/edit: puh, ist das jetzt ein Roman geworden
Naja, ich hoffe, es sind ein paar Dinge dabei, die dir weiterhelfen
Kann es sein, dass du ein kleiner "Kontrollfreak" bist? Ich hab immer alles gerne unter voller Kontrolle... beim Singen muss man aber manchmal diese einengende Kontrolle loslassen und die Stimme sich ihren Weg finden lassen.
Das klingt fĂŒr mich weniger einleuchtend. Erstens sind Menschen, die Schwierigkeiten haben, aus sich heraus zu gehen, in der Regel keine Kontrollfreaks, weil sie ja eben die meiste Zeit das GefĂŒhl haben, dass ihnen die nötige Kontrolle fehlt, um sich "gefahrlos" öffnen zu können. Ein Kontrollfreak ist jemand, der permanent das GefĂŒhl hat, die volle Kontrolle zu haben und Panik bekommt, wenn er sie mal abgeben muss.
Als Musiker sollte man die Kontrolle aber auf keinen Fall abgeben. Sonst wird es in der Regel peinlich. Vielmehr muss man lernen, die Kontrolle ĂŒber sich und das Publikum zu behalten, ohne sich bewusst darauf konzentrieren zu mĂŒssen. Und dafĂŒr muss man erst mal lernen, sich selbst zu 100% zu kontrollieren.
Dementsprechend mein erster Tipp an die Threadstellerin: Werde besser

Klar ist dieser Tipp alleine noch nicht sehr hilfreich, denn der mangelnde Elan hindert dich ja gerade daran, besser zu werden. Mehr dazu gleich.
Ich meine, soll ich mir jetzt auf einen Zettel schreiben dass ich mit mehr Elan und AktivitĂ€t singen soll und mehr aus mir heraus kommen soll oder wie? Es ist so mĂŒhsam mich immer wieder selbst daran erinnern zu mĂŒssen! Dabei merke ich nichtmal immer dass es gerade wieder an meinem Elan usw liegt.
Die Idee mit dem Zettel ist garnicht so, blöd, ich glaube das probiere ich mal aus. Ich bin zwar nicht schĂŒchtern was das Singen angeht, aber mir passiert es oft, dass ich mich einfach viel zu sehr auf die Technik konzentriere, und das Ergebnis ist letztlich genau das selbe: Die Stimme kommt aus dem Gehirn, statt aus der Seele. Dadurch versteife ich mich dann zu sehr und nach ein paar Minuten bin ich heiser und klingen tut das dann auch nicht mehr.
Ich versuch dem, wenn ich dran denke (hier kÀme dann jetzt der Zettel ins Spiel

), entgegenzuwirken, indem ich mich nach dem "technischen" Einsingen nochmal fĂŒr ein paar Minuten an einen ruhigen Ort zurĂŒckziehe und mir zunĂ€chst mal einfach Aufnahmen der Lieder anhöre, die ich spĂ€ter singen werde, vorzugsweise die schweren bzw. die mit denen ich noch nicht so gut vertraut bin. Dabei fĂŒhle ich mich dann ganz bewusst in den Song hinen, empfinde seine Stimmung nach, lasse die Handlung des Textes als Film vor meinem inneren Auge ablaufen und denke mich dabei in die Rolle des Protagonisten. Dann fange ich normalerweise fast schon unterbewusst an, mitzusingen und der Elan ist dann zu 100% da. Ist fast schon so ne Art Meditation.
Wenn ich dann spĂ€ter im Proberaum/auf der BĂŒhne/im Studio stehe, tu ich genau das selbe wieder. Nur, dass ich dann, dadurch, dass ich mich vorher bewusst darauf vorbereitet habe, wesentlich schneller in den Song finde und es mir dann auch leichter fĂ€llt, mir dennoch meiner Umwelt bewusst zu bleiben.
Es wĂŒrde mir so viel helfen was meinen Gesang betrifft, wenn ich automatisch mehr aus mir heraus kommen wĂŒrde. Dann hĂ€tte ich nicht immer diese zusĂ€tzliche HĂŒrde zu ĂŒberwinden.
