Symphonic/Operatic Metal - Gesangstechnik? (weiblich)

  • Ersteller Sunny_Hunny
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Ich greife nur mal ein paar Punkte auf...

SĂ€ngerformant: Klassische SĂ€nger sind nicht nur durch den SĂ€ngerformanten laut, sondern auch durch den SĂ€ngerformanten laut. Dabei muss man sagen, dass der "klassische" SĂ€ngerformant etwas anders definiert ist. Der klassische SĂ€ngerformant besteht aus zwei Zutaten, nĂ€mlich Twang und einem Absenken des Kehlkopfes. Zusammen nennt man das auch "Chiaroscouro", ein Zusammenwirken von heller Resonanz (Twang) und dunkler Resonanz (gesenkter Kehlkopf). Diese Art des SĂ€ngerformanten erlaubt zusĂ€tzlich zur starken DurchsetzungsfĂ€higkeit, die der Twang bewirkt, auch ein hohes Atemvolumen, was den generellen Schalldruck anhebt. LautstĂ€rken jenseits der 100 dB werden in der Regel nur mit diesem "vollen" SĂ€ngerformanten erreicht. Auch PopsĂ€nger, die diese LautstĂ€rken erreichen, singen dafĂŒr in aller Regel mit abgesenktem Kehlkopf.

Vor allem im Contemporary-Bereich wird heutzutage der Begriff SĂ€ngerformant mit dem Twang-Mechanismus gleichgesetzt ohne dabei das Absenken des Kehlkopfes zu berĂŒcksichtigen. Twang alleine bewirkt allerdings v.a. eine Erhöhung der subjektiven LautstĂ€rke und nur eine geringe Erhöhung des Schalldrucks (~10-20 dB). Unter Verwendung von Mikrofon-VerstĂ€rkung ist das aber völlig ausreichend und oftmals in einem Bandkontext sogar durchsetzungsfĂ€higer als eine klassischere Technik, denn der Gesang lĂ€sst sich lauter aufdrehen ohne zu ĂŒbersteuern und hat gleichzeitig einen im VerhĂ€ltnis höheren "chiaro", also hellen Anteil, der subjektiv klarer Wahrgenommen wird.

Stimmfunktionen: Gerade bei Frauen ist die Nutzung der Stimmlippenfunktionen (Randstimme und Vollstimme) im klassischen Gesang sehr anders als im Contemporary-Gesang. Insgesamt gibt es, auch im professionellen Bereich, wenige SĂ€nger und SĂ€ngerinnen mit "balancierten" und verbundenen Stimmregistern. Die meisten SĂ€nger bilden eine der beiden Funktionen stĂ€rker aus als die andere und fĂŒhren lediglich eine gewisse Angleichung durch. Bei mĂ€nnlichen SĂ€ngern generell und bei weiblichen Pop-SĂ€ngern liegt der Fokus fast immer auf der Vollstimme, bei weiblichen klassischen SĂ€ngerinnen hingegen auf der Randstimme. SĂ€nger mit ausbalancierten Stimmregistern finden sich bei den MĂ€nnern v.a. im Progressive Metal Bereich und bei den Frauen im Musical-Bereich.

Eine saubere Verbindung von der "poppigen" Vollstimme mit der klassichen Randstimme ist nicht möglich. Im Fall einer SÀngerin, die beides nutzt, wie etwa Sharon den Adel oder auch Floor Jansen, entsteht deshalb zwangslÀufig ein Klangunterschied zwischen den beiden Funktionen. Mit fehlender Ausbildung hat das nichts zu tun. Die klassische Randstimme kann zwar mit der Vollstimme verbunden werden, diese Art von Vollstimme ist dann aber recht leise bis hauchig, weshalb der Fokus im klassischen Gesang ganz klar auf der Randfunktion liegt.

Tarja: Tarja hat mMn eine sehr schlecht ausgebildete Vollstimme, was bei klassischer Ausbildung nicht ungewöhnlich ist. Aus diesem Grund bekommt sie schon relativ frĂŒh in der Tiefe Probleme, weil die Randstimme eigentlich erst ab etwa G4 (g') gut funktioniert. In dem letzten Video klingt Tarja fĂŒr mich sehr nach Zungendruck in den Tiefen, was typisch ist, wenn man versucht die Randfunktion nach unten zu "drĂŒcken" in einen Bereich, fĂŒr den sie eigentlich nicht geeignet ist. Einen Belt im eigentlichen Sinne habe ich von Tarja noch nie gehört. Ich wĂŒrde ihrer Aussage Glauben schenken, dass sie eigentlich immer auf dem klassischen Ansatz aufbaut.

Symphonic Metal: Symphonic Metal hat sicherlich eine ganze Reihe an Einflussgenres. Dazu gehören, zumindest indirekt, auch Musical-Elemente. Viele heutige Symphonic Metal Bands sind von den Progressive Rock/Metal Bands aus dem 70er/80er Jahren beeinflusst, wie etwa Deep Purple, Led Zeppelin, Judas Priest oder Queensryche/Dream Theater. Diese Bands hatten/haben auch einen gewissen Hang zum konzeptartigen Aufbau von Alben und zu einer musical-Ă€hnlichen Struktur. Deep Purple ist ja auch ĂŒber den SĂ€nger eng mit Jesus Christ Superstar verbunden. Symphonic Metal als solcher ist glaube ich vor allem durch den Einsatz von klassischen Stimmen und stĂ€rkeren Keyboard/Orchester-Parts entstanden, zum einen aus dem Progressive Umfeld (das weniger klassische Elemente hat), zum anderen aus dem Power Metal (der meisten keinen klassischen Gesang hat). Bei gewissen Bands, v.a. Nightwish und Rhapsody gibt es zudem heute einen starken Einfluss von Filmmusik.

Hier mal ein Beispiel von Queensryche mit einem Musical-Ă€hnlichen Song. Beide Stimmen sind ĂŒbrigens recht ausbalanciert, entsprechen aber nicht unbdeingt typischen Hörgewohnheiten, weil wie schon gesagt die meisten Gesangsstimmen nicht komplett balanciert sind, sondern eher eine Tendenz zu einem Register haben.

