Beethovens Kompositionstechnik

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Natürlich, Beethovens Thema etwa aus dem ersten und dritten Satz der Mondscheinsonate sind hierfür ja das wohl bekannteste Beispiel. Allerdings wäre ich, Czerny folgend, wirklich vorsichtig, dergleichen als "Melodie" zu bezeichnen. Diese Definition setzt doch einige Prämissen vorraus, die solche Themen nicht erfüllen können.

Stimme Dir da vollkommen zu.
Ich wage es jetzt einmal eine These aufzustellen und ihr werdet - glaube ich - mich dafür ... tja hängen :D

Ich glaube ihr schätzt bei den Beethoven ein Aspekt vielleicht ein wenig übertrieben ein.
Beethovens Werke, insbesondere die Klavierwerke, beinhalten äußerst viele Arpeggios, .. so sind sogar ganze Themen, wenn man sie denn so nennen kann,
in Beethovens Werken Arpeggios, wie z.B. beim 3. Satz der Op. 27 cis-moll. Natürlich bedienen sich diese Harmoniefolgen, doch ging es dem L.v.B.
gar nicht immer sooo sehr um harmonische Aspekte. Er war absoluter Klaviervirtuose und konnte fabelhaft improvisieren. Da sind beim Komponieren,
denn Beethoven komponierte nicht am Schreibtisch, wie z.B. Joseph Haydn, sondern er komponierte am Klavier, einfach auch "zufällige" Konstrukte entstanden.
D.h. er komponierte teils auch mit den Händen. Die rechte Hand spielt z.B. ein beindruckendes Arpeggio, improvisiert, in hoher Geschwindigkeit, während
er mit der anderen Hand die Themen reinbracht (hört sich jetzt ein wenig unprofessionel an).

Ich stimme dem Stadtmensch aber genau deswegen zu, dass wahrscheinlich das Studium musikalischer Literatur, einfach über Hören und Erfahren und Praxis
auf jeden Fall eine wichtige Komponente (neben Harmonielehre) ist.

Wie Lordabstellhaken ja in einem Thread einmal erwähnt hatte, entsteht die Harmonielehre durch die Werke und nicht umgekehrt?

Was möchte ich damit sagen:
Beethoven hat sich - glaube ich - nicht viel theoretische Gedanken bei der Komposition der Mondscheinsonate 3. Satz gemacht. Er hat es einfach
in die Tasten geschmettert (Franz Liszt noch mehr). Haydn hatte zu ihm einmal gesagt, dass er schon zu viel könne, jedoch in der Theorie noch sehr
fehlerbehaftet war, ein "Lump" sei (sinngem. Zitat aus einer Haydn-Biographie).

Wer also Komponieren lernen möchte, schafft das nicht nur theoretisch, sondern muß sich einfach dem Instrument bedienen, für das er komponieren möchte.
(stimmt das?) ... Nein das stimmt nicht ganz. Korrektur: Es entstehen andere Werke, wenn man das Instrument, für das man komponiert auch in der Praxis spielen kann.
Ein "Theoretiker" wird Beethovens Klavierwerke IMMER übertheoretisieren und analysieren. Er wird in den Werken Dinge sehen, die für Beethoven vollkommen unwichtig waren und ein "Praxiskonstrukt" waren. Ich kann ein Thema spielen und mit der anderen Hand einfach ein chromatischen Lauf nach oben ziehen. Es wird harmonisch
und disharmonisch sein :D

So... da waren sicher manche Fehler drin.
Nun erwarte ich sicher heftigen Gegenwind.
 
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Stimme Dir da vollkommen zu.
denn Beethoven komponierte nicht am Schreibtisch, wie z.B. Joseph Haydn, sondern er komponierte am Klavier, einfach auch "zufällige" Konstrukte entstanden.
Wie stellst du dich beim komponieren am Klavier vor ? Wenn ich am Klavier komponiere oder improvisiere dann stell ich mir jede einzelne Note beim spielen vorher innerlich vor.
Ich glaube (was ich nicht beweisen kann) Beethoven das Genie wollte nichts dem Zufall überlassen.

Beethovens Werke, insbesondere die Klavierwerke, beinhalten äußerst viele Arpeggios, .. so sind sogar ganze Themen, wenn man sie denn so nennen kann,
in Beethovens Werken Arpeggios
Meinst du damit die Figur oder die Harmoniefolge ? Ich würde die Substanz als Thema bezeichnen also Figur + Harmonie.
Wer also Komponieren lernen möchte, schafft das nicht nur theoretisch, sondern muß sich einfach dem Instrument bedienen
Ich würds so formulieren: Wer also komponieren lernen möchte schafft das nicht nur mit Theorie er muss sich seinem Gehör bedienen!

Wie Lordabstellhaken ja in einem Thread einmal erwähnt hatte, entsteht die Harmonielehre durch die Werke und nicht umgekehrt?
Erst war die Praxis dann die Theorie. Vielleicht weil ja die Theorie an sich determiniert ist konnte es auch nur zu solcher Praxis kommen? Das sei dahingestellt weil es ein ganz anderes Thema ist deshalb bitte ich ein neues Thema dafür zu erstellen.
 
möchtegernbach;5992178 schrieb:
Ich glaube (was ich nicht beweisen kann) Beethoven das Genie wollte nichts dem Zufall überlassen.

