Advocatus Diaboli: Eine Band erzeugt nur, oft in schlechterer Qualität, das, was hunderte Stunden am Tag im Radio läuft und was im Internet in Massen fast kostenlos verfügbar ist. Der lokale Fußballverein bringt die Dorfgemeinschaft zusammen, erzeugt ein Zusammengehörigkeitsgefühl, betreibt stellvertretend den urmenschlichen/urmännlichen Wunsch nach Kräftemessen und Vergleichen.
Den Markt-Begriff hatten wir schon, und der spielt ja auch eine Rolle: Ist in diesem Kontext nicht sogar das Geld "erfunden" worden? Mein Engagement bei einem Musikverein führt mich aber noch einen Schritt weiter: Das Thema "Gemeinschaft stiften" ist im Zusammenhang mit obigem Zitat schonmal aufgegriffen worden, und das spielt doch bei der Musik zumindest häufig eine wesentliche Rolle. Klar gibt es die Band, die ihren eigenen Geschmack feiert und mit ihren Stücken auftreten will - so sehr die Musik auch nervt. Aber ist das nicht häufiger so, dass Bands vor dem Auftritt Musik proben, mit der sie zumindest erwarten "ankommen" zu können? Oder versuchen, für ihre Musik das passende Publikum anzusprechen? Also ein Schritt auf andere zu, quasi ein Angebot mit zu erwartendem Mehrwert für andere?
Der Wirt bekommt Geld für die Getränke, die er ausgibt - wenn nicht, wäre es sein Hobby. Soweit, so klar.
Und die Musiker, meinetwegen von vornherein eindeutig Hobby-Musiker? Sie könnten evtl. Geld verdienen bei ihrem Auftritt - was nichts anderes heißt als dass sie Geld bekommen für eine anerkannte Leistung (für andere). Sie können gesponsert werden (wir tragen in der Bigband Kleidung, die von einer Firma gesponsert wurde, mit dezentem Werbeaufnäher - so hat der Verein Unterstützung in der Ausrüstung genauso wie eine Fußballmannschaft; ja, ich habe einen Moment die Luft angehalten, als das kam, aber es ist ok). Auf jeden Fall ist unser Musikverein im kleinen Dorf eine gesellschaftliche Größe; und ein Honorar, das der Verein für den Auftritt bekommt (nicht die Musiker), kann sowohl "verdient" sein als auch als Sponsoring entweder des kulturellen Mehrwerts, der Gemeinschaftsdienlichkeit oder der Vernetzung verstanden werden.
Wenn jemand einem anderen Geld gibt, geht er damit auch irgendwie auf ihn zu. Das kann vorab gefordert worden, auf Gegenseitigkeit vereinbart worden sein oder es ergibt sich im Laufe der Begegnung als Zeichen eines Ausgleichs oder einer Honorierung. Wenn ich als Hobby-Musiker für einen Gig Sachen übe, die ich halbwegs mag, die aber aufs Publikum abgestimmt sind; wenn ich das Mischpult und die eigene PA zu allererst verwende, um das Publikum glücklich zu machen (und die Monitorwege erstmal schleifen lasse), wenn ich auf der Bühne nach schweißtreibendem Aufbau vor dem ersten Song nochmal alle Kabel durchchecke, weil es irgendwo knackst - dann sollte das doch auch als Entgegenkommen der Musiker gegenüber Publikum und Veranstalter verstanden werden können, wo man dann mit einem reziproken Aufeinanderzukommen rechnen kann, oder? In Form einer Honorierung. Wer dabei wie weit in Vorleistung geht, das Risiko trägt etc., ist Verhandlungssache. Aber das alles passiert doch, weil wir Menschen keine Einsiedler sind. Im schlimmsten Fall ist das Übertragen von Geld eine "milde Gabe" (aus Mitleid), aber das ist ja kaum der Normalfall in der Musikszene: Meist honoriert man entweder einen eigenen Nutzen oder einen mittelbaren Mehrwert innerhalb der Gesellschaft (ob nun Unterhaltung oder Kunst).
Ich frage mich also, was genau die kritische Ausgangsthese ausgelöst hat - war es womöglich das gelegentliche Missverhältnis zwischen dem, was Musiker von vornherein für andere getan haben, und dem, was sie für sich als Gegenleistung erwarten? Oder die Verwechslung des Kontextes, der ja vieles am Setting (auch eine etwaige "Entlohnung") von vornherein festlegt. Als Veranstalter habe ich Hobbymusiker/innen sowohl ehrenamtlich angefragt (mit einer anschließenden kleinen Aufmerksamkeit dafür) wie in einem geschäftlichen Umfeld (mit Honorarvereinbarung vorab) auftreten lassen. Um zwischen den Optionen zu entscheiden, versuche ich mich in sie hineinzuversetzen und vorauszuahnen, was sie selbst davon haben bzw. brauchen - aber natürlich betrachte ich auch meine Motivation, und die hat am Ende auch mit Verlässlichkeit zu tun: Ist die Musik nice-to-have oder wesentliches Element meiner Veranstaltung? Auch Hobby-Musiker können zuverlässige Partner sein, die für ihren Auftritt (außerhalb ihres eigentlichen Hobby-Bereichs) Geld bekommen.
Ich nehme mal an, dass Eiskunstläufer finanziell auch anders behandelt werden, wenn sie aus Ehrgeiz an einer Weltmeisterschaft teilnehmen oder eine Eis-Show performen. Womöglich zahlt das Publikum in beiden Fällen ähnliche Preise.
Ein Künstler, der von seiner Kunst nicht leben kann, ist letztendlich ein Hobbyist so wie wir anderen.
Von der These halte ich gar nichts. Aber ich glaube, das hat
@rbur selbst schon wieder relativiert. Einen Teil seines Lebens der Kunst zu widmen, ist eine willentliche Lebensentscheidung, die berechtigterweise mitunter als Größe verstanden wird. Ein winziges bisschen Größe möchte ich in meinem Hobby auch entwickeln, aber das hält sich in Grenzen.