Erhalte dir diese HĂŒrde! Aber arbeite daran, sie mir einer gewissen Leichtigkeit zu ĂŒberwinden. Es hat durchaus Vorteile, wenn man sich bewusst entscheiden kann, ob man sich voll in den Song fallen lĂ€sst, oder ob das Hirn dabei weiterarbeitet und das Singen mehr so auf Autopilot lĂ€uft.
Ist wie beim Autofahren. Die Strecke zur Schule/Uni/Arbeit fĂ€hrt man irgendwann automatisch und wenn man dann irgendwann an nem freien Tag mal zu einem GeschĂ€ft in der gleichen StraĂe fahren will, steht man plötzlich ganz automatisch auf dem Uniparkplatz und fragt sich, was man an seinem freien Tag eigentlich hier will.
Um das jetzt wieder aufs Singen zu ĂŒbertragen: Je mehr du automatisch machst, desto mehr geht schief, wenn mal was nicht so lĂ€uft, wie du es gewohnt bist. Stell dir z.B. mal vor, du stehst irgendwann mit deiner Band auf der BĂŒhne (ich weiĂ jetzt nich, was du fĂŒr Musik machst) und plötzlich fĂ€llt dein Monitor aus. Jetzt hörst du nicht mehr, was du singst, musst irgendeinem Techniker mitten im Lied verklickern können, dass du ein Problem hast (im Idealfall auch, welches) und dabei trotzdem einigermaĂen passabel weitersingen. Meinst du das klappt, wenn du immer automatisch nur mit vollem Emotionsspektrum singst?
Daher mein nĂ€chster Tipp: Trainiere gleichzeitig auch, mit den Gedanken auf einmal wo völlig anders zu sein, ohne dabei aus dem Lied "rauszufliegen".* Nicht nur, weil du dann besser auf unerwartete Situationen reagieren kannst, sondern auch, weil du damit automatisch mehr Kontrolle ĂŒber dich und deine Stimme bekommst, die dir wiederum hilft, mit mehr Selbstbewusstsein zu singen.
*(Und damit meine ich jetzt, ob du dein Haustier schon gefĂŒttert hast, wieso der Himmel blau ist, warum da eigentlich Stroh liegt⊠DarĂŒber, was deine Stimme oder deine Atmung gerade macht, sollst du dabei natĂŒrlich NICHT nachdenken!)
Gestern z.B. hat es super geklappt, das hat mich motiviert weil ich dachte "jetzt hast du den Dreh raus, wenn du an der Stelle dran bleibst gehts weiter bergauf" und heute ist davon gar nix mehr da, weder gescheiter Klang, noch Vibrato. Kann das sein dass ich vielleicht heute gedacht hab, ich muss es wieder so toll machen wie gestern und es deswegen nicht geklappt hat?
Ja. Denk ĂŒber sowas einfach garnicht nach. Also "garnicht" ist jetzt auch wieder zu viel, denk einfach daran, was du schon an Fortschritten gemacht hast und dass du noch viele, viele weitere Fortschritte machen wirst. Aber stell dabei keine Erwartungen an dich selber. Denk dir nicht "gestern konnte ichs, dann muss ich das doch jetzt sofort reproduzieren können" sondern denk "gestern hat es (wahrscheinlich zufĂ€llig) geklappt, jetzt weiĂ ich, dass ich das Potential dazu habe und mach mich jetzt daran, herauszufinden, wie ich das zuverlĂ€ssig reproduzieren kann". Fang dann aber nicht gleich mit etwas an, das du erst einmal so richtig hinbekommen hast. Fang immer erst mit dem an, was du schon zuverlĂ€ssig kannst, und hol dir damit die BestĂ€tigung, dass du ĂŒberhaupt in der nötigen Tagesform bist, um Fortschritte zu machen. Wenn das super lĂ€uft, weiĂt du, dass du dich gefahrlos an was gröĂeres wagen kannst.
Daher mein nĂ€chster Tipp: Denk immer positiv (superschnulzig, ich weiĂ, aber anders klappts nich) und verlange nie mehr von dir, als das, was du bereits kannst, sauber reproduzieren zu können. Vergiss dabei aber nicht, dass du Fortschritte machen willst und arbeite an diesen (aber verlange/erzwinge nichts), freu dich ĂŒber jedes Bisschen, das du lernst und alles, was du schon gelernt hast und Ă€rgere dich nicht ĂŒber das, was du noch ĂŒben musst, bis du es beherrscht.