Wollte er auch nicht. Das gilt auch für den dritten Satz der Mondscheinsonate. Man kann ja über einiges spekulieren, was Beethovens Musik betrifft, aber dass ihm die Musik nur herausströmte, oder er irgendwelche göttlichen Eingebungen verarbeitete, das glaube ich nicht und das sieht man, wenn man die Werke genauer unter die Lupe nimmt. Ob Brahms, ob Haydn, ob Beethoven. Man sieht sehr gut, wie Einfälle handwerklich verarbeitet und ausgetüftelt werden und nicht wie aus einem göttlichen Gusseisen die Komposition servierfertig in die richtige Form gegossen wird.
 
möchtegernbach;5992178 schrieb:
Wie stellst du dich beim komponieren am Klavier vor ? Wenn ich am Klavier komponiere oder improvisiere dann stell ich mir jede einzelne Note beim spielen vorher innerlich vor.
Ich glaube (was ich nicht beweisen kann) Beethoven das Genie wollte nichts dem Zufall überlassen.

Da wirst Du Recht haben, doch er wird wesentlich weniger dabei nachgedacht haben, als wohl viele vermuten.
Ich mag fast die These aufzustellen, dass Bach viel mehr nachgedacht hat.
(Ich meine, es ist eigenartig. Ich finde zu Bach keinen wirklichen Zugang und kann mir seine Werke nicht merken,
weil ich sie - zugegeben - einfach nicht schnell genug verstehe. Warum kann ich aber im Gegenzug 20 Haydnsätze
- mit Fehlern allerdings - auswendig spielen und auch Beethoven kriege ich leichter auf die Reihe, pianistisch ist allerdings
der L.v.B schwieriger als der Bach)

Mal .... ganz ehrlich: Betrachten wir doch einmal das Werk Op. 110 As-Dur Satz 1. Da wird ein Thema vorgestellt, welches ab Takt
4 dann relativ singbar, fast niedlich und einfach rüber kommt. Dann ab Takt 10 wird ein recht beeindruckender Lauf vorgestellt,
der mit dem Eingangsthema aber auch nichts - aber gar nichts zutun - hat. Der Lauf bedient sich aus einem Konstrukt aus "inversen" in sich
geschachtelten Alberti-Mustern. Die Haarmonie tut gar nicht so viel zur Sache, weil man diese Art der Harmonie hier mal da immer wieder
in Beethovens Werken findet. (Im Lauf erst As-Dur, dann Es-Sept auf g, dann wieder As-dur)

Darum ging es aber Beethoven gar nicht (starke Vermutung oder früher mal nachgelesen).
Es ging ihm nämlich um einen ganz anderen Aspekt. Es ging ihm um die pianistische Herausforderung, diesen Lauf zu spielen, weil
dieser Lauf nämlich zwei Varaianten des Spiels erlaubt. (1. Var. rechte Hand wechselt über die linke hat "überkreuz" sich ab / 2. Variante ist, dass
der Finger 5. für das im Lauf "überschlagende" Es gespielt wird)

Fazit: Er hatte ein Eingangsthema und wollte dann einfach einen interessanten, gleichzeitig schön klingenden Lauf spielen.
Er wollte auch Eindruck schinden. Natürlich waren Komponisten eitel.
Aber musiktheoretisch ist die Sonate Op. 110, insbes. der Lauf (auf dem es in diesen Werk aber ankommt, glaube ich) noch moderat zu verstehen.
Die erste Seite dieser Sonate schaut man sich n Stündchen an und hat sie dann auswendig im Kopf. Bei Bach... für mich unmöglich.
Warum hat sich Beethoven erst in seinen Spätwerken wieder den Fugen bedient? ... weil darin dann wirklich eine kompositorische Herausforderung lag.

Ok, das war jetzt vielleicht auch schon etwas OT.
Ich möchte Dir hier Deinen Thread nicht kaputt machen, Möchtegernbach.

Ich wollte nur eben Deine Frage noch beantworten. Meine AW also: Ja, ich glaube, dass Beethoven so viele Figuren schon "in den Händen"
hatte, dass er bei den Noten nicht lange überlegte. die Op. 57 Appassionata soll ja praktisch während des Tobens am Klavier entstanden sein...
LvB hat auch viele Noten immer wieder weggeschmissen, weil er dann unzufrieden war. (oder die Brillenbässe der Ausfühung der Sonate Nr. 7., #die das
Hauptthema verarbeiten - nun mache ich Schluß -
 
aber dass ihm die Musik nur herausströmte, oder er irgendwelche göttlichen Eingebungen verarbeitete, das glaube ich nicht und das sieht man, wenn man die Werke genauer unter die Lupe nimmt. Ob Brahms, ob Haydn, ob Beethoven. Man sieht sehr gut, wie Einfälle handwerklich verarbeitet und ausgetüftelt werden und nicht wie aus einem göttlichen Gusseisen die Komposition servierfertig in die richtige Form gegossen wird.

