Songanalyse

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Hallo zusammen, ich lese hier schon einige Zeit mit und hoffe dass mir hier jemand bei einigen Fragen zur Songanalyse, die sich bei mir so ergeben haben, helfen kann.
Bei der Analyse von Songs ergeben sich bei mir mitunter Probleme absolut sicher zwischen Dur und Moll zu unterscheiden und von besonders großem Interesse wäre für mich, wie notiere ich die Chords von der Funktion her.
Ich habe schon etliches an Fachlektüre verschlungen und Begriffe wie T, D, S Mollparallele, Kadenzen und Vorzeichen sind mir nicht völlig fremd
Am besten beschreibe ich mal meine Arbeitsweise und grundsätzliche Überlegungen und ich würde das gerne an konkreten Songbeispielen nachvollziehen, los gehts :

Ich notiere mir zur Übersicht unter den Akkorden der Dur Tonleiter meist die zugehörige Moll -Leiter, bei der F-Dur Leiter z.B folgendermaßen

I II III IV V VI VII-(7/b5)) I

F Gm Am Bb C Dm E F
Dm E F Gm Am Bb C Dm


Ich nehme mal ein konkretes Songbeispiel in diesem Falle die Debütsinge " The Great Commandment" von Camouflage

Verse : Dm , Bb , Gm , C
Chorus : Dm , Bb , Gm , C

Meine Fragen dazu wären jetzt,

1. Gemäß Klaviernoten hat das Stück ein -b- als Vorzeichen, das trifft ja für sowohl für die F-Dur Leiter als auch für die Mollparallele zu, ist das jetzt F-Dur oder D-moll ? Vom Gefühl her würde ich sagen, d-moll richtig ?
2. Notiere ich das jetzt aus der D-moll Leiter mit den Ziffern I , VI , IV , VII, oder kann ich aus der F-Dur Leiter auch VI , IV , II und V notieren ?
3. Mal ganz unabhängig von diesem Song, das Akkord Material ist ja bei beiden Tonleitern gleich, wie gehe ich denn vor, wenn die Akkorde von Vers und Chorus unterschiedlich beginnen ?
- z.B, die Verse eines F-Dur Songs beginnen auf der Stufe VI (dm) und der Chorus aber auf der I , nehme ich dann beide Leitern, um beim Notieren mit der I zu beginnen, oder bleibe ich nur in einer Tonleiter und schreibe den Vers mit VI , I , V , IV und den Chorus dann mit I , V , VI , IV aus der F-Dur Leiter heraus ?

Unterm Strich geht es mir darum, mir hinsichtlich von Kadenzen ein paar sehr häufig gebräuchliche von vielen Songs mal genau anzusehen und von der Funktion her zu verstehen, auch als Hilfe beim selber komponieren.
Bisher habe ich viel nach Gefühl und Gehör gearbeitet, würde das ganze aber sehr gerne musiktheoretisch und fundiert unterfüttern, vielleicht ist ja mein Beitrag und die hoffentlich zahlreichen Antworten als Hilfestellung auch für andere Musikanfänger hilfreich.
 
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Zuletzt bearbeitet:
Hallo Noiseman,

willkommen im Board! :)


1. Gemäß Klaviernoten hat das Stück ein -b- als Vorzeichen, das trifft ja für sowohl für die F-Dur Leiter als auch für die Mollparallele zu, ist das jetzt F-Dur oder D-moll ? Vom Gefühl her würde ich sagen, d-moll richtig ?

Ja, sowohl F-Dur als auch D-Moll haben identische Vorzeichen (1 b). Deshalb von "Mollparallele".
Im Grunde gilt Vergleichbares auch für Kirchentonarten bzw. Modi - g-dorisch hätte z. B. auch dieses eine b als Vorzeichen.

Wichtig - und das ist der wesentliche Unterschied zwischen diesen Modi - ist die unterschiedliche Tonika, also jeweils ein anderer harmonischer Schwerpunkt/Ruhepunkt/Zielpunkt.
Trotz gleichen Tonmaterials entstehen so völlig unterschiedliche Stimmungen (im Sinne von "Atmosphäre").