 
Die klassische Randstimme kann zwar mit der Vollstimme verbunden werden, diese Art von Vollstimme ist dann aber recht leise bis hauchig, weshalb der Fokus im klassischen Gesang ganz klar auf der Randfunktion liegt.
Bist Du sicher? :confused:
 
Eine saubere Verbindung von der "poppigen" Vollstimme mit der klassichen Randstimme ist nicht möglich. Im Fall einer SÀngerin, die beides nutzt, wie etwa Sharon den Adel oder auch Floor Jansen, entsteht deshalb zwangslÀufig ein Klangunterschied zwischen den beiden Funktionen. Mit fehlender Ausbildung hat das nichts zu tun. Die klassische Randstimme kann zwar mit der Vollstimme verbunden werden, diese Art von Vollstimme ist dann aber recht leise bis hauchig, weshalb der Fokus im klassischen Gesang ganz klar auf der Randfunktion liegt.

Ich bin gerade ĂŒber diese Aussage ziemlich gestolpert.
Ein Ausgleich der Lagen ist Inhalt und Ziel JEDER Gesangsausbildung. Meinst du vielleicht an dieser Stelle einen direkten Übergang auf einem einzigen Ton? Wenn ich aus einem Beltton nahtlos auf klassische Kopfstimme umschalten möchte (oder umgekehrt) kann es da tatsĂ€chlich am Übergang zu kleinen "Jodlern" kommen, aber es ist durchaus auch möglich, das durch geschickte Mischung zu kaschieren.
ÜbergĂ€nge aus der tiefen in die hohe Lage und umgekehrt funktionieren ebenfalls durch allmĂ€hliche Mischung.

Die Lagen können in der KlangprĂ€gung unterschiedlich klingen, aber auch angeglichen werden. Bei Sharon finde ich den Unterschied allerdings nicht eklatant. Manche SĂ€ngerinnen spielen mit den verschiedenen PrĂ€gungen, so daß z.B. die hohe Lage sehr hell und elfenhaft klingt, wĂ€hrend die tiefe Lage brustig und schwer wirkt. In einer ausgebildeteten Stimme sollte aber immer auch ein glatter Übergang möglich sein.

Bei Laienstimmen ist es manchmal so, daß zwischen Kopfstimm(chen) und Bruststimme ein Bereich liegt, in dem so gut wie nichts geht. Das sind meistens diejenigen Stimmen, die in der tiefen Lage sehr extrem "verbrustet" singen. Der Stimmumfang ist bei solchen AnfĂ€ngerinnen extrem klein und die Töne auch oft falsch, die hohe Lage sehr klein, piepsig, hauchig. Und Überraschung: Es handelt sich in Wirklichkeit meist um hohe SoprĂ€ne.


Der Fokus im klassischen Gesang liegt auf der Randfunktion, das hat aber nichts damit zu tun, daß kein Übergang in die poppigere tiefe Lage möglich wĂ€re. Es geht da eher um Klangideale, wenn im klassischen Gesang auch nach unten hin viel randstimmiger gesungen wird. Deshalb liegen die StĂŒcke auch insgesamt viel höher als z.B. im Musical. Die tiefere Lage, in der der klassische Klang nicht mehr funktioniert, wird somit gar nicht wirklich ausgelotet.
 
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Ich bin gerade ĂŒber diese Aussage ziemlich gestolpert.
Ein Ausgleich der Lagen ist Inhalt und Ziel JEDER Gesangsausbildung. Meinst du vielleicht an dieser Stelle einen direkten Übergang auf einem einzigen Ton? Wenn ich aus einem Beltton nahtlos auf klassische Kopfstimme umschalten möchte (oder umgekehrt) kann es da tatsĂ€chlich am Übergang zu kleinen "Jodlern" kommen, aber es ist durchaus auch möglich, das durch geschickte Mischung zu kaschieren.
ÜbergĂ€nge aus der tiefen in die hohe Lage und umgekehrt funktionieren ebenfalls durch allmĂ€hliche Mischung.
Ausgleich der Lagen innerhalb einer Stilistik ja, aber Timbreausgleich zwischen einer klassichen Randstimme und einer poppigen Bruststimme ist doch eher selten. Jodel- oder Brucheffekte lassen sich durch gute Koordination kaschieren, es bleibt aber immer eine kurze Pause beim Umschalten der Koordination. Der Wechsel des Timbres und der Schlussrate der Stimmlippen ist aber sehr schwierig auszugleichen, dafĂŒr mĂŒsste man die "Belting Range" schon sehr stark abgeschlankt und abgedunkelt singen, womit es wahrscheinlich schon kein Belt im eigentlichen Sinne mehr wĂ€re.

"Sauberer Übergang" in dem Fall heißt fĂŒr mich, dass man auf einem Glissando nicht mehr erkennen kann, an welcher Stelle die Stimme den Modus wechselt. Die meisten SĂ€nger können natĂŒrlich Glissandi von der Vollstimme in die Randstimme, aber die Koordination in der Mittellage bei solchen Glissandi ist in aller Regel kein Belt, sondern irgendeine Art von "Mix". Und wenn man zusĂ€tzlich noch das Timbre und die Schlussrate von poppig in der Tiefe auf klassisch in der Höhe wechseln soll, wird es nochmal schwieriger.

Einen sauberen Übergang hat z.B. Geoff Tate, aber seine Randstimme ist nicht klassisch und seine Mittellage ist gemessen am Gesamtspektrum der mĂ€nnlichen SĂ€nger mit sehr wenig Masse gesungen.

--- BeitrÀge wurden zusammengefasst ---
Ja, wobei es natĂŒrlich auch auf das Stimmfach ankommt. Die Aussage gilt insbesondere fĂŒr die hohen Soprane, die in der Vollstimme meistens große Probleme haben das klassische Klangideal zu erfĂŒllen und gleichzeitig laut zu sein. Bei Altos gibt es auch schonmal durchaus kraftvolle Vollstimmen. Aber generell liegt in der klassischen Technik die StĂ€rke halt in der Randstimme.
 
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Ja, wobei es natĂŒrlich auch auf das Stimmfach ankommt. Die Aussage gilt insbesondere fĂŒr die hohen Soprane, die in der Vollstimme meistens große Probleme haben das klassische Klangideal zu erfĂŒllen und gleichzeitig laut zu sein. Bei Altos gibt es auch schonmal durchaus kraftvolle Vollstimmen. Aber generell liegt in der klassischen Technik die StĂ€rke halt in der Randstimme.

Und wer sagt das?
 
