Also um meine eigentliche, durch falsche Begriffe geprägte Frage zu beantworten:
Das Ansprechverhalten (kippen von clean in crunch) hat nur was mit der Schaltung zu tun?
Ja. Das Zerrverhalten definitiv. Natürlich wird ein Verstärker mit 1W bezogen auf den Schalldruckpegel "früher", also bei geringeren Lautstärken mit der Endstufe verzerren als einer mit 100W, aber der Unterschied ist - bei gleichem Spektrum und gleicher Box usw - 20dB.
Wenn man einen 50W und einen 100W Verstärker nimmt, dann ist der Lautstärkeunterschied (bei gleichem Spektrum ...) nur noch 3dB und somit vernachlässigbar.
Näheres weiter unten...

Jetzt wird mir langsam klar, warum ich aus dem Geschnatter der Schredderhelden nie so richtig schlau geworden bin, wenn es um die "Dynamik" von Amps ging... ich als Techniker bin immer von der technischen Definition ausgegangen, während die Mehrzahl der Gitarristen scheinbar das genaue Gegenteil meint. Allerdings nur bis zu einem gewissen Grad, denn wenn der Cleanbereich allzufrüh endet ist man auch nicht zufrieden.
Meine Hoffnung dass sich die Spieler irgendwann mehrheitlich einen anderen, treffenderen Begriff als "Dynamik" hierfür aussuchen, wird wohl reines Wunschdenken bleiben, auch wenn unsere Sprache sowas ja durchaus hergäbe. Man könnte z.B. von einer "weichen Zerrschwelle" sprechen.
Nachtrag: Wenn man nun "dynamisch" als sprachliches Gegenstück von "statisch" betrachtet, dann verstehe ich den Irrtum auch. Man darf eben nicht nur von "Dynamik" reden, sondern präziser von einem "dynamischen Zerrverhalten". Die "Dynamik" ist im fachüblichen (tontechnischen) Sprachgebrauch der "Dynamikumfang" und steht vor allem in Verbindung mit Tonträgern und Signalprozessoren im absoluten Kontrast zu jeglichem auffälligem Maß von Verzerrungen, denn wo die einsetzen (meist geht man von 1% THD aus) ist man nämlich am Ende der Fahnenstange, äh, Dynamik angekommen...
Tja Stony, das ist genau das Problem. Einige bezeichnen den relativ eckigen Übergang zur hörbaren Verzerrung (wobei alles unter 10% THD je nach Klirrspektrum sowieso als "clean" durchgeht!) als dynamisch, weil man schön durch den Anschlag einfach sehr aggressiv und relativ clean spielen kann (Beispiel: Plexi), andere bezeichnen den sanften Übergang als dynamisch (SLO zum Beispiel) und wieder andere benutzen den Begriff dafür, dass man über den Anschlag wunderbar die Lautstärke kontrollieren kann, weil keine nenennswerte Dynamikkompression stattfindet (Roland Jazz Chorus, Plexi ohne Master mit Volume auf 1...)
Eigentlich ist dieser Begriffswahnsinn ja nix anderes als in der Tontechnik die "Over Easy" Taste bzw eben Soft Knee. Manchen taugt Hard Knee mehr, manchen Soft Knee - je nach Anwendungsfall (Musiker, Instrument, Spielweise, gewünschter Sound usw...).
Der Unterschied zum (normalen, nicht LA2A oder ähnlichem

) Kompressor liegt bei den Gitarrenamps aber darin, dass man den Klirr haben will, also mit der Dynamikreduktion eine bestimmte Oberwellenstaffelung und Generation von Mischprodukten der Eingangstöne einhergeht. => "Sound".
Bezüglich der Dynamik ist der Gitarrenverstärker aber eigentlich ein Kompressor mit Pegel-und spektrumabhängigen Zeitkonstanten und Kompressionsverhalten (Ratio)...
Um aber noch einmal auf die Ausgangsfrage zurück zukommen. IMO wird genau dieses Ansprechverhalten wesentlich durch den Schaltungsaufbau bestimmt. Je nach Vorverstärkung, Endverstärkung und deren Charakteristik setzt die Verzerrung unterschiedlich früh und stark ein. Bei Zerrpedalen bestimmen die Bauteile und deren Verschaltung auch dieses Verhalten.
Bei leistungsstarken Verstärkern ist jedoch noch die Frage, ob man die Lautstärke ertragen bzw. tolerieren kann, um in dem Grenzbereich der Endstufensättigung zu kommen, wo eben dieser so heißbegehrte "Sweet-Spot" liegt, um dem man dann herumspielt..
Siehe oben: Grenzbereich der Endstufensättigung ist NICHT notwendig für eine gewisse Dynamik. Diese kann auch durch Vorstufenschaltungen ohne nennenswerten Leistungsumsatz erreicht werden. Natürlich geht das bei einem alten Verstärker im normalen Zustand (z.B. Plexi) NICHT, weil der nicht dafür ausgelegt ist. Es spricht aber nichts dagegen, das dementsprechend zu bauen, dass es ohne Endstufen- und Trommelfell-Hinrichtung funktioniert.
Leider beschäftigen sich aber nur die allerwenigsten mit dieser Thematik.
MfG Stephan