Da stimme ich vollkommen zu, doch glaube ich, dass der Enstehungsprozess der Kompositionen nicht so erfolgt ist, wie sich manche das vorstellen.
Ich glaube eher, dass es bei Beethoven eine ungehobelte Rohfassung gab, die erst einmal schnell aml Klavier entstanden ist, ... während des "Improvisierens" und er dieses Werk iterativ verbessert bzw. korrigiert hat.
Aber eines glaube ich bei Beethoven nicht: ... Nämlich, dass er am Schreibtisch saß und lange über Harmonien nachgedacht hat.
Später war er ja taub. Dann konnte er sich die Klänge vorstellen, doch hat er bereits so viel gespielt und dadurch so eine ausgeprägte
Klangvorstellung erreicht, dass eben ohne Instrumente auskommen mußte.
Den späten Beethoven hätte es aber ohne den "Salonlöwen" Beethoven nie geben können.
 
Ich glaube eher, dass es bei Beethoven eine ungehobelte Rohfassung gab, die erst einmal schnell aml Klavier entstanden ist, ... während des "Improvisierens" und er dieses Werk iterativ verbessert bzw. korrigiert hat.
Aber eines glaube ich bei Beethoven nicht: ... Nämlich, dass er am Schreibtisch saß und lange über Harmonien nachgedacht hat.

Beethoven ist nun genau der Komponist, von dem recht viel über den Entstehungsprozess seiner Werke bekannt ist - und zwar durch seine Skizzenbücher. Er hat mit vielen Werken lange gerungen und hat sich viele Entscheidungen nicht leicht gemacht. Eine Liste seiner Skizzenbücher gibt's hier.

Harald
 
Da stimme ich vollkommen zu, doch glaube ich, dass der Enstehungsprozess der Kompositionen nicht so erfolgt ist, wie sich manche das vorstellen.

Aber eines glaube ich bei Beethoven nicht: ... Nämlich, dass er am Schreibtisch saß und lange über Harmonien nachgedacht hat.
Später war er ja taub. Dann konnte er sich die Klänge vorstellen, doch hat er bereits so viel gespielt und dadurch so eine ausgeprägte
Klangvorstellung erreicht, dass eben ohne Instrumente auskommen mußte.


Beethoven hatte bereits um ca. 1800 Schwierigkeiten, in lauter Umgebung Sprache zu verstehen. In den Jahren davor gab es wohl auch schon Probleme. Das heißt: mittel - bis hochgradige Schwerhörigkeit mit ausgeprägtem Diskriminationsverlust für einen knapp 30-Jährigen. Heute wäre B. bereits vor seinem 30. Lj mit Hörgeräten versorgt worden. Man kann solch eine Schwerhörigkeit simulieren, indem man eine Konzertaufnahme entsprechend filtert. Das Ergebnis ist verheerend: Man kann der Melodie noch in etwa folgen, aber das ist auch schon, der Rest ist Rumpeln und Rauschen. Das heißt: Es könnte (!) sein, dass das, was wir hören bzw. vom Konzert wahrnehmen, nicht genau das ist, was Beethoven intendiert hat. z.B. wurde die Symphonie Nr. 3 wohl von vielen (außer seinen engsten Freunden) als "schwierig" empfunden. Es wurde auch von Komponisten versucht, die Nr 3 zu "verbessern" (den sog. "falschen Horneinsatz"...). Zieht man die einzelnen Stimmen im 1. Satz auseinander, ergeben sich interessante Melodien, die harmonisch natürlich völlig im Einklang sind - dennoch gewinne ich den Eindruck, der Komponist habe mehrere Melodien überlagert, von denen sich eine behauptet (evtl. die, die mit der Harmonie am direktesten korreliert).

Man braucht wohl eine gewisse synästhetische Wahrnehmung von Musik, um mit Papier und Bleistift komponieren zu können. Das kann man vielleicht erlernen - aber doch nicht in dem Ausmaß, das Beethoven gezeigt hat. Ein Komponist, der vollständig ertaubt und sich immer noch weiter entwickelt. Haben wir da einen Vergleich?

Meine Meinung ist, dass Beethoven seine immer weiter eingeschränkte Wahrnehmung schon frühzeitig durch Redundanz ausgeglichen hat. Die Redundanz bei Beethoven hieß Präzision.

Den späten Beethoven hätte es aber ohne den "Salonlöwen" Beethoven nie geben können.

Die Frage ist doch, ob und inwieweit die Ertaubung einen Einfluss auf die späte Entwicklung Beethovens genommen hat.
 
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Man braucht wohl eine gewisse synästhetische Wahrnehmung von Musik, um mit Papier und Bleistift komponieren zu können. Das kann man vielleicht erlernen - aber doch nicht in dem Ausmaß, das Beethoven gezeigt hat. Ein Komponist, der vollständig ertaubt und sich immer noch weiter entwickelt. Haben wir da einen Vergleich?
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Mit Papier und Bleistifft zu komponieren ist auf jeden Fall erlernbar. Die innerliche Klangvorstellung kann von jedem geschärft werden. Das ist so wie beim lesen und schreiben.
 
Eine Liste seiner Skizzenbücher gibt's hier. Harald

Danke, werde ich mir anschauen.

Meine Meinung ist, dass Beethoven seine immer weiter eingeschränkte Wahrnehmung schon frühzeitig durch Redundanz ausgeglichen hat. Die Redundanz bei Beethoven hieß Präzision.