Karyn O'Connor zum Beispiel:
In classical singing, the middle register in higher-voiced women is traditionally extended somewhat in most pedagogic approaches, and the area between the two passaggi is often called the “long middle range”. Due to slight differences in the length of the chest register between lower and higher voice types, (and also the differences in the head registers between higher and lower voice types), higher voices are generally encouraged to change into mixed voice function (middle voice) lower in the scale, giving them a slightly longer middle register than their lower-voiced colleagues. Lyric sopranos are encouraged to never carry open chest tones up any higher than Eb4 or even D4, and dramatic sopranos do not generally sing in chest voice higher than F4. Mezzo-sopranos never carry chest voice function higher than F#4, and contraltos, with their naturally deeper, heavier voices, can safely delay entering the middle range up to G4 or even Ab4. In many schools of classical singing, female singers are taught to carry head voice tones down much lower in the scale than would be done in contemporary styles of singing, even when classical technique is otherwise applied.
Grob ausgedrĂŒckt: Je höher das Stimmfach, desto frĂŒher wird die Randstimme genutzt. Das ist erstmal ein bisschen contra-intuitiv, weil man ja denken wĂŒrde, dass die tieferen StimmfĂ€cher frĂŒher in die Randstimme wechseln. Die hohen Soprane tun das schon um D4 herum. Die Vollstimme eines hohen Soprans liegt also im Wesentlichen im Bereich von C3 bis C4. Wenn du dir z.B. mal Tarjas Noten in dem Bereich anhörst, weißt du was gemeint ist. Ein Alt hingegen kann die Vollstimme unter Erhaltung des klassischen Klangideals bis in die hohe 4. Oktave ausreizen, wodurch im Bereich C4-A4 eine recht kraftvolle Vollstimme möglich ist.

Letztlich ist das durch die Stimmphysiologie bedingt. Der in der Klassik geforderte tiefe Kehlkopf geht mit einer Verringerung der Schwungmasse einher. Je kleiner die Schwungmasse, desto grĂ¶ĂŸer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Stimme in die Randfunktion wechselt. Da hohe Stimmen von Grundauf weniger Schwungmasse zur VerfĂŒgung haben, mĂŒssen sie bei Verschlankung frĂŒher auf die RĂ€nder ausweichen.

Im Contemporary-Gesang gilt das nicht. Da es dort erlaubt ist den Kehlkopf in der Höhe mit der Tonhöhe mitgehen zu lassen, kann die volle Schwungmasse bis in große Höhen erhalten bleiben. Dabei steigt der Kehlkopf aber kontinuierlich und ein klassischer Klang ist unmöglich. Diese Vorgehensweise stufen klassische Gesangslehrer gerne mal als "ungesund" ein.

Ein "balancierter Ansatz" (Fake-Belt, mixed voice ...) liegt praktisch genau in der Mitte der beiden Extreme. Ein solcher Ansatz erfĂŒllt aber weder das klassische Klangideal, noch erreicht er die LautstĂ€rke, die der klassische Ansatz erlaubt. Zudem hat er auch nicht den "schmetternden" Klang eines echten Belt.
 
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Ich greife nur mal ein paar Punkte auf...
Vielen Dank!

SĂ€ngerformant: Klassische SĂ€nger sind nicht nur durch den SĂ€ngerformanten laut, sondern auch durch den SĂ€ngerformanten laut.
Weil der Schalldruck in den entsprechenden Frequenzanteilen erhöht ist, ja?

Kann man sich das so vorstellen, daß die eingesetzte Technik die aufgewendete Energie (den Atemdruck) im Spektrum noch effektiver, oder anders ausgedrĂŒckt, akustisch gesehen strategisch gĂŒnstiger verteilt?

Dazu noch eine Nachfrage. In Wikipedia heißt es: "Hohe Schalldruckpegel des SĂ€ngerformanten sind insbesondere bei sĂ€ngerisch aktiven, ausgebildeten Singstimmen zu finden und sind hauptsĂ€chlich bei mĂ€nnlichen Stimmen nachweisbar. Vor allem wird dieser Frequenzbereich durch Tiefstellung des Kehlkopfs erreicht. SĂ€ngerinnen nutzen dagegen vorwiegend das Formanttuning als Klangstrategie."

Also spielt der SĂ€ngerformant bei den Damen gar keine so entscheidende Rolle?

Hmmm. (Ich finde gerade keinen GlĂŒhbirnen-Smiley ...) Kann es sein, daß ich beim Imitieren von klassischem Gesang den Kehlkopf instinktiv absenke? Mir ist schon immer aufgefallen, daß sich bei mir tief im Rachen Muskeln anspannen, wenn ich das tue. (Ich war schon ein wenig besorgt, es könnte sich um eine schlechte Angewohnheit handeln, wie beispielsweise ein kĂŒnstlich erzwungenes Vibrato.) Daß der Kehlkopf sich absenkt, kann ich auch ertasten. Und je tiefer die Note, desto deutlicher die Anspannung/Tiefstellung.

Vor allem im Falsett verdunkelt sich das Timbre dabei etwas. Dieser Effekt scheint selbst bei glockenhellen, silbrigen Sopranstimmen wie z. B. Natalie Dessay einzutreten – außer vielleicht im allerobersten Bereich (Pfeifregister = verstĂ€rktes weibliches Falsett?), wo dann das Vibrato geringer und keine Vokaldifferenzierung mehr möglich ist. Mit einer Contemporary-Gesangsweise wĂ€re ihr Timbre wahrscheinlich noch ein klein wenig heller, so wie im Pfeifregister. Angesichts dieses Effekts leuchtet es mir ein, daß der SĂ€ngerformant selbst bei den höchsten StimmfĂ€chern wichtig ist, aber eben vielleicht nicht ganz so sehr wie bei den MĂ€nnern.