Wie Du schon richtig erkannt hast, wäre D-Moll als Tonart (und Tonika) angemessen, weil man dort einen harmonischen Schwerpunkt ausmachen kann (vor allem im Vergleich zu F-Dur, dieser Akkord kommt nicht einmal vor ;)).
Das Vorgehen "nach Gefühl" ist auch völlig in Ordnung, denn es kommt ja auf das harmonische Empfinden an, so etwas kann man nicht immer durch rechnerische Analyse ersetzen.


2. Notiere ich das jetzt aus der D-moll Leiter mit den Ziffern I , VI , IV , VII, oder kann ich aus der F-Dur Leiter auch VI , IV , II und V notieren ?

Maßgeblich für die "I" ist immer die Tonika. In der Tonart D-Moll hat der D-Moll-Akkord Tonika-Funktion und entspricht deshalb der Stufe I. Der F-Dur-Akkord hingegen hat in Tonart D-Moll niemals Tonika-Funktion und es ist deshalb auch irrehführend (falsch), ihn mit I zu bezeichen.
Der "Witz" an den Stufennummer ist ja gerade, daß man die Funktion bzw. Rolle, die der Akkord spielt, erkennt.


3. Mal ganz unabhängig von diesem Song, das Akkord Material ist ja bei beiden Tonleitern gleich, wie gehe ich denn vor, wenn die Akkorde von Vers und Chorus unterschiedlich beginnen ?

Kommt drauf an. ;)
Wenn sich im Chorus die Tonart ändert, würde sich auch die Sufenzuordnung der Akkorde entsprechend ändern.

Ein schönes Beispiel für Tonartänderungen (in diesem Fall Rückungen) ist George Bensons "On Broadway", das rückt nach und nach immer um einen Halbton höher.
Die Stufennummer verschieben sich immer mit (I bleibt I), wenn man weiß, welcher Akkord die "I" ist, läuft alles dennoch immer nach dem selben Schema ab. Durch die Stufenbezeichnungen gewinnt man also Erkenntnisse über die relativen Zusammenhänge harmonischen Zusammenhänge, im Gegensatz zu absoluten Akkordangaben.
Die Akkordangaben sind in jeder Tonart verschieden, die harmonischen Abläufe bleiben unabhängig vonn den Rückungen in sich aber völlig gleich - und genau das spiegelt die Darstellung nach Stufen bzw. Funktionen wider.

Viele Grüße
Torsten
 
Hallo Torsten,

vielen dank für das nette Willkommen und die ausführliche Antwort, das schafft so langsam etwas Klarheit.

Maßgeblich für die "I" ist immer die Tonika. In der Tonart D-Moll hat der D-Moll-Akkord Tonika-Funktion und entspricht deshalb der Stufe I. Der F-Dur-Akkord hingegen hat in Tonart D-Moll niemals Tonika-Funktion und es ist deshalb auch irrehführend (falsch), ihn mit I zu bezeichen.
Der "Witz" an den Stufennummer ist ja gerade, daß man die Funktion bzw. Rolle, die der Akkord spielt, erkennt.

d.h: in dem konkreten Songbeispiel mit den Akkorden Dm, Bb, Gm, C bin ich sicher in D-moll, und habe so gesehen in der F-Dur Tonleiter nichts zu suchen , da der Dm Akkord dort als Tonikaparalelle auf der Stufe VI steht, aber als Tonika die I erhalten sollte, demnach wäre für die Kadenz nur die I , VI , IV, VII aus D-moll, versteh ich das soweit richtig ?

Ich nehm mal ein beliebiges weiteres Songbeispiel , von Miley Cyrus den Song Wrecking Ball, der ist vielleicht noch besser geeignet mein Verständnisproblem zu erklären, die Chords dazu wären,

Verse : Bm, D, A, Em ( VI , I , V , II )

PreChorus : G , Bm, D, G ( IV , VI , IV )

Chorus : D , A , Bm , G ( I , V , VI , IV )

Wären die römischen Ziffern so korrekt notiert ?

Hier kommen für mich jetzt zwei Tonleitern in Frage, D-Dur oder die parallele Bm, den musikalischen Schwerpunkt sehe ich hier im Chorus und demnach komme ich auf D-Dur und der Akkord auf der I, also das D-Dur, wäre die Tonika, wie verfahre ich denn jetzt mit den Akkorden vom Vers ( Bm, D, A, Em ) ? Habe ich die richtig beziffert mit VI , I , V , II, oder orientiere ich mich an der b-moll Leiter, denn da wäre ja Bm auch Tonika.

