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ThB_
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- Wie sieht die "Szene" wirklich aus?
Wie werden Volksmusiker "von außen" wahrgenommen, wie sehen sie sich selbst und ist Tradition nun die Bewahrung der Asche oder doch die Weitergabe des Feuers? ...
Ich versuche mal, das so aufzudröseln, wie ich es wahrnehme.
Aus meiner Sicht lässt sich "die Szene" grob in drei Richtungen unterteilen.
- Alles was sich etwa mit dem Begriff "volkstümliche Musik/volkstümlicher Schlager" und Verwandtes überschreiben ließe
Hier geht es im wesentlichen nicht um die Bewahrung einer (lebendigen oder nicht mehr lebendigen) Tradition, nicht primär um Weiterentwicklung, sondern um kommerzielle Verwertbarkeit. Es wird gespielt, was dem Konsumenten gefällt.
Diese Richtung wird öffentlich relativ stark wahrgenommen.
- Alles, was sich etwa mit dem Begriff "Volkstanz- und Volksmusikpflege" überschreiben ließe
Hier geht es im wesentlichen um die Bewahrung von Tradition. Der Anknüpfungspunkt (was ist die zu wahrende Tradition und was nicht?) ist dabei oft relativ willkürlich gewählt. Beispielsweise beziehen sich Musik und Tanz in Süddeutschland im wesentlichen auf Quellen erst etwa ab Mitte des 19. Jh., der Tanz z.B. in Norddeutschland im wesentlichen auf Quellen der Jugendmusikbewegung Anfang des 20. Jh.. Davon Abweichendes wird tendenziell eher als "nicht traditionell" abgelehnt.
Musik und Tanz werden als stark regional gebunden und identitätsstiftend verstanden.
Gelernt und musiziert wird überwiegend nach Noten. Das Repertoire umfasst Tanzmusik, Lieder und "reine Spielstücke".
Tänze werden durch feste Tanzgruppen mit fester Kleiderordnung auf Bühnen vorgeführt, oft auch ohne Livemusik.
Diese Richtung wird öffentlich wahrgenommen, ist teilweise institutionalisiert und wird v.a. in Süddeutschland staatlich gefördert.
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nachträgliche Ergänzung:
Tanz umfasst auch hier mehr, als nur die Bühnendarbietungen. Beispiele sind z.B. Kathreintanz, Kirchweih u.a., wo auch jeder tanzen und nicht nur zuschauen darf.
Traditionspflege findet nicht nur innerhalb der Interessenvereine statt, sondern auch öffentlichkeitswirksam z.B. durch die Aktion "Musikantenfreundliches Wirtshaus".
- Alles, was sich vielleicht mit "Tradition entwickeln" überschreiben ließe
Hier geht es im Wesentlichen um „Entwicklung“. Das Fehlen einer kontinuierlichen Musizier- und Tanztradition zumindest in großen Teilen des deutschsprachigen Raumes wird akzeptiert. Es gibt daher eigentlich auch keinen Anspruch auf „Authentizität“ hinsichtlich der stilistischen Ausführung von Musik und Tanz. Im Mittelpunkt des Interesses steht das gemeinsame Musizieren und Tanzen. Tanzen ohne Livemusik ist ausgeschlossen, Musizieren ohne Tanzen ist nur die halbe Freude.
Das musikalische Repertoire umfasst entsprechend nahezu ausschließlich Tanzmusik. Dabei gibt es keine Einschränkung der Entstehungszeit der Stücke, den Hauptanteil bilden derzeit Stücke des 18./19. Jh. und Neukompositionen. Gegenwärtig liegt ein Schwerpunkt auf der Suche nach geeignetem Repertoire in alten Tanzmusikhandschriften aus dem deutschsprachigen Raum. Die regionale Herkunft der Stücke spielt eine eher untergeordnete Rolle.
Die Spielstilistik entwickelt sich aus den (Vor-)Erfahrungen der Musiker und oft aus dem intendierten Tanz. Wichtige stilistische Einflüsse kommen aus dem Balfolk, aus den heute in Schweden anzutreffenden Spielstilistiken, aber auch aus der oben beschriebenen sehr traditionell orientierten Spielweise.
Für die Tanzstilistik ist es ähnlich, mit der eigenen Erfahrung wird getanzt was man hört. So kommt es regelmäßig vor, dass zu einem Stück gleichzeitig verschiedene Tänze getanzt werden.
Gelernt und musiziert wird überwiegend nach Gehör und ohne Noten.
Diese Richtung wird öffentlich nahezu nicht wahrgenommen.
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