Die Lippentrill-Übung ist ĂŒbrigens wirklich nĂŒtzlich, die habe ich einmal in einem YouTube-Video demonstriert und empfohlen gesehen. Wirkt auf einen Nichteingeweihten sicher merkwĂŒrdig, aber Phonetikstudenten kennen das Problem, die ĂŒben schon auch mal so einen bilabialen Trill und Ă€hnlich ungewöhnliche Laute, Lautkombinationen, Silben, Wörter, Phonationstypen ... :D

Tante Edit(h) hatte gerade eine Erleuchtung: Der Trick bei der Kehlkopfabsenkung ist, daß der Resonanzraum vergrĂ¶ĂŸert wird, nicht wahr? Das Ansatzrohr wird verlĂ€ngert und die schwingende LuftsĂ€ule wird höher, was wiederum Schallwellen mit grĂ¶ĂŸerer Amplitude ermöglicht ... Mensch! So einfach ist das! :w00t:

Stimmfunktionen: Gerade bei Frauen ist die Nutzung der Stimmlippenfunktionen (Randstimme und Vollstimme) im klassischen Gesang sehr anders als im Contemporary-Gesang. Insgesamt gibt es, auch im professionellen Bereich, wenige SĂ€nger und SĂ€ngerinnen mit "balancierten" und verbundenen Stimmregistern. Die meisten SĂ€nger bilden eine der beiden Funktionen stĂ€rker aus als die andere und fĂŒhren lediglich eine gewisse Angleichung durch. Bei mĂ€nnlichen SĂ€ngern generell und bei weiblichen Pop-SĂ€ngern liegt der Fokus fast immer auf der Vollstimme, bei weiblichen klassischen SĂ€ngerinnen hingegen auf der Randstimme. SĂ€nger mit ausbalancierten Stimmregistern finden sich bei den MĂ€nnern v.a. im Progressive Metal Bereich und bei den Frauen im Musical-Bereich.
Interessant, war mir gar nicht bewußt, vor allem das mit dem Progressive Metal. Ich muß auch eingestehen, daß die Begriffe "Vollstimme" und "Randstimme" mich beim Lesen der alten Diskussion verwirrt haben und mir erst beim Durchlesen der neuen BeitrĂ€ge gedĂ€mmert ist, daß damit dasselbe gemeint ist wie mit den traditionellen Begriffen "Bruststimme" und "Kopfstimme". Ich sollte mir mal die FAQ durchlesen ...

Tarja: Tarja hat mMn eine sehr schlecht ausgebildete Vollstimme, was bei klassischer Ausbildung nicht ungewöhnlich ist. Aus diesem Grund bekommt sie schon relativ frĂŒh in der Tiefe Probleme, weil die Randstimme eigentlich erst ab etwa G4 (g') gut funktioniert. In dem letzten Video klingt Tarja fĂŒr mich sehr nach Zungendruck in den Tiefen, was typisch ist, wenn man versucht die Randfunktion nach unten zu "drĂŒcken" in einen Bereich, fĂŒr den sie eigentlich nicht geeignet ist. Einen Belt im eigentlichen Sinne habe ich von Tarja noch nie gehört. Ich wĂŒrde ihrer Aussage Glauben schenken, dass sie eigentlich immer auf dem klassischen Ansatz aufbaut.

Ihr Hintergrund ist auch rein klassisch, erst ein paar Semester Kirchenmusik an der Sibeliusakademie, spĂ€ter eine Liedklasse bei Shirai/Höll in Karlsruhe. Sie hat bewußt auf eine zusĂ€tzliche Contemporary-Ausbildung verzichtet. Ihre Lehrerin ist jetzt Marta Blanco, eine argentinische OpernsĂ€ngerin, die garantiert einen ganz orthodoxen klassischen Ansatz verfolgt.

Aber was macht Tarja denn nun eigentlich in "The Siren" (z. B. hier bei etwa drei Minuten)?

Symphonic Metal: Symphonic Metal hat sicherlich eine ganze Reihe an Einflussgenres. Dazu gehören, zumindest indirekt, auch Musical-Elemente. Viele heutige Symphonic Metal Bands sind von den Progressive Rock/Metal Bands aus dem 70er/80er Jahren beeinflusst, wie etwa Deep Purple, Led Zeppelin, Judas Priest oder Queensryche/Dream Theater. Diese Bands hatten/haben auch einen gewissen Hang zum konzeptartigen Aufbau von Alben und zu einer musical-Ă€hnlichen Struktur. Deep Purple ist ja auch ĂŒber den SĂ€nger eng mit Jesus Christ Superstar verbunden. Symphonic Metal als solcher ist glaube ich vor allem durch den Einsatz von klassischen Stimmen und stĂ€rkeren Keyboard/Orchester-Parts entstanden, zum einen aus dem Progressive Umfeld (das weniger klassische Elemente hat), zum anderen aus dem Power Metal (der meisten keinen klassischen Gesang hat). Bei gewissen Bands, v.a. Nightwish und Rhapsody gibt es zudem heute einen starken Einfluss von Filmmusik.
Da habe ich mich unklar ausgedrĂŒckt. Ich höre auch viel Progressive Rock/Metal, deshalb ist mir das alles ohnehin klar. (Wobei Purple/Zep/Priest eigentlich nicht als Prog-Bands im klassischen Sinne gelten, trotz entsprechender Tendenzen.) Das mit der Filmmusik auch. Ich zielte eigentlich darauf ab, daß die Bezeichnung "Symphonic" und insbesondere "Operatic" eigentlich irrefĂŒhrend ist, denn klassische Sinfonien und Opern bilden in der Regel nicht die Hauptinspiration, sondern eben Filmmusik und (durchkomponierte) Musicals. Insofern wĂ€re "Film Score Metal" oder "Musical/Theatrical Metal" ehrlicher. Aber fĂŒr die meisten Leute sind das Feinheiten, und den Unterschied zwischen klassischem, Musical- und lyrischem Popgesang kennt der durchschnittliche Metalhörer natĂŒrlich nicht. (Ich war bisher eigentlich selber der Auffassung, daß mindestens der Gesang auf "Oceanborn" mit reinem klassischen Gesang eine Menge zu tun hat. Aber als echter Kenner oder Gesangslehrer hat man da natĂŒrlich einen ganz anderen Blick, oder besser: ein ganz anderes Ohr.)

Andererseits wird "Operatic Rock" oft mit "Rock Opera" in einen Topf geworfen, was aus diesem Blickwinkel aber wiederum eigentlich gar nicht so verkehrt ist.

Hier mal ein Beispiel von Queensryche mit einem Musical-Ă€hnlichen Song. Beide Stimmen sind ĂŒbrigens recht ausbalanciert, entsprechen aber nicht unbdeingt typischen Hörgewohnheiten, weil wie schon gesagt die meisten Gesangsstimmen nicht komplett balanciert sind, sondern eher eine Tendenz zu einem Register haben.


Ist bekannt; die Mindcrime habe ich :)

Ich empfinde beide Stimmen als typische (Hard-)Rock-Stimmen, wenn auch sehr kompetente. Die typische Charakteristik dieser Stimmen bleibt auch in den obersten Lagen erhalten.