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Danke insgesamt für Deinen Beitrag. Klingt logisch fundiert.
Eine Frage allerdings: Was verstehst Du unter Präzision in diesem Kontext? Präzise hätte ich eher Mozart, Haydn... als Adjektiv angedacht.
Die Redundanz würde ich eher so verstehen, so wie Du es beschrieben hast, dass der Komponist mehrere Melodien überlagert hat.
Ist das aber nicht eher unpräzise?
 
Man braucht wohl eine gewisse synästhetische Wahrnehmung von Musik, um mit Papier und Bleistift komponieren zu können. Das kann man vielleicht erlernen - aber doch nicht in dem Ausmaß, das Beethoven gezeigt hat. Ein Komponist, der vollständig ertaubt und sich immer noch weiter entwickelt. Haben wir da einen Vergleich?

Naja, ich halte es da im erweiterten Sinn nach Aristoteles: nichts, was nicht vorher rezipiert wurde, kann bedenkenlos aus dem Kopf als solches abgerufen werden. Auch Beethoven hat, als er noch konnte, seine Einfälle immerzu am Klavier ausgearbeitet, um sicherzugehen, dass sie so klingen, wie sie klingen. Die Vorstellung, ein Komponist würde nur aus dem Kopf zu seinen Ergebnissen finden, dürfe das Klavier hierzu nicht verwenden, ist eine, die in dieser romantischen Übersteigerung und Idealisierung in der Literatur erstmals, irre ich mich nicht, in Schumanns "musikalischen Lebensweisheiten" aufgetaucht ist. Wohl abgeleitet von Beethoven, bei dem die Entscheidung, fortan kein Klavier mehr zuhilfe ziehen zu können, keine freiwillige Entscheidung war. Allerdings haben die Romantiker ihre Einfälle, gerade Orchestrales (das waren versierte Partiturspieler!), alle mit Klavier ausgetüftelt und verarbeitet; wer es sich leisten konnte, hatte hierzu ein eigenes Hausorchester zur Verfügung wie Mendelssohn. Dem mythisierten Idealbild des Komponisten wurde da keiner gerecht. Und auch bei Schumann zeigen sich Stellen zuhauf, die einer klar klavieristischen Manier entspringen und nicht in erster Linie einer musikalischen Notwendigkeit. Insbesondere in den späten Werken Beethovens gibt es zudem einige nicht gerade spektakulär klingende Stellen, bei denen die Frage berechtigt ist, ob er sie nicht anders geschrieben hätte, wenn er noch hören hätte können. Mit der Zeit litt er da wohl doch unter dem fehlenden Praxisbezug.

Zudem ist Klangvorstellung relativ. Sie kann eine ungefähre Idee sein, oder aber bereits sehr konkrete Vorstellung über Schwingungen, Klangfarben, Tonhöhen und Dynamiken beinhalten.
Korrepetitoren und Dirigenten sind da zumeist sehr versiert, weil das ihr täglich Brot ist. Wenn mir hingegen jemand sagt, er hätte eine Klangvorstellung einer Partitur, und dann bereits am Klavier aber fünf Minuten braucht, um herauszufinden, dass die Hörner in D, die B-Trompeten, die Celli im Tenorschlüssel, die A-Klarinetten und die Bratschen im Bratschenschlüssel zusammen einen einfachen C-Dur-Akkord ergeben - gut, dann sage ich mal: hat wahrscheinlich keine Klangvorstellung. Deshalb ist Partiturspiel für die Klangvorstellung ja auch so wichtig, weil man wirklich zum präzisen Lesen jeder einzelnen Note gezwungen ist. Hinzu kommt dann in Form von Klangfarben etc. sowieso noch genug, aber diese Basis sollte schon da sein.
 
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Naja, ich halte es da im erweiterten Sinn nach Aristoteles: nichts, was nicht vorher rezipiert wurde, kann bedenkenlos aus dem Kopf als solches abgerufen werden. Auch Beethoven hat, als er noch konnte, seine Einfälle immerzu am Klavier ausgearbeitet, um sicherzugehen, dass sie so klingen, wie sie klingen. Die Vorstellung, ein Komponist würde nur aus dem Kopf zu seinen Ergebnissen finden, dürfe das Klavier hierzu nicht verwenden, ist eine, die in dieser romantischen Übersteigerung und Idealisierung in der Literatur

Der Stadtmensch spricht mir da aus der Seele. Genau so meinte ich es auch.

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wer es sich leisten konnte, hatte hierzu ein eigenes Hausorchester zur Verfügung wie Mendelssohn.

... oder Joseph Haydn, der eines gestellt bekommen hat durch den Fürsten Esterhazy
 
Naja, ich halte es da im erweiterten Sinn nach Aristoteles: nichts, was nicht vorher rezipiert wurde, kann bedenkenlos aus dem Kopf als solches abgerufen werden. Auch Beethoven hat, als er noch konnte, seine Einfälle immerzu am Klavier ausgearbeitet, um sicherzugehen, dass sie so klingen, wie sie klingen. Die Vorstellung, ein Komponist würde nur aus dem Kopf zu seinen Ergebnissen finden, dürfe das Klavier hierzu nicht verwenden, ist eine, die in dieser romantischen Übersteigerung und Idealisierung in der Literatur erstmals, irre ich mich nicht, in Schumanns "musikalischen Lebensweisheiten" aufgetaucht ist. Wohl abgeleitet von Beethoven, bei dem die Entscheidung, fortan kein Klavier mehr zuhilfe ziehen zu können, keine freiwillige Entscheidung war. .... .