Viele Grüße, Andreas
 
PreChorus : G , Bm, D, G ( IV , VI , IV )

Hier fehlt noch was ;)

Außerdem solltest Du die Mollstufen entsprechend kennzeichnen: VI- oder VIm. Sonst bleibt unklar, ob z.B. eine V innerhalb einer Mollkadenz wirklich eine Molldominante sein soll oder eine verdurte Dominante. Also I- IV V- bzw. I- IV V.

Ebenso macht es Sinn, vorhandene Erweiterungen mit aufzuführen, z.B.: I-7 IVmaj7 V7/b9
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---

Die VII aus den Dur-Akkordstufen ist HALBvermindert. Also nicht VII (verm./dim) sondern VII-(7/b5) oder V-7/b5
 
Hier fehlt noch was ;)

Danke für die Anregungen, werd das beherzigen die Mollstufen zu kennzeichnen :)

Also der Pre Chorus wäre dann vollständig notiert : G , Bm, D, G ( IV , VIm , I , IV )

Viele Grüße, Andreas
 
Ja, so ist es "richtig" - in Anführungsstrichen gesetzt, weil es darüber keine haarkleinen Regeln im Sinne von richtig oder falsch gibt. So gibt es z.B. auch Systeme, die arabische statt römischer Ziffern verwenden:

https://en.wikipedia.org/wiki/Nashville_number_system
 
Zuletzt bearbeitet:
Also der Pre Chorus wäre dann vollständig notiert : G , Bm, D, G ( IV , VIm , I , IV )

Für mich ist der Verse eindeutig in Bm, d. h. Bm wäre die Stufe Im.
Der Chorus wechselt in die parallele Dur-Tonart, also D-Dur.
Dort wiederum würde der erste Akkord D dann Stufe I zugeordnet.

Der Pre Chorus leitet gewissermaßen über den Tonikagegenklang von Bm, nämlich G, der aber gleichzeitig auch Subdominante der zu Bm parallelen Dur-Tonart D-Dur ist, zur neuen Chorus-Tonart D-Dur hin.

Deshalb schreibt man oft die Tonart davor (damit man weiß, worauf sich die Stufen beziehen).

Ich empfinde jedenfalls deutlich einen Tonartwechsel zwischen Verse und Chorus, der Song beginnt für mich eindeutig in Bm und nicht in D.

Code:
Verse
=====
       Bm  D   | A   Em  |
[Bm]:  Im  III | VII IVm |

Pre Chorus
==========
      G   Bm  | D   G   |
[Bm]: VI  Im  | III VI  |
[D]:  IV  VIm | I   IV  |

Chorus
======
      D  A  | Bm  G   |
[D]:  I  V  | VIm IV  |

Viele Grüße
Torsten



Edit:
So gibt es z.B. auch Systeme, die römische Ziffern verwenden:
Du meinst arabische, römische Ziffern haben wir hier ja schon. ;)

Noch'n Edit:
Durch einen freundlichen Hinweis von @Tamia völlig falsche Stufen im der Bm-Pre-Chorus-Version korrigiert. Vor lauter Herumschieberei im Code-Modus konnte ich nicht mehr auf drei zählen: ;):redface:
 
Zuletzt bearbeitet:
Um eine möglichst korrekte Analyse eines Songs zu machen ist es notwendig Stufen deren Grundton ein kleines, vermindertes oder übermäßiges Intervall zur Tonika bilden mit einem vorgestellten "b" bzw. "#" zu bezeichnen.

Im vorliegenden Beispiel wäre das:

Bm D | A Em |
[Bm]: Im bIII | bVII IVm |


Wie anders sollte man z.B. in Moll-Tonart die bVI von der VI Stufe unterscheiden? Beide Stufen sind sowohl in Moll- als auch in Dur-Tonart gebräuchlich. Das selbe Phänomen trifft auch auf alle anderen Stufen einer Tonart zu.
 
Um eine möglichst korrekte Analyse eines Songs zu machen ist es notwendig Stufen deren Grundton ein kleines, vermindertes oder übermäßiges Intervall zur Tonika bilden mit einem vorgestellten "b" bzw. "#" zu bezeichnen.