Ich bin gerade ĂŒber diese Aussage ziemlich gestolpert.
Ein Ausgleich der Lagen ist Inhalt und Ziel JEDER Gesangsausbildung. Meinst du vielleicht an dieser Stelle einen direkten Übergang auf einem einzigen Ton? Wenn ich aus einem Beltton nahtlos auf klassische Kopfstimme umschalten möchte (oder umgekehrt) kann es da tatsĂ€chlich am Übergang zu kleinen "Jodlern" kommen, aber es ist durchaus auch möglich, das durch geschickte Mischung zu kaschieren.
ÜbergĂ€nge aus der tiefen in die hohe Lage und umgekehrt funktionieren ebenfalls durch allmĂ€hliche Mischung.
Ja, eben, ich dachte mir das auch so.

Die Lagen können in der KlangprĂ€gung unterschiedlich klingen, aber auch angeglichen werden. Bei Sharon finde ich den Unterschied allerdings nicht eklatant. Manche SĂ€ngerinnen spielen mit den verschiedenen PrĂ€gungen, so daß z.B. die hohe Lage sehr hell und elfenhaft klingt, wĂ€hrend die tiefe Lage brustig und schwer wirkt.
Ich mĂŒĂŸte mir die Alben noch mal durchhören, aber genau so empfand ich das. OK, ihre Bruststimme ist nicht richtig schwer wie z. B. Floors oder Doros, keine Power-Stimme. Ich habe sie immer eher als irgendwie hexenhaft empfunden.

In einer ausgebildeteten Stimme sollte aber immer auch ein glatter Übergang möglich sein.
Ja, eben.

Grob ausgedrĂŒckt: Je höher das Stimmfach, desto frĂŒher wird die Randstimme genutzt. Das ist erstmal ein bisschen contra-intuitiv, weil man ja denken wĂŒrde, dass die tieferen StimmfĂ€cher frĂŒher in die Randstimme wechseln. Die hohen Soprane tun das schon um D4 herum. Die Vollstimme eines hohen Soprans liegt also im Wesentlichen im Bereich von C3 bis C4. Wenn du dir z.B. mal Tarjas Noten in dem Bereich anhörst, weißt du was gemeint ist.
Ich habe bei ihr aber wirklich den Eindruck, daß sie sich in diesem Bereich nicht sonderlich wohl fĂŒhlt und auch nicht so gut klingt. Im moderat tiefen bis mittleren Bereich ab C4 ist die Stimme dagegen wunderbar warm und voll. Aber wahrscheinlich ist das wirklich nur Trainingssache. Schließlich ist ihre Sprechstimme auch ganz schön tief. Sie meidet sie nur und mag sie anscheinend gar nicht, da sie sagt: "Of course I’m always singing with my classical techniques, I never sing with my poor speaking voice – I cannot do that anymore." Oder besser gesagt hat sie diese Scheu vor der Sprechstimme von ihren Lehrern ĂŒbernommen, die den Contemporary-Gesang, wie Du sagst, als "ungesund" betrachten.

Andererseits weist auch diese alte Aufnahme darauf hin, daß ihr der hohe Gesang tatsĂ€chlich einfach mehr liegt und fĂŒr sie natĂŒrlicher ist, denn ihr damaliger Lehrer (Plamen Dimov, der mit dem Vollbart) favorisierte den Contemporary-Gesang und war gegenĂŒber klassischer Ausbildung eher negativ eingestellt, weil er fand, daß sie der Stimme IndividualitĂ€t raube. Sie meinte, er versuchte sie zu einer zweiten Whitney Houston zu machen. Damals hatte sie also noch keinerlei Ausbildung und empfand Popsongs trotzdem als fĂŒr ihre natĂŒrliche Stimmlage (?) unpassend, weil zu tief.

Ergibt das Sinn?
 
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Weil der Schalldruck in den entsprechenden Frequenzanteilen erhöht ist, ja?

Kann man sich das so vorstellen, daß die eingesetzte Technik die aufgewendete Energie (den Atemdruck) im Spektrum noch effektiver, oder anders ausgedrĂŒckt, akustisch gesehen strategisch gĂŒnstiger verteilt?
Ziemlich genau das, ja.

Hmmm. (Ich finde gerade keinen GlĂŒhbirnen-Smiley ...) Kann es sein, daß ich beim Imitieren von klassischem Gesang den Kehlkopf instinktiv absenke?
Das ist gut möglich. Imitation bestimmter KlÀnge "triggert" meist die entsprechenden physiologischen VorgÀnge. Wenn Du beispielsweise schon nur daran denkst, zu seufzen oder zu gÀhnen, bereitet sich Dein Kehlkopf bereits davor, zu sinken.

(Pfeifregister = verstÀrktes weibliches Falsett?)
Nein, das Pfeifregister liegt oberhalb von der Randstimme. Falsett ist behauchte/ungestĂŒtzte Randstimme.

Ich muß auch eingestehen, daß die Begriffe "Vollstimme" und "Randstimme" mich beim Lesen der alten Diskussion verwirrt haben und mir erst beim Durchlesen der neuen BeitrĂ€ge gedĂ€mmert ist, daß damit dasselbe gemeint ist wie mit den traditionellen Begriffen "Bruststimme" und "Kopfstimme". Ich sollte mir mal die FAQ durchlesen ...
In meiner Signatur findest Du einen Link. Das Problem ist, dass die traditionellen Begriffe nicht einheitlich und noch dafĂŒr fĂŒr die beiden Geschlechter meist unterschiedlich gebraucht werden.
 
Weil der Schalldruck in den entsprechenden Frequenzanteilen erhöht ist, ja?

Kann man sich das so vorstellen, daß die eingesetzte Technik die aufgewendete Energie (den Atemdruck) im Spektrum noch effektiver, oder anders ausgedrĂŒckt, akustisch gesehen strategisch gĂŒnstiger verteilt?

Dazu noch eine Nachfrage. In Wikipedia heißt es: "Hohe Schalldruckpegel des SĂ€ngerformanten sind insbesondere bei sĂ€ngerisch aktiven, ausgebildeten Singstimmen zu finden und sind hauptsĂ€chlich bei mĂ€nnlichen Stimmen nachweisbar. Vor allem wird dieser Frequenzbereich durch Tiefstellung des Kehlkopfs erreicht. SĂ€ngerinnen nutzen dagegen vorwiegend das Formanttuning als Klangstrategie."