Euphemismen, die der Situation Beethovens in keiner Weise gerecht werden. Aus einem Brief an Dr. Wegeler vom 29. Juni 1800:
"Seit 2 Jahren meide ich alle Gesellschaften, weil es mir unmöglich ist, den Leuten zu sagen: Ich bin taub. Hätte ich irgend ein anderes Fach, so ging's es noch eher, aber in meinem Fache ist das ein schrecklicher Zustand, dabei meine Feinde, deren Zahl nicht geringe ist, was würden diese hierzu sagen? "
(Beethoven beschreibt noch weitere Phänomene: Hohe Sing- und Instrumentstimmen werden nicht gehört, Verzerrungen und Überempfindlichkeit für hohe Töne, normale Sprache wird zwar gehört, aber nicht verstanden (Diskriminationsverlust)).

Beethoven nutzte später einen Holzstab, der mit dem Flügel verbunden war und den er zwischen die Zähne nehmen konnte. Das erlaubte ein minimales Resthörvermögen im Tieftonbereich - sog. "Fühlwerte" bis max. 500 Hz. Mit Hören in unserem Sinn hat das aber nichts mehr zu tun. Weiterhin dürfte Beethoven Lippenablesen genutzt haben, da ansonsten bereits lange vor seiner vollständigen Ertaubung er nichts mehr verstanden hätte. Es gibt Menschen, deren Lippenbewegungen leicht gelesen werden können, und andere, bei denen es sehr viel schwerer geht. Das erklärt, warum Gesprächspartner zu völlig unterschiedlichen Beurteilungen von Beethovens Hörvermögen kommen konnten.

Ein Rat für Beethoven um 1800, mit heutiger Erkenntnis , hätte gelautet: Hochgradige Schwerhörigkeit, funktionell an Taubheit grenzend. Hörbehinderung besteht schon länger (schätzungsweise 10 Jahre mit mehr oder weniger kontinuierlicher Verschlechterung). Hörgeräteversorgung möglich, aber in der Ergebniserwartung unsicher. Evtl. (wahrscheinlich) besseres Ergebnis mit Cochlea-Implantat erzielbar. Lärm unbedingt vermeiden, um das Ohr nicht weiter zu gefährden (Klavierspiel nur mit angelegtem Hörgerät). Trennung von Komposition und Produktion im künstlerischen Schaffen: für orchestrale Werke einen Dirigenten nehmen.

Also hätte ein fiktiver Dialog zwischen B. und einem Hörer nach der Uraufführung der 3. Sinfonie lauten können:
Hörer: "Das klingt ja furchtbar".
B: " Mal langsam. So schlimm wie für mich kann es sich für Sie gar nicht anhören".

Insbesondere in den späten Werken Beethovens gibt es zudem einige nicht gerade spektakulär klingende Stellen, bei denen die Frage berechtigt ist, ob er sie nicht anders geschrieben hätte, wenn er noch hören hätte können. Mit der Zeit litt er da wohl doch unter dem fehlenden Praxisbezug.

Das kann nicht sein, dann wäre er schon 20 Jahre früher "auf die Schnauze gefallen". Was Beethoven bei der Uraufführung der No. 3 entgegenschallte, war ein diffuser Klangteppich (mehr Schall als Klang) , den er selbst wohl nicht als Musik bezeichnet hätte.
 
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[...]

Das kann nicht sein, dann wäre er schon 20 Jahre früher "auf die Schnauze gefallen". Was Beethoven bei der Uraufführung der No. 3 entgegenschallte, war ein diffuser Klangteppich (mehr Schall als Klang) , den er selbst wohl nicht als Musik bezeichnet hätte.

Naja, ich meinte, dass hier eben mit der langen Zeit, in welcher mit Hören nichts mehr war, seine Klangvorstellung sicher nicht besser wurde. Wenn ich ab heute nichts mehr hörte, würde ich morgen trotzdem noch aus dem Kopf komponieren können. Aber die Frage ist, wie wird das später einmal aussehen?

Interessanter Beitrag!
 
Ich denke schon, daß die Klangvorstellung mit der Zeit verblaßt. Späterblindete berichten das auch mit den Farben. Böse Zungen behaupten ja, daß die große Fuge klingt, wie sie klingt, weil Beethoven sich das nicht mehr vorstellen konnte :D

Aber daß alle mit Klavier komponierten glaube ich nicht so wirklich. Den Meistas ist ne Menge zuzutrauen. Soviel kann man gar nicht am Klavier rumprobieren, was einige geschaffen haben. Von Bach heißt es ausdrücklich, daß er sich in eine "Kammer" zurückgezogen und gegrübelt habe. Von klimpern habe ich da noch nichts gelesen. Und ein großer Improvisator wird man auch nicht ohne ausgereifte Klangvorstellung. Ich rede hier ausdrücklich nicht von Dudeljazzern, sondern dem, was man eben Beethoven & Co. nachsagte und heute z.B. von Gabriela Montero wiederbelebt wird.