An dieser Stelle auch mal wieder meine Allzweckwaffe: Wenn du die Möglichkeit dazu hast, mach auf jeden Fall hochwertige Aufnahmen von deiner Stimme. Es gibt keine bessere Möglichkeit, sich selbst zu analysieren, Schwachstellen zu finden, an denen man arbeiten kann, und vor allem: seinen Fortschritt im Auge zu behalten. Mich motiviert kaum etwas so sehr, wie mir aufnahmen von vor einem Jahr unzuhören und festzustellen, wie viel ich seitdem wirklich gelernt habe. Sonst lĂ€uft man immer Gefahr, zu denken, man wĂŒrde keine Fortschritte machen. Wenn man wirklich direkt vergleichen kann, wie man vor einem Jahr geklungen hat, und wie man jetzt klingt, merkt man erst so richtig, dass die ganze Arbeit sich gelohnt hat.
Ich habe mir gedacht (weià aber nicht ob das wirklich was bringt!!) dass ich mein mp3 Player mit nehme und irgendwo raus auf ne Wiese gehe wo mich sonst keiner hören kann. Und da singe ich dann, brauche mir keinen Kopp zu machen dass mich jemand hören könnte, kann mich frei entfalten & mein Gedanke dahinter ist, dass ich mir das dann mit der Zeit vielleicht damit angewöhnen könnte, so zu singen. Ist das ne gute Idee?
Jain. Also wenn MP3-Player, dann auf jeden Fall immer nur mit maximal einem Stöpsel im Ohr, sonst hörst du deine eigenen Fehler nicht und bekommst ein unealistisches Bild davon, wie du singst. Ich persönlich mag das aber garnicht. Wenn Kopfhörer, dann mit Mikro, so dass ich mich selbst ĂŒber die Kopfhörer höre. Aber das wird auf ner Wiese schwierig. Wo ĂŒbst du denn normalerweise? Gibt es da keine Möglichkeit, ungestört zu sein? Generell halte ich es fĂŒr sehr sinnvoll, alleine und ungestört zu ĂŒben, denn viel lernt man einfach durch Experimentieren, aber das fĂŒhlt sich immer etwas eigenartig an, wenn andere Leute dabei sind.[/QUOTE]
Lange Rede, kurzer Sinn: probier Dinge aus, natĂŒrlich immer schauen dass du dir nichts kaputt machst (grad am Anfang sehr wichtig!) - aber sonst leb dich aus! Such dir Bands, Jamsessions, Chöre wo du mit anderen musizierst. Nimm dich auf, spiel dich anderen vor, wenn du GlĂŒck hast bekommst du sogar konstruktive Kritik... Emotion ist nichts, was einfach da ist.

Das wÀchst aus dem Leben heraus in einem heran, immer weiter an, Emotion in der Stimme braucht genauso Zeit und Erlebnisse, bis sie ganz da ist.
Braucht natĂŒrlich auch einen guten Teil Selbstreflexion und Ehrgeiz, aber das scheint bei dir ja kein Problem zu sein.
100% Zustimmung. Da muss ich jetzt irgendwie wieder unwillkĂŒrlich an den Film Black Swan denkenâŠ
Sammel Erfahrungen, das ist das allerwichtigste. Auf musikalischer Eben, so wie auĂerhalb. Scheu dich auch nicht, mal in völlig andere Stilrichtungen zu gehen. Ich komme z.B. aus der Deathmetal-Schiene, aber ich singe genauso Lieder aus Musicals, oder auch mal was klassisches. Klar kann man das nicht alles zur Perfektion bringen, aber je mehr mehr verschiedene EinflĂŒsse du auf dich wirken lĂ€sst, desto besser kannst du dir genau das heraussuchen, was du brauchst.
Das gleiche gilt auĂerhalb der Musik: Deine Stimme kannst du nur mit viel viel Ăben trainieren, aber wie man die Musik, die man macht, fĂŒhlt, lernt man nur auĂerhalb der Musikschule. Man kann nicht ĂŒber Liebe singen, wenn man nicht selbst schonmal unsterblich verliebt war, man kann nicht ĂŒber Hass und EnttĂ€uschung singen, wenn man nicht selbst schon verletzt worden ist. DafĂŒr musst du einfach leben.