Also spielt der SĂ€ngerformant bei den Damen gar keine so entscheidende Rolle?
Ja genau so ist es. Der SĂ€ngerformant spielt bei den Damen in der Klassik eine geringere Rolle als bei den MĂ€nnern. Das liegt vor allem am geringeren Twang. Wie schon bei Wikipedia steht, ist die Resonanzstrategie bei den Frauen vor allem das Formanttuning. Was mMn nicht stimmt ist, dass der SĂ€ngerformant v.a. durch die Tiefstellung des Kehlkopfes erzeugt wird. Der SĂ€ngerformant wird v.a. ĂŒber den Twang-Mechanismus erzeugt und die Tiefstellung des Kehlkopfes erzeugt ein zusĂ€tzliches Clustering der Twang-Formanten mit einem weiteren Formanten, was insgesamt zu einer stĂ€rkeren AusprĂ€gung des SĂ€ngerformanten fĂŒhrt.

Hmmm. (Ich finde gerade keinen GlĂŒhbirnen-Smiley ...) Kann es sein, daß ich beim Imitieren von klassischem Gesang den Kehlkopf instinktiv absenke? Mir ist schon immer aufgefallen, daß sich bei mir tief im Rachen Muskeln anspannen, wenn ich das tue. (Ich war schon ein wenig besorgt, es könnte sich um eine schlechte Angewohnheit handeln, wie beispielsweise ein kĂŒnstlich erzwungenes Vibrato.) Daß der Kehlkopf sich absenkt, kann ich auch ertasten. Und je tiefer die Note, desto deutlicher die Anspannung/Tiefstellung.

Vor allem im Falsett verdunkelt sich das Timbre dabei etwas. Dieser Effekt scheint selbst bei glockenhellen, silbrigen Sopranstimmen wie z. B. Natalie Dessay einzutreten – außer vielleicht im allerobersten Bereich (Pfeifregister = verstĂ€rktes weibliches Falsett?), wo dann das Vibrato geringer und keine Vokaldifferenzierung mehr möglich ist. Mit einer Contemporary-Gesangsweise wĂ€re ihr Timbre wahrscheinlich noch ein klein wenig heller, so wie im Pfeifregister. Angesichts dieses Effekts leuchtet es mir ein, daß der SĂ€ngerformant selbst bei den höchsten StimmfĂ€chern wichtig ist, aber eben vielleicht nicht ganz so sehr wie bei den MĂ€nnern.
Die meisten Menschen senken intuitiv den Kehlkopf beim Imitieren von klassischem Gesang, weil der Klang des abgesenkten Kehlkopfes absolut charakteristisch und dominant ist in der klassischen Stilistik. Die meisten ungeĂŒbten SĂ€nger ĂŒbertreiben es dabei allerdings bzw. nutzen nicht gleichzeitig auch die "chiaro"-Resonanzen (Twang), weshalb in diesem Fall kein SĂ€ngerformant entsteht.

Wie gesagt, ein abgesenkter Kehlkopf allein macht noch keinen SĂ€ngerformanten, sondern erzeugt einen Phonationsmodus, der bei Estill "Sob" genannt wird. Erst in Kombination mit dem Twang-Mechanismus entsteht ein klassischer SĂ€ngerformant. Das die Frauen in der Klassik aber aufgrund des Klangideals mit geringem Twang singen, entsteht ein weniger ausgeprĂ€gter SĂ€ngerformant als bei den MĂ€nnern. Trotzdem ist der Twang-Mechanismus wichtig fĂŒr weibliche Klassiker, weil er in diesem Fall den Unterschied macht zwischen einem hauchigen Falsett und einer kraftvollen Kopfstimme.

Tante Edit(h) hatte gerade eine Erleuchtung: Der Trick bei der Kehlkopfabsenkung ist, daß der Resonanzraum vergrĂ¶ĂŸert wird, nicht wahr? Das Ansatzrohr wird verlĂ€ngert und die schwingende LuftsĂ€ule wird höher, was wiederum Schallwellen mit grĂ¶ĂŸerer Amplitude ermöglicht ... Mensch! So einfach ist das! :w00t:
Ja, das Singen mit tieferem Kehlkopf erlaubt einen insgesamt höheren Schalldruck.

Interessant, war mir gar nicht bewußt, vor allem das mit dem Progressive Metal. Ich muß auch eingestehen, daß die Begriffe "Vollstimme" und "Randstimme" mich beim Lesen der alten Diskussion verwirrt haben und mir erst beim Durchlesen der neuen BeitrĂ€ge gedĂ€mmert ist, daß damit dasselbe gemeint ist wie mit den traditionellen Begriffen "Bruststimme" und "Kopfstimme". Ich sollte mir mal die FAQ durchlesen ...
Vollstimme/Randstimme und Bruststimme/Kopfstimme sind meistens nicht dasselbe, werden aber von manchen Lehrern synonym gebraucht. In der FAQ steht das aber alles drin. Wie gesagt, aufgrund der Hörgewohnheiten empfinden wir eine tatsĂ€chlich balancierte Stimme v.a. bei MĂ€nnern als verhĂ€ltnismĂ€ĂŸig kopfig/klein/dĂŒnn, was aber einfach daran liegt, dass wir sowohl vom Sprechen als auch vom Singen den Klang einer relativ stark vollstimmen-dominierten Stimme gewohnt sind.


Aber was macht Tarja denn nun eigentlich in "The Siren" (z. B. hier bei etwa drei Minuten)?
Das ist einfach nur eine Einstellung mit höherem Kehlkopf. Theoretisch ist das eine Einstellung die zum Belten geeignet ist, aber sie benutzt zu wenig Masse. Die Kompression liegt außerdem in einem Bereich den auch Contemporary-SĂ€nger vielleicht schon als "am Rande zum Pressen" bezeichnen wĂŒrden.