Mir ist der Name entfallen, aber Götz Alsman erzählte kürzlich über einen Schlagerkomponisten der 20er, der immer am Schreibtisch komponiert hat und sagte, daß alles Andere dilettantisch sei. Jaja und die Schlager dieser Zeit sind harmonisch teils recht tricky.
 
Von Bach heißt es ausdrücklich, daß er sich in eine "Kammer" zurückgezogen und gegrübelt habe. Von klimpern habe ich da noch nichts gelesen. Und ein großer Improvisator wird man auch nicht ohne ausgereifte Klangvorstellung. Ich rede hier ausdrücklich nicht von Dudeljazzern, sondern dem, was man eben Beethoven & Co. nachsagte und heute z.B. von Gabriela Montero wiederbelebt wird.

Mir ist der Name entfallen, aber Götz Alsman erzählte kürzlich über einen Schlagerkomponisten der 20er, der immer am Schreibtisch komponiert hat und sagte, daß alles Andere dilettantisch sei. Jaja und die Schlager dieser Zeit sind harmonisch teils recht tricky.

Ja, bei Bach glaube ich das sofort. Der wird sich in eine Kammer zurückgezogen haben. So klingen auch seine Werke (nicht wertend gemeint). Sie klingen
recht perfekt, für meinen Geschmack recht karg. Dann hat sein Sohn irgendwann die Fiebel entworfen, die heißt
"Die wahre Art, das Klavier zu spielen". Damit änderte sich auch die Kompositionsart,
die Joseph Haydn zur Vollendung der "Sonatenform" inspirierte. Die Fuge war gestorben und wurde in Beethovens Spätwerken wieder "aufgekocht".
Franz Liszt, hat sich ier kompositorischen Schreibtischgattung dann gar nicht mehr bedient. Es ist nachzulesen, dass Franz Liszt selbst
auf Reisen ein Klaviertastatur-Dummy, ein "Manual" dabei hatte. Das diente einmal dazu, um seine Finger weich zu halten, aber auch dazu, Dinge, .... die
- man kann sagen - zwischen Hand und Hirn zu erschaffen. Franz Liszt konnte mental ohne Klavier offenbar nicht wirklich komponieren. (Er konnte es schon, aber
es wären dann gänzlich andere Werke entstanden).
Ich will es jetzt mal ganz hart ausdrücken: Es ging - speziell bei den Klassikeren und Romantikern - gar nicht immer um die Kompisition als abgeschottetes "schönes"
Klanggebilde. Franz Liszt hat Techniken für das Klavier komponiert viel eher der Technik wegen und nicht dass es kompositorisch von Theoretikern als gut
befunden worden ist. Es ging auch bei Beethoven nicht nur um Klänge, sondern eben auch um die Liebe zu Instrumenten, in diesem Fall zum Klavier und um
die Sportlichkeit und Herausforderung, diese von ambitionierten Pianisten "bedienen" zu lassen.
Es gibt Werke von Franz Liszt, die einfach nie wirklich schön klingen sollen und auch gar nicht mehr fürs "breite" Publikum gedacht waren, sondern wieder
für Pianisten, ein ganz ausgewählter Kreis. In Haydns Zeiten fing die Unterscheidung zwischen "Kenner" und "Liebhaberstücke" an. Die Kennerstücke sind
dann entweder kompositorisch komplexer oder eben sie verlangen dem Interpreten mehr Können ab, häufig auch mehr technisches Können.

Ein Schreibtischkomponist (hab selber so einen mal kennengelernt) kann sich an exorbitanten Läufen, die nicht einen Harmoniewechsel vollziehen, überhaupt
nicht erfreuen. Für ihn sind sie schlichtweg einfach nur Gedudel. Er sieht diese technische Protzerei als unnötig an. Bei Franz Liszt war es wohl häufig umgekehrt.
Es gibt einfach kaum ein Werk von Franz Liszt, welches kompositorisch äußerst komplex mit Verbindung einer technischen- pianistischen Einfachheit einhergeht.

Mein Fazit: Wenn es den Komponisten nur um die Kompisition ginge, wären folgende Konstrukte nie entstanden,
wie z.B. Takt 35 Haydn Sonate XVI:Dest Es-Dur 1972 Autorenangabe Mariano Romano Kayer oder
z.B. Takt 10 1. Satz Hob XVI:38 Es-Dur (reiner 32el diatonischer Lauf in Es-Dur) ... oder auch Takt 9 ff. Hob XVI:37 D-Dur 1. Satz,
der übrigens harmonisch echt einfach ist, doch technisch eindrucksvoll ...
aber auch ganz viele Beethoven-Werke, sehr gut am Lauf in der Op. 110 As-Dur zu sehen.
Oder mein Lieblingswerk die Orage von Franz Liszt, ... ein Werk welches teils aus Teile eines chromatischen Oktavparallel-Lauf besteht,
immer wieder h c cis d - as,g,ges,f (das in unterschiedlichen Oktavhöhen) ... Dann gibst irgendwann ne Modulation nach Fis-dur (jetzt sagen manche:
ooooho .. ganz interessant) Meine Meinung: Nein, es war einfach dann praktisch, diese Stelle auf schwarzen Tasten zu spielen und hat es elegant
moduliert.
Joseph Haydn hat viel am Schreibtisch komponiert, doch nur weil er bereits um die Wirkung und Handhabung der Instrumente wußte.
Er konnte ausgezeichnet die Violine spielen, auch mit dem Klavier war bestens vertraut, doch hat er Läufe über mehrere Oktaven (außer in seinen
Spätwerken Hob XVI: 52 Es Dur 1. Satz) unterlassen.