Oh, ja, danke, Du hast natürlich völlig recht... :redface:
Ich war da gedanklich irgendwie beim Generalbaß, wo diese Ziffern die tonleitereigenen Töne bezeichnen und somit auch bei Moll kein b/# bräuchten. Das bringe ich immer durcheinander, Teufel auch!.
Ich werde das bei Gelegenheit oben korrigieren, aber heute nicht mehr, es ist spät und ich habe schon zu viel verschusselt...

Viele Grüße
Torsten
 
Verse ===== Bm D | A Em | [Bm]: Im III | VII IVm | Pre Chorus ========== G Bm | D G | [Bm]: VI Im | III VI | [D]: IV VIm | I IV | Chorus ====== D A | Bm G | [D]: I V | VIm IV |

Vielen Dank erstmal, auch an @Hans-3, CUDO II für die Tips.

Grundsätzlich habe ich das verstanden, mich verunsichert nur, dass der Vers in B-moll steht, also eigenständig behandelt wird und der Bm Akkord als Tonika gesetzt wird.
Wäre es denn bei dem Song völlig " falsch " den Vers mit VIm, I, V, IIm aus der D-Dur Leiter heraus zu notieren, oder macht das jeder etwas anders ?

Beim Pre Chorus habe ich beim Notieren dann die Wahl zwischen der D-Dur und der B-moll Leiter ?

Viele Grüße, Andreas
 
Kleiner Nachtrag: Um nochmal die Verwirrung vollkommen zu machen, sollte vielleicht erwähnt werden, daß allerlei unterschiedliche Schreibweisen kursieren. CUDO IIs Hinweis auf die b/#-Vorsätze haben mich dazu bewogen, mal ein wenig nachzustöbern und nun ist mir klar, woher meine Verwechslerei kommt: offensichlich ist es "kulturabhängig".
Als leicht nachvollziebares Beispiel mögen die entsprechenden Wikipedia-Artikel herhalten:

Deutsch: Stufentheorie_(Harmonik)

Stufenakkorde einer Moll-Tonleiter:
Stufentheorie3.PNG

Die "deutsche" Schreibweise nach Weber/Richter/Riemann richtet sich bei den Sufennummern (vergleichbar mit dem Generalbaß) alleine nach den tonleitereigenen Tönen (also z. B. ohne b vor der III. Stufe, weil in Moll die Terz von alleine klein ist).


Der entsprechende englischsprachige Artikel (einfach Sprache umschalten) sieht das allerdings anders:


Englisch: Roman numeral analysis

Hier werden die identischen Akkorde völlig anders bezeichnet:
525px-Scale_degree_Roman_numerals_minor.png

Hier findet man ein vorangestelltes b bei den erniedrigten III., VI. und VII. Stufen. Zudem sind noch die Moll-Akkorde mit kleinen, die Dur-Akkorde mit großen römischen Ziffern versehen (statt des Zusatzes "m"). Der Kringel ° bei ii° zeigt an, daß es sich um einen verminderten Akkord handelt.

Man sieht: es gibt viele Schreibweisen. Jeder macht es anders.

Mir scheint es aber sinnvoll (wenn man schon englische Tonbezeichnungen wie B statt H bemüht, sich auch an die amerikanischen Gepflogenheiten zu halten, vor allem im Pop- und Jazz-Bereich.
Daher halte ich die von @CUDO II vorgeschagene Schreibweise für geeigneter.

Viele Grüße
Torsten
 
Mir scheint es aber sinnvoll (wenn man schon englische Tonbezeichnungen wie B statt H bemüht, sich auch an die amerikanischen Gepflogenheiten zu halten, vor allem im Pop- und Jazz-Bereich.
Daher halte ich die von @CUDO II vorgeschagene Schreibweise für geeigneter.

In Verbindung mit den Grafiken kann ich als Anfänger die Tips von Euch auch besser nachvollziehen, also stelle ich den Dur Akkorden in einer Moll-Tonleiter bei den Stufen III, VI und VII ein b voran, um Mißverständnissen vorzubeugen und die vorgeschlagene Schreibweise aus dem amerikanischen kommt mir auch sehr entgegen, da ich als Grundlage mit dem Fritsch /Kellert/Lonardoni Buch " Harmonielehre und Songwriting arbeite.

Viele Grüße, Andreas
 

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