlich eine gigantische Palette an Sounds ab. Also nicht zwei, drei, sondern wahrscheinlich über 50 in verschiedenen Lautstärken und auch mal ein halbes Dutzend verschiedene Sounds innerhalb von 10 Sekunden in einem Song. Alles ist pro Gerät (zwei Keyboards, zwei Racksynthesizer; Equipmentliste siehe mein Profil) und dann auch noch zentral inklusive aufwendigem MIDI-Routing vorprogrammiert, ich kann mit einem einzelnen Tastendruck theoretisch 36 unterschiedliche Sounds (darunter ein Drumkit) inklusive individueller Lautstärkeeinstellungen, Panorama und Effektrouting sowie die passenden MIDI-Einstellungen innerhalb eines Wimpernschlages umschalten. Das heißt auch, daß händische spontane Einflußnahme unmöglich ist.
Das alles ist natürlich etwas, womit kaum ein Tontechniker rechnen dürfte. Schlimm genug, daß wir zwei Keyboarder haben. Aber im R&B sind mindestens zwei Keyboarder Standard, jedenfalls bei den großen "Originalen".
Dazu kommen dann noch so Spezialitäten wie mein Gesangsmikrofon. Ich lasse mir nicht von der Local Crew ein SM58 nebst Galgen hinstellen, das direkt ins FoH geht. Ich habe mein eigenes Mikro (AKG D 5), das an meinem eigenen Mikrofonständer (Teil meiner Keyboardsäule Ultimate Apex AX-48B) hängt - und jetzt kommt's: Das Ding geht in meinen Submixer. Das ist deshalb notwendig, weil ich es jetzt schon als Vocodermikrofon benutze (Earth, Wind & Fire - Let's Groove, als Vocoder dient einer der Synths, das Dry-Signal verläßt meinen Submixer nicht, der Tontechniker kriegt NUR das Vocodersignal, gemischt mit einem Synthbaß aus demselben Synth und einem Rhodes aus einem anderen Synth) und in Zukunft in Erwägung ziehe, das Mikrosignal in bestimmten Songs auch noch anders zu bearbeiten (Filter, Delay etc.). Ich biete Tontechnikern sowohl im Stagerider als auch vor Ort an, das trockene Mikrosignal post-fader (keine Diskussion) über eine Subgruppe separat ans FoH zu schicken, das hat bisher aber nur einer in Anspruch genommen.
Aber auch der Rest der Band ist nicht unbedingt pflegeleicht. Bassist und Gitarrist verwenden beide keine Amps. Rockige Klänge sind bei uns selten. Der Bassist legt nicht einfach ein Fundament untenrum, indem er den Grundton in Achteln spielt, der spielt häufig tighte, knackige 16tel-Baßläufe inklusive Ghostnotes. Ähnliches gilt für den Gitarristen, der mehr als 90% der Zeit clean spielt, allerdings mit unterschiedlichen Sounds, und auch er spielt viel prägnantes, filigranes 16tel-"Gefrickel" und nicht einfach nur "Brett".
So knackig wie die Saiteninstrumente muß bei uns entsprechend auch das Schlagzeug sein. Keine fetten, krachigen Rockdrums, die auch gerne mal länger ausklingen dürfen, was einer Wall of Sound zugute käme. Wir haben keine Wall of Sound (und wenn, ist die orchestral), wir haben Funk, und da muß es kurz und knackig sein.
Beim Gesang gibt's keine Aufteilung in 1 Leadsänger, und der Rest ist Backing. Im Prinzip singt jeder Lead (d. h. ich rappe mehr, als daß ich Lead singe, aber auch das ist Lead) und singt jeder Backing, der ein Mikro hat. Lautstärke wird durch Distanz vom Mikro geregelt. Das ist auch nicht unbedingt so gewöhnlich.
Als Hobbyband mit 5-10 Gigs im Jahr haben wir natürlich keinen eigenen Tontechniker, wir haben gar keine Crew und sind somit angewiesen auf Mannschaften, die uns nicht kennen.
Und nun zu den Fragen.
1. Wie ist dein Selbstverständnis als Musiker oder als Tontechniker?
Die Musiker sollten zum einen dem Tontechniker deutlich sagen, was sie wie haben wollen, und zum anderen mit ihm kooperieren, soweit es geht. Das heißt nicht, daß sie spontan ihr Equipment umbauen, weil der Toni Anfänger oder nur einfachen Rock gewöhnt ist und aufwendigere Sachen nicht mischen kann. Das heißt aber sehr wohl, daß zum Beispiel Gitarristen nach dem Soundcheck nicht mehr an ihren Amps rumdrehen.
Umgekehrt sollte der Tontechniker, soweit das möglich ist (und in den meisten Fällen ist es das), auf die Wünsche der Musiker eingehen, sollte es ihnen zeitnah mitteilen, wenn Schwierigkeiten auftreten, und sollte den Auftritt aufmerksam verfolgen und reagieren, wenn irgendetwas nicht stimmt.
Und wie schon an anderer Stelle gesagt: Bei uns macht der Toni bitteschön keinen Sound. Zumindest so wenig wie möglich, gerade soviel wie nötig. Suboptimal klingende Mikros nachregeln, Schlagzeug knackig machen, Baß entmulmen. Aber bei Hall, Delay, Kompressor oder Mikro-Preamp-Klangcharakter auf einem Synthesizer-Submix hört der Spaß auf.