Zu den Sinfonien: Die Sinfonien sind nicht selten als Klavierfassung erst einmal entstanden.
Man kann meines Erachtens auch keine Sinfonie schreiben, ohne auch nur ein bißchen von den Instrumenten zu verstehen.
Der Schreibtisch ... ist - je mehr ich drüber nachdenke - unwichtig.

So... nun zu meinen nicht gerade verehrten Paul Hindemith, der zwar die Violine lernte, doch seine Werke schon sehr nach "Schreibtisch" klingen.
Die Kompositionen haben echten Anspruch (war ja auch ne andere Zeit), doch wie klingen sie eigentlich? :ugly:

Zahlreiche Werke sind demnach wieder an andere Musiker adressiert und nicht ans breite Publikum (Liszt für Pianisten, Hindemith und Schönberg für theor. Komponisten,
und eben Schlager für die Masse. Das wird auch der Grund sein, warum man Schlager wirklich nur am Schreibtisch komponieren kann)

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Mir ist der Name entfallen, aber Götz Alsman erzählte kürzlich über einen Schlagerkomponisten der 20er, der immer am Schreibtisch komponiert hat und sagte, daß alles Andere dilettantisch sei. Jaja und die Schlager dieser Zeit sind harmonisch teils recht tricky.

Glaube ich Dir sofort. Doch Harmonie ist eben nur eine Mini-Komponente einer Komposition, eine, die komischer Weise von Theoretikern
stark fokussiert wird. In einem Schlager gibts ja auch nicht viel Läufe, die Instrumente zu spielen haben. Man braucht sich mit den
Instrumenten gar nicht so sehr zu beschäftigen.

Da fällt mir gerade etwas am Grabner auf. Ich schätze dieses kleine gelbe Buch eigentlich sehr, doch geht Grabner gar nicht auf
unterschiedliche Arpeggio-Styles ein. Es ist ja auch ein Handbuch der Harmonielehre und nicht der gesamten Lehre der Komposition.
Eine Komposition, die sich nur geschlossener Akkorde bedient, muß zwangsläufig komplex sein, damit sie nicht ganz einschläfernd wirkt.
Komponiert man mit gebrochenen Akkorden, wird wahrscheinlich ein Bruchteil der harmonischen Komplexität notwendig sein, weil diese
neu hinzugekommene Komplexität die harmonische Komplexität kompensiert.
 
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N
  • Gelöscht von Wil_Riker
  • Grund: Verstoß gegen Board-Regel 6
Beethoven hat zeitlebens gegen seine Ertaubung gekämpft und es selbst dann noch nicht wahrhaben wollen, als es nur noch mit Konversationsheften ging, letzter Versuch zu dirigieren war 1824. Dass Beethovens Kampf gegen die Ertaubung absurder war als die Ertaubung selbst, hätte man ihm - mit heutigen Möglichkeiten - anhand von Audiogrammen beweisen können : Beethovens Hörvermögen war bereits um 1800 derart beschränkt, dass es ihm für Kompositionen nicht mehr nützlich sein konnte. Er hatte zum Zeitpunkt seiner vollständigen Ertaubung (ca. 1814 -1816, evtl .auch früher, denn auch Hörreste können als Ertaubung gewertet werden) den Beweis längst quasi hundertfach erbracht, dass er von seinen Ohren unabhängig war.

Diese Erkenntnis hätte ihm mehr geholfen als das beste Hörgerät.

Zu der Frage, ob die Klangvorstellung im Lauf der Zeit verblasst: Seit Kant wissen wir, dass der Vorstellung die Anschauung vorausgeht. Was bedeutet die Klanganschauung? Es ist genau das Vermögen, Töne, Melodie und Harmonie überhaupt erkennen zu können. Dieses Vermögen wird in der Kindheit und Jugend ausgebildet und ist später nicht mehr herstellbar. Kann es verlorengehen?

Nein. Sprach- und Musikwahrnehmung entsprechen einander, sie nutzen das gleiche Sinnesorgan und die gleichen Strukturen im Gehirn. Als die Cochlea-Implantate aufkamen, wurden damit zahlreiche Langzeitertaubte versorgt, die seit 20 jahren und länger ihr Gehör verloren hatten. Das gibt es heute nicht mehr, da praktisch jeder, der sein Gehör akut verloren hat, nach kurzer Zeit so ein "Ding" bekommt. Aber damals hatte man die Langzeitertaubten. Man wusste durch Vortests an jedem einzelnen Ertaubten , dass der Hörnerv elektrisch stimulierbar war und man damit einen Höreindruck hervorrufen konnte. (Andernfalls schied der Kandidat aus.) Die Frage war, ob die damit erzielten Höreindrücke als Sprache aufgefasst werden und entsprechend verarbeitet werden würden. Das war zwar aus neurophysiologischen Überlegungen heraus vorausgesagt worden. Doch als es sich bestätigte, war es dennoch eine Sensation. Die Beschränkungen lagen alleine in der Übertragungsleistung des Implantates und des Hörnerven. Aber nicht im "nachgeschalteten" Gehirn. Auch nach Jahrzehnten der Taubheit nicht. Sofern - und das ist die wesentliche Einschränkung - in der Kindheit noch annähernd normal gehört wurde (vollständiger Spracherwerb).

