Obwohl ich mich normalerweise gut konzentrieren kann, ist mir dieses Phänomen nicht unbekannt. Das "heraus Rutschen" aus dem Stück tritt bei mir aber eher dann auf, wenn ich eine schlechte Tagesform habe (sehr müde und abgespannt bin) oder wenn mich schlicht das Stück nicht fesselt, es schlecht oder langweilig ist - oder es sich um eine Mittel-/Harmoniestimme ohne eigene melodische Qualitäten handelt. Da man aber (als Berufsmusiker, ich bin Bläser, spiele aber auch Klavier) so etwas gelegentlich auch üben muss, muss man eine Strategie entwickeln, damit umzugehen. Zumal der Zeitrahmen, der gerade für das Üben zur Verfügung steht nicht immer deckungsgleich sein muss bzw. kann mit der Zeit, in der man gerade besonders viel Lust auf das Üben hat.
Als Bläser habe ich (bzw. spüre ich) den Vorteil, daß die intensivere Atmung anregend ist und wach machen/halten kann.
Oft mische ich relativ wild Passagen aus dem Stück oder sogar aus verschiedenen Stücken/Etüden/Übungen und wechsle viel ab. Das hält meine Konzentration auch frisch ("kleine Häppchen statt große Brocken").
Darüber hinaus beherrsche ich ganz gut das, was ich "instant-Üben" nennen würde: Kurze freie Zeiten kann ich sehr gut für das Üben nutzen, also wenn mal wirklich nur 10-15 Min. zur Verfügung stehen. Ich komme ganz schnell in die Aufgabe hinein und für diese sehr kurze Zeitspanne kann ich mich tief und intensiv in die Arbeit versenken. Dann kommt vielleicht eine andere Arbeit, die zu erledigen ist und später vielleicht noch einmal eine "Insant-Übezeit". Man kann durchaus viel lernen in diesen kurzen Momenten, zumal man wirklich gezwungen ist, auf den Punkt zu kommen.
Eine Drittes, das mir hilft, bei der Sache zu bleiben ist die Konzentration auf die motorischen Abläufe, das Spielgefühl und das Aufspüren eventueller Verspannungsmomente und hemmender Elemente im Bewegungsablauf, aber auch die Freude daran, wenn es sich leicht, frei und entspannt anfühlt. Es ist ja nicht nur von so, daß einer freien Spielmotorik an sich eine große, wenn nicht zentrale Bedeutung zukommt und sich die Beschäftigung damit über alles lohnt. Zusätzlich hilft die Konzentration darauf, sich nicht in den Noten fest zu beißen, was auch nicht hilft und sehr ermüdend sein kann im Sinne einer Über-Konzentration, nur ja keinen Fehler zu machen. So beschert man sich unnötigen Stress und riskiert überdies, aus der Musik heraus zu fallen.
Gruß, Jürgen
Nachtrag:
Gelegentlich hat wohl jeder schon mal erlebt, daß einem mitten in einer Passage beim Üben eine Gedanke durch den Kopf schießt wie z.B. "Ach du je, ich muss doch noch dringend den X anrufen". Und auf eine wundersame Weise hat man trotzdem die Passage fehlerfrei durch gespielt.
Das ist ein Zeichen für eine gute "Automation", die Passage wurde gut geübt, sitzt und erfordert nicht mehr die volle Aufmerksamkeit.
In diesem Sinne kann es sogar ein guter Test sein, auch mal bewusst während einer Passage an etwas anderes zu denken um zu prüfen, wie gut diese schon ´drauf´ ist.