Da habe ich mich unklar ausgedrĂŒckt. Ich höre auch viel Progressive Rock/Metal, deshalb ist mir das alles ohnehin klar. (Wobei Purple/Zep/Priest eigentlich nicht als Prog-Bands im klassischen Sinne gelten, trotz entsprechender Tendenzen.) Das mit der Filmmusik auch. Ich zielte eigentlich darauf ab, daß die Bezeichnung "Symphonic" und insbesondere "Operatic" eigentlich irrefĂŒhrend ist, denn klassische Sinfonien und Opern bilden in der Regel nicht die Hauptinspiration, sondern eben Filmmusik und (durchkomponierte) Musicals. Insofern wĂ€re "Film Score Metal" oder "Musical/Theatrical Metal" ehrlicher. Aber fĂŒr die meisten Leute sind das Feinheiten, und den Unterschied zwischen klassischem, Musical- und lyrischem Popgesang kennt der durchschnittliche Metalhörer natĂŒrlich nicht. (Ich war bisher eigentlich selber der Auffassung, daß mindestens der Gesang auf "Oceanborn" mit reinem klassischen Gesang eine Menge zu tun hat. Aber als echter Kenner oder Gesangslehrer hat man da natĂŒrlich einen ganz anderen Blick, oder besser: ein ganz anderes Ohr.)

Andererseits wird "Operatic Rock" oft mit "Rock Opera" in einen Topf geworfen, was aus diesem Blickwinkel aber wiederum eigentlich gar nicht so verkehrt ist.
Genre-Bezeichnungen sind meistens sehr plakativ. Da ist hÀufig relativ wenig entscheidend, aus welchen Elementen die Musikrichtung wirklich besteht. Als "symphonic" oder "operatic" werden halt meistens Bands bezeichnet, die einen klassisch orientierten Gesang haben. Schlicht und einfach weil das das Element ist, dass die Band von anderen, ansonsten Àhnlichen, Bands abgrenzt.

Ich empfinde beide Stimmen als typische (Hard-)Rock-Stimmen, wenn auch sehr kompetente. Die typische Charakteristik dieser Stimmen bleibt auch in den obersten Lagen erhalten.
und genau das macht die Stimmen balanciert. Die Charakteristik bleibt ĂŒber die Lagen und vor allem auch ĂŒber die Wechsel des Stimmlippenregisters hinweg erhalten.


Ich habe bei ihr aber wirklich den Eindruck, daß sie sich in diesem Bereich nicht sonderlich wohl fĂŒhlt und auch nicht so gut klingt. Im moderat tiefen bis mittleren Bereich ab C4 ist die Stimme dagegen wunderbar warm und voll. Aber wahrscheinlich ist das wirklich nur Trainingssache. Schließlich ist ihre Sprechstimme auch ganz schön tief. Sie meidet sie nur und mag sie anscheinend gar nicht, da sie sagt: "Of course I’m always singing with my classical techniques, I never sing with my poor speaking voice – I cannot do that anymore." Oder besser gesagt hat sie diese Scheu vor der Sprechstimme von ihren Lehrern ĂŒbernommen, die den Contemporary-Gesang, wie Du sagst, als "ungesund" betrachten.
Ergibt das Sinn?
Die AusprĂ€gung der Stimme hat auch viel mit persönlichen Gewohnheiten und Vorlieben zu tun und natĂŒrlich mit Training. Die Vollstimme und Randstimme werden von unterschiedlichen Muskelgruppen produziert bzw. dominiert. Je nach Training sind diese unterschiedlich stark ausgeprĂ€gt. Jemand mit dĂŒnnen Ärmchen fĂŒhlt sich auch nicht wohl, wenn er mal was schweres heben muss. Viele Stimmmen haben gewisse Tendenzen zu bestimmten Techniken, was aber oft einfach nur heißt, dass es mehr Übung und mehr Training kostet, eine entgegengesetzte AusprĂ€gung der Stimme zu lernen. NatĂŒrlich gibt es trotzdem physiologische Grenzen.
 
Was bei den Schwingungsregistern Vollstimme und Randstimme noch wichtig ist, ist dass es zwar nur zwei wichtige genutzte Schwingungsregister gibt (es gibt insgesamt drei oder vier Schwingungsregister je nach Quelle, aber fĂŒr Gesang sind in 90% der FĂ€lle nur Vollstimme und Randstimme interessant), aber mehr Muskelkoordinationen, welche diese erzeugen können. Technisch gesehen sind die Muskelkoordinationen oftmals sogar interessanter als die Register.

Dabei gibt es eine Muskelgruppe, welche die Stimmlippen dicker machen kann, wodurch sich die schwingende Masse vergrĂ¶ĂŸert und eine, welche die Stimmlippen lĂ€nger machen kann, wodurch sich die schwingende Masse verringert. Beide Muskelgruppen erhöhen durch ihre AktivitĂ€t außerdem die Spannung der Stimmlippen und damit die Tonhöhe. Aus der relativen AktivitĂ€t dieser Muskelgruppen entstehen folgende Koordinationen:

1. nur Verdicker sind aktiv: In diesem Fall ist die Masse der Stimmlippen stark vergrĂ¶ĂŸert, was eine Erweiterung des Tonumfangs nach unten bedeutet. Diese Koordination produziert einen Schwingungsmodus der "Strohbass" oder "vocal fry" genannt wird und sich nach Knattern anhört.

2. Verdicker sind dominant: In diesem Fall ist die Masse der Stimmlippen leicht vergrĂ¶ĂŸert. Dies ist der Modus, in dem die "Bruststimme" produziert wird, sowohl beim Sprechen als auch in den unteren Lagen beim Singen.

3. Beide Muskelgruppen sind Ă€hnlich stark aktiv: Diese Koordination wird meistens als "mixed voice" bezeichnet. Die Masse der Stimmlippen ist dabei neutral, Ă€hnlich groß wie bei einem soften und leicht gesprochenen "HAA". Die Spannung und der Atemdruck sind aber in der Regel vergrĂ¶ĂŸert. Diese Koordination produziert in den meisten FĂ€llen die Vollstimme, bei sehr hohen Stimmen kann es aber sein, dass eine mixed voice Koordination bereits die Randstimme erzeugt. Das sind v.a. solche Stimmen, die bei einem ganz locker gesprochenen soften "HA" bereits automatisch die Randstimme produzieren.

4. VerlĂ€ngerer sind dominant: In diesem Fall ist die Masse der Stimmlippen verringert. Dieser Modus wird im Allgemeinen "Kopfstimme" genannt. Bei MĂ€nnern wird in diesem Modus hĂ€ufig noch die Vollstimme produziert, bei den meisten Frauen hingegen die Randstimme. Dieser Modus ist der Hauptmodus fĂŒr klassischen Gesang bei den Frauen. Bei den MĂ€nnern wird er nur in der hohen Lage fĂŒr einen relativ geringen Tonbereich genutzt.