2. Wie sieht für dich eine gelungene Kommunikation zwischen Musiker und Tontechniker bei einem Live-Auftritt aus?
Siehe oben.
In dem Sinne sei noch Talkback erwähnt. Das sehe ich bei Auftritten viel zu selten, daß der Toni ein Mikro am Platz hat, das nur auf die Monitore gelegt ist. Das ist absolut sinnvoll vom großen Stadtfestgig, wo das FoH-Zelt 20 Meter von der Bühne entfernt ist, bis zum Kneipengig, wo der Tonmann sich zwecks Kommunikation mit der Band durchs gedrängte Publikum quetschen muß, das gar nicht weiß, daß er der Toni und somit wichtig ist.
3. Welche Erfahrungen hast du mit der Zusammenarbeit zwischen Musiker und Tontechniker?
Ganz ehrlich? Nicht unbedingt sehr positive, jedenfalls nicht viele. Das hängt allerdings auch mit dem Schwierigkeitsgrad unserer Band zusammen.
Beispielsweise kann ich mich nicht erinnern, daß es je ein Tontechniker geschafft hat, einen PA-ähnlichen Monitormix zu bauen, egal, für wen in der Band. Also einen Mix, wo nicht Instrument A explizit lauter und Instrument B explizit leiser ist. Uns wird immer wieder erzählt, das sei technisch überhaupt nicht möglich. Dabei steht genau das meines Wissens nach wie vor in unserem Rider. Und für mich ist es lebensnotwendig zu wissen, wie laut ich
nach vorne raus im Vergleich zum Rest der Band bin, weil ich a) dem Toni über ein Stereoleitungspaar schon mal sechs oder acht unterschiedlich laute (Differenz schon mal > 40 dB) Sounds in einem Song schicke, überhaupt mit großen Lautstärkeunterschieden spiele, die allesamt vorprogrammiert sind, also nicht händisch eingestellt werden, und es b) immer noch Tonis gibt, die glauben, Keyboards gehören im Mix immer nach hinten.
Wir hatten sogar schon mal einen Toni, der gesagt hat, ich soll mein Equipment mal drastisch reduzieren, weil er damit heillos überfordert war, daß er derartige Mengen an unterschiedlichen Sounds aus einer Burg mit zwei Keyboards, einem 15/10-HE-Rack und insgesamt vier Klangerzeugern bekam.
Einige Jahre, bevor ich in der Band war, spielte sie mal als Vorgruppe einer "professionellen" Top40-Band, die für den ganzen Tag ihren eigenen Tontechniker mitbrachte. Der hatte die explizite Anweisung von denen bekommen, den Sound aller anderen Bands zu vermurksen, damit sie selbst als Headliner besser dastehen. Dann hat er einen absoluten Grottensound zusammengedreht, ist für den Rest des Gigs an die nächste Theke gegangen und hat
sämtliche Zurufe der Band, er möge den Sound in Ordnung bringen, vorsätzlich ignoriert.
4. Was würdest du dir als Musiker bzw. Tontechniker von der anderen Seite bei der Konzertvorbereitung wünschen?
Zunächst mal: Rider lesen, Rider lesen, Rider lesen - und verinnerlichen. Den schicken wir nicht aus Spaß an der Freude, oder weil der Veranstalter das so wollte. Und bitte auch nicht einfach nur überfliegen mit der klassischen b/g/g/dr/voc(/kb)-Band im Hinterkopf. So kann "ja nee, weiß ich nix von, bin ich nicht drauf vorbereitet, gibt's nicht" gar nicht erst passieren.
Wenn man feststellt, daß man da eine Band mischen muß, die irgendwie gar nicht so ist, wie man das kennt, dann sollte man sich diese Band mal vorab anhören. Videos, mitgeschickte Demo-CD, was weiß ich. So steht mal als Tontechniker nicht beim Gig da wie Ochs vom Berge mit einer Band auf der Bühne, von der man nicht die geringste Ahnung hat, wie man so etwas eigentlich mischen soll, wie die sich eigentlich anhören sollen.
Ein schneller Linecheck reicht bei uns auch nicht aus. Für einen richtigen Soundcheck sollte die Zeit schon vorhanden sein.
5. Wie würdest du die Kommunikation zwischen euch und den Musikern bzw. dem Tontechniker bezeichnen?
Das war schon so und so. Optimal war's nie. Wie gesagt, kein Talkback ist für eine Band, die dem Tontechniker definitiv vor Ort verdammt viele Sachen erklären muß und ihn möglicherweise immer wieder anweisen muß, hier und da nachzuregeln, katastrophal.
6. Welche verbesserungsvorschläöge fallen die für die Zusammenarbeit und für die Kommunikation miteinander ein?
Wie gesagt: siehe oben. Geht nicht immer von Standards aus, sondern schmeißt auch mal alles, was ihr über "normale" Bands wißt, über Bord, wenn ihr etwas Ungewöhnliches mischen müßt. Und macht nicht einfach euer Ding und probiert rum, sondern kommuniziert es, wenn ihr ein Problem habt.
7. Wann ist für dich die Zusammenarbeit gelungen?
Ein Mix, wie wenn wir's selbst von der Bühne aus gemacht hätten (wir wissen nämlich, wie wir klingen müssen), laut genug, nicht zu laut, klarer, knackiger Sound und kein Gemulme, und vor allem, die Band hat nicht im "Blindflug" mit total verstellten Monitoren gespielt, sondern sich selbst auf der Bühne so gehört wie die Leute vor der Bühne.
Martman