Mal geht's, mal geht's weniger gut, mal geht's gar nicht. Folglich ist nicht
jeder Musiker ersetzbar.
Selbst eine Neuauflage von Queen hätte funktionieren können...mit anderem Frontpersonal.
Sie hätten damals nach dem Wembley-Konzert George Michael einen Sack über'n Kopp stülpen und
shanghaien zwangsrekrutieren von den Vorzügen eines Beitritts überzeugen müssen. Wenn jemand Freddie Mercury standesgemäß hätte ersetzen können, dann er.
Eins der krassesten Beispiele für Ersetzbarkeit sind Genesis. Nachdem Peter Gabriel in einem Anfall von Egotrip die Band verlassen hat, haben sie ihn durch ihren eigenen Drummer ersetzt - Phil Collins. Okay, die Band hat sich dann innerhalb von ein paar Jahren stilistisch völlig umgewandelt und ist 1986 endgültig im Pop angekommen, aber na ja...
Yes wiederum haben sich 1980 mit dem vorübergehenden Ausstieg von Jon Anderson und dem Einstieg der Buggles (Trevor Horn und Geoff Downes) für ein Album ins Abseits manövriert. Jetzt sind sie wieder in dieser Besetzung unterwegs...
Ich finde die Antwort auf diese Frage ganz einfach.
Ein Musiker ist ersetzbar wenn keines der folgenden Kriterien erfüllt ist:
- Er ist "das Gesicht" der Band d.h. die Band wird über ihn identifiziert (Besp: Lemmy bei Motörhead).
- Die Stimme des Sängers is so unverwechselbar dass ein anderer Sänger schlichtweg bedeuten würde, dass die Musik komplett anders klingt.
- Er ist ausschlaggebend am Songwriting oder an den Texten beteiligt
Man sollte mal aus Gag diese drei Kriterien bei Fleetwood Mac ansetzen. Okay, nachdem Peter Green (Sänger, einer der begnadetsten Bluesgitarristen Englands, Frontman) ausgestiegen ist, hing die Band durch, aber nach
ihrer feindlichen Übernahme durch die Amis dem Einstieg von Lindsey Buckingham und Stevie Nicks ging's erst richtig los. Zugegeben, die Band änderte sich da auch stilistisch extrem, neben Buckingham und Nicks war nur noch der etwas frühere Neuzugang Christine McVie ein Aushängeschild der Band (die drei haben gesungen), und in den 80ern mutierten Fleetwood Mac mehr und mehr zu Lindsey Buckinghams Begleitband, aber sie hatten
ein Drogenproblem Erfolg. Siehe Genesis.
Gut, Peter Green war als Mac-Oberhaupt nicht unbedingt der Hitfabrikant. Die wenigsten Leute wissen, daß Black Magic Woman ursprünglich eine Mac-Nummer gab. Green selbst hat Carlos Santana gebeten, die Nummer mal zu covern, er wollte mal hören, wie sich das anhört, wenn Santana so was spielen. Santana hatten damit einen Riesenhit, derweil sich Fleetwood Mac bis Mitte der 70er immer schön aus den Charts raushielten.
Beispiel dafür, daß es nicht immer funktioniert: Deep Purple. Die meisten sagen, die Band funktioniert überhaupt nur in der Mk-II-Besetzung.
Die Stones haben sich ja seit 1975 nicht mehr umbesetzt, und Ron Wood als Zugang nach Mick Taylors Ausscheiden war die einzige Umbesetzung seit Brian Jones' Tod. Nachdem Bill Wyman ausgestiegen ist, holen sie sich Gastbassisten, aber keinen neuen offiziellen Rolling Stone am Baß.
Bei den Beatles ist es noch extremer. Eigentlich gab es die Band nur zehn Jahre lang, und in den zehn Jahren haben sie mehr Stilwechsel mitgemacht als wohl jede andere Band, aber jegliche Umbesetzungen sind bis heute ein Tabuthema. Die Beatles in ihrer bekannten vierköpfigen Besetzung sind ein Heiligtum oder mindestens UNESCO-Weltkulturerbe. Okay, es gab mal einen Pete Best und einen Stuart Sutcliffe, aber da sind die Beatles noch auf der Suche nach dem großen Hit über'n Kiez getingelt. Das letzte Mal im Studio waren die Beatles in den 90ern, wo die drei noch lebenden Beatles zu schon länger existierenden Aufnahmen von John Lennon gespielt haben. Wenn sie mal wieder irgendwo auftreten, dürfen die beiden verstorben Mitglieder nur durch ihre eigenen Söhne ersetzt werden (wobei man fairerweise sagen muß, bei Julian Lennon kommt das sogar mit der Stimme hin). Und die Paul-is-dead-Verschwörungstheorie, nach der der bei einem Autounfall ums Leben gekommene Paul McCartney nur durch ein perfektes Double ersetzt werden konnte, ist in diesem Punkt ja auch nicht komplett unglaubwürdig.
Allgemein kann man sagen, je mehr und spezieller sich jemand in eine Band einbringt, desto schwieriger ist es, ihn zu ersetzen. Das Austauschen eines Rhythmusgitarristen, den vorher schon jeder Studiomusiker hätte ersetzen können, wird kaum bemerkt werden. Wenn man es aber mit jemandem mit einem ganz speziellen Sound oder einer besonderen Spielweise zu tun hat oder einfach mit einer Rampensau, wie es sie keine zweite gibt, wird es verdammt schwierig. Ich meine, man stelle sich mal vor, ELP hätten Keith Emerson ersetzen müssen, um mal einen Keyboarder als Beispiel zu nehmen.
Letztlich hat eine Band dann zwei Möglichkeiten: Entweder sie versucht, jemanden zu finden, der ein möglichst perfekter Ersatz ist, so daß es keinen Bruch gibt. Problem: Kleine Abweichungen können mitunter immer noch - ja gerade - sehr auffallen. Oder sie sagt, wir machen einen Schnitt und was ganz anderes, denn ersetzen werden wir unser Ex-Mitglied eh nie können. Kann klappen, geht aber häufig schief. Siehe Queen mit Paul Rodgers als neuem Sänger.
Was interessanterweise schon mehr als einmal gemacht wurde und auch so manches Mal geklappt hat, ist, einen nicht mehr vorhandenen Leadsänger durch den entsprechenden Leadsänger einer Tributeband zu ersetzen. Journey haben das getan, Judas Priest haben das getan, bei Yes werden wir sehen.
Gerade bei Bands, die es schon länger gibt, die aber schon einiges an Umbesetzungen hinter sich haben, kommt aber noch das Zusammenhaltsgefühl dazu. Oder der Mangel daran, wenn ständig Leute getauscht werden. Warum hat Steve Lukather Toto aufgelöst? Weil er das einzige verbliebene Gründungsmitglied war und keinen Sinn darin sah, dieses Frankensteins Monster von einer Band weiterhin am Laufen zu halten. Man könnte sagen, er hatte keinen Bock mehr und hat mit der Auflösung vermieden, daß die anderen ihn ersetzen und Toto dann nur noch aus Ersatzmusikern besteht.
Martman