Beethoven hatte in Kindheit und Jugend normales Hörvermögen und wurde zudem extrem gefördert. Er hatte somit eine innere Klanganschauung entwickelt , der weder das beste Hörgerät noch das beste Implantat je würden entsprechen können. Für Improvisationen am Klavier wäre daher eine Tasten- bezogene visuelle Aussteuerungshilfe anzuraten gewesen. Doch es gab um 1810 weder Midi- noch USB- Anschluss für das Piano.
 
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Ja, bei Bach glaube ich das sofort.

Ich nicht. Denn gerade von Bach ist bekannt, dass er als ein genialer Organist auch fabelhaft improvisieren konnte. Am Hofe des preußischen Königs improvisierte er dreistimmige Fugen (!) über ein höchst diffiziles chromatisches Thema, welches dieser ihm stellte. Erst bei der Sechsstimmigkeit scheiterte er, arbeitete diese später aber im "Musikalischen Opfer" aus.

Ansonsten: wie bereits gesagt wurde, rühren neben der Klavierliteratur insbesondere klassische Sinfonien von einer Ausarbeitung am Klavier her. Was wohl auch der Grund ist, warum deren Reduktion auf einen Klaviersatz zumeist sehr gut funktioniert. Richtig schwierig wird es erst ab Brahms, bei Mahler ab der 5. Sinfonie.
 
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Hast Recht, ... hab da vielleicht zu übereifrig diesen Sachverhalt unterstellt, .. wahrscheinlich auch, um meinen Vorposter Glauben zu schenken.
Übrigens finde ich gerade aber die Orgelwerke von Bach einmalig gut gelungen. Deswegen setze ich mich jedes Jahr Ostern in den Hamburger Michel.
Wenn Bach schon 6-stimmig improvisieren konnte, handelt es sich wirklich um ein überragendes Genie.
 
Genau da scheiterte er ja.

Kirchenmusiker müssen ja normalerweise improvisieren können. Mir sind da auch zwei bekannt an meiner Hochschule, die dreistimmige Fugen und ähnlich polyphones sehr sehr gut improvisieren können. Der Unterschied zu Bach ist da dann allerdings, dass er das auch theoretisch überragend beherrschte. Ich merke sehr häufig beim Fugenschreiben, dass besagte Kirchenmusiker zwar beim schriftlichen Ausarbeiten nicht mithalten können, ich aber beim improvisieren am Klavier (Orgel sowieso) einfach hoffnungslos unterlegen bin. Bach konnte eben beides.
 
Ansonsten: wie bereits gesagt wurde, rühren neben der Klavierliteratur insbesondere klassische Sinfonien von einer Ausarbeitung am Klavier her. Was wohl auch der Grund ist, warum deren Reduktion auf einen Klaviersatz zumeist sehr gut funktioniert. Richtig schwierig wird es erst ab Brahms, bei Mahler ab der 5. Sinfonie.

Weil die Grundlage der 4-stimmige Satz war? Und brauchen wir mehr als 4 Stimmen? Welche Rolle spielen Tredezimakkorde? Theoretisch können für einen Akkord alle 12 Töne verwendet werden, diese noch verteilt auf mehrere Oktaven mit Stimmverdoppelungen, was eine astronomische Zahl an möglichen Akkorden ergibt. Ich wüsste gerne, ob Beethoven überhaupt Undezimakkorde verwendet hat.


Akkorde höherer Terzzahl lassen sich aus Akkordverbindungen herleiten. Bei S - D könnten S1 S3 S5 liegen bleiben und wir erhalten einen Dominantundezimakkord D11. Bei Sp - D könnten Sp1 = D5 , Sp3 = D7 und Sp5 = D9 liegen bleiben und wir erhalten einen Dominantnonakkord D9. Terzverwandtschaften bringen "nur" Septakkorde, zB T - Tp mit liegenbleibender T5 bringt die Tp7 und T - Tg bringt T7+ wobei T1 liegen bleibt.

Für mich ergibt sich die Klangfarbe eines Akkordes aus a) Stellung zur Tonika b) Stellung zum Vorgängerakkord (oder theoretisch einem weiter zurückliegenden) und c) der sich aus einer evtl. Alteration ergebenden Tritonusspannung, z.B. DD = SP mit Tritonus SP3 vs. T1. Die Formel "rückwirkend wird der Akkord x als Funktion y zum Akkord z gehört " entspricht nicht einer Deutung der Klangfarbe des Akkordes x, sondern einer Deutung des zurückliegenden Akkordes x als (Funktions)Bezug auf den Akkord z.
 
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