5. nur VerlÀngerer sind aktiv: Diese Koordination gehört zu dem Modus, der bei MÀnnern als "Falsett" bezeichnet wird und bei Frauen als "Pfeifstimme". Dieser Modus produziert immer die Randstimme. Experten sind sich noch teilweise uneinig, ob es einen eigenen Schwingungsmodus namens Flageolet gibt, welcher der Pfeifstimme zugrunde liegt. Bei klassischen Sopranen geht man aber davon aus, dass ihrer Pfeifstimme die Randfunktion zugrunde liegt. Trotzdem besteht noch die Möglichkeit, dass ein eigener Schwingungsmodus Flageolett besteht, den z.B. MÀnner nutzen, um die Töne des Pfeifregisters zu erreichen.

Im Contemporary-Gesang werden hauptsĂ€chlich die Modi 2 und 3 genutzt, die Modi 4 und 5 hingegen nur fĂŒr hohe Lagen oder Effekte. Gleiches gilt fĂŒr klassischen Gesang bei MĂ€nnern. Bei Frauen hingegen werden im klassischen Gesang v.a. die Modi 4 und 5 genutzt, selten der Modus 3 und fast gar nicht der Modus 2.

Dadurch sind bei klassisch orientierten weiblichen SĂ€ngern (wie Tarja) die VerlĂ€ngerer hĂ€ufig sehr stark trainiert, die Verdicker hingegen verkĂŒmmert. Die Modi 1 und 2 werden dadurch schwierig bis unmöglich. So ist es wahrscheinlich auch bei Tarja der Fall. Bei MĂ€nnern hingegen sind hĂ€ufig die Verdicker wesentlich stĂ€rker ausgeprĂ€gt als die VerlĂ€ngerer. Viele MĂ€nner nutzen die Modi 4 und 5 ĂŒberhaupt nicht.

Aus diesen Modi lassen sich auch andere Begriffe ableiten. "Echtes" Belting z.B. passiert durch ein Hochziehen des Modus 2 in den Bereich der Kopfresonanz. "Fake" Belting durch Resonanzanpassungen im Modus 4. Der Modus 3 wird je nach Schule und Definition entweder mit zum Belting gezÀlht oder einfach als "mixed voice" bezeichnet.

Bei einer komplett "ausbalancierten" Stimme mĂŒssten theoretisch alle 5 Modi gleichmĂ€ĂŸig ĂŒber den Stimmumfang verteilt genutzt werden. Das tun die wenigsten SĂ€nger. HĂ€ufig findet man einen Fokus auf oder sogar eine ausschließlich Nutzung von 2-3 dieser Modi. Gemessen an einer ausbalancierten Stimme ist es im Contemporary-Gesang relativ typisch, dass MĂ€nner den Modus 2 hochziehen und Frauen den Modus 3.

Um das ganze mal mit einem Beispiel zu fĂŒllen. Eine ausbalancierte Stimme bei einem Bariton (wie etwa Geoff Tate) sĂ€he etwa so aus:

G1-D2: Modus 1
D#2-A3: Modus 2
A#3-D#4: Modus 3
E4-A4: Modus 4
A#4-A5: Modus 5

Die meisten Baritone, die man so im Contemporary-Gesang findet, ziehen den Modus 2 aber höher, oft bis in die mittlere vierte Oktave. Der Modus 2 kann von geĂŒbten SĂ€ngern meist bis etwa zum G4 hochgezogen werden, manchmal sogar höher. Der Modus 3 reicht oft noch bis zum C5. Danach ist die Stimme aber so "massig", dass ein sauberes Umschalten auf die Modi 4 und 5 nicht mehr gelingt. Die Verdicker sind bei diesen SĂ€ngern so stark ausgebildet, dass sie den Modus 4 kaum noch hinbekommen und der Modus 5 sehr dĂŒnn klingt und in der Klangfarbe klar von ihrer tieferen und mittleren Lage abweicht.

Ein Absenken des Kehlkopfes geht automatisch mit einer stÀrkeren AktivitÀt der VerlÀngerer einher. Alleine dadurch entsteht schon eine Tendenz in der Klassik zu den Modi 3-5. Hohe Sopranstimmen, bei denen der Modus 3 bereits Randstimme erzeugt, haben deshalb in der Klassik keine Vollstimmfunktion.

Ich nehme an, dass Tarja in diese Kategorie fĂ€llt, denn Pop-Gesang ist fĂŒr solche Stimmen besonders schwierig. Der im Pop-Gesang geforderte (Belt-)Klang kann von solchen Stimmen nur im Modus 2 erzeugt werden, welcher ohnehin schon nicht leicht ist bei einer solchen Stimmveranlagung.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die spricht aber doch von Bruststimme und nicht von Voll-/Randstimme? :confused:
Sie benutzt die Begriffe synonym, was leider etwas verwirrend ist. Aber sie spricht meistens von "Brust-Funktion", was zumindest andeutet, dass es sich nicht um eine Resonanz handelt. In ihren anderen Artikeln zu den Registern wird aber klar, dass sie mit "chest voice" die Vollstimme meint, mit "mixed voice" eine verschlankte Stimme und mit "head voice" eine Stimmfunktion mit ausschließlicher VerlĂ€ngerer-AktivitĂ€t.
 
Hier ein Video, in dem die Unterschiede zwischen den Registerarten deutlich werden, die Kernaussagen hier sind:
  • "Falsett" wird in diesem Video zur Bezeichnung des Stimmlippenregisters "Randstimme" benutzt (was auch in der vocal science so gemacht wird), "normal voice" wird zur Bezeichnung der Vollstimme genutzt
  • "head voice" (Kopfstimme) ist hier kein Stimmlippenregister, sondern eine bestimmte Vokaltrakteinstellung
  • Er demonstriert in dem Video dann mehrere Koordinationen:
  1. Falsett (Randstimme) ohne Kopfresonanzeinstellung, klingt dann nach Bee Gees, Mickey Maus etc.
  2. Falsett (Randstimme) mit Kopfresonanzeinstellung, das ist die Haupteinstellung fĂŒr Frauen in der Klassik
  3. "normal voice" (Vollstimme) mit Kopfresonanzeinstellung, das ist die Haupteinstellung fĂŒr MĂ€nner in der Klassik
 

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